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Berichte / Rapports

Bericht über den Ittinger Workshop zum Kennzeichenrecht vom 27. und 28. August 2021

Der diesjährige Ittinger Workshop des Instituts für gewerblichen Rechtsschutz (INGRES) zum Kennzeichenrecht fand traditionsgemäss in der Kartause Ittingen statt. Geleitet wurde die Tagung zum Thema des Wertes der eingetragenen Marke von Michael Ritscher, während Christoph Gasser für die Organisation verantwortlich war. Die Tagung wurde zu Ehren von Eugen Marbach abgehalten.

Cette année, l’atelier d’Ittingen de l’Institut pour la protection de la propriété intellectuelle (INGRES) sur le droit des marques s’est tenu traditionnellement à la Kartause d’Ittingen. La session sur la valeur de la marque enregistrée était présidée par Michael Ritscher, tandis que Christoph Gasser était responsable de l’organisation. La réunion a été organisée en l’honneur de Eugen Marbach.

Franziska Gall, MLaw, LL.M, Zürich.

Saskia Markiewicz, MLaw, Zürich.

I. Einleitung

In seinen einleitenden Worten erläuterte Ritscher (Rechtsanwalt, Zürich) zunächst die Relevanz der Eintragung eines Zeichens als Marke im Widerspruchs-, Verletzungs-, Nichtigkeits- sowie im Strafverfahren. Obwohl eine Marke in der Schweiz einer strengen Prüfung auf absolute Schutzausschlussgründe hin unterworfen wird, kann diese in einem Widerspruchsverfahren u.U. als «todschwach» einen Schutz nur gegen identische Zeichen erhalten (siehe Urteil des BVGer «Meister»/«ZeitMeister») und im Zivilprozess, selbst im Summarverfahren, und anders etwa als ein bloss hinterlegtes Design keine gesetzliche Vermutung der Rechtsbeständigkeit geniessen. Dies ist anders als etwa bei einer deutschen oder einer US-amerikanischen Marke selbst dann, wenn sie schon seit Jahrzehnten für die Schweiz eingetragen und benutzt worden ist.

II. Markenrechte als Teil der Eigentumsgarantie

Gemäss Felix Uhlmann (Advokat, Universität Zürich) unterscheidet sich die Eigentumsgarantie in Art. 26 BV in ihrer Konstruktion von anderen Grundfreiheiten wie z.B. der Wirtschaftsfreiheit. So erfolgt im Rahmen der Wertgarantie zusätzlich die Prüfung eines Entschädigungsanspruchs i.S.v. Art. 26 Abs. 2 BV.

Im Urteil BGE 140 III 297 ff. E. 5.1, «Keytrader» hielt das Bundesgericht bezüglich der Nichtigerklärung einer eingetragenen Marke fest, dass die Eigentumsgarantie das Eigentum nur mit dem Inhalt gewährleistet, den es nach Massgabe der jeweiligen Rechtsordnung hat, und dass sie grds. keinen Schutz gegen deren Änderung bietet. Uhlmann führte aus, dass die Eigentumsgarantie und das Markenrecht grds. nicht viel miteinander zu tun haben, und zweifelte an, ob diese Erwägung des BGer den tatsächlichen Umständen gerecht wird. Fraglich ist insbesondere, wie umstrittene bzw. unsichere (faktische) Rechtspositionen (und Vermögen) im Zusammenhang mit der Eigentumsgarantie geschützt sind. Das BGer verfolgt eine entsprechend inkonsistente Linie. So hielt es in BGE 111 Ib 213 ff. fest, dass die verfassungsmässige Eigentumsgarantie nur die rechtmässige Ausübung des Privateigentums schützt. Bauten ohne rechtsgültige Baubewilligung als widerrechtliche Nutzung des Grundeigentums stehen daher nicht unter dem Schutz der Eigentumsgarantie. Hingegen stuft das BGer in BGE 130 I 360 ff. die Vernichtung beschlagnahmter Hanfpflanzen im vorliegenden Ausmass als schweren Eingriff in die Eigentumsgarantie ein.

Uhlmann beanstandete, dass das BGer in BGE 140 III 297 ff. E. 5.3, «Keytrader» nicht prüfte, ob das MSchG einen unverhältnismässigen Eingriff in die Eigentumsgarantie darstellt, weil sie bei gegebenen Voraussetzungen die Nichtigerklärung einer registrierten Marke ohne zeitliche Befristung zulässt. Art. 190 BV stellt kein Prüfungsverbot, sondern vielmehr ein Anwendungsgebot dar. Im Rahmen eines Exkurses führte er aus, dass der Vorbehalt des Völkerrechts zu keiner Korrektur führt, da die Schweiz das Zusatzprotokoll der EMRK zur Eigentumsgarantie nicht ratifiziert hat. Uhlmann hielt fest, dass die Überlegung, ob eine Position unter die Eigentumsgarantie fällt, nicht bedeutet, dass diese auch geschützt wird. Vielmehr wird nur der Schutzbereich eröffnet, wobei es möglich ist, dass die Position entschädigungslos beseitigt wird.

Schliesslich legte Uhlmann im Zusammenhang mit BGE 131 III 480 ff. E. 3.1, «Georg Kreis» dar, dass die verfassungskonforme Auslegung auch im Zivilrecht einbezogen wird. So hielt das BGer an genannter Stelle fest, dass das Spannungsverhältnis von Grundrechten bei der Auslegung und Anwendung von Rechtsbestimmungen (vorliegend Art. 25 URG) berücksichtigt wird. Entsprechend könnte die verfassungskonforme Auslegung auch im Markenrecht als Topos aufgenommen werden.

Im Rahmen eines Entscheids über das Kartellgesetz, namentlich BGE 135 III 60 ff. E. 3.4, «DMIF» thematisierte Uhlmann die materiellen Grundrechte als Anspruch auf eine hinreichend präzise Grundlage zur Grundrechtseinschränkung. Die offene Formulierung im Kartellrecht führt regelmässig dazu, dass die Wirtschaftsfreiheit nicht ausgeübt wird. Die geringe Dichte des Kartellgesetzes wird jedoch durch verfahrensrechtlich geschaffene Rechtssicherheit kompensiert. Im Bereich der Eigentumsgarantie stellen sich ähnliche Fragen. Problematisch dabei ist insbesondere, dass von Zivilgerichten nicht so rasch eine Feststellungsverfügung verlangt werden kann wie von Behörden.

