Jennifer Frischknecht – «Das Mietrecht ist mehr in den Fokus der Gesellschaft gerückt.»
Mietrecht
Jennifer Frischknecht hat an der Universität Zürich und der Stockholms Universitet Rechtswissenschaften studiert und Anfang 2022 ihren Master abgeschlossen. Nach einem sechsmonatigen Praktikum beim Bund hat sie Ende 2022 ihr Auditorat am Bezirksgericht Winterthur begonnen. Seit Sommer 2023 arbeitet sie als Gerichtsschreiberin am Bezirksgericht und ist primär als Vorsitzende der Schlichtungsbehörde in Miet- und Pachtsachen tätig.
Wann sind Sie das erste Mal mit dem Mietrecht in Kontakt gekommen?
Den ersten Kontakt mit dem Mietrecht hatte ich während dem Studium an der Universität und beim Abschluss meines ersten eigenen Mietvertrages. Vertieft mit dem Mietrecht setze ich mich seit meiner Tätigkeit auf der Schlichtungsbehörde auseinander.
Was sind Ihre alltäglichen Herausforderungen?
Die steigende Anzahl an Verfahren und die auch in rechtlicher Hinsicht immer komplexeren Fälle beschäftigen uns tagtäglich. Dies führt jedoch auch dazu, dass man immer wieder mit neuen Fragenstellungen konfrontiert wird und so das Wissen im Mietrecht stetig erweitern kann.
Gibt es Anekdoten aus Ihrer Tätigkeit im Bereich Mietrecht?
Während den knapp zwei Jahren als Schlichtungsvorsitzende habe ich bereits einige Verhandlungen miterlebt, welche ich nicht mehr so schnell vergessen werde. Man trifft hier immer wieder auf Menschen mit den verschiedensten Anliegen und Emotionen. Ich freue mich jeweils aber umso mehr, wenn wir gemeinsam mit den Parteien eine Lösung finden und sie zufrieden nach Hause gehen können. In Erinnerung wird mir sicherlich auch bleiben, wie sich die Akten im Büro anlässlich der ersten Welle der Mietzinserhöhungen gestapelt haben.
Wenn Sie die Möglichkeit hätten, etwas am Mietrecht/Mietsystem ändern zu können, was wäre das?
Die strengen prozessualen Vorgaben bieten insbesondere bei der Anfechtung von Kündigungen in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten. Hier wäre eine laienfreundlichere Vorgehensweise wünschenswert.
Welches wäre Ihr wichtigster Tipp an die Vermieter, welches an die Mieter?
Sowohl Vermietern als auch Mietern würde ich raten, besser und offener miteinander zu kommunizieren und Verständnis für die Gegenseite zu zeigen. Erfahrungsgemäss könnten viele Probleme so ohne den Einbezug der Schlichtungsbehörde gelöst werden. Sollte dies nicht mehr möglich sein, so würde ich beiden Seiten raten, sich besonders bei komplizierten Angelegenheiten vor der Einleitung eines Verfahrens rechtlich beraten zu lassen, um prozessuale Fehler zu vermeiden.
Wie hat sich das Mietwesen in den vergangenen Jahren Ihrer Meinung nach verändert?
Da ich noch nicht sehr lange im Mietrecht tätig bin, ist dies schwierig zu beantworten. Was ich aber bereits in dieser kurzen Zeit feststellen konnte, ist, dass das Mietwesen allgemein und auch das Mietrecht mehr in den Fokus der Gesellschaft gerückt ist. Dies zeigt sich zum einen an den gestiegenen Fallzahlen und zum anderen an den diversen politischen Vorstössen.
Welches sind Ihrer Meinung nach die grössten Stärken und Schwächen im Schweizer Mietwesen?
Die grösste Stärke des Mietrechts liegt aus meiner Sicht im Schlichtungsverfahren. Dieses bietet sämtlichen Parteien die Möglichkeit, kostengünstig und niederschwellig eine Lösung miteinander zu finden.
Als Schwäche würde ich das System der Mietzinsberechnung bezeichnen. Die komplexen Berechnungen und Berechnungsmethoden sind sowohl für Vermieter als auch für Mieter kaum nachvollziehbar.
Welches ist Ihrer Meinung nach die grösste Herausforderung im Schweizer Mietwesen in den kommenden 10 Jahren?
Die Wohnungsnot und die steigenden Mietpreise beschäftigen das Schweizer Mietwesen bereits heute enorm. Dies wird wohl auch in den nächsten Jahren ein zentrales Thema bleiben.
Daniel Wiesendanger | legalis brief MietR 04.06.2025