Am 28. September 2021 versammelte sich ein ebenso vielfältig interessiertes wie interdisziplinäres Publikum, um im Museum für Gestaltung Zürich das Phänomen der sogenannten «Kunst-Token» zu diskutieren. Der Sinn respektive Unsinn der Blockchain-Technologie in der Kunst sollte gemeinsam mit unterschiedlichen Vortragenden und den Teilnehmenden ergründet werden. Organisiert wurde die Tagung vom Schweizer Forum für Kommunikationsrecht (SF-FS) zusammen mit dem Center for Information Technology, Society, and Law (ITSL) der Universität Zürich sowie dem Zentrum für Kulturrecht (ZKR) der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK).
Le 28 septembre 2021, un public aussi diversifié qu’interdisciplinaire s’est réuni au Musée du design de Zurich pour discuter du phénomène des «jetons artistiques». Le sens ou le non-sens de la technologie blockchain dans l’art devait être exploré en commun avec différents intervenants et les participants. La conférence a été organisée par le Forum Suisse pour le Droit de la Communication (SF-FS) en collaboration avec le Center for Information Technology, Society, and Law (ITSL) de l’Université de Zurich et le Centre pour le Droit de la Culture (ZKR) de l’Université des Arts de Zurich (ZHdK).
Eliane Spirig, MLaw, Universität Luzern.
Der Tagungsleiter Prof. Dr. Alfred Früh, Universität Basel, begrüsste die zahlreich erschienenen Teilnehmenden im Vortragssaal des Museums für Gestaltung. Es versammelten sich neben Juristinnen und Juristen, Investorinnen und Investoren auch Kunsthändlerinnen und Kunsthändler. Zudem hatten auch einige Studierende den Weg in die einladenden Räumlichkeiten des Museums gefunden.
Als Einstieg präsentierte Früh das Kunstwerk «Everydays: the First 5000 Days» des US-amerikanischen Künstlers Mike Winkelmann, der unter dem Pseudonym Beeple digitale Werke kreiert. Am 11. März 2021 wurde das genannte Werk beim Auktionshaus Christie’s für 69 Millionen Dollar verkauft. Das Aussergewöhnliche an diesem Verkauf war, dass ein auf der Blockchain gespeicherter «Non-Fungible Token» (NFT) Gegenstand der Auktion war. Der Verkauf dieses digitalen Werks ging in die Geschichte des Kunsthandels ein. Doch wird dieser Auktionserfolg auch den Kunsthandel langfristig verändern? Werden durch die Blockchain-Technologie anspruchsvolle Probleme der digitalen Kunst gelöst? Oder handelt es sich hierbei nur um einen vorübergehenden Hype, eine Überhitzung des Marktes? Ziel der Tagung war es, diese Fragen kritisch zu ergründen und aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Mithilfe der Synthese unterschiedlicher Ebenen – Technik, Kunst und Recht – sollte eine realistische Einschätzung dieser Fragen und der NFT-Technologie ermöglicht werden.
Doch worum handelt es sich bei NFTs? Der NFT (Nun-Fungible Token) ist ein nicht ersetzbares digitales Objekt, welches auf der Blockchain-Technologie basiert. Das Hauptmerkmal ist dessen Einzigartigkeit, weshalb es unter anderem als digitales Echtheits- und Eigentumszertifikat verwendet wird. Die meisten NFTs bauen heutzutage auf Ethereum auf. Bei Ethereum handelt es sich, wie auch bei der weitaus bekannteren Kryptowährung Bitcoin, um eine Blockchain. Im Gegensatz zu Bitcoin ist Ethereum jedoch keine reine Kryptowährung, sondern auch eine Plattform für sogenannte Decentralized Apps (DApps), die unter anderem auch aus Smart Contracts bestehen. Um die Funktionsweise von NFTs zu verstehen und zu ergründen, weshalb diese Token in der Kunstwelt genutzt werden, erläuterte Prof. Dr. Burkhard Stiller als erster Referent dieser Tagung die notwendigen technischen Grundlagen.
