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Berichte / Rapports

Bericht über die INGRES- und SVRH-Tagung vom 19. November 2024

Sophie Haldimann,

MLaw, Bern.

Simona De Santis,

MLaw, St. Gallen.

Die diesjährige Tagung mit Schwerpunkt Prozessrecht des Instituts für gewerblichen Rechtsschutz (INGRES) und des Schweizer Verbands der Richter in Handelssachen (SVRH) fand in einem Gerichtsaal des Bundesverwaltungsgerichts statt. Ziel war es, durch verschiedene Referate sowie eine abschliessende Paneldiskussion die Besonderheiten der verschiedenen Verfahrensarten näher zu beleuchten sowie mögliche Stolpersteine und Fallstricke der Immaterialgüterrechtsprozesse zu identifizieren. Geleitet wurde die Tagung durch Dr. Meinrad Vetter, welcher durch die einzelnen Vorträge moderierte, während Dr. Michael Ritscher das an die Vorträge anschliessende Panel leitete. Die Verantwortung für die Organisation einer weiteren sehr gelungenen INGRES- und SVRH-Tagung übernahm Dr. Christoph Gasser.

La conférence de cette année, axée sur le droit procédural, organisée par l’Institut de la propriété industrielle (INGRES) et l’Association suisse des juges en matière commerciale (SVRH), s’est tenue dans une salle d’audience du Tribunal administratif fédéral. L’objectif était d’éclairer plus en détail les particularités des différents types de procédure par le biais d’exposés, ainsi que d’une discussion finale en panel, et d’identifier les éventuelles pierres d’achoppement et les pièges des procès en matière de propriété intellectuelle. Dr. Meinrad Vetter a animé les différents exposés et Dr. Michael Ritscher a dirigé la table ronde qui a suivi. Dr. Christoph Gasser a assumé la responsabilité de l’organisation d’une nouvelle conférence INGRES et SVRH couronnée de succès.

I. Zivilprozess

Dr. Christian Josi, Oberrichter und Handelsgerichtspräsident am Obergericht des Kantons Bern, eröffnete die Vortragsreihe mit einem Beitrag zu Stolpersteinen und Fallstricken im Zivilprozess. Er hob drei wesentliche Aspekte hervor, welche er als «Königsdisziplinen» des Zivilprozesses bezeichnete: (1) die präzise Formulierung des Rechtsbegehrens, (2) das Behaupten und Substanziieren sowie (3) die Beweisführung.

1. Rechtsbegehren

Im ersten Teil seiner Ausführungen zur Königsdisziplin der Rechtsbegehren verwies Josi auf Art. 84 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) und erläuterte das Bestimmtheitsgebot. Das Erfordernis der Bestimmtheit hat den Zweck, den Streitgegenstand einzugrenzen. Es dient nicht nur der Information der Gegenpartei über das konkret geforderte Verhalten – ein Aspekt, der auch dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach Art. 53 Abs. 1 ZPO entspricht –, sondern stellt ebenfalls sicher, dass die Dispositionsmaxime gemäss Art. 58 Abs. 1 ZPO gewahrt bleibt. Die Bestimmtheit eines Rechtsbegehrens ist auch für die Vollstreckung von zentraler Bedeutung: Das Vollstreckungsgericht muss erkennen können, welche Anordnungen es treffen muss. Das Bundesgericht stellt klar, dass Vollstreckbarkeit bedeutet, dass das erwartete Verhalten in sachlicher, örtlicher und zeitlicher Hinsicht so klar umschrieben sein muss, dass das Vollstreckungsgericht diesbezüglich keine eigene Erkenntnistätigkeit entfalten muss (BGer vom 7. Dezember 2012, 4A_269/2012, E. 3.2). Josi verdeutlichte dies anhand von Beispielen, in denen das Bundesgericht Rechtsbegehren als zu weit gefasst kritisierte, etwa «die Beklagten hätten jegliches auf den Boykott oder auf die Diskriminierung der Klägerinnen abzielende Verhalten zu unterlassen» (BGE 88 II 209 ff. E. III.2) oder «zu untersagen, die Klägerin durch weitere rechtswidrige und unsittliche Angaben und Massnahmen in ihrer Geschäftskundschaft und Geschäftstätigkeit zu beeinträchtigen und in deren Besitz zu bedrohen» (BGE 56 II 431 ff. E. 3). Solche Formulierungen lassen weder die Gegenpartei noch das Vollstreckungsgericht erkennen, was konkret untersagt ist.

Unbestimmte Rechtsbegehren haben erhebliche Folgen: Im Erkenntnisverfahren führen sie zu einem Nichteintreten (Art. 59 Abs. 2 lit. a ZPO) und im Vollstreckungsverfahren zur Abweisung des Gesuchs (Art. 336 Abs. 1 ZPO). Zwar kann im Vollstreckungsverfahren auf die Urteilserwägungen zurückgegriffen werden, um Unklarheiten zu klären (vgl. BGer vom 24. März 2021, 4A_287/2020, E. 2.2.2), jedoch muss der Inhalt des Urteils aus jenen eindeutig hervorgehen. Eine Auslegung unbestimmter (Rechts-)Begriffe aus dem Dispositiv oder eine nachträgliche Korrektur, etwa durch eine Erläuterung (Art. 334 ZPO), ist dabei jedoch unzulässig (BGE 143 III 420 ff. E. 2.2).

Josi vertiefte in der Folge eine häufig anzutreffende Struktur von Rechtsbegehren, bei der zunächst allgemeine (Gesetzes-)Inhalte genannt werden, bevor konkretes Verhalten beschrieben wird, das untersagt werden soll. Ein solches Beispiel findet sich im Urteil des Bundesgerichts 4A_460/2011 vom 20. Dezember 2011, in welchem dem Beschwerdegegner verboten wurde, die Beschwerdeführerin im Geschäftsverkehr «herabzusetzen» bzw. «negativ zu bewerten», indem er diese etwa mit «Abzocker» bezeichne oder behaupte, deren Produkte würden im «Schneeballsystem» vertrieben oder deren Jahresbericht könne nicht stimmen. Das Bundesgericht sah in diesem Fall das Bestimmtheitsgebot als verletzt mit der Begründung, dass die Begriffe «herabsetzen» und «negativ bewerten» zu ungenügend bestimmt seien. Diese Begriffe seien auslegungs- und konkretisierungsbedürftig und liessen den Beschwerdegegner und die Vollstreckungsbehörden im Ungewissen darüber, was genau untersagt sei. Zudem ginge das geforderte zu verbietende Verhalten in seinem Bestimmtheitsgrad nicht über die allgemeine Fassung der Gesetzesbestimmung hinaus; vielmehr war das Unterlassungsbegehren noch weiter formuliert als die gesetzliche Bestimmung selbst (vgl. BGer vom 20. Dezember 2011, 4A_460/2011, E. 2.2). Zum zweiten Teil des Begehrens, der konkrete Aussagen wie die Bezeichnung «Abzocker», die Behauptung eines «Schneeballsystems» oder die Infragestellung der Korrektheit des Jahresberichts enthielt, nahm das Bundesgericht keine Stellung mehr. Josi vertritt die Auffassung, dass dieser zweite, spezifischere Teil des Rechtsbegehrens den Anforderungen an Bestimmtheit und Vollstreckbarkeit genügt hätte, da dessen Inhalt klar formuliert und somit vollstreckbar gewesen wäre. Der Inhalt eines Rechtsbegehrens hat auch eine Informationsfunktion, weshalb es aus seiner Sicht nicht falsch wäre, den allgemeineren Teil voranzustellen, sofern die konkrete Beschreibung der untersagten Verhaltensweisen hinreichend präzise bleibt. Im Fall vom Urteil 4A_460/2011 hätten – so Josi – zumindest Begriffe wie «Abzocker» und «Schneeballsystem» als genügend bestimmt angesehen werden können.

Anschliessend beleuchtete Josi einen weiteren zentralen Aspekt bei der Formulierung von Rechtsbegehren: die Unterscheidung zwischen Unterlassungs- und Beseitigungsbegehren im Zusammenhang mit der Beseitigung eines bestehenden rechtswidrigen Zustands. Dabei erläuterte er, dass eine Verpflichtung zur Unterlassung – etwa das Verbot, «das Zeichen BMW auf Schriftstücken […] abzudrucken oder sonst wie anzubringen» – auf ein bestimmtes aktives Verhalten abzielt und lediglich für die Zukunft wirkt. Diese Unterlassungspflicht schliesst jedoch nicht automatisch die Beseitigung eines durch vergangenes Verhalten geschaffenen rechtswidrigen Zustands ein, beispielsweise die Entfernung bereits vorhandener Drucke mit dem beanstandeten Zeichen. Josi ging im weiteren Verlauf auf den Begriff «zu verwenden» ein und stellte dessen potenzielle Unschärfen dar. Anhand des Beispiels «das Zeichen BMW im Geschäftsverkehr […] zu verwenden» verdeutlichte er, dass sich «verwenden» grundsätzlich auf ein aktives Tun bezieht. Demnach könnte argumentiert werden, dass das blosse Belassen einer Äusserung, etwa auf einer Website, nicht als «verwenden» gilt. Das Bundesgericht (BGE 142 III 587 ff.) interpretierte dies jedoch grosszügiger und entschied, dass ein auf Unterlassung gerichtetes Urteil auch ein positives Tun – im konkreten Fall das Entfernen einer Abbildung – umfassen kann, sofern dies aus den Umständen klar hervorgeht. Josi warnte jedoch vor einer zu grossen Abhängigkeit von der gerichtlichen Auslegung. Er empfahl nachdrücklich, Beseitigungsbegehren ausdrücklich zu formulieren, um sicherzustellen, dass sowohl zukünftige Verstösse als auch bestehende rechtswidrige Zustände erfasst und beseitigt werden können.