In der Diskussionsrunde rügte Uhlmann die schablonenhafte Abhandlung der Eigentumsgarantie durch das BGer. Gemäss Uhlmann wird der Kerngehalt der Eigentumsgarantie mit der Institutsgarantie gleichgesetzt. Eugen Marbach (Rechtsanwalt, Bern) stellte die Frage in den Raum, ob ein Institut, das sich in Luft auflösen kann, tatsächlich eine Institutsgarantie darstellen kann. Uhlmann führte aus, dass der Gesetzgeber die Eigentumsgarantie verletzt, wenn er die Institutsgarantie abschafft. Marbach legte dar, dass solange das Markenrecht ein funktionierendes System darstellt, der Fokus nicht auf der Institutsgarantie liegen wird. Peter Widmer (Rechtsanwalt, Bern) griff im Rahmen von BGE 139 II 176 ff. das Missverhältnis auf, dass das BGer eine funktionierende Marke in Luft auflösen kann. Dies ist insbesondere bei Unternehmensverkäufen problematisch, wenn der Wert einer Marke beurteilt werden muss. Eric Meier (Vizedirektor des IGE und Leiter der Abteilung Marken & Designs) führte aus, dass die Marke nicht einfach verschwindet. So gibt es die Möglichkeit des Beweises des Herkunftsgebrauchs oder der Verkehrsdurchsetzung. Ritscher legte dar, dass die Nizza-Klassifikation für Waren und Dienstleistungen nur beschränkt oder gar nicht der Realität entspricht. In BGE 140 III 297 ff., «Keytrader» kommt der tatsächliche relevante Verkehrskreis den institutionellen Anlegern gleich. Dies wäre vor dem IGE wohl nicht akzeptiert worden, weil es diese Nizza-Klassifikation nicht gibt. Aufgrund dieser fehlenden Praxisrelevanz der Nizza-Klassifikation werden Ansprüche regelmässig über das UWG durchgesetzt. Abschliessend warf Marbach die Frage auf, was die Eigentumsgarantie zum Investitionsgedanken ausführt. Uhlmann erinnerte daran, dass das BGer eine inkonsistente Linie führt. Die Eigentumsgarantie schützt zwar Rechte, wenn das Zivilgericht eine Position aber nicht als ein Recht qualifiziert, fällt diese Position weg. Uhlmann monierte dies insofern, als auch illegale Rechte einen gewissen Schutz verdienen. Nicht nur was von einem Zivilgericht als rechtmässig angesehen wird, soll geschützt werden. Vielmehr muss der Investitionsgedanke berücksichtigt werden.

III. Markenrechte als wohlerworbene Rechte

Jürg Simon (Rechtsanwalt, Zürich) veranschaulichte, inwiefern Markenrechte als wohlerworbene Rechte gelten. Hierzu stellte Simon vorerst die Frage nach dem Unterschied zwischen wohlverdienten und wohlerworbenen Rechten in den Raum. Auch im Parlament wurde dies im Rahmen von Art. 43 des Bundesgesetzes über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte diskutiert. Verschiedene Spannungsverhältnisse prägen die Thematik des wohlerworbenen Rechts. Namentlich erfolgt ein «überschaubares» Registrierungsverfahren beim IGE, während in der Praxis aber häufig volle Gewähr für die Eintragung gefordert wird. Es besteht ein Bedürfnis nach Bestandesschutz und Rechtssicherheit sowie ein öffentliches Interesse an der Löschung nichtiger Marken.

Simon legte dar, dass im Urteil BGE 140 III 297 ff., «Keytrader» eine Eintragung für Waren und Dienstleistungen im Jahr 1998 in die Klassen 9, 36, 38 und 42 erfolgte. Die Klägerin bezeichnete damit ihr Angebot, was Banken, Effektenhändlern und anderen Adressaten den Handel über das Internet erlaubt. Die Beklagte wiederum betreibt eine elektronische Handelsplattform als «Keytrade Bank». Als die Beklagte im Zivilprozess Nichtigkeitswiderklage erhob, stellte das HGer AG fest, dass es der Marke Keytrader an der originären Unterscheidungskraft fehlt und sie sich im Verkehr nicht durchgesetzt hat und damit nichtig ist. Vor BGer machte die Klägerin einen Verstoss gegen die Eigentumsgarantie geltend, welche durch das Gericht verworfen wurde: So greift die Eigentumsgarantie nur nach Massgabe der Rechtsordnung, und es besteht kein Schutz vor Änderung der Rechtsordnung. Zudem besteht eine gesetzliche Grundlage für die Nichtigerklärung in Art. 52 MSchG. Es kann daher jederzeit festgestellt werden, ob ein Recht besteht oder nicht, was einen nachträglichen Markenangriff ermöglicht. Damit trägt der Inhaber einer registrierten Marke «stets das Risiko, dass sich sein Zeichen in einem allfälligen Nichtigkeitsprozess nicht behaupten kann». Ausländische, anders lautende Regeln sind irrelevant. Schliesslich legte das BGer, wie bereits im Beitrag von Uhlmann thematisiert, fälschlicherweise dar, dass das BGer im Rahmen von Art. 190 BV nicht prüfen könne, ob ein Eingriff in die Eigentumsgarantie unverhältnismässig sei. Weiter führte das BGer aus, dass die Interessen der Markeninhaber über die Verkehrsdurchsetzung i.S.v. Art. 2 lit. a MSchG abgedeckt sind, wonach bei dessen Nachweis das originär nicht unterscheidungskräftige Zeichen Schutz behält und nicht nichtig ist. Damit wird ermöglicht, dass eine solche Marke nachträglich Verkehrsdurchsetzung erwerben kann. Die Frage nach dem Zeitpunkt der Verkehrsdurchsetzung liess das Gericht aber offen. Das Verfahren wurde zur Prüfung der wettbewerbsrechtlichen Verwechslungsgefahr i.S.v. Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Abschliessend schrieb das BGer in E. 5.1 mit Verweis auf Marbach (SIWR III/1, Rz. 197), wonach mit der Registrierung kein wohlerworbener Besitzstand geschaffen wird, dass die Eintragung einer Marke kein wohlerworbenes Recht am Ausschliesslichkeitsanspruch schafft, sondern unter dem Vorbehalt anderer Beurteilung durch den Zivilrichter steht. Simon erläuterte, dass die Markeneintragung folglich keine Rechtsbeständigkeit geniesst. Die nachträgliche Prüfung der Rechtsbeständigkeit auf Grundlage von Art. 52 MSchG soll insbesondere öffentliche Interessen berücksichtigen. Der Eintragungsentscheid des IGE bindet die Zivilrichter nicht, und die Schutzunfähigkeit kann als Einrede oder Widerklage erhoben werden. Als Folge kommt die Zweifelsfallregel zur Anwendung, wonach eine Marke im Zweifelsfall eingetragen und die endgültige Entscheidung dem Zivilrichter überlassen wird. Ausnahmen von der Zweifelsfallregel bestehen bei öffentlichen Interessen, namentlich bei Irreführungsgefahr, Rechts-, Sitten- oder Ordnungswidrigkeit.

