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VORGESTELLT

Peter Zahradnik – «Es zahlt sich aus, wenn man an Schlichtungsverhandlungen gut kopfrechnen kann.»

Mietrecht, Schlichtungsbehörde

Peter Zahradnik schloss 1984 sein Studium an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich ab. Zwischen 1987 und 1989 nahm er als Delegierter an Auslandeinsätzen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) teil. Von 1991 bis 1996 war er Vorsitzender respektive Leiter der Schlichtungsbehörde in Mietsachen in Zürich; seit 1996 geht er einer Anwaltstätigkeit in Affoltern am Albis nach. Er ist Vertrauensanwalt und Vorstandsmitglied des Mieterinnen- und Mieterverbandes Zürich, Mitautor des Kommentars «Mietrecht für die Praxis» (8., 9. und 10. Auflage) sowie ehemaliger Co-Redaktor von «mp», der Zeitschrift für schweizerisches Mietrecht.

Wann sind Sie das erste Mal mit dem Mietrecht in Kontakt gekommen?

Als Auditor auf der neu konstituierten Schlichtungsbehörde Zürich nach Inkrafttreten des neuen Mietrechts 1990.

Was sind Ihre alltäglichen Herausforderungen?

Bei vielen gleichzeitig laufenden Schlichtungsfällen – mit der Vorbereitung von Verhandlungen und dem Mailverkehr mit Klienten und Anwälten – den Überblick zu behalten. Genug Zeit zu haben, um den Klienten zuzuhören.

Gibt es Anekdoten aus Ihrer Tätigkeit im Bereich Mietrecht?

Es zahlt sich buchstäblich aus, wenn man an Schlichtungsverhandlungen beim Feilschen um Mietzinserhöhungen wie früher gelernt gut kopfrechnen kann.

Wenn Sie die Möglichkeit hätten, etwas am Mietrecht/Mietsystem ändern zu können, was wäre das?

Ich würde den für alle Beteiligten unsäglich komplizierten Mietzinsanpassungsmechanismus mit Berechnung nach der relativen Methode und Anpassung an die Orts- und Quartierüblichkeit abschaffen und die Anbindung der Mietzinsen zu 80 % an die Teuerung einführen.

Welches wäre Ihr wichtigster Tipp an die Vermieter, welches an die Mieter?

An die Vermieterpatrons der alten Schule: Es ist gefährlich geworden, bei Streit mit den Mietenden wegen Eigenbedarf zu kündigen oder damit zu drohen.

An die Mieterinnen: Sie sollten sich bei Mietzinserhöhungen und Kündigungen immer fachliche Beratung einholen (z.B. beim Mieterinnen- und Mieterverband).

Wie hat sich das Mietwesen in den vergangenen Jahren Ihrer Meinung nach verändert?

Es ist erschreckend, wie sich die Praxis der Gültigkeit der Kündigungen bei Sanierungskündigungen sowie die Dauer von gewährten Erstreckungen bei Schlichtungsbehörden und Gerichten zulasten der Mieter verändert haben.

Welches sind Ihrer Meinung nach die grössten Stärken und Schwächen im Schweizer Mietwesen?

Stärken: Im Gegensatz zum Mietrecht vor 1990 können treuwidrige Kündigungen mittlerweile aufgehoben werden.

Schwächen: Es gibt für die Mieter zu wenig Möglichkeiten, zu verhindern, dass die Vermieter zu hohe Mieterträge erzielen.

Welches ist Ihrer Meinung nach die grösste Herausforderung im Schweizer Mietwesen in den kommenden 10 Jahren?

Zu verhindern, dass immer mehr Versicherungen und Pensionskassen den Schweizerischen Wohnungsmarkt kontrollieren und Mietzinserhöhungen respektive die Anfangsmietzinsen nicht kontrolliert und, wo nötig, korrigiert werden können.

Christian Ruf | legalis brief MietR 07.05.2024