Josi vertiefte in der Folge einen weiteren Fallstrick, den er unter dem Begriff «überschiessende Rechtsbegehren» zusammenfasst. Hierbei wies er darauf hin, dass ein Rechtsbegehren vom Beseitigungsanspruch erfasst sein muss. Als Beispiel führte er ein Rechtsbegehren an, in dem verlangt wurde, die Gegenseite zu verpflichten, auf ihrer eigenen Internetseite einen Link zu löschen, der auf eine andere Website verwies. Auf der verlinkten Website befand sich eine falsche Behauptung, nämlich die unwahre Angabe, die Gegenseite sei Mitglied eines bestimmten Verbands. Statt jedoch die Beseitigung dieser unwahren Behauptung auf der fremden Website zu verlangen, richtete sich das Begehren auf die Löschung des Links zu dieser Seite auf der eigenen Website. Josi stellte klar, dass der Verweis auf eine Website für sich genommen nicht rechtswidrig ist. Rechtswidrig könnte allenfalls der Inhalt der verlinkten Website sein, also die dort verbreitete Lüge. Da der beantragte Anspruch jedoch auf die Löschung des Links und nicht auf die Beseitigung der unwahren Behauptung selbst abzielte, wurde das Begehren abgewiesen.

Abschliessend zum Thema der Rechtsbegehren widmete sich Josi den Geldforderungen, die gemäss Art. 84 Abs. 2 ZPO grundsätzlich zu beziffern sind. Als einzige Ausnahme gilt die unbezifferte Forderungsklage nach Art. 85 ZPO, die zulässig ist, wenn es der klagenden Partei unmöglich oder unzumutbar ist, die Forderung bereits bei Beginn des Prozesses zu beziffern. In solchen Fällen schreibt das Gesetz jedoch vor, dass zumindest ein Mindestbetrag genannt werden muss. Das Bundesgericht legt diese Ausnahme sehr restriktiv aus, was insbesondere im Urteil BGE 148 III 322 deutlich wird. In diesem Fall hatte die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verpflichten, einen Betrag von über CHF 100'000 zu bezahlen, wobei der genaue Schadensbetrag erst nach Durchführung eines Beweisverfahrens und Vorlage eines Gutachtens bestimmt werden könne. Das Bundesgericht entschied jedoch, dass ein blosser Verweis auf fehlende Informationen nicht ausreicht. Erforderlich sei vielmehr ein detaillierter Nachweis, warum und in welchem Umfang die Bezifferung der Forderung unmöglich oder unzumutbar sei. Josi kritisierte diese strenge Handhabung, da die hohen Substantiierungsanforderungen in solchen Fällen einen weiteren Stolperstein für die klagende Partei darstellen.

2. Behaupten und Substantiieren

Im zweiten Teil seines Referats widmete sich Dr. Christian Josi den Herausforderungen des Behauptens und Substantiierens im Zivilprozess. Er stellte einleitend klar, dass der Umfang des Behauptens und Substantiierens sowohl durch die Tatbestandsmerkmale der angerufenen Norm als auch durch das prozessuale Verhalten der Gegenpartei bestimmt wird (vgl. BGer vom 27. November 2014, 4A_195/2014, E. 7.3.2). Josi unterscheidet zwei Phasen des Behauptens und Substantiierens: Die Klage kann vorerst darauf beschränkt werden, sämtliche Tatsachen schlüssig zu behaupten, die zur Subsumption unter die Rechtsnorm erforderlich sind, auf die das Klagebegehren gestützt wird («vollständiges Skelett»). Erst wenn die Gegenseite diese behaupteten Tatsachen bestreitet, müssen sie im nächsten Schritt in Einzeltatsachen zergliedert so umfassend und klar dargelegt werden («Fleisch am Knochen»), dass darüber Beweis abgenommen oder der Gegenbeweis geführt werden kann (Substantiieren i.e.S.).

Ein besonderes Augenmerk richtete Josi anschliessend auf die Beweiserleichterung nach Art. 42 Abs. 2 OR1 bei ziffernmässig nicht nachweisbaren Schäden. Theoretisch sollten Kläger hier weniger detaillierte Behauptungen vortragen müssen. Die Crux ist jedoch, dass die Substantiierungsobliegenheit bestehen bleibt (BGE 143 III 297 ff. E. 8.2.5.2): Klagende Parteien müssen trotz Beweiserleichterung sämtliche Umstände darlegen, die eine verlässliche Schadensschätzung ermöglichen. Die ursprünglich intendierte Beweiserleichterung erweist sich in der Praxis – so Josi – daher häufig als eine Erschwernis, da eine Vielzahl von Einzelumständen behauptet und bewiesen werden müssen. Zur Verdeutlichung verwies Josi auf das Urteil des Bundesgerichts 4A_168/2023 vom 21. April 2023, bei dem das Bundesgericht dem Kläger wegen unzureichender Substantiierung den Anspruch versagte.

Darüber hinaus behandelte Josi die Herausforderungen bei der Geltendmachung von Ansprüchen mit mehreren möglichen Anspruchsgrundlagen und betonte, dass jede einzelne Anspruchsgrundlage detailliert zu substantiieren ist. Bei der Gewinnherausgabe (Art. 423 OR) liegt der Fokus auf der Perspektive des Verletzers. Es ist konkret darzulegen, welcher Gewinn dieser durch die verletzende Handlung erzielt hat. Demgegenüber ist beim Schadenersatz (Art. 41 Abs. 1 OR) die Perspektive des Verletzten massgeblich. Hier muss detailliert behauptet werden, welcher konkrete Schaden durch die Handlung entstanden ist. Für einen Bereicherungsanspruch (Art. 62 OR), wie etwa eine entgangene Lizenzgebühr, ist schliesslich die Betrachtung des Marktes entscheidend. Es muss dargelegt werden, was ein üblicher Marktpreis für die betroffene Nutzung oder Leistung gewesen wäre.

Ein weiterer Stolperstein beim Substantiieren in der Praxis ist, dass oft nicht im Voraus bekannt ist, welche Elemente das Gericht als relevant erachtet. Josi verdeutlichte dies am Urteil des Bundesgerichts 4A_145/2024 vom 11. September 2024, in dem ein Kläger den Gewinn aus dem widerrechtlichen Vertrieb von urheberrechtsverletzenden Grillschalen geltend machte. Das Bundesgericht sprach ihm zwar einen Anspruch auf 10% des Nettoverkaufserlöses aus Bereicherung (Art. 62 OR) zu. Eine höhere Lizenzgebühr, die der Kläger mit eigenen Lizenzvereinbarungen zu belegen versuchte, wurde jedoch verweigert. Das BGer argumentierte, dass die Vereinbarungen auf einvernehmlichen Streitbeilegungen beruhten und daher nicht als Massstab für die Berechnung geeignet seien. Der Kläger hätte zudem die relevanten Nettoverkaufspreise seiner eigenen Produkte behaupten müssen (E. 4.3 und E. 4.4).

3. Beweis

Im dritten Teil seines Referats behandelte Dr. Christian Josi die Herausforderungen des Beweises im Zivilprozess.

Zunächst beleuchtete Josi die Nutzung von Privatgutachten. Im normalen Zivilprozess gelten Privatgutachten nach geltender Rechtslage nicht als Beweismittel. Eine Ausnahme bilden demoskopische Erhebungen, die in markenrechtlichen Streitigkeiten von einer Partei eingereicht werden. Das Bundesgericht hat in BGE 148 III 409 entschieden, dass solche Erhebungen Beweiskraft als Urkunde besitzen. Dies stellt eine Abkehr von der bisherigen Praxis dar (vgl. z.B. BGE 141 III 435 ff.). Josi geht davon aus, dass eine Vorwirkung der per 1. Januar 2025 in Kraft tretenden Revision der Schweizerischen Zivilprozessordnung (nZPO) beabsichtigt war: In Art. 177 nZPO wird das Privatgutachten ausdrücklich als Urkunde qualifiziert; eine Regelung, die auch auf laufende Verfahren Anwendung findet. Ein besonders interessanter Aspekt des Urteils ist die Feststellung des Bundesgerichts, dass die für gerichtlich bestellte Sachverständige geltenden Ausstandsregeln auf Ersteller demoskopischer Erhebungen nicht anwendbar sind. Eine Nähe zwischen dem Gutachter und einer der Parteien macht das Gutachten daher nicht automatisch unverwertbar. Diese Nähe fliesst jedoch in die Beweiswürdigung ein, ebenso wie die Qualität, der Ablauf und die Durchführung der Erhebung (BGE 148 III 409 ff. E. 4.5 und 4.6). Josi betonte, dass diese Prinzipien auf Privatgutachten allgemein übertragbar sind: Je verlässlicher ein Privatgutachten erscheint, desto eher wird es Beweiskraft erlangen.

