Entscheid der Schweizerischen Lauterkeitskommission (SLKE) vom 26. Mai 2021 (Plenum)

Mitgeteilt von Mischa Senn, Prof. Dr. iur., Fachexperte und Vizepräsident der SLK, Zürich.

SLK-GS B.15a (Trennungsgrundsatz; Abgrenzung redaktionelle Information/kommerzielle Kommunikation).Eine Kammer kann dem Plenum der SLK einen Fall zur Beurteilung anstelle eines eigenen Entscheides unterbreiten, wenn es sich um eine grundlegende Frage handelt und keine Präjudizien bestehen (E. 4 [Kammer​1]).

Ein Magazin eines Sportclubs ist in seiner Gesamtheit dann als «kommerzielle Kommunikation» zu qualifizieren, wenn es sich bei den Inhalten nicht um redaktionelle Beiträge handelt. Als redaktioneller Inhalt gilt eine Berichterstattung und Auseinandersetzung über Themen von allgemeinem Interesse durch eine unabhängige und neutrale Redaktion als Beitrag zur Unterrichtung und Meinungsbildung. Diesem Beitrag liegt eine objektive neutrale Berichterstattung des Medienunternehmens zugrunde (E. 2 und 5).

Ein kommerzieller Charakter ergibt sich auch daraus, dass das Magazin Inserate und je einzelne kommerzielle Beiträge enthält, womit erkennbar wird, dass das Unternehmen als gleichzeitige Herausgeberin in eigener wirtschaftlicher Absicht handelt (E. 4).

Sperrwirkung des «Stopp-Werbung»-Klebers

Ein Ausnahmetatbestand bezüglich der Sperrwirkung des «Stopp Werbung»-Klebers im Sinne von Grundsatz Nr. C.4 Abs. 2 Ziff. 3 und 4 liegt nicht vor (E. 3).​2

Règle de la CSL no B. 15a (principe de séparation; distinction entre information rédactionnelle et communication commerciale).Une chambre peut soumettre une affaire au jugement du plénum de la CSL au lieu de rendre sa propre décision si cette affaire concerne une question fondamentale et qu’il n’existe aucun précédent (consid. 4 [Chambre​3]).

Doit être qualifié dans sa totalité comme «communication commerciale», un magazine de club sportif, dont le contenu n’est pas constitué de contributions rédactionnelles. Par contenu rédactionnel, on entend des reportages et des débats sur des sujets d’intérêt général réalisés par une équipe éditoriale indépendante et neutre et visant à contribuer à l’information et à la formation d’opinion. Cette contribution se base sur des reportages objectifs et neutres réalisés par l’entreprise de médias (consid. 2 et 5).

Le caractère commercial est également constaté du fait que le magazine contient divers publicités et contributions commerciales, ce qui permet de déterminer que l’entreprise, étant donné qu’elle opère simultanément en tant qu’éditrice, agit avec une intention économique propre (consid. 4).

Effet de blocage de l’autocollant «Stop – Pas de publicité»

En espèces, aucune circonstance dérogatoire en ce qui concerne l’effet de blocage de l’autocollant «Stop – Pas de publicité» au sens de la règle no C.4 al. 2 ch. 3 et 4 ne peut être constatée (consid. 3).​4

Der Beschwerdeführer erhielt in seinem Briefkasten ein Magazin des Sportclubs. Dieses wurde unadressiert an alle Haushalte im Kanton Zug verteilt. Er macht geltend, dass dieses Magazin kommerzieller Natur sei, weshalb die Zustellung trotz «Stopp Werbung»-Kleber unzulässig sei.

Die Beschwerdegegnerin ist ein Unternehmen, das die Verteilung an Haushalte besorgt. Sie stellte sich auf den Standpunkt, dass es sich um eine zulässige Zustellung handle, da das Magazin nicht als kommerzielle Kommunikation zu beurteilen sei.

Die II. Kammer als erstbehandelnde Instanz hat diesen Fall dem Plenum unterbreitet, da diese Beschwerde eine grundlegende Frage aufwirft und keine Präjudizien der Lauterkeitskommission zu einem solchen Sachverhalt bestehen.

Das Plenum qualifizierte das Magazin in seiner Gesamtheit als kommerzielle Kommunikation und hat die Beschwerde gutgeheissen.

Erwägungen der II. Kammer:

1.

Nach Auffassung des Beschwerdeführers ist das Magazin kommerzieller Natur, weshalb die Zustellung trotz «Stopp Werbung»-Kleber unzulässig gewesen sei.

2.

Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde. Es handle sich hierbei um das Magazin eines Sportclubs, welches keine vordergründig kommerzielle Zwecke verfolge.

3.

Strittig ist demnach die Frage, ob ein Magazin eines Sportclubs, welches sowohl über die Profimannschaften dieses Vereins informiert als auch Themen aus dem Nachwuchssport behandelt, als «kommerzielle Kommunikation» gilt, die von der Sperrwirkung des «Stopp-Werbung»-Klebers erfasst wird (vgl. dazu Grundsatz Nr. A.3 sowie Grundsatz Nr. C.4 Abs. 2 Ziff. 3 der Lauterkeitskommission, SLK).

4.

