«Kosten Skiferien»

Entscheid der Schweizerischen Lauterkeitskommission (SLKE) vom 30. April 2024 (Plenum)

Mitgeteilt von Mischa Senn,
Prof. Dr. iur., Fachexperte und VizeprĂ€sident der SLK, ZĂŒrich.

UWG 2 (Anwendungsbereich).

Eine Medienmitteilung ist als «Verhalten» gemĂ€ss der Generalklausel zu beurteilen. UnabhĂ€ngig vom Vorliegen der sachlichen Anwendbarkeit der UWG-Bestimmung ist fĂŒr FĂ€lle, welche die Schweizerische Lauterkeitskommission (SLK) zu beurteilen hat, zu prĂŒfen, ob deren sachliche ZustĂ€ndigkeit auch gegeben ist (E. 1–4 Plenum).

SLK-GS A.3.1 (Begriff kommerzielle Kommunikation).

GemÀss dem SLK-Grundsatz zum Begriff Kommerzielle Kommunikation zeichnet sich diese dadurch aus, dass sie zum Hauptzweck hat, den Abschluss von RechtsgeschÀften oder deren Verhinderung zu beeinflussen.

Das Tatbestandselement des Hauptzweckes ist dahingehend auszulegen, dass mit der Kommunikation primÀr eigene Zwecke verfolgt werden. Kommerzielle Kommunikation liegt somit dann vor, wenn der Anbieter eigene kommerzielle Interessen mit Blick auf den Abschluss von RechtsgeschÀften oder deren Verhinderung verfolgt (E. 5 und 6 Plenum).

Vorliegend verfolgte die Anbieterin mit ihrer Medienmitteilung keine erkennbaren eigenen kommerziellen Interessen im Hinblick auf ihr KerngeschĂ€ft (BankgeschĂ€fte) (E. 7 Plenum).​1

LCD 2 (Champ d’application).

Un communiquĂ© de presse doit ĂȘtre jugĂ© comme un «comportement» au sens de la clause gĂ©nĂ©rale. IndĂ©pendamment de l’applicabilitĂ© matĂ©rielle de la disposition de la LCD, il convient de vĂ©rifier Ă©galement, pour les cas qui doivent ĂȘtre jugĂ©s par la Commission Suisse pour la LoyautĂ© (CSL), la compĂ©tence matĂ©rielle de cette derniĂšre (consid. 1–4 sĂ©ance plĂ©niĂšre).

RĂšgles de la CSL A.3.1 (Concept de communication commerciale).

Selon la rĂšgle de la CSL relative au concept de communication commerciale, celle-ci se caractĂ©rise par le fait qu’elle a pour objectif principal d’inciter Ă  conclure une transaction ou d’empĂȘcher la conclusion d’une telle transaction.

L’élĂ©ment constitutif de l’objectif principal doit ĂȘtre interprĂ©tĂ© en ce sens que la communication poursuit en premier lieu des objectifs propres. Il y a donc communication commerciale lorsque le prestataire poursuit ses propres intĂ©rĂȘts commerciaux en vue de conclure des transactions ou d’empĂȘcher leur conclusion (consid. 5 et 6 sĂ©ance plĂ©niĂšre).

En l’espĂšce, le prestataire ne poursuivait pas, par son communiquĂ© de presse, d’intĂ©rĂȘts commerciaux propres reconnaissables qui soient liĂ©s Ă  son activitĂ© principale (activitĂ©s bancaires) (consid. 7 sĂ©ance plĂ©niĂšre).​2

Sachverhalt

Ein von einer Aktiengesellschaft betriebenes lokales TourismusbĂŒro (nachstehend BeschwerdefĂŒhrerin) reichte eine Beschwerde gegen eine Medienmitteilung einer Bank ein. In dieser Mitteilung wurden die Ergebnisse einer Untersuchung wiedergegeben, worin Angaben zu Preisen von UnterkĂŒnften und Dienstleistungen ausgewĂ€hlter touristischer Skiorte enthalten waren. Der von der Bank (Beschwerdegegnerin) mit «Analyse» bezeichneten Untersuchung lag u.a. die Frage zugrunde, was eine Woche Skiferien in der zweiten Februarwoche 2024 kosten wĂŒrde.