Im zweiten Schwerpunkt unter dem Titel Beweis widmete sich Josi der Wahl zwischen einem materiellrechtlichen Auskunftsanspruch und einem prozessualen Editionsbegehren. Zivilprozessuale Editionsbegehren haben ihre Grundlage in Art. 160 Abs. 1 lit. b ZPO (Beweisantrag). Der materiellrechtliche Auskunftsanspruch basiert häufig auf Auftragsrecht (Art. 400 Abs. 1 OR) oder Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 423 Abs. 1 OR) und kann eigenständig geltend gemacht oder mit einem Hauptanspruch gehäuft werden, etwa wenn die klagende Partei zunächst Informationen über den Gewinn verlangt, um anschliessend ihre Forderung auf Gewinnherausgabe beziffern zu können. Das Bundesgericht hat klargestellt, dass die klagende Partei zwischen diesen Ansprüchen wählen muss. Josi hob hervor, dass der materiellrechtliche Auskunftsanspruch oft günstiger ist, da an ihn weniger strenge Anforderungen gestellt werden: Bei einem prozessualen Editionsbegehren werden gehörige Behauptungen darüber verlangt, welche Tatsachen durch die herauszugebenden, möglichst konkret zu bezeichnenden Dokumente bewiesen werden sollen (BGE 144 III 43 ff. E. 4.1). Beim Auskunftsanspruch hingegen genügt die Behauptung der Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass ein Auskunftsanspruch besteht und die verlangten Informationen davon erfasst sind (BGE 143 III 297 ff. E. 8.2.5.4). Es reicht aus, die Art der benötigten Informationen zu benennen; die Unterlagen müssen nicht präzise bezeichnet werden (BGE 143 III 297 ff. E. 8.2.5.4). Voraussetzung ist allerdings, dass der Hauptanspruch begründet ist, da der Auskunftsanspruch nur ein Hilfsanspruch ist. In Fällen, in denen das Gericht erst am Schluss über den Hauptanspruch entscheidet, die klagende Partei jedoch schon vorher – im Beweisverfahren – Informationen haben möchte, könnte es daher vorsichtiger sein, einen prozessualen Beweisantrag zu stellen.

Abschliessend betonte Josi, dass «fishing expeditions» sowohl beim materiellrechtlichen Auskunftsanspruch als auch beim zivilrechtlichen Beweisantrag auf Edition unzulässig sind. Blosses Stochern in der Hoffnung, belastendes Material zu finden, genügt nicht, um einen Anspruch auf Auskunft oder Edition zu begründen.

II. Verwaltungsprozess

Dr. Lukas Abegg, Gerichtschreiber am Bundesverwaltungs- und Bundespatentgericht, referierte zu Stolpersteinen und Fallstricken im Verwaltungsverfahren. Einen speziellen Fokus erhielt hierbei die Untersuchungsmaxime. Diese findet auch in Art. 12 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVG) Niederschlag, welcher vorsieht, dass die Behörde – wobei der Begriff «Behörde» auch das Bundesverwaltungsgericht einschliesst – den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen hat. Obschon im Verwaltungsverfahren daher grundsätzlich die Untersuchungsmaxime gilt, gibt es hiervon insbesondere im Eintragungsverfahren sowie im Widerspruchs- und Löschungsverfahren einige bedeutende Ausnahmen. Bevor Abegg anhand von diversen Entscheiden die Stolpersteine und Fallstricke in Zusammenhang mit der Untersuchungsmaxime und dem Novenrecht im Verwaltungsprozess aufzeigte, rief er einleitend die Prinzipien der einzelnen prozessualen Maximen in Erinnerung.

1. Untersuchungsmaxime im Eintragungsverfahren

Eine erste und zentrale Abgrenzung machte Abegg ganz zu Beginn zwischen der Untersuchungsmaxime und der Beweislastregel nach Art. 8 ZGB. Diese gelten unabhängig voneinander, da Art. 8 ZGB die Folgen bei Beweislosigkeit regelt, nicht aber, wer den Sachverhalt zu erstellen hat resp. wer mit dessen Erstellung zu beginnen hat. Als erstes Anschauungsbeispiel hierfür wählte Abegg ein Gesuch um Markeneintragung beim Institut für Geistiges Eigentum (IGE). Grundsätzlich könnte die Gesuchstellerin, nachdem sie das Gesuch gestellt hat, abwarten, denn das IGE muss den Sachverhalt selbst erstellen – die Folgen der Beweislosigkeit trägt jedoch die Gesuchstellerin (B-7412/2006, E. 4.2). Es kann im Eintragungsverfahren aufgrund der Untersuchungsmaxime insbesondere zu einem Spannungsverhältnis zwischen den Recherchen von Amtes wegen und dem rechtlichen Gehör der Markenanmelderin kommen, wenn das IGE basierend auf seinen Recherchen entscheidet, ohne dem Gesuchsteller die Gelegenheit zu geben, sich zu den Rechercheergebnissen nochmals zu äussern. Sofern es sich bei den erstellten Sachverhaltselementen um solche handelt, welche nicht «überraschend» sind, wie beispielsweise Einträge in Lexika, ist es jedoch gerechtfertigt, hierzu nicht jede Partei nochmals zu befragen. Ebenfalls kann es vorkommen, dass das IGE bei seiner Prüfung bestimmte Abklärungen nicht von sich aus vornimmt, da es diese als nicht mehr von der Untersuchungsmaxime erfasst ansieht. Zu denken sei hier an die Prüfung der Herkunftsangaben nach Art. 49 MSchG. Die Recherche des Geschäftssitzes und der tatsächlichen Verwaltung – beispielsweise für die Prüfung der rechtmässigen Verwendung der Herkunftsangabe – sind aber, entgegen der Auffassung des IGE, noch von der Untersuchungsmaxime erfasst und müssen entsprechend vom IGE selbständig geprüft werden (B-5011/2018, E. 2.4 und E. 6.4).

Eindeutig nicht von der Untersuchungsmaxime erfasst ist im Gegenteil dazu die Verkehrsdurchsetzung. Diese muss von den Parteien selbst behauptet und bewiesen werden. Gerichtlich nicht definitiv entschieden hingegen ist der Zeitpunkt, in dem die Verkehrsdurchsetzung geltend gemacht werden muss. Grundsätzlich gilt jedoch, dass vor Verwaltungsgericht nur entschieden werden kann, was vor der ersten Instanz bereits Streitgegenstand war. Ebenfalls nicht von Amtes wegen wird der Gleichbehandlungsgrundsatz bzgl. anderer eigetragener Marken nach Art. 8 BV geprüft. Möchte sich der Gesuchsteller auf vorangehend eingetragene eigene Marken berufen, so kann er nicht Art. 8 BV geltend machen, sondern muss sich, mangels weiterer involvierter Person, auf den Grundsatz von Treu und Glauben gemäss Art. 9 BV stützen. Auch dessen Voraussetzungen müssen, wie jene des Gleichbehandlungsgrundsatzes, vom Gesuchsteller selbst behauptet und substanziiert werden. Hierbei muss gemäss Abegg insbesondere auch der Vertrauensschutz substanziiert dargelegt werden, unter Umständen auch mit Beweismitteln.

2. Untersuchungsmaxime im Widerspruchs- und Löschungsverfahren

Sowohl im Widerspruchs- als auch im Löschungsverfahren kommt gemäss Abegg der Mitwirkungspflicht der Parteien eine besonders grosse Rolle zu, wodurch die Untersuchungsmaxime in gewissem Masse durchbrochen wird. Begründet ist der Durchbruch der Untersuchungsmaxime damit, dass es sich – insbesondere beim Widerspruchsverfahren – typischerweise um Verfahren mit zwei Parteien handelt, welche oft näher am Sachgegenstand dran sind als die Gerichte.

Daher kann sich die Widerspruchsbehörde auch auf eine übereinstimmende Schilderung des Sachverhalts durch beide Widerspruchsparteien verlassen (B-7476/2006, E. 7), was wiederrum sehr nahe an die im Zivilprozess geltende Regelung kommt, gemäss derer nicht Bestrittenes als anerkannt gilt, auch wenn es sich im Widerspruchsverfahren um übereinstimmende Schilderungen handeln muss.