Da es sich vorliegend nach Meinung der Zweiten Kammer um eine Beschwerde von grundlegender Frage handelt und keine Präjudizien der Lauterkeitskommission zu einem solchen Sachverhalt bestehen, unterbreitete die Zweite Kammer die Sache im Sinne von Art. 15 Abs. 2 des Geschäftsreglements der Lauterkeitskommission mit Beschluss vom 18. November 2020 dem Plenum zur Beurteilung.

Erwägungen des Plenums:

1.

Das Magazin besteht aus Beiträgen über und um den Sportclub X, wobei es zudem Inserate von Sponsoren und anderen Unternehmen enthält. Gemäss Angaben der Beschwerdegegnerin informiert das Magazin «primär über die Aktivitäten des X und dessen Angebote». Es wurde unadressiert an alle Haushalte im Kanton Zug «gestreut».

2.

Es ist damit über die Abgrenzung zwischen redaktioneller Information und kommerzieller Kommunikation (vgl. dazu auch die Überschrift des Grundsatzes Nr. B.15a der SLK) zu befinden. Der Begriff der redaktionellen Information kann mit redaktionellem Beitrag gleichsetzt werden. Zu diesen Bezeichnungen gibt es keine verbindliche Formulierung in einschlägigen Abhandlungen zur Kommunikationswissenschaft oder Publizistik. Indessen kann auf die Formel zurückgegriffen werden, welche im Anhang Nr. 11 zu § 3 des deutschen UWG aufgeführt ist: Als redaktioneller Inhalt gilt eine «Berichterstattung und Auseinandersetzung über Themen von allgemeinem Interesse durch eine unabhängige und neutrale Redaktion als Beitrag zur Unterrichtung und Meinungsbildung». Bei einem solchen redaktionellen Beitrag geht es also um eine objektive neutrale Berichterstattung durch das Medienunternehmen selbst (vgl. dazu M. Senn, Influencer-Marketing und die Rechtswirklichkeit, Jusletter 16. Dezember 2019, Rz. 8 m.w.H.). Dies deckt sich auch mit Ziff. 3. der Richtlinien der Lauterkeitskommission zur Auslegung der Rechtswirkung des «Stopp Werbung»-Klebers. Demnach entfaltet der Kleber keine Stoppwirkung gegenüber Publikationen, deren Inhalte durch eine unabhängige Redaktion verfasst wurden und welche keine Empfehlungen zu den Produkten oder Dienstleistungen des Absenders beinhaltet.

3.

Bei den Beiträgen im Magazin «Y» liegen diese Voraussetzungen indessen nicht vor, und zwar aufgrund des Absenders als auch des Inhalts: Sie stammen weder von einer unabhängigen und neutralen Redaktion noch stellen sie einen Beitrag zur Unterrichtung und Meinungsbildung dar. Auch die gestalterischen Abgrenzungen der Beiträge zu den (reinen) Inseraten bewirken noch keinen Statuswechsel zu einem redaktionellen Beitrag. Das hat zur Folge, dass die Beiträge nicht als redaktionelle Information zu werten sind. Mangels anderer Formen von Beiträgen als diesen beiden (redaktionell – kommerziell) bleibt damit nur die Zuordnung als kommerzieller Beitrag. Die (redaktionell aufgemachten) Beiträge im Magazin «Y» sind somit als kommerzielle Kommunikation zu qualifizieren. Zudem handelt es sich dabei um Anpreisungen der eigenen Dienstleistungen des Absenders (Berichte zur sportlichen Tätigkeit des professionellen Sportclubs X). Eine Ausnahme der Sperrwirkung des «Stopp Werbung»-Klebers im Sinne von Ziff. 3 der Richtlinien der Lauterkeitskommission liegt somit auch nicht vor (vgl. dazu Grundsatz Nr. C.4 Abs. 2 Ziff. 3 und 4).

4.

Insgesamt handelt es sich beim Magazin «Y» um ein Informationsblatt, das wie erwähnt Inserate und kommerzielle Beiträge enthält. Es liegt demnach ein Konglomerat einer interessengeleiteten Werbung vor. Das ist auch daran zu erkennen, dass die Herausgeberin des Magazins das als gewinnorientierte Aktiengesellschaft konstituierte Unternehmen X ist und ihre Publikation als «das Magazin zum X» bezeichnet wird (vgl. Impressum, S.54 des Magazins). Dieses Unternehmen handelt somit in eigener wirtschaftlicher Absicht (vgl. dazu M. Senn, Influencer-Marketing, Rz. 12), womit der kommerzielle Charakter auch in dieser Hinsicht ersichtlich ist.

5.

Da wie festgestellt alle Teile des Magazins kommerzielle Inhalte enthalten, ist das Produkt selbst – nämlich das Magazin als Gesamtes – als kommerzielle Kommunikation zu qualifizieren. Dass es sich um eine solche handelt, dürfte auch vom (informierten, aufmerksamen und verständigen) Durchschnittskonsumenten erkennbar sein.

6.

Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gutzuheissen.

Fussnoten:

1

Die nachfolgenden Erwägungen des Plenums werden nur mit E. X wiedergegeben.

2

Die Leitsätze und die Sachverhaltsdarstellung sind nicht Bestandteil des offiziellen Entscheides; sie stammen vom Berichterstatter.

3

Les considérations du Plénum qui suivent sont indiquées par «consid. X» uniquement.

4

Les principes directeurs et l’exposé des faits ne font pas partie de la décision officielle; ils émanent du rapporteur.