In seinem Vortrag führte er aus, dass die Blockchain eine Art von Register bilde, das jedoch verteilt sei und als «Distributed Ledger» bezeichnet werde. Entsprechend sei Blockchain eine Distributed Ledger-Technologie (DLT). Kurz zusammengefasst: eine Blockchain ermögliche die mit grösster Wahrscheinlichkeit fälschungssichere Speicherung von Informationen mittels einer dezentralen Datenhaltung, die von allen Teilnehmenden gemeinsam genutzt wird. In der Praxis seien somit Kopien oder Betrug praktisch aus|geschlossen. Dies bedeutet, dass die relevanten NFT-Daten auf vielen Computern in einem Peer-to-Peer-Netzwerk gespeichert sind, wobei jeder neue Knoten beim Beitritt eine vollständige Kopie der Blockchain übernehmen kann und sich fortan die Aufgabe gegeben hat, Transaktionen – also zum Beispiel das Persistieren von weiteren, neuen NFTs oder den Wechsel eines Eigentumsverhältnisses eines vorhandenen NFTs – zu überprüfen und zu dokumentieren.
Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) definierte in ihrer Wegleitung betreffend Initial Coin Offerings (ICO) drei unterschiedliche Token-Kategorien.1 Die erste Kategorie umfasst die sogenannten Zahlungs-Token. Dabei handelt es sich um Token, die reine Kryptowährungen sind und über keine weiteren Funktionen verfügen oder mit zusätzlichen Eigenschaften verknüpft werden können. Die zweite Gruppe bilden Nutzungs-Token, die Zugang zu einer digitalen Nutzung oder auch Dienstleistung gewährleisten. Die letzte Kategorie, die Anlage-Token, repräsentieren Vermögenswerte wie Anteile an Vermögenswerten, Unternehmen, Erträgen oder Dividendenansprüchen. Bei allen drei Arten können die Token nicht kopiert werden; Token der letzten beiden Kategorien können jedoch auch so ausgestaltet sein, dass sie eindeutige Objekte bestimmen und entsprechend als «non-fungible» gelten.
NFTs haben einen grossen Anwendungsbereich und doch liegt der Hauptanwendungsfall momentan vor allem im Kunstbereich. Zum einen werden sie für digitale Kunst wie jene von Beeple genutzt. Zum anderen werden NFTs auch für digitale Sammlerstücke eingesetzt. Ein prominentes Beispiel sind «NBA Top Shots». Dabei handelt es sich um limitierte, rein digitale Sammelobjekte mit Bezug zum Basketball, die online getauscht werden können.
Nicht zu unterschätzen sind die möglichen Nachteile und Gefahren von NFTs. Die Fälschung von digitalen Identitäten und Entitäten kann schwerwiegende Folgen mit sich bringen. Stiller erwähnte ein aktuelles Beispiel, bei dem ein NFT-Kunstwerk versteigert wurde, das nicht existierte. Dies war möglich, da durch geschickte Manipulation der Informationen über diesen NFT – jedoch nicht am NFT selbst – eine Auktion vorgetäuscht wurde, die jedoch nie stattfand. Stiller zufolge sei bei diesem Beispiel jedoch wichtig festzuhalten, dass hier nicht die Distributed Ledger-Technologie versagt habe, sondern vielmehr die agierenden menschlichen Personen, die durch eine fehlende Prüfung von Informationen auf den Web-Seiten dem Auktionator «auf den Leim gegangen» sind. Eine weitere Gefahr bestehe zudem, wenn die aktuelle Implementation einer Blockchain nicht mehr von der Community akzeptiert werde, und es damit zu einer sogenannten «Hard Fork» kommen kann. Vereinfacht erklärt bedeutet dies, dass kein Konsens über die Art und Weise der Fortführung der originalen Blockchain mehr besteht und so zwei Versionen der Blockchain entstehen, welche beide nebeneinander weiterbestehen können.
Nichtsdestotrotz schloss Stiller, dass NFTs aus technischer Sicht durchaus gut für den Handel mit digitalen Objekten geeignet seien. Allerdings dürfe nicht ausser Acht gelassen werden, dass der derzeitige Einsatz noch fehleranfällig im Zusammenhang von physischen Objekten sei und daher Risiken in der Abbildung des Objektes in den digitalen Raum berge.
