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Berichte / Rapports

«klimaneutral» Entscheid der Schweizerischen Lauterkeitskommission (SLKE) vom 10. Mai 2023 (II. Kammer)

Mitgeteilt von Mischa Senn,

Prof. Dr. iur., Fachexperte und VizeprĂ€sident der SLK.

SLK-GS A.2 (ZustÀndigkeit der SLK gemÀss Auswirkungsprinzip).

Die SLK beurteilt Massnahmen der transnationalen kommerziellen Kommunikation, die ihre Wirkung auf dem Schweizer Markt entfaltet (E. 18). Dies ist insb. dann der Fall, wenn sich die Werbung auf der Internetseite der Anbieterin auch an das Schweizer Publikum richtet (E. 19).

UWG 3 I b; ICC-Kodex 5; SLK-GS B.2 (unrichtige oder irrefĂŒhrende Angaben).

Kommerzielle Kommunikation ist unlauter, wenn sich eine Anbieterin durch die Kommunikation unrichtiger oder irrefĂŒhrender Darstellungen, Aussagen oder Angaben vorteilhafter darstellt. Insbesondere mĂŒssen auch Darstellungen, Aussagen und Angaben mit Umweltbezug wahr und klar sein (E. 22).

UWG 3 I b; ICC-Kodex D1; SLK-GS B.2 (Anforderungen an kommerzielle Kommunikation mit Umweltbezug).

Die Anforderungen an kommerzielle Kommunikation mit Umweltbezug sind hoch. Werden diese nicht erfĂŒllt, indem beispielsweise die transparente Klarstellung zwischen angegebener und tatsĂ€chlicher ErfĂŒllung der Vorgaben fĂŒr den Durchschnittsadressaten nicht ersichtlich wird, ist die Werbung unlauter (E. 31).​1&cbr;

RÚgles de la CSL A.2 (compétence de la CSL conformément au principe des effets).

La CSL Ă©value les mesures prises en matiĂšre de communication commerciale transnationale lorsque celles-ci dĂ©ploient leurs effets sur le marchĂ© suisse (consid. 18), notamment dans le cas oĂč la publicitĂ© affichĂ©e sur le site Internet du fournisseur s’adresse Ă©galement au public suisse (consid. 19).

LCD 3 I b; Code ICC 5; RĂšgles de la CSL B.2 (indications incorrectes ou fallacieuses).

La communication commerciale est dĂ©loyale lorsqu’un fournisseur se prĂ©sente de maniĂšre plus avantageuse par rapport Ă  la rĂ©alitĂ© dans des prĂ©sentations, des assertions ou des indications incorrectes ou fallacieuses. Cette rĂšgle s’applique en particulier aux prĂ©sentations, assertions ou indications ayant trait Ă  l’environnement, qui doivent Ă©galement ĂȘtre claires et conformes Ă  la vĂ©ritĂ© (consid. 22).

LCD 3 I b; Code ICC D1; RĂšgles de la CSL B.2 (exigences posĂ©es Ă  la communication commerciale en matiĂšre d’environnement).

Les exigences posĂ©es Ă  la communication commerciale en matiĂšre d’environnement sont Ă©levĂ©es. Si elles ne sont pas remplies, par exemple si une distinction transparente entre la conformitĂ© dĂ©clarĂ©e et la conformitĂ© effective Ă  ces exigences n’est pas exposĂ©e de maniĂšre Ă©vidente pour le destinataire moyen, la publicitĂ© est considĂ©rĂ©e comme dĂ©loyale (consid. 31).​2

FĂŒnf Umweltschutzorganisationen aus fĂŒnf verschiedenen LĂ€ndern (Schweiz, Belgien, Grossbritannien, Frankreich und Niederlande) reichten je eine Beschwerde bei ihren nationalen Instanzen fĂŒr die Beurteilung von kommerzieller Kommunikation (Werbung) ein. Diese wurden der SLK zur Beurteilung weitergeleitet, da die Beschwerdegegnerin Sitz in der Schweiz hat.