Simon führte aus, dass sich ein wohlerworbenes Recht nicht abstrakt definieren lässt. Grundlegend handelt es sich dabei um Rechte, die einen eigentumsähnlichen Schutz verleihen, jedenfalls vor nachträglichen Rechtsveränderungen. Wohlerworbene Rechte unterscheiden sich daher insofern von anderen Rechten, als erstere aufgrund des Schutzes von Treu und Glauben und des Vertrauens in das Verhalten staatlicher Behörden eine erhöhte Rechtsbeständigkeit gegenüber nachträglichen Gesetzesänderungen aufweisen. Simon legte jedoch auch dar, dass der Vertrauensschutz, wie in der modernen Verwaltungsrechtslehre (z.B. im Rahmen einer Baubewilligung), nicht vergleichbar ist mit den entsprechenden Fragestellungen im Markenrecht. Bezweckt wird insbesondere der Schutz von erheblichen Investitionen, die ansonsten von Privaten nicht getätigt werden würden (z.B. Konzessionen; insb. Wasserkonzessionen). Dies kann ausnahmsweise und bei qualifizierter Zusicherung auch vermögensrechtliche Ansprüche gegenüber dem Staat betreffen. Dabei ist die Rechtsbeständigkeit aber nicht absolut. Vielmehr sind Eingriffe «aus überwiegenden Gründen des öffentlichen Interesses, gestützt auf eine gesetzliche Grundlage und unter Wahrung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes» möglich. Eingriffe in die «Substanz» sind zu entschädigen, namentlich auch unterhalb der Schwelle der «materiellen Enteignung».

Fraglich ist, ob das BGer wohlerworbene Rechte überhaupt prüfen kann. Simon ist der Auffassung, dass im Rahmen von Art. 190 BV geprüft werden muss. Bei der Rechtsfrage, ob der Entscheid über die Markenregistrierung die Voraussetzungen für die Entstehung eines wohlerworbenen Rechts erfüllt, sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, so z.B. das Verhalten einer staatlichen Behörde, namentlich des IGE. Insbesondere der Umfang des Investitionsschutzes führt jedoch zu Unsicherheiten. Zu beachten gilt auch, dass Investitionen nicht nur aufgrund der Registrierung erfolgen. Ferner schützen Markenregistrierungen nicht per se Investitionen. Aufgrund des dynamischen Verweises in Art. 2 MSchG ist zudem ein Schutz vor nachträglichen Gesetzesänderungen wohl zu verneinen. Es besteht jedoch eine Vertrauensgrundlage zwischen dem IGE und dem Markeninhaber, dass die «Rechtsbeziehung» unverändert bleibt. Ebenso besteht mit Art. 2 MSchG i.V.m. Art. 52 MSchG im Zusammenhang mit den absoluten Ausschlussgründen eine genügende formelle gesetzliche Grundlage. Auch gilt es die Verhältnismässigkeit, insbesondere nach sehr langer Zeit, zu berücksichtigen. Simon hielt fest, dass die Frage, ob die Markenregistrierung ein wohlerworbenes Recht ist, wohl verneint werden kann. Dies nicht zuletzt aufgrund der Zweifelsfallregel, bei dessen Ausnahmefällen (z.B. Irreführung) es an einer genügend qualifizierten Zusicherung fehlt. Auf ein wohlerworbenes Recht könnte wohl eher geschlossen werden, wenn im Rahmen der Markenregistrierung eine Vollprüfung stattfinden würde. Dies würde die Zweifelsfallregelung ausschliessen.

Im Rahmen der Prüfung der Verwechslungsgefahr i.S.v. Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG durch die Vorinstanz wurde der Fall nur bezüglich Online-Handelsplattformen behandelt. Die lauterkeitsrechtliche Verkehrsgeltung wurde bejaht und die Verwendung von Keytrade zu Lasten der Beklagten verboten. Simon führte aus, dass dies im Fall einer fehlenden markenrechtlichen Verkehrsdurchsetzung heisse, dass mit dem UWG eine «wohlverdiente» Rechtsstellung als Auffangtatbestand für die fehlende breite markenrechtliche Verkehrsdurchsetzung erreicht werden kann. Die dogmatische Figur der wohlerworbenen Rechte ist im Markenrecht gemäss Simon daher entbehrlich. So besteht insofern bereits ein Substitut hierfür, als der Schutz vor Verwechslungsgefahr i.S.v. Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG sowie vor irreführenden, anlehnenden Vergleichen i.S.v. Art. 3 Abs. 1 lit. e UWG bei Verkehrsgeltung als Bestandesschutz von Zeichen zu wirken vermag. Weiter indiziert der «Keytrader»-Fall, dass markenrechtliche Verkehrsdurchsetzung auch nach der Eintragung (ohne Verkehrsdurchsetzung) einer Marke zur Verteidigung genutzt werden kann, um absolute Ausschlussgründe abzuwenden. Schliesslich schliesst die Zweifelsfallregelung die Anerkennung von Marken vom Status als wohlerworbene Rechte zumindest im Bereich von Art. 2 lit. a MSchG aus.