Was NFTs für so viele Anwendungen interessant macht, ist ihre Einzigartigkeit, die Fähigkeit, Eigentum zu überprüfen, Übertragbarkeit und Unteilbarkeit. So verfügen NFTs über eingebundene Metadaten, die zum Nachweis der Echtheit und Authentizität verwendet werden können. Darüber hinaus kann die Anzahl der existierenden NFTs durch kryptographische Mechanismen begrenzt werden, währenddessen Non-Fungible Token dabei nicht ausgetauscht werden – was wiederum ihre Einzigartigkeit garantiert.
Dr. Bertold Müller, Managing Director for CEMEA (Central Europe, Middle East, Eastern Europe, Africa) bei Christie’s, beleuchtete die Technologie der NFTs aus der Perspektive des Kunstmarkts. Ihm zufolge erlebe die digitale Kunst einen sehr deutlichen Aufschwung. Digitale Kunstwerke fänden bereits Eingang in Sammlungen von Museen und Ausstellungen, wie zum Beispiel das Werk «Hack of a Bear» von Hackatao. Dabei handele es sich gewissermassen um Hackataos Antwort auf das Meisterwerk «Kopf eines Bären» von Leonardo da Vinci.
Der Vortragende betonte, dass es sich bei den Erschafferinnen und Erschaffern von digitaler Kunst oft um sogenannte «Digital Natives» handle, also Personen, die mit digitalen Technologien aufgewachsen sind. Auch in der digitalen Kunstwelt sei es so, dass die Kunst ein Ausdrucksmittel bilde, um in den gesellschaftlichen Dialog zu treten.
Bereits zu Beginn des Referats stellte Müller die Frage, ob die Kunstszene vor einem Paradigmenwechsel stehe. Das Neue sei der Einsatz von NFT-Technologien, wohingegen die digitale Kunst oder auch Computerkunst bereits über eine längere Tradition verfüge. Als Pionier der digitalen Kunst der ersten Stunde wurde Herbert W. Franke hervorgehoben. Der österreichische Wissenschaftler, Science-Fiction-Schriftsteller und Sachbuchautor ist insbesondere für seine Computerkunst renommiert, dessen Werke bis in die 50er-Jahre zurückreichen.
Für den Handel mit digitaler Kunst und insbesondere mit Kunst-Token gibt es mittlerweile verschiedene Handelsmarktplätze, wie SuperRare, OpenSea und MakersPlace –| um nur einige zu nennen. Auf diesen Plattformen werde nicht nur Kunst im eigentlichen Sinn gehandelt, sondern auch digitale Sammelobjekte. Dennoch bilde die digitale Kunst nach wie vor den Hauptbestandteil von NFT-Verkäufen, so Müller.
Auffallend am Handel mit NFTs ist gemäss dem Referenten, dass nicht nur grosse Umsätze generiert werden, sondern sich auch die Wachstumsraten exponentiell verhalten. Zudem werde mit dem Handel ein grosses Publikum erreicht. Die eingangs erwähnte Auktion von Beeple wurde beispielsweise von 22 Millionen Menschen verfolgt. Solch hohe Zahlen waren der Kunstwelt bisher unbekannt. Interessant sei zudem die Tatsache, dass die potenziellen Käuferinnen und Käufer durchschnittlich 13 Jahre jünger waren als bei Versteigerungen klassischer Kunst durch das Auktionshaus Christie’s.
Nach der genannten Versteigerung am 11. März 2021 war der weitere Aufschwung von NFT-Kunst deutlich spürbar. Einige Künstlerinnen und Künstler, die bisher nur analoge Medien nutzten, probierten die NFT-Kunst für sich aus. Beispielsweise sorgte der Künstler Damien Hirst im Juli 2021 für Schlagzeilen, als er seine erste NFT-Kollektion «The Currency», eine Sammlung von insgesamt 10'000 NFTs präsentierte. Diese entsprechen wiederum 10'000 einzigartigen physischen Kunstwerken. Käuferinnen oder Käufer erwerben zwar den NFT, müssen sich aber letztlich zwischen dem digitalen NFT und dem physischen Kunstwerk entscheiden. Die jeweils andere Option wird zerstört. Deutlich wird an diesem Beispiel, dass NFTs nicht nur an digitalen Kunstwerken entstehen können, sondern in einigen Fällen auch die Möglichkeit besteht ein analoges Kunstwerk mittels NFTs zu «tokenisieren». Der von einem Kunstprojekt losgelösten, reinen Digitalisierung eines analogen Kunstwerkes steht der Referent zurückhaltend gegenüber: Immerhin stelle dies bspw. für Museen eine gute Einnahmequelle dar, besonders in Zeiten der Corona-Pandemie.