Die einzelnen AusfĂŒhrungen der BeschwerdefĂŒhrerinnen sind teils gleichlautend und stĂŒtzen sich auf identische Rechtsgrundlagen ab, weshalb deren Beanstandungen in dieser Berichterstattung folgendermassen zusammengefasst werden können:

Die BeschwerdefĂŒhrerinnen fĂŒhrten aus, dass die Beschwerdegegnerin auf ihrer Website verschiedene Aussagen zur damals geplanten Weltmeisterschaft mache, worin die DurchfĂŒhrung dieser Veranstaltung u. a. «klimaneutral» und «CO2-neutral» sein werde. Diese Behauptungen seien unrichtig und irrefĂŒhrend.

Beanstandet wurde u. a., dass die Beschwerdegegnerin gestĂŒtzt auf einen bloss vorlĂ€ufigen Bericht das Turnier mit |absoluten Zahlen als «klimaneutral» darstelle, obwohl sie selber zugebe, dass erst nach dem Turnier tatsĂ€chliche Zahlen vorliegen wĂŒrden. Das wahre Ausmass der Umweltauswirkungen der Weltmeisterschaft zu kennen, sei Ă€usserst schwierig, wenn nicht unmöglich. Daher sei es auch unmöglich, KlimaneutralitĂ€t zu behaupten, bevor die Weltmeisterschaft ĂŒberhaupt beginnt. Diese Behauptungen wĂŒrden sich direkt an Fans und Ticketinhaber richten und dienten als Grundlage fĂŒr kommerzielle Belohnungen.

Die unrichtigen und irrefĂŒhrenden Behauptungen wĂŒrden Art. 3 Abs. 1 lit. b des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), Art. 5, D1 und D3 der Richtlinien der Internationalen Handelskammer zur Praxis der Werbe- und Marketingkommunikation (ICC-Kodex) sowie den Grundsatz Nr. B.2 der Schweizerischen Lauterkeitskommission verletzen.

Auf die Stellungnahme der Beschwerdegegnerin wird in den ErwÀgungen eingegangen.

Die SLK (II. Kammer) hat die Beschwerden gutgeheissen. Es wurde dagegen kein Rechtsmittel (Rekurs) erhoben.

Aus den ErwÀgungen der II. Kammer

Vereinigung der Verfahren

6.

Da die Inhalte der fĂŒnf Beschwerden einen engen sachlichen Zusammenhang aufweisen und die Begehren der BeschwerdefĂŒhrer auf gleichartigen tatsĂ€chlichen und rechtlichen GrĂŒnden beruhen, wurden die Verfahren durch das Sekretariat der Lauterkeitskommission nach Art. 5 Abs. 4 des GeschĂ€ftsreglements der Lauterkeitskommission vereinigt.

Korrespondenz mit Parteien

7.

WĂ€hrend dem Lauf des Verfahrens hielt die Lauterkeitskommission gegenĂŒber den Parteien bereits fest was folgt:

  • 1.

    Sprache: Das Verfahren wird in der schweizerischen Amtssprache durchgefĂŒhrt, in der die beanstandete kommerzielle Kommunikation veröffentlicht wird (Art. 12 Abs. 1 GeschĂ€ftsreglement SLK). Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass drei Beschwerden gegen Werbeaussagen in französischer Sprache gerichtet sind, wird das Verfahren in französischer Sprache durchgefĂŒhrt. Dies betrifft sĂ€mtliche Eingaben, auch die Stellungnahme zu den Beschwerden in englischer Sprache.

  • 2.

