Peter Epple – «Die Arbeit im Bereich des Strafrechts hat mir aufgezeigt, dass Menschen höchst selten einfach gut oder böse sind.»

Straf- & Strafprozessrecht

Peter Epple hat in Basel sowie Paris Jura studiert und nach seinem Studium die vielfältigen beruflichen Möglichkeiten im Rahmen von verschiedenen Volontariaten, unter anderem auch beim Strafgericht Basel-Stadt, erkundet. Der dortige Einblick in das Strafrecht begeisterte ihn, zeigte ihm jedoch auch, dass er nicht für die Gerichtsarbeit, sondern für die Verteidigung und Opfervertretung gemacht ist. Daher nahm er nach den Anwaltsprüfungen 2018 bei einer regionalen Anwaltskanzlei als Anwalt der ersten Stunde im Rahmen von Pikett-Mandaten sowie als Opfervertreter die Arbeit im Strafrecht auf. Heute ist er – inzwischen mit der eigenen Kanzlei BIRSLEX Advokatur – nach wie vor in diesen Bereichen tätig.

Wann sind Sie das erste Mal mit dem Strafrecht in Kontakt gekommen?

Glücklicherweise war dies erst im Studium, als ich in meiner damaligen Funktion als Präsident einer Studentenverbindung bei der Polizei eine Anzeige aufgeben musste, da uns ein wertvoller Gegenstand gestohlen wurde. Die Sache liess sich in der Folge zum Glück klären, sodass die weiteren Kontakte mit dem Strafrecht erst im eingangs bereits erwähnten Gerichtspraktikum sowie in einem weiteren Volontariat im Rechtsdienst der Polizei Basel-Landschaft erfolgten.

Was sind Ihre alltäglichen Herausforderungen?

Als grosse Herausforderung erachte ich den richtigen Umgang mit den Klienten. Verständlicherweise sind die Situationen einer beschuldigten oder einer geschädigten Person komplett anders und verlangen eine differenzierte Betreuung und Vertretung. Unabhängig von diesen Unterschieden erachte ich es jedoch insgesamt als anspruchsvoll, die Leute zwar stets in ihren Anliegen, Hoffnungen und Wünschen zu hören, ihnen gleichzeitig aber auch reinen Wein in Bezug auf die Möglichkeiten und Chancen einzuschenken. Hierbei spielen insbesondere die langen Verfahrensdauern eine grosse Rolle, wofür den Mandantinnen und Mandanten oft das Verständnis fehlt.

Mit welcher Person aus dem Bereich des Strafrechts (aktuell oder historisch) würden Sie gerne für einen Tag die Rollen tauschen?

Ich würde gerne einmal einen Tag in die Rolle der Ermittler eines Strafrechtsfalls schlüpfen und dabei erleben, wie es ist, einen Fall von dieser Seite zu bearbeiten. Aufgrund der klaren Rollenverteilung im Strafrecht hat man als Verteidiger und Opfervertreter bekanntlich wenig Einsicht in die eigentliche Ermittlungstätigkeit. Diesen Einblick stelle ich mir sehr spannend vor und er würde wohl dem einen oder anderen von uns auch ein besseres Verständnis für diese Tätigkeit im Verfahren ermöglichen.

Haben Ihre Erfahrungen mit dem Strafrecht Sie bzw. die Sicht auf Menschen verändert?

Absolut. Die Arbeit im Bereich des Strafrechts hat mir aufgezeigt, dass Menschen höchst selten einfach gut oder böse sind und Straftaten meist aus einer Situation heraus geschehen, welche auf diverse Geschehnisse im Voraus aufbaut und durch die Vergangenheit und den Einfluss weiterer externer Faktoren begründet wird. Menschen oder eine Tat zu schubladisieren, bringt aus meiner Sicht wenig. Vielmehr sollten stets der Einzelfall und dessen Hintergründe berücksichtigt werden, um ein Verständnis für den gesamten Sachverhalt zu erlangen.

Machen Strafen Menschen zu besseren Leuten?

Ich denke, die Strafe an sich ändert die Menschen nicht. Bestenfalls kann die Angst davor, bestraft zu werden, jemanden davon abhalten, eine Straftat zu begehen. Die Strafe als Institut scheint mir jedoch wichtig für die Gesellschaft und insbesondere für die Opfer, sodass diese eine Tat verarbeiten und mit dieser nach der Bestrafung abschliessen können.

Wenn Sie die Möglichkeit hätten, was würden Sie ändern (Strafnormen, Strafsystem, Prozess etc.)?

Ein Punkt, welcher mir spontan in den Sinn kommt, ist die Akteneinsicht der Verteidigung der ersten Stunde im Vorgang zu einer angesetzten Zwangsmassnahmengerichtsverhandlung. Mir sind die Gegebenheiten in anderen Kantonen zu wenig geläufig, an den Gerichten in Basel und Basel-Landschaft erhält man jedoch für gewöhnlich lediglich eine Stunde vor Verhandlungsbeginn für das Aktenstudium sowie den Austausch mit der beschuldigten Person. Dass diese kurze Dauer – gerade in grösseren Fällen mit umfangreichen Akten – kaum zu genügen vermag, liegt auf der Hand und birgt die Gefahr, dass die Verteidigung in diesem Moment zum Feigenblatt verkommt. Um eine wirksame Vorbereitung und damit eine einem Rechtsstaat würdige Verteidigung gewährleisten zu können, wäre meines Erachtens eine deutlich längere Dauer resp. die Vorabzustellung der Akten erforderlich.

Sandro Horlacher | legalis brief StrR 19.03.2024