Anetta Ilona Speishändler – «Ein korrektes Verhalten des Mieters ist mehr wert als ein hoher Mietzins.»
Mietrecht
Anetta Speishändler lebte bis zu ihrer Heirat 1976 in Ungarn. In Budapest hat sie die Matura und die Pädagogische Hochschule absolviert. In der Schweiz besuchte sie Dr. Raebers Höhere Handelsschule und diverse Buchhaltungskurse. Sie war in diversen Treuhandbüros als Steuerberaterin und Buchhalterin tätig, bevor sie das erste Mal mit der Liegenschaftsverwaltung in Berührung kam. Nach ihrer Arbeit als Leiterin der Liegenschaftsbuchhaltung für verschiedene Immobilienverwaltungen gründete sie im Jahr 2006 die Firma Immobest Verwaltung.
Wann sind Sie das erste Mal mit dem Mietrecht in Kontakt gekommen?
Als ich das erste Mal (vor etwa 20 Jahren) in der Liegenschaftsverwaltung zu arbeiten begonnen habe. Seither hat eine gewaltige Veränderung stattgefunden.
Was sind Ihre alltäglichen Herausforderungen?
Die Mieterschaft selbst und die Gesetze, die sie schützen und keinen Freiraum für eine gerechte Lösung auch zu Gunsten des Eigentümers zulassen. Oft muss die Verwaltung unter streitenden Mietern und selbst unter der eigenen Familie Frieden herbeizaubern und versuchen, alle ihre Probleme zu lösen.
Wenn Sie die Möglichkeit hätten, etwas am Mietrecht/Mietsystem ändern zu können, was wäre das?
Kurz gefasst würde ich als Erstes die Rechte des Eigentümers wieder verbessern und dafür besorgt sein, dass nicht jedes Bagatellen-Anliegen kostenlos zu Lasten der Steuerzahler bei der Schlichtungsbehörde verhandeln werden muss. Die Reklamationen sollten vorher kurz auf die Berechtigung der Klage kontrolliert und mit dem Mieter besprochen werden. Dies würde nicht nur Zeit und Geld sparen, sondern auch zwischen dem Mieter und dem Eigentümer Vertrauen und Dialog fördern und schaffen.
Welches wäre Ihr wichtigster Tipp an die Vermieter, welches an die Mieter?
Unsere Verwaltung versucht, einen Mittelweg bei der Vermietung anzustreben. Das betrifft sowohl den Mietzins, der immer im Mittelbereich ist, als auch unsere Leistungen. Dafür erwarten wir, dass auch die Mieter anständig sind. Ein korrektes Verhalten des Mieters ist wesentlich mehr wert als ein hoher Mietzins. Schlussendlich wird dadurch auf beiden Seiten viel Geld und Ärger erspart.
Wie hat sich das Mietwesen in den vergangenen Jahren Ihrer Meinung nach verändert?
Als ich begonnen habe, in der Verwaltung zu arbeiten, waren die Mieter noch viel vorsichtiger, da sie weniger Rechte hatten und man ihnen viel leichter kündigen konnte. Für die meisten Reparaturarbeiten haben sie die Kosten mittragen und übernehmen müssen. Dadurch waren sie viel sorgfältiger und haben mehr Verantwortung übernommen. Eine Wohnungssuchende mit ausländischer Herkunft hatte fast keine Chance, eine gute Wohnung zu finden. Das alles hat dazu geführt, dass die Mieter die Hausordnung mehr geachtet und die Mietzinse pünktlicher bezahlt haben. Es war klar, dass man auch die Rechte des Mieters revidieren und verbessern muss. Dies darf aber nicht auf die Kosten des Eigentümers gehen und seine Rechte verschlechtern resp. einschränken.
Welches sind Ihrer Meinung nach die grössten Stärken und Schwächen im Schweizer Mietwesen?
Ich empfinde die grösste Stärke auch als die grösste Schwäche. Solange die eine Partei zu stark und die andere zu schwach ist, gibt es keine Balance, was nur zu Problemen führen kann.