    Anwendbares Recht: Alle fĂŒnf Beschwerden werden auf ihre Übereinstimmung mit den Richtlinien der Internationalen Handelskammer zur Praxis der Werbe- und Marketingkommunikation, den Vereinbarungen der Kommission mit Organisationen einzelner Branchen im Zusammenhang mit der Regulierung branchenspezifischer kommerzieller Kommunikation sowie mit der schweizerischen Gesetzgebung und Rechtsprechung geprĂŒft (Art. 1.3 GeschĂ€ftsreglement der SLK). Die Kommission beurteilt Massnahmen der transnationalen (cross-border) kommerziellen Kommunikation, die ihre Wirkung auf dem Schweizer Markt entfaltet (Art. 1.5 GeschĂ€ftsreglement der SLK). Bei der Beurteilung einer Massnahme der kommerziellen Kommunikation (Grundsatz Nr. A.1 der Lauterkeitskommission) werden sĂ€mtliche aufgezĂ€hlten Kriterien ausschliesslich nach Wahrnehmung in der Schweiz bzw. auf die Schweiz gerichtet berĂŒcksichtigt.

  • 3.

    Die Schweizerische Lauterkeitskommission hat im Rahmen der Schaffung des «EASA Cross-Border Complaints Systems» immer klar kommuniziert, dass sie sich ausbedingt, Massnahmen der transnationalen (cross-border) kommerziellen Kommunikation nur dann zu beurteilen, wenn sie ihre Wirkungen auf dem Schweizer Markt entfaltet (vgl. Art. 1.5 GeschĂ€ftsreglement der SLK). Das «EASA Cross-Border Complaints System» ist auf den EU-Markt ausgerichtet, weshalb die EASA den «Sonderweg» der Schweizerischen Lauterkeitskommission, wonach das Auswirkungsprinzip und nicht das Herkungsortprinzip zur Anwendung gelangt, akzeptiert. Die Schweizerische Lauterkeitskommission hat weder die rechtlichen noch die tatsĂ€chlichen Strukturen und Ressourcen, die RechtmĂ€ssigkeit von transnationaler kommerzieller Kommunikation im Ausland oder die Auswirkungen von solchen Massnahmen auf die Öffentlichkeiten anderer Staaten beurteilen zu können. Seit Jahren hĂ€lt dies die Lauterkeitskommission auch in ihren TĂ€tigkeitsberichten fest (z. B. TĂ€tigkeitsbericht 2021, 49).

  • 4.

    Es wird daran erinnert, dass das Verfahren vor der Lauterkeitskommission ein einfaches ist.

Stellungnahme der Beschwerdegegnerin

8.

Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der fĂŒnf Beschwerden. Die Konsumenten wĂŒrden durch die beanstandeten Aussagen in keiner Weise in die Irre gefĂŒhrt. Die KlimaneutralitĂ€t der (
)weltmeisterschaft (
) in (
) entspreche den Tatsachen und könne sowohl von Verbrauchern als auch von den Parteien ĂŒberprĂŒft werden, da 2023 ein Ex-Post-Bericht veröffentlicht werde, der es ermöglichen werde, die Gesamtmenge der Emissionen zu kennen sowie die verbleibende zu kompensierende Menge CO2.

9.

Die streitgegenstĂ€ndlichen Äusserungen wĂŒrden somit wahrheitsgemĂ€ss, transparent und nachvollziehbar die BemĂŒhungen der Beschwerdegegnerin und des Gastgeberlandes um die KlimaneutralitĂ€t der (
)weltmeisterschaft (
) in (
) widerspiegeln.

10.

Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin handle es sich bei den beanstandeten Aussagen nicht um Werbung. Die Aussagen seien Teil von Seiten der Website der Beschwerdegegnerin, auf denen diese die Massnahmen darlege, welche die Organisatoren der (
)weltmeisterschaft (
) in (
) ergrif|fen haben, um die Treibhausgasemissionen im Zusammenhang mit dem Turnier in ________ zu messen, zu verringern, auszugleichen und klimaneutral zu machen. Der Hauptzweck solcher Mitteilungen bestehe nicht darin, Personen zum Abschluss von GeschĂ€ften mit der Beschwerdegegnerin zu veranlassen (im Sinne von Grundsatz Nr. A.3 Absatz 1 der Lauterkeitskommission), und sei nicht klar, ob sie der Definition von Werbeformen gemĂ€ss Grundsatz Nr. A.3 Absatz 2 der Lauterkeitskommission entsprechen wĂŒrden. TatsĂ€chlich handle es sich bei diesen Aussagen nicht um kommerzielle Kommunikation, sondern um das BemĂŒhen der Organisatoren um Transparenz und Rechenschaft ĂŒber die Umweltfolgen einer Grossveranstaltung.