Wie in der Praxis im Bereich des Markenrechts bekannt ist, ist das Argument der starken Kennzeichnungskraft im Widerspruchsverfahren sehr beliebt, da eine starke Kennzeichnungskraft den Schutzbereich der eingetragenen Marke erweitert. Auch die starke Kennzeichnungskraft muss von der Partei selbst geltend gemacht und substanziiert werden. Beim Bekanntheitsgrad sowie der intensiven Nutzung, welche beide Argumente für eine starke Kennzeichnungskraft sind, handelt es sich um Tatsachenfragen. Hier sieht Abegg einen eindeutigen Durchbruch der Untersuchungsmaxime, da vom Gericht verlangt wird, dass diejenige Partei, welche die starke Kennzeichnungskraft geltend machen möchte, explizit auch darauf hinzuweisen hat (B-7536/2015, E. 7.4). Als Beweise hierfür genügen Auszüge von Zeitungsartikeln und Screenshots von Internetseiten nicht zwangsläufig. Einen weiteren Stolperstein bei der Geltendmachung der starken Kennzeichnungskraft sieht der Referent beim Beweisthema selbst. Er erinnerte das Publikum daran, stets im Auge zu behalten, was eigentlich bewiesen werden soll, und bringt als Anschauungsbeispiel einen Entscheid, bei dem es um den Bekanntheitsgrad der Wortmarke «Capri-Sun» ging. Die Beschwerdeführerin belegte den hohen Bekanntheitsgrad und die intensive Nutzung ihrer Marke unter anderem mit Belegen für die ebenfalls von ihr eingetragenen Wortmarken «Capri-Sun Safari Fruits» und «Capri-Sun Multivitamin». Das Bundesverwaltungsgericht sah in diesem Fall den Bekanntheitsgrad der Wortmarke «Capri-Sun» als nicht genügend bewiesen, da die ins Recht geführten Beweise nicht direkt mit ebendieser Marke zusammenhingen, sondern jeweils noch die Zusätze «Safari Fruits» und «Multivitamin» aufführten (B-4104/2021, E. 7.4.1). Wo hingegen die Untersuchungsmaxime in Zusammenhang mit der Kennzeichnungskraft zum Tragen kommt, ist bei Marken, deren Bekanntheit gerichtsnotorisch ist, wie beispielsweise der Marke «Land Rover» für Allradfahrzeuge (B-4829/2012, E. 7.1.3). Der Referent machte an dieser Stelle jedoch darauf aufmerksam, dass es auch bei gerichtsnotorisch bekannten Marken keinen «Spill-over»-Effekt gibt, d.h. dass sich die Bekanntheit einer Marke, welche für bestimmte Waren, wie beispielsweise «Victorinox» für Taschenmesser aller Art, gerichtsnotorisch ist, nicht automatisch auf andere für diese Marke geschützte Waren und Dienstleistungen überträgt – für diese muss die sich darauf berufende Partei die Bekanntheit selbst behaupten und beweisen. Dasselbe gilt im Übrigen auch für im Ausland eingetragene und notorisch bekannte, jedoch für die Schweiz nicht eingetragene Marken.

Ein weiteres Mittel, dessen sich die Parteien im Widerspruchsverfahren häufig bedienen, ist die Einrede des Nichtgebrauchs der Widerspruchsmarke. Die Widerspruchsgegnerin muss den Nichtgebrauch lediglich behaupten, während der Widersprechende den Gebrauch seiner Marke glaubhaft machen und entsprechend auch belegen muss. Auf Seiten des Widerspruchsgegners gilt es hier besonders bei der Stellungnahme resp. im Rahmen der Beschwerde zu den durch den Widersprechenden ins Recht geführten Beweisen des Gebrauchs zu beachten, wie diese formuliert wird. Im vom Referenten vorgestellten Fallbeispiel des BVGer B-7210/2017 hat die Beschwerdeführerin (Widerspruchsgegnerin) in ihrer Beschwerdeschrift die Einrede des Nichtgebrauchs lediglich damit substantiiert, dass zu wenige Produkte auf den Markt gebracht wurden im Sinne der Ernsthaftigkeit des Gebrauchs. Der tatsächliche markenmässige Gebrauch definiert sich jedoch nicht nur durch dessen Ernsthaftigkeit. Aufgrund der in diesem Zusammenhang faktisch geltenden Verhandlungsmaxime verblieb dem Gericht jedoch lediglich, diese Frage zu klären.

Abegg machte in Zusammenhang mit der Einrede des Nichtgebrauchs noch auf eine interessante Konstellation aufmerksam, bei der sowohl der Widersprechende den Gebrauch seiner Marke glaubhaft gemacht hat als auch die Widerspruchsgegnerin deren Nichtgebrauch. Dies ist in sich zwar nicht logisch, ergibt sich aber aus dem Beweismass der Glaubhaftmachung, da es schlussendlich darum geht, was für das entscheidende Gericht wahrscheinlicher ist, und es nicht dessen vollen Überzeugung braucht.

Abschliessend machte der Referent noch einige Bemerkungen zum Novenrecht. Besonders am Verwaltungsprozess im Gegensatz zum Zivilprozess ist, dass in Ersterem verspätete Parteivorbingen noch berücksichtigt werden, sofern diese dem Gericht als ausschlaggebend erscheinen. Obschon somit faktisch beinahe keine Novenschranke besteht, gilt zu berücksichtigen, dass die neuen Vorbringen innerhalb des Streitgegenstandes liegen müssen und dass gegebenenfalls mit Kostenfolgen bei verspäteten Einreichungen gerechnet werden muss.

III. «Blackbox» bundesgerichtliches Verfahren

Dr. iur. Marco Zollinger, Gerichtsschreiber an der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts, widmete sich in seinem Referat dem bundesgerichtlichen Verfahren. Ziel seines Referats war es, das bundesgerichtliche Verfahren, das von Teilen der Bevölkerung als «Blackbox» wahrgenommen wird, verständlicher zu machen und mögliche Ursachen dieser Wahrnehmung zu beleuchten.

Einleitend stellte Zollinger mögliche Gründe vor, warum das bundesgerichtliche Verfahren von gewissen Teilen der Bevölkerung als Blackbox verstanden wird. Als ersten Grund führte er an, dass das Bundesgerichtsgesetz (BGG) im Gegensatz zu anderen Prozessordnungen wie der Zivilprozessordnung (ZPO) oder der Strafprozessordnung (StPO) lediglich als kursorische Regelung konzipiert ist. Diese reduzierte Normierung schafft, als zweiten Grund, Raum für Abweichungen in der Handhabung von Verfahren zwischen den Abteilungen, was zu einem sogenannten «Abteilungsföderalismus» führt, bei dem Verfahren in verschiedenen Abteilungen nicht immer einheitlich gehandhabt werden. Drittens betonte Zollinger, dass Wechsel im Präsidium einer Abteilung dazu führen können, dass sich Verfahrensabläufe ändern und das bundesgerichtliche Verfahren dadurch einem zeitlichen Wandel unterliegt. Viertens hob er hervor, dass Instruktionsverfügungen des Bundesgerichts nicht anfechtbar sind und nicht veröffentlicht werden, was es Aussenstehenden erschwert, die gängigen Abläufe nachzuvollziehen.

Im weiteren Verlauf ging Zollinger auf das Verfahren vor dem Bundesgericht ein. Dieses beginnt mit der Einreichung einer Beschwerde. Er stellte klar, dass es nicht erforderlich sei, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerde das Urteil der Vorinstanz oder den gesamten Verfahrensablauf erneut darstellt, da das Bundesgericht bereits mit dem Inhalt des Urteils vertraut ist. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass das Bundesgericht oft bemängelt, dass sich der Beschwerdeführer zu wenig mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils auseinandergesetzt hat. Zollinger empfahl daher, bei der Erstellung der Beschwerde an das BGer nicht an der bereits eingereichten Eingabe der Vorinstanz anzuknüpfen, sondern sich gedanklich mit einem «weissen Blatt» dem angefochtenen Urteil und dessen Erwägungen zu widmen.