Die BeschwerdefĂŒhrerin begrĂŒndete die Beschwerde u.a. damit, dass es sich bei der Medienmitteilung um eine unlautere kommerzielle Kommunikation handle, da diese nicht den lauterkeitsrechtlichen Vorgaben wie ObjektivitĂ€t und VollstĂ€ndigkeit entspreche. Zudem lasse die gewĂ€hlte Untersuchungsmethodik nicht zu, objektive und reprĂ€sentative Aussagen ĂŒber die tatsĂ€chlichen Kosten abzuleiten. Die dargestellten Grafiken und Pauschalaussagen seien fĂŒr den Durchschnittskonsumenten weder verstĂ€ndlich noch nachvollziehbar.

|Die Beschwerdegegnerin fĂŒhrte u.a. aus, dass sich die Kommunikation an Medienschaffende, Journalisten, Analysten und Touristiker richte, welche die Medienmitteilung genau lesen wĂŒrden und in der Lage seien, die sich aus der Art der Testerhebung allenfalls ergebenden «Ausreisser» im zur Frage stehenden Skiort einzuordnen und zu verstehen. Eine IrrefĂŒhrung aufgrund einer unlauteren DurchfĂŒhrung und Veröffentlichung von Tests liege nicht vor.

Die mit diesem Fall befasste Erste Kammer ĂŒberwies die Sache ans Plenum, da es ihrer Ansicht nach bei diesem Fall um eine Sache von grundlegender Bedeutung ging, indem insbesondere zu entscheiden sei, ob bei dieser Mitteilung ĂŒberhaupt eine kommerzielle Kommunikation im Sinne der SLK-GrundsĂ€ze vorliege. Da das Plenum zum Schluss kam, dass hier keine kommerzielle Kommunikation vorliege, war in der Sache (unlauteres Verhalten) nicht zu entscheiden. Auf die Beschwerde wurde nicht eingetreten.

ErwÀgungen der I. Kammer:

1. Nach Ansicht der BeschwerdefĂŒhrerin ist die beanstandete kommerzielle Kommunikation (Medienmitteilung) der Beschwerdegegnerin unlauter, weil sie den Grundsatz Nr. B.6 «DurchfĂŒhrung und kommerzielle Kommunikation von Tests» sowie die Richtlinie fĂŒr Tests der Lauterkeitskommission verletze. Der Inhalt der Medienmitteilung widerspreche insbesondere den lauterkeitsrechtlichen Vorgaben von ObjektivitĂ€t, Wahrheit, Klarheit, VollstĂ€ndigkeit und Nachvollziehbarkeit. Es sei irrefĂŒhrend, wenn die Preise von drei noch verfĂŒgbaren UnterkĂŒnften auf Airbnb als Basis fĂŒr eine Infografik verwendet wĂŒrden, welche den Titel trĂ€gt «Was kostet eine Woche Skiferien fĂŒr eine vierköpfige Familie im 2024?». Ebenfalls irrefĂŒhrend sei es, wenn in diesem Zusammenhang generalisierte Aussagen zur Preisentwicklung von Skiferien in Saas-Fee gemacht wĂŒrden. Der von der Beschwerdegegnerin kommunizierte Ferienwohnungspreis von CHF 5’813 im genannten Zeitraum entspreche – bei ĂŒber 2’719 GĂ€stebetten in Ferienwohnungen – keinesfalls dem realen Durchschnittspreis. Die gewĂ€hlte Untersuchungsmethodik lasse nicht zu, objektive und reprĂ€sentative Aussagen zur Höhe und Entwicklung der Kosten von Ski-ferien in Saas-Fee zu machen. Die in der beanstandeten kommerziellen Kommunikation verwendeten Grafiken und Pauschalaussagen, insbesondere Saas-Fee als Gewinnerin des Hochpreisrankings zu bezeichnen, sei fĂŒr einen Durchschnittskonsumenten vor diesem Hintergrund weder verstĂ€ndlich noch nachvollziehbar. Die BeschwerdefĂŒhrerin beanstandet zudem, dass sie vor Publikation der Ergebnisse keinerlei Möglichkeit auf Anhörung gehabt habe.