11.

Soweit aus den Beschwerden hervorgehe, dass die Vergabe der (
)weltmeisterschaft (
) an den Staat (
) in Frage gestellt werde, sei dies fĂŒr das vorliegende Verfahren irrelevant. Ebenso sei es nicht Aufgabe der Kommission, sich zu moralischen oder ethischen ErwĂ€gungen in Bezug auf bestimmte Verhaltensweisen zu Ă€ussern, wie z. B. das Fliegen zu Sportveranstaltungen.

12.

Die Beschwerdegegnerin sei sich bewusst, dass der Klimawandel eine der drĂ€ngendsten Herausforderungen unserer Zeit sei. Aus diesem Grund habe sie erhebliche Anstrengungen unternommen, um die negativen Auswirkungen zu bekĂ€mpfen und gleichzeitig die positiven Auswirkungen eines solchen Turniers zu maximieren. Die Verpflichtung der Beschwerdegegnerin und des Gastgeberlandes, fĂŒr die (
)weltmeisterschaft (
) in (
) KlimaneutralitĂ€t zu erreichen, sei echt und aufrichtig.

Entscheid (einleitende Bemerkungen)

13.

Es wird darauf hingewiesen, dass das Verfahren vor der Lauterkeitskommission kein Zivilgerichtsverfahren darstellt (vgl. dazu auch Mischa Senn, Das Verfahren vor der Schweizerischen Lauterkeitskommission, sic! 1999, 697 ff., insbesondere Ziff. IV). Vertiefte SachverhaltsabklĂ€rungen, mehrfache Schriftenwechsel und umfangreiche Beweisverfahren sieht das vereinfachte Verfahren der Lauterkeitskommission nicht vor. Die Lauterkeitskommission unterzieht die ihr vorgelegten Werbemittel einer summarischen PrĂŒfung, basierend auf den Angaben in den Beschwerden und in den Beschwerdeantworten.

14.

Das GeschĂ€ftsreglement der SLK schreibt in Art. 13 Abs. 1 vor, dass Eingaben mit kurzer BegrĂŒndung einzureichen sind. In ihrer bisherigen Praxis hat die Lauterkeitskommission verzichtet, eine Definition fĂŒr «kurze BegrĂŒndung» vorzunehmen. Dieses Beschwerdeverfahren, mit sehr umfangreichem Aktenumfang, zeigt, dass diese Diskussion wieder aufgenommen werden muss.

15.

Insgesamt werden die Parteien einleitend darauf hingewiesen, dass im Rahmen der summarischen PrĂŒfung durch die Lauterkeitskommission nicht jeder einzelne Beanstandungspunkt aufgenommen und behandelt wird. Die Lauterkeitskommission konzentriert sich in ihrer Beurteilung auf die durch alle BeschwerdefĂŒhrer gemeinsam beanstandeten Werbeaussagen.

Entscheid (formeller Teil)

16.

GemĂ€ss Art. 1 Abs. 3 des GeschĂ€ftsreglements der SLK hat die Lauterkeitskommission die ihr unterbreiteten Massnahmen der kommerziellen Kommunikation auf ihre Übereinstimmung mit den Richtlinien der Internationalen Handelskammer zur Praxis der Werbe- und Marketingkommunikation, den Vereinbarungen der Kommission mit Organisationen einzelner Branchen im Zusammenhang mit der Regulierung branchenspezifischer kommerzieller Kommunikation sowie mit der schweizerischen Gesetzgebung und Rechtsprechung zu prĂŒfen. Stellt die Kommission einen Verstoss fest, schafft sie in geeigneter Weise Abhilfe. Wann eine Kommunikation als kommerziell gilt, hat die Kommission in GrundsĂ€tzen festzulegen (Art. 1 Abs. 4 des GeschĂ€ftsreglements der SLK). GemĂ€ss Grundsatz Nr. A.3 der Lauterkeitskommission ist unter kommerzieller Kommunikation jede Massnahme zu verstehen, die eine gewisse Anzahl von Personen systematisch in ihrer Einstellung zu bestimmten Produkten oder GeschĂ€ftsverhĂ€ltnissen zum Hauptzweck des Abschlusses eines RechtsgeschĂ€ftes oder seiner Verhinderung beeinflusst. Kommerzielle Kommunikation umfasst insbesondere sĂ€mtliche Formen von Werbung, Influencing, Native Advertising, Direktmarketing, Sponsoring, Verkaufsförderung und Öffentlichkeitsarbeit.