Anschliessend beleuchtete Zollinger die vier Phasen eines normalen bundesgerichtlichen Verfahrens: (1) Instruktion, (2) Referat/Redaktion, (3) Zirkulation/Beratung und (4) Ausfertigung. Die Instruktionsphase beginnt, sobald die Beschwerde beim Bundesgericht eingeht. Die Instruktionsphase wird in der Regel vom Abteilungspräsidium und dem Präsidialgerichtsschreiber durchgeführt. Eine Abweichung von diesem Grundsatz besteht jedoch namentlich in der ersten zivilrechtlichen Abteilung: Hier instruiert Frau Christina Kiss alle immaterialgüterrechtlichen Verfahren persönlich zusammen mit dem Präsidialgerichtsschreiber. Bei normalen Verfahren ist ein Aktenbeizug die Regel. Für Anwältinnen und Anwälte ist die Einsichtnahme meist unproblematisch, da die Akten in der Regel per Post zugestellt werden. Für Laien hingegen erfolgt die Einsichtnahme vor Ort beim Bundesgericht, ausser in seltenen Fällen, in denen einzelne spezifische Aktenstücke ausnahmsweise postalisch verschickt werden. In Bezug auf Vernehmlassungen erläuterte Zollinger, dass diese in normalen Verfahren üblich sind, jedoch Unterschiede zwischen den Abteilungen bestehen (Abteilungsföderalismus). Er betonte, dass eine Vernehmlassung keine Beschwerdeantwort darstellt. Es ist nicht erforderlich, die in der Beschwerde vorgebrachten Punkte zu bestreiten. Stattdessen empfiehlt Zollinger, die Feststellungen der Vorinstanz ausdrücklich zu bestätigen, zum Beispiel mit Formulierungen wie «die Vorinstanz hat richtig festgestellt» oder «die Vorinstanz hat korrekt erhoben». Darüber hinaus bietet die Vernehmlassung die Möglichkeit, diese Feststellungen durch zusätzliche Argumente und Belege zu untermauern, insbesondere um Aspekte hervorzuheben, die im vorinstanzlichen Urteil nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Abschliessend zur Instruktionsphase wies Zollinger darauf hin, dass vor dem Bundesgericht keine Anschlussbeschwerde möglich ist. Aus diesem Grund sollte man sich bei der Vernehmlassung mit Anträgen zurückhalten. In der zweiten Phase des bundesgerichtlichen Verfahrens (Referat/Redaktion) wird das Dossier vom Abteilungspräsidium einem Gerichtsmitglied zugeteilt, welches zusammen mit der Gerichtsschreiberei einen ersten Urteilsentwurf erstellt. Dieses Referat wird anschliessend in der dritten Phase (Zirkulation/Beratung) innerhalb des Spruchkörpers zirkuliert. Sollten während dieser Zirkulation Bemerkungen durch die anderen Gerichtsmitglieder auftauchen, geht das Referat zurück in die zweite Phase zur Überarbeitung, bevor es erneut in der dritten Phase zirkuliert wird. Je nach Einigung über den Entwurf erfolgt direkt eine Urteilsfällung oder es finden interne Sitzungen statt, die in einer öffentlichen Beratung münden können. Die dritte Phase endet mit der Urteilsfällung. In der vierten Phase (Ausfertigung) erfolgt schliesslich die Ausfertigung des Urteils. Nur die erste zivilrechtliche Abteilung versendet das Dispositiv in Dreierbesetzung separat und vorab; in den anderen Abteilungen wird das Dispositiv als Teil des begründeten Urteils verschickt. Ausnahmen gelten in zeitkritischen Fällen wie Haftentlassungen oder öffentlichen Beratungen, bei denen das Dispositiv am selben Tag zugestellt wird. Grundsätzlich wird ein Urteil sieben Tage nach Versand anonymisiert online veröffentlicht.

Zollinger ging abschliessend auf zwei verbreitete Mythen zum Bundesgericht ein, um Missverständnisse auszuräumen. Der erste Mythos besagt, das Bundesgericht könne keine Beweise abnehmen. Dies ist jedoch falsch, da das Bundesgericht Beweise abnehmen kann, wenngleich dies von der jeweiligen Abteilung und von dem zuständigen Gerichtsmitglied abhängt. Der zweite Mythos betrifft die Behauptung, das Bundesgericht verhandle nicht. Dies ist nur teilweise richtig, da bei Klagen nach Art. 120 BGG auf Antrag verhandelt werden muss und nach Art. 57 BGG Parteiverhandlungen möglich sind – wenn auch selten.

Abschliessend thematisierte Zollinger die Ausschöpfung des materiellen Instanzenzugs vor dem Bundesgericht. Während der formelle Instanzenzug vorschreibt, dass alle gesetzlich vorgesehenen Instanzen durchlaufen werden müssen, verlangt der materielle Instanzenzug, dass Rügen, die vor dem Bundesgericht vorgebracht werden, soweit möglich bereits vor einer kantonalen Vorinstanz geltend gemacht worden sein müssen. Dies steht im Spannungsverhältnis zu Art. 106 Abs. 1 BGG, der besagt, dass das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen anwendet, wodurch theoretisch kein Raum für einen materiellen Instanzenzug bleibt. Art. 110 BGG schafft diesem Spannungsverhältnis insofern Abhilfe, als er vorsieht, dass mindestens eine kantonale Vorinstanz das Recht von Amtes wegen anwendet. Dies entspricht der Regel der ZPO, dass die erste kantonale Instanz das Recht von Amtes wegen anwendet, und die zweite Instanz nur noch auf Rüge hin prüft. In solchen Fällen sollte der materielle Instanzenzug vor Bundesgericht ausgeschöpft worden sein, da es aus der Überlegung der Prozessökonomie und der Einheit des Verfahrens keinen Sinn macht, dass das Bundesgericht seinen Prüfungsumfang erneut öffnet, wenn die vorinstanzliche Überprüfung lediglich auf Rügen beruhte. In Verfahren nach Art. 5 und 6 ZPO, bei denen keine vorgängige zuständige richterliche Behörde existiert, entfällt jedoch der materielle Instanzenzug, da kein kantonaler Instanzenzug vorhanden ist, den man hätte ausschöpfen können. Zollinger schloss mit der Einschätzung, dass die Ausschöpfung des materiellen Instanzenzugs für Art. 5 und 6 ZPO nicht uneingeschränkt gelten dürfte.

IV. Ausserprozessualer Vergleich/Einigung der Parteien während Rechtshängigkeit einer Beschwerde in einem Widerspruchsverfahren

Nach einer ausgiebigen Pause folgte das Referat von Dr. Vera Marantelli-Sonanini, einer langjährigen Richterin am Bundesverwaltungsgericht. In ihrem Referat befasste sie sich insbesondere mit ausserprozessualen Vergleichen in Widerspruchsverfahren und machte auf gewisse Besonderheiten aufmerksam, welche von den Parteien in einem solchen Fall beachtet werden sollten. Auch sie wies nochmals darauf hin, dass die Parteien im Widerspruchsverfahren eine starke Mitwirkungspflicht trifft und dass das Widerspruchsverfahren sehr von der Dispositionsmaxime bestimmt ist – entsprechend kann ein solches auch jederzeit durch Vergleich, Rückzug oder Anerkennung beendet werden. Ebenfalls ist ein Augenmerk darauf zu legen, dass das Bundesverwaltungsgericht in markenrechtlichen Widerspruchsverfahren endgültig entscheidet, da die Beschwerde ans Bundesgericht gemäss Art. 73 BGG ausgeschlossen ist.

In Widerspruchsverfahren ist es häufig der Fall, dass die Parteien – oft nach einer Sistierung des Verfahrens – dem Gericht mitteilen, dass sie eine vergleichsweise Einigung erzielt haben. Hierfür muss der Vergleich dem Gericht zwar nicht vorgelegt werden, die Referentin empfiehlt jedoch dies zu tun, insbesondere dann, wenn im Vergleich auch bereits die Kostenauflagen von den Parteien geregelt wurden. Wird ein solcher Vergleich vorgelegt, hat dies den Vorteil, dass die Kostenauflage nicht nach summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten durch das Gericht geschieht und das Verfahren als gegenstandslos abgeschrieben werden kann. Dies hat auch Einfluss auf den Erlass oder die Reduktion der Verfahrenskosten, da gemäss Art. 6 lit. a des Reglements über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE) die Verfahrenskosten ganz oder teilweise erlassen werden können, wenn ein Rechtsmittel ohne erheblichen Aufwand für das Gericht durch Rückzug oder Vergleich erledigt wird. Aus diesem Grund machte Marantelli-Sonanini auch darauf aufmerksam, einen Vergleich möglichst früh im Verfahren vorzunehmen, wodurch vermieden werden kann, dass bereits hohe Verfahrenskosten entstanden sind. Gemäss Art. 33b Abs. 5 VwVG erhebt die Behörde keine Verfahrenskosten, soweit eine Einigung zustande gekommen ist. Die Referentin wies darauf hin, dass sich dieser Artikel zwar grundsätzlich der Mediation widmet, dies aber auch auf ausserprozessuale Vergleiche anwendbar ist, sofern eine vollständige Einigung über den Streitgegenstand und die Kostentragung vorliegt und das Verfahren wegen Gegenstandslosigkeit abgeschrieben werden kann (vgl. B-7417/2006, «M Budget/M-Joy»). Folgt die Einigung nach Anfechtung des Entscheides des IGE, so erwächst dieser in Rechtskraft, sofern sich die Parteien auf den Rückzug der Beschwerde einigen oder die Einigung dem Entscheid des IGE entspricht. Einigen sich die Parteien, sowohl die Beschwerde als auch den Widerspruch zurückzuziehen, «fällt der Entscheid des IGE dahin», wobei unklar ist, was mit dieser Formulierung gemeint ist (vgl. B-1912/2022, E. 1.2.). Steht die Einigung der Parteien im Widerspruch zum Entscheid des IGE, wird das Verfahren in der Praxis abgeschrieben und der angefochtene Entscheid aufgehoben mit Ausnahme der die Widerspruchsgebühr betreffenden Ziffer. Sofern erforderlich, werden zudem Anordnungen an die Vorinstanz getroffen (vgl. B-4436/2008, B-5273/2009, B-1300/2009).

