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VORGESTELLT

Jasmin Ruckstuhl – «Online-Plattformen haben die Mietverwaltung effizienter gemacht.»

Mietrecht

Nach ihrer kaufmännischen Ausbildung sammelte Jasmin Ruckstuhl erste Erfahrungen im Immobilienbereich bei der Livit AG. Seit Januar 2022 arbeitet sie bei der Beseder Immobilien GmbH, und im Frühjahr 2024 hat sie erfolgreich den eidgenössischen Fachausweis als diplomierte Immobilienbewirtschafterin erworben. Zudem ist sie Mitglied des Verwaltungsrats mehrerer Familienunternehmen, darunter auch eine Immobilienfirma, und engagiert sich als Genossenschafterin.

Wann sind Sie das erste Mal mit dem Mietrecht in Kontakt gekommen?

Als ich einen Mietvertrag für meine erste Wohnung abgeschlossen habe.

Was sind Ihre alltäglichen Herausforderungen?

Zu den täglichen Herausforderungen gehört die Kommunikation zwischen Mieter und Hauseigentümerschaft, um die bestmögliche Lösung für alle Beteiligten zu finden.

Zudem stehen wir bei der Vermarktung von Mietflächen kontinuierlich vor der Herausforderung, unsere Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten. Angesichts der aktuellen Marktlage ist dies besonders anspruchsvoll.

Gibt es Anekdoten aus Ihrer Tätigkeit im Bereich Mietrecht?

Wir dürfen eine Gewerbeliegenschaft in Adliswil betreuen, welche über ein schweizweit einmaliges Konzept verfügt: Das grosse Flachdach wurde zu einem Tiergehege umfunktioniert, wo eine Schafherde, eine Kaninchenfamilie, ein Bienenvolk und zahlreiche Hühner leben. Das «Tierlidach» ist zugänglich für Besucher, und es können Patenschaften für die Tiere abgeschlossen werden. Die frischen Eier werden in der eingemieteten Landi-Filiale verkauft, wo auch das Futter für die Tiere bezogen wird. Aufgrund meiner familiären Verbindung zum Gebäude kommt es regelmässig vor, dass ich während der Ferienabwesenheiten des Betreuers mit Freude die Tierfütterung am Wochenende übernehme. Dieses Projekt ist für mich das beste Beispiel für gelungene Synergien zwischen verschiedenen Nutzungen und für das harmonische Zusammenspiel von Wirtschaft und Natur.

Wenn Sie die Möglichkeit hätten, etwas am Mietrecht/Mietsystem ändern zu können, was wäre das?

Eine stärkere Unterstützung und Finanzierung für den sozialen Wohnungsbau würde dazu beitragen, den Druck auf den Wohnungsmarkt zu verringern.

Welches wäre Ihr wichtigster Tipp an die Vermieter, welches an die Mieter?

An die Vermieter: Seien Sie proaktiv bei der Behebung von Mängeln, um Mietminderungen zu vermeiden. Informieren Sie sich über die rechtlichen Grundlagen zu Mängeln und Mietminderungen, um Konflikte mit Mietern zu vermeiden.

An die Mieter: Halten Sie alle Kommunikationsschritte aus Beweisgründen schriftlich fest.

Wie hat sich das Mietwesen in den vergangenen Jahren Ihrer Meinung nach verändert?

Ein zentrales Thema ist der Anstieg der Mietpreise in attraktiven Gebieten, der die Erschwinglichkeit für viele Mieter zunehmend beeinträchtigt. Durch die Kostensensibilität reagieren die Mieter ausserdem extremer auf weitere anfallende Kosten wie z.B. Nachzahlungen der Heiz- und Nebenkostenabrechnungen oder Mietzinserhöhungen.

Ein weiterer bemerkenswerter Trend ist die zunehmende Digitalisierung. Online-Plattformen für Mietverträge und Kommunikation haben die Verwaltung effizienter gemacht, aber auch neue Herausforderungen in Bezug auf Datenschutz und Sicherheit geschaffen.

Welches sind Ihrer Meinung nach die grössten Stärken und Schwächen im Schweizer Mietwesen?

Stärke: Das System der Schlichtungsstellen ermöglicht eine kostengünstige und effiziente Konfliktlösung, bevor es zu langwierigen Gerichtsverfahren kommt. Dies fördert eine einvernehmliche Klärung von Streitigkeiten.

Schwäche: Während es in einigen Regionen einen Mangel an bezahlbarem Wohnraum gibt, ist das Angebot in anderen Gebieten oft überdurchschnittlich. Dies schafft eine Ungleichheit, die schwer zu beheben ist. Zudem dürfen leerstehende Gewerbeflächen oftmals aus politischen Gründen und fehlender Zonenkonformität nicht zu Wohnraum umgenutzt werden.

Welches ist Ihrer Meinung nach die grösste Herausforderung im Schweizer Mietwesen in den kommenden 10 Jahren?

Die grösste Herausforderung wird voraussichtlich der Mangel an bezahlbarem Wohnraum sein. Angesichts der anhaltend steigenden Mietpreise in städtischen Gebieten wird es immer schwieriger für Haushalte mit mittlerem und niedrigem Einkommen, geeigneten Wohnraum zu finden.

Christoph Meyer | legalis brief MietR 06.11.2024