17.

Nach Ansicht der Kammer handelt es sich bei den beanstandeten Aussagen um kommerzielle Kommunikation im Sinne von Grundsatz Nr. A.3 der Lauterkeitskommission. Die Aussagen bezwecken in klarer Weise, die Einstellung gegenĂŒber der beworbenen (
)weltmeisterschaft (
) in (
) positiv zu beeinflussen, um u. a. den Verkauf von Tickets zu fördern. Im Übrigen handelt es sich auch um Öffentlichkeitsarbeit der Beschwerdegegnerin. Die ZustĂ€ndigkeit der Lauterkeitskommission ist daher in sachlicher Hinsicht gegeben.

18.

Vorbehaltlich der ZustĂ€ndigkeit staatlicher oder anderer Instanzen beurteilt die Kommission Massnahmen der transnationalen (cross-border) kommerziellen Kommunikation, die ihre Wirkung auf dem Schweizer Markt entfaltet (Auswirkungsprinzip). Einzelheiten dazu hat sie in GrundsĂ€tzen festzulegen (Art. 1 Abs. 5 des GeschĂ€ftsreglements der SLK). Im Online-Bereich entfaltet kommerzielle Kommunikation ihre Wirkung dann auf dem Schweizer Markt, wenn sie auf |denselben ausgerichtet ist (Grundsatz Nr. A.2 der Lauterkeitskommission). Dies ist der Fall, wenn mindestens zwei der folgenden Anhaltspunkte, deren AufzĂ€hlung nicht erschöpfend ist, erfĂŒllt sind: 1. der Charakter des Angebots spricht Schweizer Kundschaft an (national oder international mit Ansprache oder ErwĂ€hnung von Schweizer Kundschaft), 2. die Schweiz ist als Teil des Marktgebiets definiert (im Impressum, in den AGB o. Ă€.) bzw. gehört zu denjenigen LĂ€ndern, in welche die Ware geliefert wird, in welchen das Werk erstellt bzw. in welchen die Dienstleistung erbracht wird, 3. das Angebot kann in Schweizer Franken bezahlt werden, 4. es sind Anfahrtsbeschreibungen aus der Schweiz angegeben, 5. es wird eine Schweizer Amtssprache verwendet, 6. es werden Telefonnummern mit internationalen Vorwahlen angegeben, 7. es wird eine.ch-Domain oder eine generischen Top Level Domain (allenfalls mit Weiterleitung auf eine internationale Seite) verwendet, 8. es kommt Schweizer Recht zur Anwendung (z. B. gemĂ€ss AGB).

19.

Nach Ansicht der Kammer richtet sich die beanstandete kommerzielle Kommunikation auf der internationalen Internetseite der Beschwerdegegnerin unzweifelhaft auch an das Schweizer Publikum. Aufgrund der Tatsache, dass das Schweizer Nationalteam am Turnier teilnehmen konnte, spricht der Charakter der Kommunikation Schweizer Kundschaft mit an. Die Schweiz war Teil des Marktgebiets (z. B. Lieferung von Tickets in die Schweiz) und die Kommunikation erfolgte u. a. auf Französisch. Somit sind mindestens drei Anhaltspunkte gemĂ€ss Grundsatz Nr. A.2 der Lauterkeitskommission erfĂŒllt. Vor diesem Hintergrund wirkt sich die beanstandete kommerzielle Kommunikation auf dem Schweizer Markt aus, womit die ZustĂ€ndigkeit der Lauterkeitskommission auch in rĂ€umlicher Hinsicht gegeben ist.