Zur Widerspruchsgebühr führte Marantelli-Sonanini noch aus, dass diese im Voraus entrichtet werden muss, grundsätzlich bei der Vorinstanz verbleibt und der widersprechenden Partei gegebenenfalls von der widerspruchsgegnerischen Partei mit den restlichen Parteikosten ersetzt wird.

Die Referentin erläuterte abschliessend eine Konstellation, in der trotz einer aussergerichtlichen Einigung – die, wie bereits erwähnt, üblicherweise zur Abschreibung des Verfahrens führen würde – dennoch ein gerichtlicher Entscheid erging. Gemäss Art. 48 Abs. 1 lit. c VwVG setzt die Abschreibung des Verfahrens insbesondere den Wegfall des schutzwürdigen Interesses voraus. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass das Verfahren fortgeführt werden kann, sofern noch ein Interesse an einem Entscheid besteht, das heisst, wenn nicht alle Punkte durch den Vergleich geregelt wurden. In einem solchen Fall ist die Beschwerde nicht gegenstandslos, und das Gericht hat weiterhin über die Sache zu entscheiden. Hier zeigt sich nochmals die Wichtigkeit insbesondere auch die Kostentragung bereits im Vergleich zu regeln, da bei einer vollumfänglichen Einigung gute Chancen für die Parteien bestehen, ein kostenfreies Verfahren zu erhalten.

V. Immaterialgüterrechtsprozesse Stolpersteine und Fallstricke Novenrecht

Gleich anschliessend widmete sich Dr. Mark Schweizer, Präsident des Bundespatentgerichts, dem Novenrecht. Die Novenschranke sei im ordentlichen Verfahren sowie im summarischen Verfahren grundsätzlich gesetzlich sehr klar geregelt; trotzdem ergeben sich auch hier einige Stolpersteine. Diesbezüglich muss auch die Revision der ZPO im Auge behalten werden, welche per 1. Januar 2025 in Kraft tritt.

Pro memoria: Im ordentlichen Verfahren können sich die Parteien zweimal unbeschränkt äussern, während sie danach nur noch unter den eingeschränkten Voraussetzungen von Art. 229 Abs. 1 ZPO gehört werden können (BGE 140 III 312 ff.). Das Bundespatentgericht setzt aus diesem Grund praxisgemäss die Instruktionsverhandlung nach dem ersten Schriftenwechsel an, damit die Parteien sich nochmals unbeschränkt zu den ggf. aus der Instruktionsverhandlung gewonnenen Erkenntnissen äussern können. Betreffend sogenannte Dupliknoven kann die klagende Partei diese nur dann gemäss Art. 229 Abs. 1 lit. a ZPO vorbringen, wenn es dabei um echte Noven geht. Handelt es sich dabei hingegen um unechte Noven, ist ihr Vorbringen nur zulässig, wenn diese trotz zumutbarer Sorgfalt nicht früher geltend gemacht werden konnten. In diesem Zusammenhang erläutert Schweizer, dass der Begriff der Unzumutbarkeit nicht als Ausrede oder Vorwand verwendet werden darf, sondern deutlich erkennbar sein muss, dass die Reaktion kausal durch die Dupliknoven bedingt ist (BGE 146 III 55 ff.). Als Beispiel nennt er den Fall, bei dem ein Gutachten in einem ausländischen Verfahren kritisiert wurde, weshalb ein Ergänzungsgutachten eingeholt werden musste. Wird das entsprechende Verfahren auch hierzulande hängig, ist es vorhersehbar, dass das erste Gutachten unter Kritik geraten könnte, weshalb das Ergänzungsgutachten bereits mit dem ersten Gutachten zusammen eingereicht werden müsse.

Im summarischen Verfahren dürfen sich die Parteien grundsätzlich nur einmal unbeschränkt äussern und dürfen sich nicht darauf verlassen, dass das Gericht einen zweiten Schriftenwechsel oder eine mündliche Hauptverhandlung anordnet. Der Referent macht darauf aufmerksam, dass das BPatG entsprechend bei Massnahmeverfahren die gesuchstellende Partei auch nicht zur Replik, sondern explizit nur zur «Stellungnahme zu Noven in der Massnahmeantwort» einlädt.

Wichtig ist an dieser Stelle ebenfalls hervorzuheben, dass die Novenschranke das unbedingte Replikrecht nicht tangiert. Im Rahmen des unbedingten Replikrechts können sich die Parteien zwar zu jeder Eingabe der Gegenseite nochmals äussern, jedoch dürfen diese Äusserungen nach Aktenschluss keine Noven mehr enthalten resp. werden nicht berücksichtigt. Damit ist gesagt, dass eine Partei selbst im summarischen Verfahren mit neuen Behauptungen und Beweismitteln auf Noven reagieren darf, welche die Gegenpartei in ihrer letzten Rechtschrift zulässigerweise vorgebracht hat, sofern diese neuen Behauptungen oder Beweismittel kausal durch die Noveneingabe verursacht wurden. Dies hat insbesondere dann praktische Bedeutung, wenn in der Massnahmeantwort die Einrede der Nichtigkeit hervorgebracht wurde. Der Schutzrechtsinhaber hat dann die Möglichkeit, nochmals mit Beweismitteln darauf zu reagieren.

Zuletzt machte Schweizer noch einige Ausführungen zur Revision der ZPO per 1. Januar 2025.

Gemäss Ar. 229 Abs. 1 ZPO können Parteien, sofern weder ein zweiter Schriftenwechsel noch eine Instruktionsverhandlung stattgefunden hat, neue Tatsachen und Beweismittel in der Hauptverhandlung im ersten Parteivortrag vorbringen. Gemäss Abs. 2 können in den anderen Fällen neue Tatsachen und Beweismittel innerhalb einer vom Gericht festgelegten Frist oder, bei Fehlen einer solchen Frist, spätestens bis zum ersten Parteivortrag in der Hauptverhandlung vorgebracht werden. Gemäss Art. 229 Abs. 2bis ZPO werden nach den ersten Parteivorträgen neue Tatsachen und Beweismittel nur noch berücksichtigt, wenn sie in der vom Gericht festgelegten Frist oder, bei Fehlen einer solchen Frist, spätestens in der nächsten Verhandlung vorgebracht werden – dies ist vor allem dann relevant, wenn die Verhandlung auf mehrere Tage verteilt stattfindet, da beispielsweise noch ein Beweisabnahmeverfahren durchgeführt werden muss.

Bezüglich der Regelung in Art. 229 Abs. 2 ZPO äussert der Referent seine Bedenken, dass mangels einer angesetzten Frist noch an der Hauptverhandlung Noven eingebracht werden könnten, welche die Verhandlung platzen lassen könnten. Aus diesem Grund wird sein Gericht künftig das allerletzte Schriftstück, welches die Parteien erhalten, mit dem Zusatz «innert der gleichen Frist sind Noven i.S.v. Art. 229 ZPO vorzubringen» ergänzen, um so den Zeitraum zwischen letzter Fristansetzung und Hauptverhandlung möglichst kurz zu halten. Eine gewisse Lücke zwischen dieser Frist und der Hauptverhandlung bleibt jedoch trotzdem bestehen, da Noven, welche nach letzter Fristansetzung entstehen oder entdeckt werden, noch bis zum ersten Parteivortrag vorgebracht werden können. Was konkret mit «bis» zum ersten Parteivortrag gemeint ist, resp. ob dies bedeutet «vor» (A. Markus/L. BrönnimannZZZ 2023, 125; D. Staehelin/F. von Mutzenbecher, SJZ 2023, 827) oder «im» (A. Güngerich, Anwaltsrevue 2024, 197; P. Honegger-Müntener/M. Rufibach/J. SchumannAJP 2023, 1196) ersten Parteivortrag, wurde jedoch auch in der Revision 2025 nicht geklärt – jedoch spricht einiges dafür, dass diese vor dem ersten Parteivortrag eingebracht werden müssen, da namentlich Art. 229 Abs. 1 ZPO die Formulierung «im» ersten Parteivortrag verwendet und eine solche terminologische Unterscheidung zwischen Art. 229 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO ansonsten sinnlos erscheinen würde. Auf Verfahren, welche am 1. Januar 2025 hängig sind, findet der revidierte Art. 229 ZPO, wenn auch nicht so explizit in der ZPO geregelt, keine Anwendung (Art. 407f nZPO e contrario).