In der Diskussionsrunde führte Ritscher aus, dass der lauterkeitsrechtliche Schutz von den konkreten Umständen abhängt und daher weniger Rechtssicherheit bietet als der Schutz eingetragener Marken durch das Markenrecht. Simon betonte, wenn das BGer im Zusammenhang mit der Eigentumsgarantie feststellt, dass eine Rechtsposition nicht mit einer Marke, sondern über das UWG geschützt ist, es noch grössere Mühe haben wird, die Eigentumsgarantie im Sinne der Bestandesgarantie als verletzt zu betrachten. Ritscher fragte, was die Prüfung des IGE faktisch von einer Vollprüfung unterscheidet, kommt es doch kaum je zur Anwendung der Zweifelsfallregelung. Meier legte dar, dass die Grenzfallregelung nicht bedeutet, dass das IGE keine sorgfältige Prüfung der absoluten Ausschlussgründe vornimmt. Die Grenzfallregelung betrifft vielmehr das Ermessen. Abschliessend führte Alexander Pfister (Fürsprecher, IGE) aus, dass auch die ungeprüfte eingetragene Marke verfassungsmässig geschützt ist. Daher ist die Analyse, was das Verfassungsrecht schützt, nicht zielführend.

IV. Der Wert einer eingetragenen Marke im deutschen Recht

Anke Nordemann (Rechtsanwältin, Berlin) erläuterte den Wert der Marke aus deutscher Perspektive. Zentral ist zunächst der Strukturenwandel vom Warenzeichen zur Marke. Ursprung dieses Wandels ist insbesondere, dass eine Marke nicht mehr als Warenzeichen ausschliesslich für Originalprodukte genutzt werden muss. Die Marke hat sich stattdessen gewissermassen «verselbständigt», kann so als eigener Vermögensgegenstand gesehen werden und manifestiert erweiterte Markenschutzfunktionen. Weiter thematisierte Nordemann die Möglichkeit der Löschung der Marke nach § 50 MarkenG und damit die Nichtigkeit aufgrund absoluter Schutzhindernisse. Nichtig ist die Marke im deutschen Recht beispielsweise aufgrund fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) oder aufgrund fehlender Inhabereigenschaft (§ 7 MarkenG). Als zentralen Aspekt führte Nordemann aus, dass der Löschungs- bzw. Nichtigkeitsgrund immer nur jeweils die konkret vom Nichtigkeitsgrund betroffene Ware bzw. Dienstleistung erfasst. Besondere Aufmerksamkeit kommt sodann dem absoluten Schutzhindernis der fehlenden Markenfähigkeit gemäss § 3 Abs. 2 MarkenG zu, da dieses keine zeitliche Grenze hat. Die fehlende Markenfähigkeit kann damit jederzeit geltend gemacht werden. Auch eine mögliche Verkehrsdurchsetzung vermag der Löschung hierbei nicht entgegenzustehen. Nordemann wies darauf hin, dass dadurch Marken, die bereits jahrelang bestehen und denen in der täglichen Praxis ein hoher Wert zukommt, jederzeit für nichtig erklärt werden können. Die Vortragende erläuterte, dass sich der BGH jedoch bemüht, dies einzuschränken. Nicht möglich hingegen ist eine Entziehung des Schutzes einer bereits eingetragenen Marke aufgrund gesetzlicher Neuregelungen. Ist eine Marke einmal eingetragen, ist eine nachträgliche Änderung der Vorschriften irrelevant.

Nicht alle absoluten Ausschlussgründe nach § 50 MarkenG können jedoch ohne zeitliche Grenze geltend gemacht werden. So besteht gemäss § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG (fehlende Unterscheidungskraft, beschreibender Charakter, üblich geworden) eine 10-jährige Frist ab dem Zeitpunkt der Eintragung. Hintergrund hiervon ist die fehlende Nachvollziehbarkeit gewisser Kriterien nach längerem Zeitablauf. So kann heute kaum noch beurteilt werden, was z.B. 1965 beschreibend war und was nicht.

Das Schutzhindernis muss sowohl bei der Anmeldung als auch bei der Entscheidung über die Nichtigkeit vorliegen. Eine Ausnahme davon bildet z.B. die Bösgläubigkeit, welche nur im Zeitpunkt der Anmeldung relevant ist (§ 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkenG). Nordemann stellte fest, dass der BGH in diesen Bereichen grosszügiger ist als das deutsche BPatGer. Der BGH tendiert beispielsweise dazu, bei einer Vielfalt von vorhandenen Formen Markenfähigkeit eher anzunehmen.

Weiter referierte Nordemann zum Wert der eingetragenen Marke im Verletzungsfall. In diesem Bereich kann der Schutzbereich der Marke mittels «Stellschrauben» entsprechend eingestellt werden. Als mögliche «Stellschrauben» kommen die Kennzeichnungskraft, die Zeichenähnlichkeit sowie die markenmässige Benutzung in Frage. Im Verletzungsfall ist zwar die Einrede des Verfalls möglich. Die Nichtigkeitseinrede sowie die Nichtigkeitswiderklage dürfen jedoch nicht erhoben werden.

Nach Nordemann wird im Widerspruchsverfahren die Zeichenähnlichkeit einer Marke tendenziell strenger beurteilt als vor einem ordentlichen Gericht. Es müssen erst besondere Aspekte vorliegen, damit von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft einer älteren Marke abgewichen werden kann. Bezüglich des Verletzungsverfahrens sprechen sich die deutschen Gerichte im Zweifelsfall zugunsten des Markeninhabers aus und behandeln den Schutzumfang, die Zeichenähnlichkeit resp. die Verletzungsgefahr eher grosszügig. Das Kriterium der markenmässigen Benutzung erweist sich in der Praxis nur selten als problematisch. Als markenmässige Benutzung gilt sowohl für die ältere als auch für die jüngere Marke, dass sie als Herkunftsbezeichnung eingesetzt werden. Nordemann fügte an, dass Gerichte häufig automatisch von einer zeichenmässigen Nutzung des neuen Zeichens ausgehen, sobald diese dem älteren Zeichen zugesprochen wird. Bei sehr ähnlichen oder identischen Produktformen mag dies zwar sinnvoll sein, Schwierigkeiten ergeben sich jedoch beispielsweise bei Farbmarken. Hingegen handelt es sich bei der Kennzeichnungskraft häufig nicht um eine echte «Stellschraube». Vielmehr ist diese vom Verletzungsrichter selbständig zu bestimmen. Die Zeichenähnlichkeit muss sich dabei auf die schutzbegründenden Merkmale beziehen. Weil gemäss BGH die Verwechslungsgefahr ein bewegliches System darstellt, kommt auch schwachen oder schutzunfähigen Marken nicht nur ein Identitätsschutz zu. Relevant ist daher, wie die Marke im Einzelfall genutzt wird.