Auffallend beim Verkauf des digitalen Kunstwerkes von Beeple war, wie bereits erwähnt, dass das Durchschnittsalter der Käuferschaft markant tiefer war als bei regulären Versteigerungen durch das Auktionshaus Christie’s. Im Vergleich zum «analogen» klassischen Kunstmarkt unterscheide sich auch das Kaufverhalten, so Müller. Im klassischen Kunstmarkt sei es mitunter verpönt, Kunst zu kaufen, nur um sie schnell wieder zu verkaufen. Oft würden gekaufte physische Kunstwerke über Generationen weitergegeben und blieben im Familienbesitz. Auf dem digitalen Kunstmarkt hingegen sei es üblich, Werke zu kaufen, um sie wieder zu veräussern. Ein weiterer signifikanter Unterschied bilde die Vermarktung von Kunst. Mit dem Aufkommen von digitalen Kunstwerken und dem damit verbundenen jüngeren Sammlerprofil passe sich auch die Vermarktungsstrategie an. So müsse im digitalen Bereich die Community vermehrt über soziale Medien erreicht werden.
Der Aspekt der Authentizität sei auf dem digitalen Kunstmarkt viel einfacher zu gewährleisten. Die Überprüfung und Bestätigung der Echtheit eines physischen Kunstwerks sei viel zeitaufwändiger als in der digitalen Kunstwelt. Jedoch seien beide grundsätzlich vor Manipulationen nicht gefeit. Und auch weitere Themen wie beispielsweise Geldwäscherei oder der hohe Stromverbrauch von NFTs seien zu berücksichtigen, wenn man den analogen mit dem digitalen Kunstmarkt vergleiche.
Die Frage, wie es mit Kunst-Tokens weitergehe ist Müller zufolge schwierig zu beantworten. Einige seien der Meinung, man stehe erst am Anfang einer grossen Welle digitaler Kunstwerke, andere sähen einen blossen Hype, der wieder vorbeigehen werde. Der Referent vertrat die Meinung, dass das Medium digitale Kunst dank der NFT weiter an Bedeutung gewinnen werde und ein willkommenes, erhebliches kreatives Potenzial mit sich bringe. Es werde dabei wohl – wie in anderen Kategorien – zu einer Kanonisierung kommen.
Prof. Dr. Corinne Zellweger-Gutknecht von der Universität Basel widmete sich mit ihrem Referat der regulatorischen Einordnung der Kunst-Token. Gegenstand des Vortrages war die Klärung, ob bestehende Regulierungen auf NFTs anwendbar sind. Falls dem nicht so sein sollte, stellte sie die Frage in den Raum, ob neue Regulierungen erforderlich sind. Den Ausgangspunkt ihrer Überlegungen bildete der Begriff der Regulierung, wobei sich die Vortragende in erster Linie auf die Finanzmarktregulierung bezog. Darunter wird ein vom Staat aufgestelltes und durch Aufsicht und Vollzug durchgesetztes Regelwerk verstanden, in dem die Akteurinnen und Akteure autoritativ gelenkt und kontrolliert werden. Das umfasst nicht nur die Transaktionen, sondern auch die Produkte des Finanzmarktes. Allgemein verfolgen die Finanzmarktregulierungen ein doppeltes Ziel: Einerseits soll durch das Regelwerk der Anlegerschutz gewährleistet werden. So sollen einzelne Personen vor spezifischen Risiken, die auf dem Finanzmarkt auftreten können, geschützt werden. Anderseits sollen die Regulierungen auch das Finanzmarktsystem als solches sichern. Diese Finanzmarktregulierungen stehen im Gegensatz zum Privatrecht, das insbesondere auf dem Grundsatz der Privatautonomie beruht.