VI. Schwerfallendes – Weitschweifige Eingaben

Im letzten Referat vor der Paneldiskussion wandte sich Dr. Meinrad Vetter, Präsident des Handelsgerichts des Kantons Aargaus, mit einer Vielzahl an Tipps direkt an die Praxis.

Ganz allgemein hielt Vetter fest, dass weitschweifige Eingaben an das Gericht vermieden werden sollten und insbesondere, soweit möglich und mit der Klientschaft vereinbar, auf Nebensächlichkeiten und Irrelevantes verzichtet werden sollte. Auch auf Polemik sollte weitgehendst verzichtet werden, da diese, insbesondere wenn gegebenenfalls noch ein Vergleich angestrebt wird, selten hilfreich für die weitere Verhandlungs- resp. Vergleichsbereitschaft der Gegenseite ist. Ebenfalls sollten Wiederholungen vermieden werden und es sollte vermehrt mit Verweisen gearbeitet werden, welche, wenn präzise angewandt, nach Meinung des Referenten keine Probleme mit der Substantiierungsobliegenheit schaffen sollten. Genauso wichtig sind ein klarer Aufbau der Rechtsschrift sowie ein gegliedertes Beweismittelverzeichnis und die Nummerierung der dazugehörigen Beilagen. Ebenso ist es ihm ein Anliegen, dass sich die Rechtsvertreterinnen und Rechtsvertreter möglichst schnell konstituieren, d.h. sobald die Vollmacht vorhanden ist. Insbesondere für das Erfordernis der Dringlichkeit bei superprovisorischen Massnahmen ist das Datum der Vollmacht von Relevanz, denn ist diese bereits mehrere Wochen alt, wird es schwer darzulegen, inwiefern noch Dringlichkeit besteht. Ebenfalls hielt der Referent fest, dass er bei den Eingaben oft sieht, dass ein Antrag auf Mehrwertsteuerzuschlag gestellt wird, obschon der Klient vorsteuerberechtigt ist und es entsprechend keinen Zuschlag gibt – solche Anträge sollten daher vermieden werden.

Kern des Referates von Vetter bildete ebenfalls das Novenrecht und die entsprechende Praxis des Handelsgerichts Aargau. Auch er hob, wie bereits Dr. Mark Schweizer, hervor, dass das Novenrecht und das ewige Replikrecht, also das Recht gemäss Art. 53 Abs. 3 nZPO, zu sämtlichen Eingaben der Gegenpartei Stellung nehmen zu dürfen, strikt auseinanderzuhalten sind, dies insbesondere vor dem Hintergrund sogenannter Spontaneingaben. Im ordentlichen Verfahren tritt der Aktenschluss nach der Replik für die klagende Partei resp. Duplik für die beklagte Partei ein. Bei besagten Spontaneingaben, etwa als Antwort oder Präzisierung seitens einer Partei vor der Instruktionsverhandlung, laufen die Parteien Gefahr, dass dies als ihre Replik resp. Duplik verstanden wird und sie somit ihr unbeschränktes Äusserungsrecht verwirkt haben. Der Referent empfiehlt daher, im Zweifelsfall das Gericht telefonisch zu kontaktieren, um zu erfahren was für eine Art von Eingabe von ihnen verlangt wird. Im summarischen Verfahren kommt jeder Partei ein einmaliges unbeschränktes Äusserungsrecht zu, es sei denn, es sei ein zweiter Schriftenwechsel angeordnet worden, welcher jedoch auch entsprechend vom Gericht benannt werden würde.

Vetter erläuterte anschliessend die Praxis des Handelsgerichts Aargau zum revidierten Novenrecht sowie zum ewigen Replikrecht und deren Zusammenspiel.

Für das ordentliche Verfahren gilt fortan Folgendes, sofern eine Hauptverhandlung stattfindet: In Zusammenhang mit dem unbedingten Replikrecht können sich die Parteien in ihren Schlussvorträgen äussern, und es wird keine Frist nach Art. 53 Abs. 3 nZPO angesetzt. Für das Novenrecht gilt, dass den Parteien nach Aktenschluss eine gemeinsame Frist angesetzt wird, um noch vor der Hauptverhandlung allfällige Noven vorzubringen. Noven, welche nach Ablauf dieser Frist zu Tage treten, können an der Hauptverhandlung vorgetragen werden. Findet ein ordentliches Verfahren ohne mündliche Hauptverhandlung jedoch mit schriftlichen Schlussvorträgen statt, so gilt das Folgende: Die Parteien können sich in ihren schriftlichen Schlussvorträgen äussern und darin auch Noven vortragen, wobei die Schlussvorträge kreuzweise zugestellt werden, mit einer gemeinsam Frist nach Art. 53 Abs. 3 ZPO resp. Art. 229 Abs. 2 ZPO zur allfälligen Ausübung des unbedingten Replikrechts und zum allfälligen Vorbringen von Noven. Finden im ordentlichen Verfahren weder eine mündliche Hauptverhandlung statt, noch werden schriftliche Schlussvorträge eingereicht, so wird davon ausgegangen, dass die Parteien auf die Ausübung des unbedingten Replikrechts als auch des Novenrechts verzichten, und ihnen wird entsprechend keine Frist nach Art. 53 Abs. 3 ZPO resp. Art. 229 Abs. 2 ZPO angesetzt.

Im summarischen Verfahren wird nach Eingang einer schriftlichen Gesuchsantwort sowohl für die allfällige Ausübung des unbedingten Replikrechts als auch des Novenrechts grundsätzlich eine gemeinsame Frist nach Art. 53 Abs. 3 ZPO resp. Art. 229 Abs. 2 ZPO angesetzt.

Abschliessend legte Vetter im Zusammenhang mit dem aussergerichtlichen Vergleich, wie auch Dr. Vera Marantelli-Sonanini, sowohl den Parteien als auch deren Rechtsvertreterinnen und Rechtsvertretern ans Herz, die Prozesskosten, sofern möglich, bereits im Vergleich zu regeln – für die Gerichtskosten kann hierbei das Gericht telefonisch kontaktiert werden und um Auskunft nach dem Stand der Gerichtskosten per heutigem Vergleich gebeten werden.

VII. Paneldiskussion

Abschliessend fand eine von Dr. Michael Ritscher moderierte Paneldiskussion mit Dr. Christian Josi, Dr. Lukas Abegg, Dr. Marco Zollinger, Dr. Vera Marantelli-Sonanini, PD Dr. Mark Schweizer, Dr. Meinrad Vetter und lic. iur. Lara Dorigo statt.

Dr. Ritscher leitete die Paneldiskussion mit einem Überblick über die Besonderheiten immaterialgüterrechtlicher Verfahren im Vergleich zu anderen zivilrechtlichen Prozessen ein. Eine auffällige Eigenheit ist die auf zwei Instanzen beschränkte Rechtsdurchsetzung in der Schweiz. Eine weitere Besonderheit von Immaterialgüterrechtsprozessen liegt in ihrer hybriden Natur, die sowohl Elemente des öffentlichen als auch des privaten Rechts umfasst: Immaterialgüterrechte gewähren Exklusivrechte, die eine «erga omnes»-Wirkung entfalten, also nicht nur zwischen den Parteien eines Verfahrens, sondern gegenüber allen gelten. Gleichzeitig berühren die Existenz und Gültigkeit dieser Rechte regelmässig auch die Interessen Dritter. Dazu zählt das allgemeine Interesse, dass schutzunwürdige Rechte, die an Nichtigkeitsgründen leiden, nicht im Register verbleiben. Dieses öffentliche Interesse steht jedoch in einem Spannungsverhältnis zur Privatautonomie der Parteien. Es stellt sich die Frage, wie weit das öffentliche Interesse der Privathoheit überlassen werden darf. So kann etwa die Ungültigkeit eines Schutzrechts im Rahmen eines Einspruchsverfahrens geltend gemacht werden, anstatt eine Nichtigkeitsklage zu erheben. Ebenso besteht die Möglichkeit, dass Parteien im Rahmen eines Vergleichs vereinbaren, ein Schutzrecht trotz Zweifeln an dessen Schutzwürdigkeit weiterhin im Register zu belassen. Dieses Spannungsverhältnis zwischen öffentlichem und privatem Recht prägt nicht nur das materielle Recht, sondern findet auch im Prozessrecht Ausdruck. Dort zeigt sich eine charakteristische Vermischung von Offizial- und Untersuchungsmaximen, die dem öffentlichen Recht eigen sind, mit der Verhandlungsmaxime, die für privatrechtliche Streitigkeiten typisch ist. Eine dritte Besonderheit sieht Ritscher darin, dass fast immer die Erwirkung eines raschen (vorsorglichen) Verbots entscheidend ist, da die Verletzung von Immaterialgüterrechten grundsätzlich einen nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteil darstellt. Als vierte Eigenheit verweist Ritscher auf die Bestandesvermutung und die Frage der Beweislast in Immaterialgüterrechtsprozessen, worauf sich die Diskussion in der Folge sogleich vertiefte. Einleitend merkte Ritscher an, dass im Bereich des Immaterialgüterrechts – ausser im Designrecht – keine gesetzliche Regelung existiert, die explizit festlegt, wer die Beweislast für die Beständigkeit eines Schutzrechts übernimmt.