Abschliessend hielt Nordemann fest, dass die Marke im deutschen System grds. einen hohen Wert hat und im Zweifel immer geschützt wird und durchsetzbar ist. Zudem führte Ritscher aus, dass eine deutsche Marke deutlich wertvoller ist als eine Schweizer Marke. Dies, obwohl die Überprüfung der Marke qualitativ nicht entscheidend von der Prüfung in der Schweiz abweicht. Schliesslich erläuterte Nordemann auf eine Frage aus dem Publikum, dass die 10-jährige Löschfrist nach der endgültigen Eintragung und damit nach einem allfälligen Widerspruchsverfahren zu laufen beginnt. Die abschliessende Wortmeldung aus dem Publikum betitelte die 10-Jahresfrist faktisch als eine Verjährungsfrist, auch wenn eine solche gesetzlich grds. nicht vorgesehen ist.

V. Der Wert einer eingetragenen Marke nach US-amerikanischem Recht

Thilo Agthe (Rechtsanwalt, New York) schloss den ersten Seminartag mit der US-amerikanischen Perspektive zum Wert der eingetragenen Marke ab. Der Lanham Act gilt in erster Linie als Verbraucherschutzgesetz. So sieht das Gesetz ein internationales System für die Eintragung von Marken vor und schützt den Inhaber einer auf Bundesebene eingetragenen Marke gegen die Verwendung ähnlicher Marken, wenn eine solche Verwendung beim Verbraucher zu Verwechslungen führen kann oder wenn die Gefahr der Verwässerung einer berühmten Marke besteht (15 U.S.C. §§ 1051 f. Lanham Act). Der Markeneigner kann hieraus Schutz vor Markenverletzungen sowie Schutz des in der Marke verankerten «Goodwill» ableiten. Auch für Konsumenten von Waren und Dienstleistungen sind registrierte Marken aufgrund des Verbraucherschutzes und der Qualitätsgarantie wertvoll.

In den USA entstehen Markenrechte als sog. «Common Law Rights» automatisch, wenn ein Anbieter eine Marke im Handelsverkehr, also in Verbindung mit dem Verkauf von Waren oder Dienstleistungen, verwendet. Diese «Common Law Rights» gewähren dem Markeninhaber auch ohne Registrierung das Recht, andere von der Adoption und Verwendung der Marke im geografischen Gebiet des Inhabers auszuschliessen. Die Nutzung der Marke ist damit elementar: Wird eine Marke z.B. nur in einem Bundesstaat benutzt, erhält sie nur dort Schutz. Internetsachverhalte haben diese Thematik jedoch etwas verkompliziert. Agthe legte schliesslich dar, dass es grds. irrelevant ist, ob eine Marke registriert ist oder nicht. Vielmehr interessiert, wo die Marke registriert wurde. Gemäss Agthe liegt der Wert der Registrierung zum Teil in den dadurch erworbenen zusätzlichen Rechten. So ist dies, wie bereits ausgeführt, in Bezug auf die Gültigkeit relevant, denn die Registrierung beim USPTO (sog. «United States Patent and Trademark Office») hat in allen 50 Staaten der USA Gültigkeit. Auch führt die Registrierung zur Priorität vor anderen Anbieter, die die eingetragene Marke identisch oder ähnlich für entsprechende Produkte oder Dienstleistungen benutzen wollen. Vorausgesetzt, es besteht Verwechslungsgefahr, suspendiert das USPTO vom Antragsdatum an später beantragte Marken und lehnt vom Registrierungsdatum an später beantragte Marken ab.

Zudem ist die Marke nach mindestens fünf Jahren ununterbrochener Benutzung nach der Registrierung nur noch eingeschränkt anfechtbar (sog. «Unanfechtbarkeit»). Nach dieser Zeitspanne kann der Markeneigner gemäss 15 U.S.C. § 1065 Lanham Act die Unanfechtbarkeitserklärung abgeben (sog. «Declaration of Incontestability»). Dabei hängt die Anfechtbarkeit von der Benutzung der Marken in Verbindung mit allen in der Registrierung genannten Waren resp. Dienstleistungen ab, wobei die Benutzungsabsicht bona fide sein muss. Zudem darf keine rechtskräftige Entscheidung vorliegen, die den Anspruch des Inhabers auf das Eigentum an der Marke oder sein Recht auf Eintragung oder Beibehaltung der Eintragung in das Register in Frage stellt. Auch darf kein Verfahren im USPTO oder vor einem Gericht hängig sein, das diese Rechte betrifft. Nach Abgabe der Unanfechtbarkeitserklärungen fallen diverse Anspruchsgrundlagen in Löschungsklagen weg (z.B. beschreibender Charakter). Die Registrierung der Marke kann damit nur noch unter spezifischen Gründen angefochten werden (z.B. Gattungsbezeichnung für Waren/Dienstleistungen, Funktionalität der Marke, Aufgabe der Marke).

Weiter erfolgt potenziell eine erhebliche Senkung der Kosten für die Durchsetzung von Markenrechten, insbesondere indem ein Markeneigener durch die vom USPTO durchgeführte Prüfung auf Verwechslungsgefahr nicht immer selbst prozessieren muss und es in vielen Fällen ausreicht, eine Abmahnung mit Hinweis auf die registrierte Marke zuzustellen. Auch erfolgt durch die Registrierung eine Umkehrung der Beweispflicht. Die registrierte Marke stellt einen Anscheinsbeweis (sog. «prima facie evidence») dar betreffend die Gültigkeit und Eintragung, Inhaberschaft des Eintragenden und dessen ausschliessliches Recht zur entsprechenden Nutzung der Marke in den USA.

