Fabian Hammer – «Es würde mich interessieren, für einen Tag in die Rolle des Stammesältesten eines indigenen Volkes zu schlüpfen.»

StPO

Fabian Hammer ist im Jahr 1991 geboren und in Basel aufgewachsen. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften, mehreren Volontariaten sowohl bei der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, dem Strafgericht Basel-Landschaft und einer kurzen Zeit als a.o. Untersuchungsbeamter bei der Staatsanwaltschaft Solothurn arbeitet er heute als Staatsanwalt im Kanton Basel-Stadt in der Abteilung Wirtschaftsdelikte. Schwerpunkt seiner derzeitigen Arbeit liegt in der Bearbeitung von Betrugsfällen im Zusammenhang mit Covid-19-Krediten.

Wann sind Sie das erste Mal mit dem Strafrecht in Kontakt gekommen?

Das erste Mal war – wie vermutlich für viele Juristen – zu Beginn des Studiums der Rechtswissenschaften in Basel. Der Funken der Begeisterung entfachte sich bei mir bereits während der Vorlesung zum Allgemeinen Teil des StGB. Im späteren Verlauf des Studiums wurde ein damaliger Mitbewohner von mir in Basel Opfer einer körperlichen Auseinandersetzung. Ich begleitete ihn als Zuschauer zur Gerichtsverhandlung. Dieses Strafverfahren führte mir deutlich vor Augen, wie belastend ein solches schlussendlich für alle beteiligten Parteien ist. Für mich war immer klar, dass ich in einem rechtswissenschaftlichen Bereich arbeiten will, der die Menschen bewegt. Diese Erfahrung während des Studiums hat mich darin bestärkt, dass das Strafrecht das richtige Tätigkeitsfeld für mich ist und dass ich dazu beitragen kann, den betroffenen Personen ein faires Verfahren zu garantieren.

Was sind Ihre alltäglichen Herausforderungen?

Eine wesentliche Herausforderung meiner täglichen Arbeit besteht in der Ermittlung des relevanten Sachverhaltes eines Straffalles. Zu Beginn habe ich eine Ermittlungsstrategie festzulegen. Diese muss ich im Verlauf der Ermittlung überprüfen und allenfalls anpassen. Gerade in der Wirtschaftskriminalität ist es oft möglich, anhand von verschiedenen Dokumenten (Bankunterlagen, Buchhaltung, Steuerunterlagen etc.) einen Sachverhalt rekonstruierbar zu machen. Die Kunst besteht darin, all diese Puzzleteile zu finden oder zu wissen, wo diese überhaupt auffindbar sind, und sie danach zusammenzusetzten. Die interessanteste Beweiserhebung ist für mich aber ohne Zweifel die Einvernahme mit den beteiligten Personen. Nicht zuletzt hier lerne ich stetig dazu.

Wir Staatsanwältinnen und Staatsanwälte hören oft den Vorwurf, wir würden bei jeder Ermittlung mit einer Schuldhypothese arbeiten und somit grundsätzlich davon ausgehen, dass die Vorwürfe gegen den Beschuldigten zutreffen. Dies ist schlicht falsch. Wir ermitteln ebenso engagiert die entlastenden Tatsachen wie die belastenden. Ein Abschluss des Verfahrens mittels einer Einstellungsverfügung ist deshalb für mich ebenso ein Erfolg wie ein Abschluss mittels Strafbefehls oder einer Anklage am Gericht.

Herausfordernd ist schliesslich, trotz einer grossen Arbeitsbelastung, die Fälle möglichst effizient voranzutreiben, wobei dies stets auch ein Zusammenwirken von mehreren Beteiligten und/oder Behörden voraussetzt.

Mit welcher Person aus dem Bereich des Strafrechts (aktuell oder historisch) würden Sie gerne für einen Tag die Rollen tauschen?

Es gäbe für mich viele Personen, mit denen ich gerne für einen Tag die Rolle tauschen würde, um neue Perspektiven zu gewinnen. Es würde mich bspw. interessieren, für einen Tag in die Rolle des Stammesältesten eines indigenen Volkes zu schlüpfen und zu lernen, mit welchen Massnahmen in anderen Gesellschaften die soziale Ordnung nach einem Verstoss gegen die gemeinsamen Regeln aufrechterhalten wird.

Haben Ihre Erfahrungen mit dem Strafrecht Sie bzw. die Sicht auf Menschen verändert?

Nein. Ich gehe nach wie vor davon aus, dass der Mensch in der Natur seines Wesens hilfsbereit und gesetzestreu ist. Ich kann gut abstrahieren, dass wir in unserer Arbeit oftmals mit Ausnahmesituationen im Leben von Menschen zu tun haben.

Machen Strafen Menschen zu besseren Leuten?

Nein, das machen sie meiner Meinung nach nicht und das ist wohl auch nicht Sinn und Zweck einer Strafe. Ich würde grundsätzlich nicht zwischen besseren und schlechteren Menschen unterscheiden. Strafen sind wichtig, um das Gerechtigkeitsgefüge nach einem Regelverstoss wiederherzustellen. Die Gesellschaft und vor allem das Opfer können sich durch Straftaten stark ungerecht behandelt fühlen. Eine Strafe soll nicht zuletzt diesem Ungerechtigkeitsgefühl entgegenwirken. Damit sind sie für unser gesellschaftliches Zusammenleben zentral. Sicher können Strafen bei manchen Tätern auch dazu führen, dass diese ihre Handlungen und ihre Denkweise hinterfragen. Dies ist aber ganz individuell und hängt vom Einzelfall ab. Selbstverständlich gäbe es zum Sinn und Zweck von Strafen noch viele andere Aspekte, die man diskutieren könnte.

Wenn Sie die Möglichkeit hätten, was würden Sie ändern (Strafnormen, Strafsystem, Prozess etc.)?

Das Strafrecht und damit zusammenhängend das Strafprozessrecht werden immer komplexer und formalistischer. Entsprechend schwieriger wird es, diesen neuen Herausforderungen mit gleichbleibenden Ressourcen sowohl personell wie materiell zu begegnen. Ich wünsche mir daher, dass die Politik die hohe Arbeitsbelastung der Strafverfolgungsbehörden erkennt und uns mehr Ressourcen zuspricht. Sodann sollte der Polizistenberuf eine Aufwertung erfahren. Dazu gehören auch bessere Arbeitsbedingungen, um den bestehenden personellen Engpässen zu begegnen. Die Polizei ist der wichtigste Partner der Staatsanwaltschaft, und wenn die Polizei einen personellen Engpass bekundet, dann wirkt sich dies entsprechend stark auf unsere Strafverfahren aus.

Mateja Smiljic | legalis brief StrR 18.09.2023