Gemäss Zellweger-Gutknecht lässt sich eine Tendenz erkennen, wie bisherige Regulierungen sich entwickelt haben. Zunächst bestehe ein wirtschaftlicher Trend, beispielsweise wie mit dem Aufschwung des Bitcoins. Darauf reagieren nicht nur die Marktakteurinnen und Marktakteure, sondern auch die Behörden. Letztere reagieren meistens zuerst auf konkrete Einzelfälle und fassen die Situation später in allgemeinen Berichten zusammen. Im spezifischen Beispiel des Bitcoins veröffentlichte der Bundesrat im Jahr 2014| einen Bericht.2 Erst anschliessend wurde ein allgemeingültiges Regelwerk eingeführt. Je nach Tragweite werden entsprechende Gesetze revidiert und neue Verordnungen und Gesetze erlassen. So wurde im Zusammenhang mit Bitcoin etwa die Geldwäschereiverordnung-FINMA (GwV-FINMA) totalrevidiert.3
Die regulatorische Entwicklung im Bereich von Kryptowerten war vergleichbar zur derjenigen des Bitcoins. Der Bundesrat veröffentlichte im Jahr 2018 einen Bericht zu dieser Thematik und definierte Kryptowerte als kryptobasierte Vermögenswerte, also Daten, bei denen die Verfügungsmacht ausschliesslich über ein kryptobasiertes Zugangsverfahren vermittelt wird und denen der Markt aufgrund von Angebot und Nachfrage einen wirtschaftlichen Wert beimisst.4 Zudem ist dieses Zugangsverfahren so ausgestaltet, dass diese Vermögensmacht rival und exklusiv ausgeübt werden kann. Rival bedeutet in diesem Kontext, dass nicht mehrere Personen gleichzeitig den Vermögenswert nutzen können. Exklusiv ist ein Kryptowert hingegen dann, wenn der Inhaber oder die Inhaberin eines solchen Wertes andere von der Verfügung über ebendiesen abhalten kann. Diese Entwicklung habe uns in ein neues Datenzeitalter katapultiert, so Zellweger-Gutknecht. Dank der Kryptografie entstehe eine weitere Kategorie in der Welt der Daten: Neben den bekannten Sach- und Personendaten gebe es nun auch Wertdaten.5 Diese seien dem Institut des Eigentums grundsätzlich sehr ähnlich. Allerdings bestehe der grosse Unterschied darin, dass bei Wertdaten das Eigentumsobjekt nicht physisch (also körperlich) ist, wie dies vom herkömmlichen Eigentumsbegriff vorausgesetzt wird.
Im Anschluss an den Bericht des Bundesrates zum Thema Kryptowerte im Jahr 2018 sei eine Revision in Gang gesetzt worden, die jedoch nicht darauf abzielte, ein neues Gesetz zu schaffen. Vielmehr sollten – durch den sogenannten Distributed Ledger Technologie (DLT)-Mantelerlass6 – zehn verschiedene bestehende Gesetze angepasst werden. Eine der Neuerungen findet sich im Schweizerischen Obligationenrecht (OR). In Art. 973d ff. OR wurden die Wertdaten rechtlich erfasst, indem sogenannte Registerwertrechte geschaffen wurden. Laut der Referentin sei der Begriff jedoch etwas unglücklich gewählt, denn es handle sich vielmehr um Wertregistrierungen, da diese nach dem Vorbild der Wertpapiere geschaffen wurden. In diesem Rahmen dränge sich die Frage auf, ob ein NFT ein solches Registerwertrecht darstellen könnte. Damit ein Registerwertrecht vorliegt, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: 1) Das Vorhandensein eines Rechts, das in ein Token umgewandelt werden kann. Dieses Recht muss übertragbar sein und es muss sich um einen Wert handeln, der auch in eine Urkunde oder Wertpapier niedergeschrieben werden kann. 2) Das Vorliegen eines Registers, worin der Rechteinhaberin oder dem Rechteinhaber Verfügungsmacht erteilt wird. Des Weiteren muss dieses Register integer und transparent sein (Funktions- und Rechtetransparenz). 