20.

Auf die (vereinigten) Beschwerden wird daher eingetreten.

Entscheid (materieller Teil)

21.

Kommerzielle Kommunikation soll u. a. rechtmĂ€ssig, wahrheitsgemĂ€ss und nicht irrefĂŒhrend sein sowie den GrundsĂ€tzen von Treu und Glauben im GeschĂ€ftsverkehr entsprechen (Grundsatz Nr. A.1 Abs. 2 der Lauterkeitskommission). FĂŒr die Beurteilung einer Massnahme der kommerziellen Kommunikation berĂŒcksichtigt die Lauterkeitskommission gemĂ€ss Grundsatz Nr. A.1 Abs. 3 der Lauterkeitskommission insbesondere folgende Kriterien: 1. Das VerstĂ€ndnis der massgebenden Zielgruppe, 2. Der Gesamteindruck, 3. Die Grundaussage, 4. Die Art des beworbenen Produktes (Produkt = Ware, Werk oder Dienstleistung), 5. Der Charakter des Mediums, 6. Der Vergleich zur dargestellten Wirklichkeit, 7. Ironische Aussagen oder Parodien sind entsprechend ihrem Charakter auszulegen, 8. Die aktuelle und tatsĂ€chlich herrschende Auffassung ĂŒber Ethik, Sitte und Moral in der Gesellschaft.

22.

GemĂ€ss Grundsatz Nr. B.2 der Lauterkeitskommission ist kommerzielle Kommunikation unlauter, wenn ein Unternehmen bzw. eine Institution sich durch die Kommunikation unrichtiger oder irrefĂŒhrender Darstellungen, Aussagen oder Angaben vorteilhafter darstellt. Insbesondere mĂŒssen auch Darstellungen, Aussagen und Angaben mit Umweltbezug wahr und klar sein. Dies verlangt auch Art. 3 Abs. 1 lit. b des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sowie Artikel 5 ICC-Kodex. Ob eine unlautere TĂ€uschung oder IrrefĂŒhrung stattfindet, beurteilt sich im Gesamteindruck eines Werbemittels nach dem VerstĂ€ndnis der angesprochenen Durchschnittsadressaten (siehe Grundsatz Nr. A.1 Ziff. 3 der Lauterkeitskommission). Werbende mĂŒssen die Richtigkeit ihrer Werbeaussagen beweisen können (Grundsatz Nr. A.5 der Lauterkeitskommission, Art. 13 GeschĂ€ftsreglement der SLK sowie Art. 13a UWG).

23.

Werbung und Marketing mit Umweltbezug, d. h. jedwede ex- oder implizite Bezugnahme auf Umwelt- oder ökologische Aspekte, muss sodann den Anforderungen des Kapitels D des ICC-Kodex genĂŒgen. GemĂ€ss Artikel D1 ICC-Kodex darf Marketingkommunikation keine Aussagen oder visuellen Darstellungen enthalten, die Verbraucher in irgendeiner Weise irrefĂŒhren können bezĂŒglich der Umweltaspekte oder VorzĂŒge von Produkten (d. h. Ware oder Dienstleistung) oder AktivitĂ€ten, die der Werbungtreibende zugunsten der Umwelt unternommen hat. Umweltbezogene Aussagen sollten aktuell sein und gegebenenfalls neu bewertet werden im Hinblick auf bedeutsame Entwicklungen.

24.