Lic. iur. Lara Dorigo erklärte, dass sie beim Thema der Bestandesvermutung von Immaterialgüterrechten auf den Unterschied zwischen Registerrechten und dem Urheberrecht abstützen würde. Ein Registerrecht verleiht, abgesehen vom Designrecht, zwar keine gesetzliche Rechtsbeständigkeitsvermutung, doch ist mit dem eingetragenen Titel grundsätzlich ein Ausschliesslichkeitsrecht verknüpft, sofern die Gegenseite dessen Gültigkeit nicht bestreitet. Im Rahmen einer Verletzungsklage, mit der die klagende Partei geltend macht, dass das Schutzrecht nicht rechtsbeständig ist, trägt nach der Verhandlungsmaxime die beklagte Partei die Beweislast. Anders verhält es sich beim Urheberrecht. Da hier kein Register existiert, muss die klagende Partei zunächst gewisse Behauptungen über die Existenz ihres Urheberrechts aufstellen, um darzulegen, dass ihr Schutzrecht besteht und verletzt wurde. Danach liegt jedoch auch beim Patentrecht die Beweislast bei Verletzungsklagen bei der beklagten Partei. Schweizer und Vetter argumentierten, dass die Bestreitung eines Schutzrechts ohne gesetzliche Vermutung als rechtsvernichtende Tatsache einzustufen ist. Nach Art. 8 ZGB trägt die beklagte Partei in solchen Fällen die Beweislast. Vetter wies ergänzend darauf hin, dass einzig beim Designrecht eine gesetzliche Vermutung besteht, weshalb es dort um den Beweis des Gegenteils geht.

Ritscher stellte die Frage in den Raum, wie es sich auf die zweite Äusserungsmöglichkeit auswirkt, wenn die beklagte Partei auf die Replik verzichtet, obwohl das Bundesgericht jeder Partei grundsätzlich zwei volle Vorträge zugesteht. Josi erinnerte sich an einen Entscheid des Bundesgerichts, der besagt, dass bei Verzicht auf die Replik keine weitere Äusserung mehr möglich ist. Die Replik ist dafür vorgesehen, auf das zuvor Gesagte zu reagieren. Wenn die beklagte Partei jedoch darauf verzichtet, entfällt eine weitere Äusserungsmöglichkeit. Vetter ergänzte, dass im Verfahren schlüssige Behauptungen notwendig sind, die Josi zuvor (s. Ziff. I.2) als das «Skelett» der Argumentation beschrieb. Wenn diese nicht bestritten werden, muss die Partei ihre Behauptungen nicht weiter substantiieren. Aufgrund schlüssiger Behauptungen kann bereits eine Subsumption erfolgen, was ausreichend ist. Aus dem Publikum wird auf eine Entscheidung aus dem Kanton Luzern und die Praxis des Handelsgericht St. Gallen hingewiesen, die von dem zuvor Erläuterten abweichen.

Die Bedeutung der Hauptverhandlung im Zivilprozess war ein weiterer Schwerpunkt der Diskussion. Ritscher schlug vor, dass Gerichtsmitglieder durch gezielte Fragen die Vorträge auf relevante Themen lenken könnten. Diese Idee fand Josi grundsätzlich interessant, er stellte jedoch infrage, ob es zulässig ist, dass Gerichtsmitglieder gezielte Fragestellungen nutzen, um bestimmte Antworten zu erhalten. Vetter verwies darauf, dass für solche gezielten Fragen eigentlich die Instruktionsverhandlung vorgesehen ist, in der das Gericht ausserhalb der formellen Wahrheit die Parteien anhört und versucht, die materielle Wahrheit aufzuspüren. Nach einer solchen Verhandlung ist zudem ein zweiter Schriftenwechsel möglich, sodass Vetter keinen zusätzlichen Nutzen darin sieht, solche Fragestellungen in der Hauptverhandlung zu wiederholen. Insbesondere in Immaterialgüterrechtsprozessen stellte er die Notwendigkeit der Hauptverhandlung infrage, da dort der Sachverhalt meist unstrittig ist und Gutachten vorliegen. Dennoch betonte Vetter, dass die Parteien zumindest einmal die Gelegenheit haben sollten, dem Gericht persönlich zu begegnen – entweder in einer oder mehreren Instruktionsverhandlungen, in denen potenzielle Lösungen besprochen und die Sichtweise des Gerichts verdeutlicht werden könnten. Dies ermöglicht den Parteien, sich auf die entscheidenden Punkte zu konzentrieren. Schweizer wies darauf hin, dass der Nutzen einer Hauptverhandlung massgeblich davon abhängt, ob Anwältinnen und Anwälte klar und präzise argumentieren, anstatt Schriftsätze vorzulesen. Dorigo ist der Ansicht, dass es durchaus Fälle gibt, die sich vollständig auf dem Papier abschliessen lassen. Bei komplexeren Fällen kann es jedoch nicht schaden, das Gericht nochmals anzusprechen. Sie betonte, wie wichtig es für die Parteien ist, in einer Hauptverhandlung gehört und verstanden zu werden. Dorigo kritisierte jedoch, dass bei manchen Gerichten Urteilsentwürfe bereits vor der Verhandlung fertiggestellt werden, was den Einfluss der Parteien erschwert. Eine Hauptverhandlung ist insbesondere wertvoll, wenn das Gericht signalisiert, welche Punkte es noch vertieft hören möchte, damit sich die Parteien gezielt auf diese Themen vorbereiten können und appellierte an die Gerichte, die Parteien aktiv auf relevante Themen hinzuweisen, die noch geklärt werden sollten. Marantelli-Sonanini erläuterte, dass Verhandlungen gemäss Art. 6 EMRK ein Recht der Parteien sind. Zwar stellen Gerichtsmitglieder gelegentlich Fragen, doch dafür sind eigentlich Instruktionsverhandlungen vorgesehen. Häufig bringen Verhandlungen wenig Mehrwert, wenn lediglich bereits vorgebrachte Schriftsätze wiederholt werden. Effektiver ist es, prägnante Punkte hervorzuheben oder visuelle Hilfsmittel wie PowerPoint-Präsentationen oder Anwendungsbeispiele einzusetzen, um komplexe Sachverhalte verständlich zu machen. Abegg ist der Meinung, dass der Nutzen von Hauptverhandlungen eine kulturelle Frage des Rechtsbereichs ist. In Verwaltungsverfahren, die oft schriftlich und papierlastig sind, steht die Präsenz weniger im Vordergrund als in Strafverfahren. Es wäre wünschenswert, dass Gerichtsmitglieder den Mut hätten, gezielte Hinweise zu geben und von den Parteien konkrete Ausführungen zu bestimmten Punkten zu verlangen.

Zum Abschluss diskutierte das Panel die Rolle der Anwältinnen und Anwälte bei der Steigerung der Vergleichsquoten an Gerichten. Josi betonte, dass die Rechtsvertreterschaft selbst vergleichsbereit sein muss und ein zentraler Punkt zum Beitrag der Erhöhung der Vergleichsquote darin besteht, Klienten – wenn nötig auch mit Nachdruck – zu beraten und liebgewonnene Vorstellungen über einen Sachverhalt zu korrigieren, die nicht mit der Beweislage übereinstimmen. Darüber hinaus können Anwältinnen und Anwälte dazu beitragen, den Streitgegenstand frühzeitig einzugrenzen, beispielsweise durch die Klärung unstrittiger Punkte wie der Aktivlegitimation. Dem schloss sich Vetter an und betonte ergänzend die Bedeutung von Freundlichkeit, Anstand und Empathie gegenüber der Gegenseite. Die Diskussion wurde durch Beiträge aus dem Publikum ergänzt, die sich mit der Ausarbeitung von Vergleichsvorschlägen durch die Richterschaft beschäftigte. Josi erklärte, dass Vergleichsvorschläge in der Regel innerhalb eines Rahmens gemacht werden, der Mindest- und Höchstbeträge umfasst, um den Parteien eine vernünftige Grundlage für eine Einigung zu bieten. Auch psychologische Aspekte, wie etwa die Verhandlungsbereitschaft der Parteien, fliessen in die Gestaltung ein. Damit wurde die Paneldiskussion geschlossen und Ritscher bedankte sich für die aktive Teilnahme, sowohl des Panels als auch des Publikums. Abschliessend bedankte sich Vetter nochmals allerseits für die wertvollen Vorträge und eröffnete den Apéro.

Fussnoten:
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Art. 42 Abs. 2 OR wird auch auf andere zivilrechtliche Ansprüche ausgedehnt wie Art. 62 oder Art. 423 OR.

Sophie Haldimann / Simona De Santis | 2025 Ausgabe 3