2. Die Beschwerdegegnerin beantragt die vollumfĂ€ngliche Abweisung der Beschwerde. Die beanstandete kommerzielle Kommunikation richte sich an Medienschaffende, Journalisten, Analysten und Touristiker, welche die Medienmitteilung genau lesen wĂŒrden und in der Lage seien, die sich aus der Art der Testerhebung allenfalls ergebenden «Ausreisser» betreffend die Höchstpreise in Saas-Fee unter Beachtung der Kommentare einzuordnen und zu verstehen. Es werde in der Medienmitteilung detailliert dargelegt, dass die Datenerhebung ĂŒber die Preise von Ferienwohnungen ausschliesslich auf Informationen eines einzelnen Portals basiere, und dass dabei lediglich die Preise der zu einem bestimmten Zeitpunkt verfĂŒgbaren Angebote berĂŒcksichtigt worden seien. Es sei auch auf Verzerrungseffekte hingewiesen worden. Entsprechend seien auch auftretende Extrempreise explizit angesprochen, kommentiert und kontextualisiert worden. Der Testmodus behandle alle Getesteten gleich. Die Testerhebung, welche jĂ€hrlich nach den gleichen Vorgaben im Sinne einer Momentaufnahme erfolge, operiere weder mit unwesentlichen Vergleichsfaktoren noch wĂŒrden im Rahmen der Publikation wesentliche Tatsachen verschwiegen. Insgesamt wĂŒrden die Durchschnittsadressaten nicht in die Irre gefĂŒhrt, die lauterkeitsrechtlichen Vorgaben zur DurchfĂŒhrung und Veröffentlichung von Tests seien respektiert worden und die BeschwerdefĂŒhrerin habe ĂŒber kein Anhörungsrecht vor Veröffentlichung der Testergebnisse verfĂŒgt.

3. Soweit ein grundsÀtzlicher Sachverhalt noch nicht vom Plenum auf seine tatbestandsmÀssige Unlauterkeit hin prÀjudiziell beurteilt worden ist, kann eine Kammer aus eigener Initiative die Sache dem Plenum zur Beurteilung unterbreiten (Art. 15 Abs. 2 des GeschÀftsreglements der Lauterkeitskommission).

4. Beim vorliegenden Sachverhalt ist einerseits strittig, ob es sich bei der vorliegenden Medienmitteilung um kommerzielle Kommunikation im Sinne von Art. 1 Abs. 3 des GeschĂ€ftsreglements und des Grundsatzes Nr. A.3. der Lauterkeitskommission handelt. Andererseits ist strittig, ob im vorliegenden Fall die Richtlinien fĂŒr Tests zur Anwendung gelangen.

5. Da es sich nach Auffassung der Kammer um eine Sache von grundlegender Bedeutung handelt, unterbreitet die Kammer gestĂŒtzt auf Art. 15 Abs. 2 des GeschĂ€ftsreglements die vorliegende Beschwerde dem Plenum zur Beurteilung.

Beschluss der Ersten Kammer: Die Beschwerde wird dem Plenum zur Beurteilung unterbreitet.

ErwÀgungen des Plenums:

1. Das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) bezweckt gemÀss Art. 1 den lauteren und unverfÀlschten Wettbewerb im Interesse aller Beteiligten zu gewÀhrleisten. Nach Art. 2 UWG ist unlauter und widerrechtlich jedes tÀuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten oder GeschÀftsgebaren, welches das VerhÀltnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst. Mit dem Begriff des «Verhaltens», der im Zusammenhang mit der Beeinflussung der Wettbewerbsbezie|hungen zu verstehen ist, wird der sachliche Anwendungsbereich des UWG weit gezogen.

2. Dass die vorliegend beanstandete Medienmitteilung der Beschwerdegegnerin als «Verhalten» in diesem Sinne zu werten ist und zudem wettbewerbsrelevant fĂŒr die Nachfrage von Buchungen fĂŒr Skiferien in einzelnen Destinationen sein kann, womit sie den gesetzlichen Anforderungen des UWG untersteht, ist unzweifelhaft.

3. UnabhĂ€ngig vom Vorliegen der sachlichen Anwendbarkeit des UWG ist die Frage der sachlichen ZustĂ€ndigkeit der Schweizerischen Lauterkeitskommission zu prĂŒfen, welche ihre Grundlagen in den Vorgaben des Stiftungszweckes der Stiftung fĂŒr die Lauterkeit in der kommerziellen Kommunikation hat, da die Lauterkeitskommission das unabhĂ€ngige, ausfĂŒhrende Organ dieser Stiftung ist (A. Brunner, Zur Praxis der Schweizerischen Lauterkeitskommission (SLK), in: recht 2001/1, 2).

4. Die Lauterkeitskommission ist in diesem Sinne eine Institution der Kommunikationsbranche zum Zwecke der werblichen Selbstkontrolle, die ursprĂŒnglich innerhalb der klassischen Werbung tĂ€tig war (H.O. Marti, Die werbliche Selbstkontrolle in der Schweiz, in: SMI 1989, 197). Mit dem Aufkommen weiterer kommerzieller Kommunikationsformen (wie Direktmarketing, PR, Sponsoring etc.) erweiterte sich das Feld fĂŒr die TĂ€tigkeit der SLK auf den gesamten Bereich der kommerziellen Kommunikation (M. Senn, Das Verfahren vor der Schweizerischen Lauterkeitskommission, in: sic! 6/1999, 697). Unbesehen dieser Ausdehnung der sachlichen ZustĂ€ndigkeit der SLK muss die TĂ€tigkeit der SLK auf den durch die Stiftungsurkunde und Stiftungsstatuten vorgegebenen Stiftungszweck beschrĂ€nkt bleiben.