3) Das Bestehen einer Registervereinbarung, die das Recht so mit dem Register verknüpft, dass das Recht ausschliesslich über dieses Register ausgeübt werden kann. Den und letzten Schritt 4) bildet die Registrierung, also die Eintragung selbst. Wenn diese vier Elemente erfüllt sind, liegt ein Registerwertrecht vor. Der Referentin zufolge ist jedoch fraglich, ob ein NFT ein solches Registerwertrecht sein könne. Problematisch sei dies insbesondere in den Fällen, in denen ein NFT lediglich eine Authentizität bescheinigt oder eine Verknüpfung zu einem digitalen Objekt darstelle, denn dies allein begründe kein Recht und erfülle somit nicht die erste Voraussetzung eines Registerwertrechts. Würde ein Recht in den Token integriert, komme man dem Begriff des Registerwertrechts allerdings näher. Dies sei zum Beispiel der Fall, wenn ein NFT automatisch Tantiemen an seine Schöpferinnen und Schöpfer auszahlt, sobald die Tokens verkauft werden; ein Recht wird in diesen Fällen «tokenisiert». Jedoch habe der Gesetzgeber nicht an diese Variante gedacht, als er die neuen Bestimmungen verfasste, so Zellweger-Gutknecht. Überdies müsse das Recht übertragbar sein, was wiederum problematisch sein könne. Allgemein bleibe es sehr unsicher, ob NFTs überhaupt unter den Geltungsbereich der Registerwertrechte fallen. Ein NFT könne jedoch als Registerwertrecht ausgestaltet sein, wenn der Token selbst ein Recht enthält, das frei übertragbar sei.
Im Rahmen des DLT-Gesetzes wurde zudem der Effektenbegriff erweitert, indem neu nun auch ein Registerwertrecht eine Effekte sein kann, sofern diese vereinheitlicht und zum massenweisen Handel geeignet ist. Weil es inzwischen sogenannte DLT-Handelssysteme gibt, die unter anderem solche DLT-Effekten handeln, fragt sich, ob auch nicht als Registerwertrecht ausgestaltete NFT von diesem Effektenbegriff erfasst sind. Dies ist zwar nicht ausgeschlossen, dürfte aber typischerweise nicht der Fall sein, da NFTs nicht vereinheitlicht und für den massenweisen Handel geeignet sind.
Auch Zellweger-Gutknecht griff die von Stiller bereits erwähnte und von der FINMA im Jahr 2018 in ihrer Wegleitung zu ICOs vorgenommene Kategorisierung der| drei Token-Arten noch einmal auf. Die Kategorisierung habe sich nun weltweit durchgesetzt, müsse aber auch kritisch betrachtet werden. Die Kriterien könnten nur als Anhaltspunkte dienen, welche Token-Art vorliege. Die Bestimmung des Token-Typs helfe aber nicht weiter und diene lediglich zur Klassifizierung. Relevant hingegen sei die Einordnung in die effektiven finanzmarktregulatorischen Kategorien.
Wie bereits festgehalten seien NFTs weder Effekten noch DLT-Effekten, weshalb sich die Frage stelle, ob sie allenfalls Finanzinstrumente i.S.v. Art. 3 lit. a des Bundesgesetzes über die Finanzdienstleistungen (FIDLEG) darstellten. Ein genauer Blick sei auf die Derivate zu werfen. Laut Zellweger-Gutknecht ist es bei diesen unbeachtlich, ob sie vereinheitlicht und zum massenweisen Handel geeignet sind. Zudem darf es sich bei Derivaten nicht um ein Kassageschäft handeln. Letzteres bedeutet, dass der Inhalt des Tokens nicht bereits innerhalb von zwei bis drei Tagen abgewickelt werden darf. Der Prozess muss längerfristig angelegt sein, wie beispielsweise bei einer Nutzung resp. Vermietung eines Objektes. Zudem bedarf es eines Finanzkontrakts, also eines bilateralen Vertrags. Der entscheidende Punkt ist jedoch der Preis: bei einem Derivat muss dieser von einem Basiswert abhängen. Dieser kann unter anderem eine Aktie oder aber ein Edelmetall sein. Problematisch bei der Einordnung von NFTs als Derivate ist, dass sich der Preis in der Regel sich nicht von einem Basiswert ableiten lässt. Ausnahmen seien denkbar, wenn beispielsweise ein Token das Recht beinhalte, das Kunstwerk, welches er abbildet zu einem bestimmten Wert zu erwerben. Dieser Fall sei jedoch nicht die Regel.