Vage oder unspezifische, fĂŒr die Umwelt vorteilhafte Aussagen, die fĂŒr Verbraucher verschiedene Bedeutungen haben können, dĂŒrfen nur getĂ€tigt werden, wenn sie, ohne EinschrĂ€nkung, bei jeder vernĂŒnftigerweise vorhersehbaren Sachlage gelten. Ist dies nicht der Fall, sollten allgemeine umweltbezogene Aussagen entweder qualifiziert oder vermieden werden. Insbesondere dĂŒrfen Aussagen wie «umweltfreundlich» oder «ökologisch sicher», «grĂŒn», «nachhaltig», «CO2-freundlich» und alle weiteren Aussagen, die implizieren, dass ein Produkt oder eine AktivitĂ€t keinen – oder lediglich einen positiven – CO2-Einfluss auf die Umwelt hat, nur dann ohne EinschrĂ€nkung gemacht werden, wenn sie hohen Beweisanforderungen genĂŒgen. Solange keine definitiven, allgemein akzeptierten Methoden zur Messung der Nachhaltigkeit oder Sicherung ihrer DurchfĂŒhrung vorliegen, darf nicht behauptet werden, Nachhaltigkeitsziele seien erreicht worden (Artikel D1, 4. Absatz).

25.

Nach Ansicht der Kammer erfĂŒllt die Beschwerdegegnerin diese Anforderungen an eine lautere kommerzielle Kommunikation mit Umweltbezug nicht.

26.

Die Kernaussage, wonach die (
)weltmeisterschaft (
) in (
) «neutre en carbone» sei bzw. sein werde, darf nur gemacht werden, wenn die Richtigkeit nach definitiven, allgemein akzeptierten Methoden zur Messung der CO2-Emissionen und deren vollstĂ€ndigen Kompensation erwiesen ist. Dies ist nach Ansicht der Kammer, Stand heute, nicht der Fall.

27.

Die Durchschnittsadressaten verstehen vorliegend unter der Aussage «Klima- bzw. CO2-NeutralitĂ€t» einer (
)weltmeisterschaft, dass es in Bezug auf die CO2-Emissionen auf das gleiche Resultat hinauslaufen muss, wie wenn das Turnier gar nicht stattfinden wĂŒrde. Um dieses Resultat zu erreichen, erwarten die Durchschnittsadressaten, dass die aufgrund des Turniers entstehenden, nach definitiven, allgemein akzeptierten Methoden zur Messung festgestellten CO2-Emissionen, vollstĂ€ndig kompensiert werden. Dies erfordert einen vollstĂ€ndigen Nachweis der nach allgemein akzeptierten Methoden vorgenommenen Berechnung aller aufgrund des Turniers kausal verursachter CO2-Emissionen sowie den Nachweis der vollstĂ€ndigen Kompensation dieser CO2-Emissionen.

28.

Derzeit und aufgrund der eingereichten Dokumente lassen sich die beanstandeten Aussagen der Beschwerdegegnerin nicht abschliessend auf ihre Richtigkeit hin ĂŒberprĂŒfen, da es sich beim Versprechen der Beschwerdegegnerin um eines mit Blick in die Zukunft handelt und die CO2-Emissionen erst zu einem spĂ€teren Zeitpunkt vollstĂ€ndig definitiv berechnet und kompensiert werden sollen.

29.

Die Beschwerdegegnerin hat zwar einen Ex-Ante-Bericht erstellen lassen, der die voraussichtlichen CO2-Emissionen (3.63 Millionen Tonnen CO2) auf provisorischer Basis berechnet, die BeschwerdefĂŒhrerinnen kritisieren jedoch die darin enthaltenen EinschĂ€tzungen als zu tief. Die Kammer kann nicht abschliessend beurteilen, ob die SchĂ€tzung von 3.63 Millionen Tonnen CO2 realistisch bzw. zutreffend ist. Offensichtlich liegt aber keine «allgemein akzeptierte Methode» im Sinne von Art. D1 ICC-Kodex vor. Selbst wenn die SchĂ€tzung dereinst den definitiven Zahlen entsprechen sollte, bleibt aber fĂŒr die Kammer unklar, ob die versprochene Kompensation ĂŒberhaupt realistisch ist. Auch wenn die Beschwerdegegnerin ihre Kompensationsabsichten beschreibt, und behauptet, sie habe die ex-ante geschĂ€tzten 3.63 Millionen Tonnen CO2 bereits kompensiert und wiederholt in Aussicht stellt, die zu einem spĂ€teren Zeitpunkt definitiv zu berechnenden Emissionen vollstĂ€ndig zu kompensieren, so weist sie die Kompensation der ex-ante geschĂ€tzten Emissionen nicht nach und legt auch kein Konzept vor, wonach sie eine allfĂ€llige weitere Kompensation in unbestimmter Höhe ohne Weiteres vornehmen können wird. Zudem bleibt unklar, ob die Kompensationsmassnahmen den Schweizer Standards entsprechen (z. B. vollstĂ€ndiger und dauerhafter Entzug von CO2 aus der AtmosphĂ€re).&cbr;