Der grösste Schwachpunkt im Schweizer Mietwesen ist die starke Überzeugungskraft des Mieterverbandes, unterstützt durch die Linken. Sie beeinflussen mit teils negativen und nicht zutreffenden Aussagen sowohl die Mieterschaft als auch die Politik sehr ungünstig. Dadurch erschweren und verunmöglichen sie ein gutes und konstruktives Verhältnis und einen Dialog zwischen Mieter und Vermieter. Da der Grossteil der Schweizerinnen und Schweizer Mieter sind, können diese Parteien mit einer breiten Unterstützung in der Bevölkerung rechnen.
Untenstehend sind nur einige Beispiele unkorrekter und gefährlicher Aussagen, die zu einem tiefen Spalt und Misstrauen zwischen Mieter und Verwaltungen führen können:
In den Medien wird überall berichtet, dass in grossen Städten Wohnungsnot herrscht. Oft ist aber das Gegenteil der Fall. Immer häufiger stellen wir fest, dass die neu ausgeschriebenen Wohnungen – vor allem in Zürich und in den grossen Städten – immer schwerer vermietbar sind und trotz gesunkener Mietzinse länger leer stehen.
Ebenso wird behauptet, dass die Mietzinse viel teurer geworden sind, obwohl diese aufgrund des Referenzzinssatzes seit mehreren Jahren deutlich gesunken sind. Obwohl die Hypozinsen teuer geworden sind und die dadurch resultierende Mietzinserhöhung fast zu 80 % korrekt berechnet worden ist, hat der Mieterverband sofort allen Mietern «empfohlen», den neuen Mietzins anzufechten. Wer bezahlt dafür die Kosten für die Schlichtungsverhandlungen? Bei Bekanntgabe der ersten Mietzinserhöhung aufgrund des steigenden Referenzzinssatzes wurde aus Angst vor weiteren Mietzinserhöhungen über ein neues System statt der seit Jahren geltenden Berechnung aufgrund des Referenzzinssatzes diskutiert.
In allen Medien wurde über die extrem gestiegenen Energiekosten geschrieben. Anstatt die Mieter bei den steigenden Energiepreisen zu mehr Energiesparen anzuspornen und die monatlichen Akontozahlungen zu erhöhen, wurde «angeraten», die hohen Heizkostennachzahlungen vorerst anzufechten und kontrollieren zu lassen. Dadurch wird das Vertrauen in die durch die Verwaltungen erstellte Heizkostenabrechnung und in die Verwaltung selbst immer mehr angegriffen und geschädigt. Nur durch extrem viel Zeitaufwendungen und Erklärungen kann die Korrektheit der Heizkostenabrechnung bewiesen (notfalls bei der Schlichtungsbehörde) und der Glaube in die Verwaltung wiederhergestellt werden.
Solange in der Schweiz in unserer Gesellschaft die Mieter als schwach und die Verwaltungen als «das schwarze Schaf» gelten, sehe ich, dass eine immer grösser werdende Kluft zwischen Mietern und Vermietern entstehen wird.
Welches ist Ihrer Meinung nach die grösste Herausforderung im Schweizer Mietwesen in den kommenden 10 Jahren?
Die Balance zwischen den Interessen der Mieter und jenen des Vermieters zu finden und beide zu vertreten. Solange man nur eine Seite berücksichtigt, wird es keine gerechte und gemeinsame Lösung geben. Es darf nicht sein, dass man vor den Mietern Angst haben muss.
Kein Eigentum ausser den Immobilien wird in der Schweiz dem «Fremden Eigentum» unterstellt, und der Eigentümer kann darüber nicht selbstständig verfügen. Dass sehr oft der Eigentümer seine fremdbewohnte Wohnung oder seine Liegenschaft bei wirklichem Eigenbedarf nur durch einen grossen Rechtsstreit selbst bewohnen darf, spricht für sich.
Wenn wir dem Beispiel des Mieterschutzes in Basel folgen, können wir mit einer Wirtschaftskatastrophe rechnen. Die Eigentümer werden womöglich das Interesse an den eigenen Liegenschaften in der Schweiz verlieren, was tatsächlich dazu führen kann, dass weder Renovationen noch Neubauten durchgeführt werden. Das wiederum führt zusätzlich zu fehlenden oder verlorenen Arbeitsplätzen und Wohnungen.
Christian Ruf | legalis brief MietR 04.09.2024