Marie-Caroline Messerli – «Die Politik ist gefordert, um die Familien stärker zu entlasten.»
Familienrecht

Marie-Caroline Messerli hat an der Universität Basel studiert und im Jahr 2013 mit einem Master of Law abgeschlossen. Anschliessend hat sie diverse Praktika in Anwaltskanzleien in London und in Basel, bei der Jugendanwaltschaft BL und einer schweizweit tätigen Rechtsschutzversicherung absolviert, bevor sie im Jahr 2017 dann das Anwaltspatent erworben hat. Anschliessend arbeitete sie als angestellte Anwältin in einer mittelgrossen Anwaltskanzlei in Basel und absolvierte im Jahr 2023 die Zusatzausbildung als Fachanwältin SAV Familienrecht. Seit 2021 ist Marie-Caroline Messerli Partnerin bei Furer & Partner Rechtsanwälte, wo sie vorwiegend in den Bereichen Familienrecht (Eheangelegenheiten, Trennung, Scheidung, Kindsrecht, Unterhalt, Konkubinat, Trennungs- und Scheidungsverfahren, Güterrechtliche Auseinandersetzung, Beratung in Eheverträgen und Scheidungsverträgen) im allgemeinen Vertragsrecht, Arbeitsrecht und Jugendstrafrecht tätig ist. Als Vizepräsidentin der Sportkommission Basel-Landschaft und Verwaltungsrätin der Birs-Golf AG berät Marie-Caroline Messerli ausserdem auch gerne Sportvereine und Unternehmen in vereins- und sportrechtlichen Fragen. Ausserdem engagiert sie sich in der Politik und setzt sich als Vizepräsidentin der Mitte Basel-Landschaft insbesondere für familienrechtliche Themen in der Politik ein.
Welche Verbindung haben Sie zum Familienrecht?
Mich hat das Familienrecht bereits im Studium sehr interessiert. Während meiner Ausbildung und dann auch in meiner Zeit als angestellte Rechtsanwältin hat sich herauskristallisiert, dass ich diese Fälle sehr gerne bearbeite und ich habe auch viel positives Feedback der Klientschaft erhalten. Das hat mich darin bestärkt, mich in diesem Gebiet weiter zu vertiefen und dann auch die Ausbildung zur Fachanwältin SAV im Familienrecht in Angriff zu nehmen. Mich hat es zudem sehr gereizt, dass jeder Fall wieder eine neue Herausforderung ist, da nie eine Familienkonstellation gleich ist wie die andere und jede Familie ihre eigene Geschichte hat.
Was sind Ihre alltäglichen Herausforderungen?
Das Familienrecht ist oft mit vielen Emotionen behaftet und als Anwältin ist es meine Aufgabe, dem mit der notwendigen Professionalität zu begegnen, sodass die Klientschaft sich verstanden fühlt, und gleichzeitig aber auch den Sachverhalt für das Gericht auf die notwendigen – emotionslosen – Fakten aufzubereiten. Oftmals gelangt die Klientschaft nebst den rechtlichen Fragen auch immer wieder mit zwischenmenschlichen Anliegen oder Erziehungsfragen an mich. Das macht die Arbeit zusätzlich herausfordernd, andererseits aber auch sehr spannend.
Gibt es Anekdoten aus Ihrer Tätigkeit?
In der Anwaltstätigkeit gibt es immer wieder lustige, kuriose oder auch traurige Momente. Besonders berührte mich ein Fall in Basel, bei dem es um die Regelung des Unterhalts und der Kinderbetreuung ging. Nach der Gerichtsverhandlung, bei der wir einen sehr guten Vergleich erzielen konnten, fiel mir die Klientin dankbar um den Hals und bedankte sich herzlich für die Begleitung und Unterstützung. In einem anderen Fall musste ich schmunzeln, als die Gegenseite nach der Gerichtsverhandlung zu mir kam und mir mitteilte, dass er sich beim nächsten Mal gerne von mir vertreten lassen wolle. Leider gibt es auch immer wieder traurige Fälle, in denen Eltern stark verstritten sind und die Kinder darunter leiden. Als Anwältin trägt man hier eine grosse Verantwortung, den Fall nicht unnötig eskalieren zu lassen.
Wenn Sie die Möglichkeit hätten, etwas am Familienrecht ändern zu können, was wäre das?
Ich würde mir pragmatischere und vor allem auch raschere Verfahren wünschen. Eine gute und schnelle Zusammenarbeit mit den Behörden ist gerade in Kinderbelangen und Unterhaltsfragen von grosser Wichtigkeit. Im Vergleich zu anderen Kantonen hat der Kanton Basel-Stadt hier bereits eine Vorreiterrolle.
Welches wäre Ihr wichtigster Tipp in familienrechtlichen Verfahren?
Als Rechtsvertretung hat man in familienrechtlichen Verfahren eine grosse Verantwortung für das in der Trennungszeit sehr fragile Familiensystem. Mein Tipp ist, zunächst das Gespräch zu suchen – lieber einmal zum Telefon greifen und versuchen, eine einvernehmliche Lösung zu finden, bevor man mit langen Rechtsdokumenten und einem förmlichen Verfahren die Fronten verhärtet.
Wie hat sich das Familienrecht in den vergangenen Jahren Ihrer Meinung nach verändert?
Das Bundesgericht hat in den vergangenen Jahren einige wegweisende Leitentscheide erlassen, welche das Familienrecht geprägt haben. Einerseits wurde die Rolle des Vaters mit dem Weg der alternierenden Obhut gestärkt. Andererseits hat sich auch im Bereich der Unterhaltsberechnung viel getan und man ist in sämtlichen Fällen einheitlich zur zweistufigen Unterhaltsberechnungsmethode übergegangen.
Welches sind Ihrer Meinung nach die grössten Stärken und Schwächen im Schweizer Familienrecht?
Eine Schwäche sehe ich in der noch nicht völlig fairen Darstellung der Rolle der Frau im Familienrecht. Besonders unverheiratete Frauen, die in der Trennungssituation stehen und sich während der Elternzeit stärker um die Kinder kümmern, haben oft mehr Nachteile als verheiratete Frauen in ähnlichen Situationen. Positiv finde ich jedoch die neu lancierte Initiative zur Elternzeit, die diese Ungleichgewichte teilweise ausgleichen könnte. Als Stärke des Schweizer Familienrechts sehe ich das klare Bekenntnis zum Kindeswohl, das stets im Vordergrund steht. Auch die Wahlfreiheit im Güterrecht, in dem Ehepaare aus verschiedenen Güterständen wählen können, empfinde ich als sehr positiv.
Welches ist Ihrer Meinung nach die grösste Herausforderung im Schweizer Familienrecht in den kommenden 10 Jahren?
Unsere Gesellschaft befindet sich nach wie vor im Wandel. Die klassische Rollenverteilung rückt immer mehr in den Hintergrund. Das Familienrecht muss all diesen neuen Familienmodellen Rechnung tragen (Patchwork-Familien, gleichgeschlechtliche Ehen mit adoptierten Kindern etc.). Gleichzeitig ist aus meiner Sicht zu beobachten, dass der Druck auf die Familien mit steigenden Kosten, Anforderungen im Beruf und Ansprüche zu Hause immer grösser wird. Hier ist die Politik gefordert, um die Familien stärker zu entlasten.
Nadine Grieder | legalis brief FamR 02.06.2025