Zellweger-Gutknecht betonte zum Ende ihres Vortrags, dass sobald NFTs eine namhafte Grösse am Finanzmarkt einnehmen, finanzmarktrechtliche Regulierungen folgen würden. Abgesehen von speziellen Ausgestaltungen seien klassische NFTs bis heute nicht regulierungsrelevant. Die Referentin plädierte dafür, zunächst das Konstrukt des Tokens privatrechtlich zu erfassen, um definieren zu können, was ein NFT rechtlich gesehen eigentlich ist.
Im letzten Referat widmete sich Dr. Stephanie Volz, Geschäftsführerin des Center for Information Technology, Society, and Law (ITSL), dem Thema des rechtlichen Schutzes von Daten sowie der Frage, inwiefern ein Rechtschutz an NFTs begründet werden kann. Ihr zufolge liessen sich Daten allgemein in zwei Kategorien unterteilen: in Sach- und Personendaten. Personendaten sind demnach Daten, die sich auf eine bestimmte oder eine bestimmbare Person beziehen. Personendaten können mittels Anonymisierung jedoch auch zu Sachdaten werden, also Daten ohne Personenbezug. Solche Kategorisierungen seien jedoch mit Vorsicht zu geniessen, denn die Abgrenzung sei nicht eindeutig und verschwimme zunehmend, so Volz.
Im weiteren Verlauf Ihres Vortrags zeigte die Referentin auf, welche diversen Rechte grundsätzlich zum Schutz von Daten bereitstehen und nannte Eigentumsrechte, Immaterialgüterrechte, Datenschutzrechte, Sui-Generis-Schutz für Datenbanken, deliktische Abwehrrechte und schliesslich auch die Möglichkeit eines vertraglichen Schutzes.
Das Eigentumsrecht als umfassendes Herrschafts- und Abwehrrecht schützt Sachen im rechtlichen Sinne. Dies setzt unter anderem eine Körperlichkeit voraus, die Daten selbst nicht aufweisen. Gleichzeitig betonte Volz, dass sich Eigentum etwa am Datenträger, beispielsweise einer Festplatte, begründen liesse. Angewendet auf NFT ergeben sich zwei Probleme: sowohl dem Token, als auch dem digitalen Werk, fehlt es an einer Körperlichkeit.
Das Urheberrecht, als eines der Immaterialgüterrechte, schützt Werke der geistigen Schöpfung der Literatur und Kunst, die einen individuellen Charakter aufweisen. Daten erfüllen in der Regel jedoch die Schutzvoraussetzungen des Urheberrechts nicht, da es sich nicht um geistige Schöpfungen handelt. Allerdings schützt das Urheberrecht auch Sammelwerke. Ein Ansatz könnte somit darin liegen, Daten als Sammelwerke zu schützen. Jedoch fehle es hier gemäss Volz an der Voraussetzung des individuellen Charakters. Übertragen auf Kunst-Token lässt sich feststellen, dass das digitale Kunstwerk durchaus urheberrechtlichen Schutz geniesst, der NFT hingegen nicht, da der Token selbst keine geistige Schöpfung ist. Mit Bezug auf das Patentrecht hielt die Referentin fest, dass dieses grundsätzlich Erfindungen schütze, die neu, nicht-naheliegend und gewerblich anwendbar sind. Auch diese Schutzvoraussetzungen erfüllten weder Daten noch NFT, da beide weder neu noch nicht-naheliegend seien.