Auch erfährt die Marke durch die Registrierung verbesserten Schutz gegen Fälscher, Cybersquatter und Importeure rechtsverletzender Produkte. Namentlich können im Hauptregister des USPTO eingetragene Marken bei der Zollbehörde registriert werden, was diesen eine aktive Fahndung und das Abfangen von Importen von rechtsverletzenden Produkten ermöglicht. Im Nebenregister (sog. «supplemental register») registrierte Marken können bei der Zollbehörde nicht registriert werden. Dieses Register erfasst Marken, die noch nicht ins Hauptregister eingetragen werden können (z.B. aufgrund beschreibenden Charakters). Für die Eintragung im Nebenregister wird ebenfalls vorausgesetzt, dass die Marke im Handelsverkehr in den USA benutzt wird. Auch die Registrierung im Nebenregister bringt Vorteile wie die Verwendungsmöglichkeit des Registrierungssymbols ®, Schutz gegen die Eintragung einer verwechselbar ähnlichen Marke durch Dritte, Möglichkeit der Erhebung einer Klage vor einem Bundesgericht wegen Verletzung und die Nutzung der Eintragung als Grundlage für eine Anmeldung im Ausland. Sie begründet aber keine Vermutung der Gültigkeit, des Eigentums und der ausschliesslichen Rechte zur Verwendung einer Marke (keine Umkehrung der Beweislast), und die Marke kann nicht unanfechtbar werden. Nach fünf Jahren kann jedoch ein Antrag zur Aufnahme in das Hauptregister gestellt werden. Dabei muss erneut die Benutzung nachgewiesen werden.

Schliesslich besteht aufgrund der Registrierung die Möglichkeit der Einforderung von gesetzlichem Schadenersatz (sog. «statutory damages»). Auch kann die obsiegende Partei in Ausnahmefällen (z.B. bei böswilliger, betrügerischer, vorsätzlicher oder absichtlicher Rechtsverletzung) Anwaltsgebühren geltend machen.

In der Diskussionsrunde wurde die unvermeidbare Nichtbenutzung wie beispielsweise aufgrund einer Pandemie diskutiert. Agthe führte aus, dass das USPTO eine Verordnung herausgegeben hat, wonach ein berechtigter Grund vorliegt, wenn die Marke aufgrund solcher Umstände nicht benutzt werden kann, und dass dadurch keine nennenswerte Aussetzung der Benutzung entsteht.

VI. Der Wert einer eingetragenen Marke im Unionsrecht

Ihren zweiten Vortrag hielt Nordemann zum Wert einer eingetragenen Marke im Unionsrecht. Die Marke ist seit jeher als Immaterialgüterrecht angelegt. Europarechtlich war bereits die (Gemeinschafts-)Marke als ein echtes Immaterialgüterrecht zu qualifizieren. Folglich muss der Entwicklung des Wertes der Marke gebührend Rechnung getragen werden. Im Entscheid des EuGH «L’Oréal/Bellure» wurde der Marke erstmals eine Herkunfts- und Qualitätsfunktion zuerkannt. Die Marke erhielt dadurch eine eigenständige Art der Kommunikation, die losgelöst von den entsprechenden Waren- und Dienstleistungen erfolgt. Der Marke kommt in Form einer Erweiterung der Markenfunktionen eine Herkunftsfunktion, Qualitätsfunktion sowie Kommunikations-, Investitions-, und Werbefunktion zu.

Weiter ging Nordemann auf den Wert der Eintragung gegenüber Angriffen ein. Eine Löschung der Marke ist wiederum zunächst aufgrund von absoluten Schutzhindernissen möglich (z.B. fehlende Markenfähigkeit, fehlende Unterscheidungskraft, beschreibender Charakter; siehe Art. 7 Abs. 1 lit. a–c UMV). Im Unionsrecht gilt, dass eine Löschung wegen absoluter Schutzhindernisse jederzeit ohne zeitliche Grenze möglich ist. Die absoluten Schutzhindernisse greifen bereits, wenn diese nur in einem Unionsstaat und einer Sprachgruppe vorliegen. Auch wenn der entsprechende Nachweis nicht für jeden Mitgliedsstaat erbracht werden muss, muss jeder einzelne Mitgliedstaat dadurch abgedeckt werden. Dies stellt in der Praxis eine grosse Hürde dar. Dies führt dazu, dass Unionsmarken auch nach jahrelangem Bestand aufgrund von absoluten Schutzhindernissen gelöscht werden können. Die Verkehrsdurchsetzung kann dabei nur begrenzt heilen, und der Nachweis der erforderlichen Unterscheidungskraft ist im gesamten Hoheitsgebiet der Union erforderlich.

Nordemann erläuterte anschliessend die Löschungsanträge wegen Verfalls (Art. 127 Abs. 3 UMV). Der rechtserhaltende Benutzungsnachweis einer Marke ist grds. nur bis zum Zeitpunkt des Antrages relevant. Aus deutscher Sicht stellt dies einen enormen Vorteil dar. So kann der Benutzungsnachweis auch erst später erbracht werden. Dies führt zu einem besser vorhersehbaren Schutz der Marke. Bei Warengruppen ist die Benutzung im Zusammenhang mit Warengruppen bereits durch den Nachweis für nur eine Ware erfüllt, sofern vom Publikum eine einheitliche Warengruppe anerkannt wird.

Im Verletzungsfall gilt es zunächst zu beachten, dass der Verletzungsrichter grds. an die Eintragung gebunden ist. Im Rahmen des Verletzungsverfahrens ist zwar keine Nichtigkeitseinrede möglich, dafür jedoch die Einrede des Verfalls sowie die Verfalls- oder Nichtigkeitswiderklagen.

Herausforderungen entstehen in der Regel im Zusammenhang mit der Verwechslungsgefahr, wo sich auch die «Stellschrauben» für die eingetragene Marke und deren Wert befinden. Unproblematisch ist hingegen die Unterscheidungskraft, obwohl diese eigenständig zu prüfen ist. Da der Richter an die Eintragung gebunden ist, wird der Marke ein gewisses Mindestmass an Schutz zugesprochen. Sogenannte «notorisch schwache Marken» gibt es daher im Unionsrecht nicht. Nordemann führte aus, dass die Zeichenähnlichkeit im Widerspruchsverfahren durchaus grosszügig gewährt wird. Gemäss EuGH sind die beschreibenden Teile eines Zeichens miteinzubeziehen und dürfen nicht von Anfang an ausgelassen werden. In diesem Zusammenhang tritt die Frage auf, von was der Schutzbereich ausgeht: Vom beschreibenden Begriff an sich oder vom direkten Vergleich der Zeichen nebeneinander. Gemäss EuGH schliesst eine schwache Unterscheidungskraft die Verwechslungsgefahr nicht aus.