5. GemĂ€ss Art. 2 Abs. 1 der Statuten der Stiftung fĂŒr die Lauterkeit in der kommerziellen Kommunikation beschrĂ€nkt sich der Stiftungszweck auf die Förderung der Lauterkeit der Werbung in der Schweiz. Entsprechend hĂ€lt auch Art. 1 Abs. 3 des von der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht genehmigten GeschĂ€ftsreglements der Lauterkeitskommission fest, dass die Lauterkeitskommission einzig kommerzielle Kommunikation beurteilen darf. Wie der Grundsatz Nr. A.3 Abs. 1 der Lauterkeitskommission verdeutlicht, zeichnet sich kommerzielle Kommunikation dadurch aus, dass sie zum Hauptzweck hat, AbschlĂŒsse von RechtsgeschĂ€ften oder deren Verhinderung zu beeinflussen.

6. Aus diesem Hauptzweck der Beeinflussung der AbschlĂŒsse von RechtsgeschĂ€ften ergibt sich eine Abgrenzung zu Kommunikationen, welche zweifelsohne den Abschluss von RechtsgeschĂ€ften beeinflussen, dies aber nicht der Hauptzweck der Kommunikation ist, sondern beispielsweise die AufklĂ€rung der Allgemeinheit ĂŒber wirtschaftsrelevante Themen. Das Tatbestandselement des Hauptzweckes gemĂ€ss Grundsatz Nr. A.3 Abs. 1 ist dahingehend auszulegen, dass mit der Kommunikation primĂ€r eigene Zwecke verfolgt werden. Kommerzielle Kommunikation liegt somit dann vor, wenn der Kommunizierende resp. mit ihm verbundene Dritte eigene kommerzielle Interessen mit Blick auf den Abschluss von RechtsgeschĂ€ften oder deren Verhinderung verfolgen (vgl. SLKE vom 20.11.2019, «Kosmetik- Informationskampagne», sic! 2020, 172).

7. Die Beschwerdegegnerin verfolgt mit der zu beurteilenden Medienmitteilung keine erkennbaren eigenen kommerziellen Interessen mit Blick auf den Abschluss ihres KerngeschĂ€ftes (BankgeschĂ€fte). Die Medienmitteilung enthĂ€lt keinerlei Bezug zu eigenen Produkten. Weiter hat die Beschwerdegegnerin keine erkennbaren eigenen Interessen in Bezug auf den Abschluss oder die Verhinderung von Buchungen in einzelnen, in der Medienmitteilung erwĂ€hnten Feriendestinationen. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Beschwerdegegnerin ein Interesse daran haben könnte, dass weniger Leute ihre Skiferien in Saas Fee buchen. Es ist auch nicht bekannt, dass die Beschwerdegegnerin einzelne Tourismusorte oder -organisationen vertreten wĂŒrde, so dass stellvertretend ein Hauptzweck der Beeinflussung von AbschlĂŒssen von RechtsgeschĂ€ften bejaht werden könnte. Die Beschwerdegegnerin verfolgt mit ihrer Kommunikation vielmehr den Zweck einer allgemeinen Analyse und AufklĂ€rung der Allgemeinheit ĂŒber die (VerĂ€nderung von) Kosten von Skiferien in einzelnen Destinationen.

8. Somit liegt keine kommerzielle Kommunikation im Sinne des Grundsatzes Nr. A.3 Abs. 1 der Lauterkeitskommission vor, weshalb auf die vorliegende Beschwerde gestĂŒtzt auf Art. 1 Abs. 3 des GeschĂ€ftsreglements der Lauterkeitskommission nicht eingetreten werden kann.

9. Aufgrund der fehlenden sachlichen ZustĂ€ndigkeit kann die zweite Frage, ob im vorliegenden Fall die Richtlinien fĂŒr Tests zur Anwendung gelangen, offen gelassen bleiben.

Beschluss: Nichteintreten

Fussnoten:

1

Die LeitsÀtze und die Sachverhaltsdarstellung sind nicht Bestandteil des offiziellen Entscheides; sie stammen vom Berichterstatter.

2

Les principes gĂ©nĂ©raux et l’exposĂ© des faits ne font pas partie de l’arrĂȘt officiel, mais proviennent du rapporteur.