30.

Dazu kommt, dass die Beschwerdegegnerin in der beanstandeten kommerziellen Kommunikation den geplanten, zukĂŒnftigen Prozess zur spĂ€teren Erreichung einer klima- bzw. CO2-neutralen (
)weltmeisterschaft (
) in (
) nicht immer klar und eindeutig erkennbar macht. Teilweise hat die Beschwerdegegnerin mit absoluten Aussagen gearbeitet und so den falschen und irrefĂŒhrenden Eindruck erweckt, die (
)weltmeisterschaft (
) in (
) sei bereits vor und wĂ€hrend dem Turnier klima- bzw. CO2-neutral. FĂŒr die Durchschnittsadressaten geht aufgrund der beanstandeten Aussagen nicht klar hervor, dass die (
)weltmeisterschaft (
) in (
) erst in unbestimmter Zukunft und unter ErfĂŒllung konkreter Bedingungen diesen Status voraussichtlich erreichen könnte.

31.

Zusammenfassend erachtet die Kammer die beanstandeten Aussagen im Rahmen einer summarischen PrĂŒfung als unlauter im Sinne von Art. D1 ICC-Kodex, Grundsatz Nr. B.2 der Lauterkeitskommission sowie Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG. Die hohen Anforderungen an eine lautere kommerzielle Kommunikation mit Umweltbezug wurden nicht erfĂŒllt. Vor diesem Hintergrund hĂ€tten die beanstandeten Aussagen unterlassen werden mĂŒssen oder es hĂ€tte klarer kommuniziert bzw. relativiert werden mĂŒssen, um den Durchschnittsadressaten stets transparent aufzuzeigen, dass die BemĂŒhungen, die (
)weltmeisterschaft (
) in (
) klima- bzw. CO2-neutral zu gestalten, erst in der Zukunft unter ErfĂŒllung konkreter Bedingungen erreicht werden können. Zudem hĂ€tte die Beschwerdegegnerin glaubhaft nachweisen mĂŒssen, auf welche Weise sĂ€mtliche aufgrund des Turniers entstehenden CO2-Emissionen nach Schweizer Standards kompensiert werden können.

32.

Vor diesem Hintergrund sind die Beschwerden gutzuheissen.

Beschluss

Die Beschwerden werden gutgeheissen. Der Beschwerdegegnerin wird empfohlen, inskĂŒnftig auf die beanstandeten Aussagen zu verzichten, insbesondere die (
)weltmeisterschaft (
) in (
) sei klima- bzw. CO2-neutral, es sei denn, sie kann zum Zeitpunkt der Kommunikation einerseits den vollstĂ€ndigen Nachweis der nach allgemein akzeptierten Methoden vorgenommenen Berechnung aller aufgrund des Turniers kausal verursachter CO2-Emissionen sowie andererseits den Nachweis der vollstĂ€ndigen Kompensation dieser CO2-Emissionen erbringen.

Fussnoten:

1

Die LeitsÀtze und die Sachverhaltsdarstellung sind nicht Bestandteil des offiziellen Entscheides; sie stammen vom Berichterstatter.

2

Les lignes directrices et l’exposĂ© des faits ne font pas partie de la dĂ©cision officielle; ils Ă©manent du rapporteur.