Nordemann zog folgendes Fazit: Der Unionsmarke kommt potenziell ein sehr breiter Schutzumfang zu. Übersteht die Unionsmarke das Nichtigkeitsverfahren, so kann ihr ein echter Wert anerkannt werden. Gemindert wird dieser Wert durch die zeitlich unbegrenzte Löschmöglichkeit aufgrund von absoluten Schutzhindernissen.

In der anschliessenden Diskussionsrunde warf Ritscher die Frage auf, ob die Praxis des EUIPO dahingehend zu verstehen ist, dass das nationale «gelebte» Recht mitzubeachten ist. Gemäss Nordemann ist es in der Praxis enorm schwierig, anhand von nationalen Entscheiden auf die Praxis des EUIPO Einfluss zu nehmen. Innerhalb der EU findet folglich kaum ein Vergleich zwischen dem statt, was in den anderen Unionsländern entschieden wird. Das Markenrecht ist folglich lediglich auf dem Papier harmonisiert. Ritscher erachtete dies vor dem Hintergrund, dass es sich im Markenrecht um ein vereinheitlichtes anstatt lediglich ein harmonisiertes Recht handelt, als überraschend.

VII. Der Wert einer eingetragenen Marke im schweizerischen Recht

Zum Schluss referierte Marbach zum Wert der eingetragenen Marke im schweizerischen Recht. Er führte aus, dass sich verschiedene relevante Aussagen finden lassen, wie der Gesetzgeber die Marke bestimmt oder verstanden hat. Eine erste solche Aussage findet sich in der Legaldefinition. So ist die Marke begrifflich an eine qualitative Grundvoraussetzung geknüpft. Der Gesetzgeber geht jedoch davon aus, dass sich eine Marke in Nichts auflösen kann. Dabei handelt es sich nicht um ein Problem der Eigentumsgarantie, sondern vielmehr um ein solches der mangelnden Pflege der Marke.

Auch aus der Möglichkeit der Verkehrsdurchsetzung lässt sich eine Aussage des Gesetzgebers finden. Zeichen des Gemeingutes können zur Marke werden. Wesentlich dabei ist die grundsätzliche Aussage, dass ein solcher Wandel möglich und vom Gesetzgeber vorgesehen ist. Diese dynamische Betrachtungsweise unterschiedet das Markenrecht grundlegend von anderen Immaterialgütern.

Zudem ist der Eintragungsentscheid lediglich vorläufiger Natur. Die Marke ist ein Registerrecht, deren Registereintrag aber nicht abschliessend ist. So besteht die Möglichkeit, auf gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit zu klagen. Diese Möglichkeit ist im Gesetz jedoch nicht vorgesehen. Nach dem Verständnis des Gesetzgebers ist es daher systemimmanent, dass sich der Wert einer Marke im Zivilprozess in Luft auflösen kann, so Marbach. Folglich ist nur die gebrauchte Marke nach Ablauf der Karenzfrist rechtsbeständig.

Im Gegensatz zu anderen Immaterialgütern, bei welchen der Stand des Schutzrechts nicht an die Kommerzialisierung geknüpft ist, besteht im Markenrecht das Gebrauchserfordernis. Marbach führte aus, dass der Gedanke der Bestandesgarantie nicht dem Verständnis des Gesetzgebers entspricht. Der Gesetzgeber ist sich daher bewusst, dass Marken einen wirtschaftlichen Wert bilden, und erlaubt es, diesen Wert zu kommerzialisieren. Weiter stellt beispielsweise die Lizenzgebühr nichts anderes dar als eine Abgeltung für den Mehrwert, welcher einem Produkt zukommt, sobald dieses unter einer bestimmten Marke verkauft werden kann. Bei einem wettbewerbsbezogenen Markenverständnis bestimmt die Zeicheneigentümerin im freien Wettbewerb selbst, wie sie ihr Zeichen positioniert. Dies umfasst auch die Kommerzialisierung der Zeichennutzung als solche. Der Gesetzgeber erlaubt daher, dass die Marke einen wirtschaftlichen Wert erreichen kann.

Das schweizerische Recht kennt zudem Marken ohne Wert. Diese dürfen frei benutzt werden, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden (z.B. Garantiemarken, geografische Marken). Es entspricht der Grundhaltung des Gesetzgebers, dass wettbewerbsverfälschende Nutzungen zu verhindern sind. Dieser Grundentscheid ist aber vor der Frage der Investitionsbereitschaft in ein Zeichen, welches später frei benutzt werden kann, nicht unproblematisch. Der Gesetzgeber hat ein wertbezogenes Verständnis und Angst, eigentliche Rechte zu schaffen, die einem geschlossenen Kreis zugehören und als Monopolisierungen verstanden werden können.

Als Zwischenbilanz legte Marbach dar, dass die Marke ein rechtlich geschütztes Instrument im Wettbewerb ist. Die Bestandesgarantie besteht jedoch nur soweit, als sich eine Monopolisierung rechtfertigen lässt. Zudem widmet sich das Markenrecht einer spezifischen Situation im Zeitpunkt des Konflikts und nicht der Registrierung. Daher muss die Marke gebraucht und gepflegt werden, um vor einem potenziellen Konflikt zu erstarken. Die eigentumsmässige Betrachtung setzt dem aber Grenzen.

Auch aus der Rechtsprechung lassen sich Aussagen zum Wert einer eingetragenen Marke im schweizerischen Recht ableiten. Als erster Anhaltspunkt erinnerte Marbach daran, dass eine Marke im Zweifelsfall einzutragen ist. Diese Regel bestätigt die dynamische Sichtweise des Markenrechts. Folglich wird davon ausgegangen, dass der Wert der Marke zunehmen und dies auch überprüft werden kann.

Weiter differiert der Sperrbereich je nach Stärke der Marke. So führte Marbach aus, «alle Marken sind gleich, aber gewisse Marken sind gleicher als die anderen». Ob eine Marke als stark oder schwach zu qualifizieren ist, bildet keine statische Qualifikation, sondern ändert sich laufend. Investitionen in eine Marke werden tendenziell belohnt, während mangelnde Markenpflege tendenziell zu schwächerem Schutz führt. Es besteht also ein gewisser Investitionsschutz, jedoch nur soweit dieser unter einem wettbewerbsbezogenen Verständnis begründet werden kann.

Zudem gilt das Rechtsmissbrauchsverbot auch im Markenrecht. Ein klassisches Beispiel stellt die Verwirkung der Verletzungsklage dar. Überschiessende Waren- und Dienstleistungsverzeichnisse haben zudem die Konsequenz, dass der Einwand der Defensivmarke zunimmt.

Rein dogmatisch betrachtet, ist die Bestandesgarantie auch punktuell im schweizerischen Recht, namentlich im Widerspruchsverfahren, verankert. So wurde die Marke «Swiss Military» nicht als nichtig, sondern als nicht rechtlich nutzbar und somit als wertlos erklärt. Entsprechend gibt es Marken, die trotz Bestandesgarantie nicht durchgesetzt werden können (sog. Marken ohne Sperrbereich). Dieser Fall legt auch dar, dass die Gerichte bereit sind, mutige Argumente aufzunehmen, um die Bestandesgarantie zu unterlaufen.

Abschliessend führte Marbach aus, dass die Marke vom schweizerischen Gesetzgeber nicht als klassisches Immaterialgut, sondern als rechtlich geschütztes Gut konzipiert ist. Die Marke hat eine wettbewerbsrechtliche Funktion zu erfüllen und soll diesen nur fairerweise einschränken. Im Gegensatz zu anderen Schutzrechten kennt das Markengesetz keine vergangenheitsbezogene Betrachtung. Eigentumsrechtlich werden diesem Verständnis Grenzen gesetzt, denn dass sich die Eigentumsgarantie auch auf Markenrechte bezieht, ist mit einer gewissen Vorsicht zu geniessen. Die Gerichte sind zudem gewillt, korrigierend einzugreifen. Das schweizerische System ist auf Ausgleich bedacht. Recht und Billigkeit werden dabei stärker gewichtet als das reine absolute Recht. Die Differenzen im Vergleich zur Betrachtungsweise in Deutschland bezüglich der Fragen, wo wir die Marke positionieren, sie verstehen und wie wir mit ihrer Funktion umgehen, haben sich erhöht. Marbach stellte daher die Frage, ob aus den dargelegten Punkten rechtspolitischer Handlungsbedarf besteht, und befürwortete ein harmonisiertes Markenrecht.

VIII. Diskussion

Abschliessend fand eine intensive Diskussion unter der Leitung von Ritscher, Meier und Meinrad Vetter (Vizepräsident HGer AG) statt. Ritscher führte aus, dass der deutschen Marke sowie der Unionsmarke ein höherer Wert zukommt als der Schweizer Marke. Weiter stellte Ritscher die Frage in den Raum, wo Unterschiede zwischen dem Schutz durch das MSchG und dem Schutz durch das UWG liegen. Eine Wortmeldung aus dem Publikum stellte fest, dass das Markenrecht im Gegensatz zum Lauterkeitsrecht einen abstrakten Wert anerkennt.

Widmer führte im Rahmen des Ungleichgewichts der «Zeit» aus, dass während dem Verletzer das zeitliche Korrektiv der Verwirkung zusteht, der Markeninhaber diese Möglichkeit nicht hat. Eine weitere Herausforderung für den Markeninhaber ist, dass die Eintragung eine gewisse Zeit beansprucht, das Zivilgericht die Marke aber dennoch «wegwischen» kann. Dem könnte eine Art Zeitausgleich in Form einer Verwirkung entgegenwirken. Anders bei der Unionsmarke. Dieser wird ein Investitionsschutz gewissermassen zugestanden. Marc Steiner (Richter, BVGer) entgegnete, dass nicht nur Zivilgerichte die Marke «wegwischen» können, dies kann ebenfalls bereits im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens erfolgen. Von Vetter erfolgte darauf die Wortmeldung, dass die Marke eben nicht einfach «weggewischt» wird, ist doch gerade der Aspekt der Dynamik entscheidend im Zusammenhang mit der Marke. Der Wettbewerb verändert sich. Durch eine «Zeitschranke» wird etwas Statisches eingebracht. Gemäss Meier geht es am Ende darum, die verschiedenen Interessen der Beteiligten zu identifizieren. Es können nicht einfach Aspekte aus einem Land identisch auf ein anderes Land übertragen werden. Die Prüfung des IGE stellt dabei nur eine Momentaufnahme dar. Marbach erwiderte, dass die Schweizer Markeneintragungspraxis eher streng ist. Das Schweizer Markenrecht hat sich dabei weniger weit entwickelt als das Unionsrecht. Dies wird in der Schweiz teilweise durch die Verkehrsdurchsetzung kompensiert. Die Verkehrsdurchsetzung stellt damit den eigentlichen Investitionsschutz dar.

Ritscher führte aus, dass die Entwicklung im deutschen Recht und Unionsrecht, Investitionen zu schützen, auch heute nicht gesetzlich verankert ist. Vielmehr ist dies Folge der Rechtsprechung des BGH und EuGH. Ritscher stellte die Frage in den Raum, was die schweizerischen Gerichte in der Schweiz hindert, den gleichen Weg zu beschreiten, zumal dies vom Gesetz nicht verboten wird.

Meier griff erneut den Aspekt der Harmonisierung auf. Dazu stellte er die Frage, was Harmonisierung an sich überhaupt bedeutet. So kann Harmonisierung auch bedeuten, in gewissen Aspekten strenger zu werden. Nordemann führte in diesem Zusammenhang aus, dass das Markenrecht in Europa sehr abstrahiert betrachtet werden kann. In jedem einzelnen Unionsstaat sind die markenrechtlichen Bestimmungen somit dynamisch und flexibel. Dies in der Praxis umzusetzen, ist nicht ganz trivial.

Zudem wurde auf die Problematik hingewiesen, dass im Zusammenhang mit der Verkehrsdurchsetzung im schweizerischen Recht aufgrund des relevanten Verkehrskreises faktisch nur sehr breit gefächerten Marken die Möglichkeit zukommt, eine Verkehrsdurchsetzung zu erlangen. Spezialmarken, die sich aber in ihrem engen Anwendungsbereich durchgesetzt haben, kommt damit nur selten eine Verkehrsdurchsetzung zu.

Die Schlussdiskussion zeigt, dass eine deutsche Marke und auch eine Unionsmarke im praktischen Ergebnis einen höheren Wert geniessen als eine Schweizer Marke und dass Handlungsbedarf im schweizerischen System besteht.