Neben den Verfügungsrechten für Eigentümer bestehen sogenannte Abwehrrechte, die es der Dateninhaberin oder dem Dateninhaber ermöglichen, Angriffe abzuwehren. Solche Abwehrrechte schützen in erster Linie Geheimnisse, also Tatsachen, die nur einem engen Personenkreis bekannt und zugänglich sind und bezüglich derer der Geheimnisherr einen Geheimhaltungswillen hat. Mögliche Gesetzesbestimmungen befinden sich unter anderem in Art. 6 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), Art. 162 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB) oder auch in Art. 320 ff. StGB. Kunst-Token sind jedoch nicht als Geheimnisse zu qualifizieren, weil es gerade der Sinn der verwendeten Technologie ist, Transaktionen öffentlich darzulegen. Ein Geheimnisschutz entfällt entsprechend. Allerdings ergeben sich aus dem Strafgesetzbuch weitere deliktische Abwehrrechte wie beispielsweise die unbefugte Datenbeschaffung (sog. Datendiebstahl) in Art. 143 StGB, das unbefugte Eindringen in ein Datenverarbeitungssystem (sog. «Hacking») in Art. 143bis StGB und auch die Datenbeschädigung in Art. 144bis StGB. Je nach Sachverhalt könnte der Tat|bestand des Datendiebstahls oder des Hackings erfüllt sein. Volz betonte in ihrem Vortrag jedoch, dass ein gestohlener Token nicht mehr zurückgefordert werden könne. Eine solche Rückforderung stütze sich auf Eigentum oder eigentumsähnliche Herausgabeansprüche, welche nicht auf Token anwendbar seien. Während sich die Referentin gegen neue Ausschliesslichkeitsrechte an Token aussprach, schlug sie als Alternative die Einführung einer Art Kraftloserklärungsverfahren für abhanden gekommene Token vor. Diese könne sich das bereits im Aktienrecht existierende Verfahren anlehnen. Damit könne ein verlorener, gestohlener oder anderweitig abhanden gekommener Token durch die Glaubhaftmachung der ursprünglichen Verfügungsmacht für kraftlos erklärt und ein neuer Token ausgegeben werden. Gemäss der Referentin steht es jedoch noch in den Sternen, ob Kunst-Token so salonfähig werden, dass sich diese privatrechtlichen Anpassungen aufdrängen.
Die Panel- und Podiumsdiskussion mit den Referierenden wurde durch Art Advisor Georg Bak und Prof. Dr. Anna Maria Loffredo von der Kunstuniversität Linz ergänzt. In diesem Kreis konnten zunächst noch einige wichtige technische Fragen geklärt werden – etwa, dass digitale Werke aufgrund des begrenzten Speicherplatzes nur in den seltensten Fällen «on chain» und so gewissermassen im NFT selbst gespeichert werden können. Damit existiere die digitale Kunst meist separat vom NFT und habe insoweit mit den üblichen Problemen der digitalen Kunst zu kämpfen, wie beispielsweise dem Veralten von Dateiformaten, fehlerhaften Links oder dem Verschwinden der mit einem Link verknüpften Ursprungsquelle. So zeigte sich in der Diskussion rasch, dass Transaktionen von NFT eine solide vertragliche Grundlage erfordern. Dabei müssen die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden, obwohl die existierenden NFT-Marktplätze durchaus für eine gewisse Standardisierung zu sorgen scheinen. Vertraglich zu regeln ist auch immer der Umgang mit den Urheberrechten an der digitalen Kunst, welche grundsätzlich von der Existenz eines NFT nicht tangiert werden.
In den Vordergrund rückte sodann die Thematik der NFTs als «Klimakiller»: Früh warf die Frage auf, wie realistisch es sei, dass Non-Fungible Tokens bald auf einer energieeffizienteren Blockchain ausgegeben werden, womit eine umweltfreundlichere Lösung in Sicht wäre. Daraufhin bestätigte zunächst Stiller, dass die Ethereum-Blockchain, auf welcher die NFTs in der Regel basieren, einen sehr hohen Stromverbrauch habe. Es sei jedoch falsch zu behaupten, dass Energie verschwendet werde; vielmehr gewährleiste der Energiebedarf die hohe Sicherheit der Blockchain. Gemäss Stiller gibt es jedoch keine ihm bekannten Entwicklungen, durch welche die NFTs umweltfreundlicher ausgestaltet werden sollen. Auch der schon länger angekündigte Wechsel der Ethereum-Blockchain auf einen «proof of stake»-Konsensmechanismus lasse weiterhin auf sich warten. Die Diskussionsteilnehmenden waren sich einig, dass früher oder später eine klimaverträglichere Lösung gefunden werden müsse. Loffredo wies ergänzend darauf hin, dass in punkto Umweltfreundlichkeit auch für die analoge Kunstwelt grosser Behandlungsbedarf bestehe. Dieser Überlegung stimmte Müller zu und erwähnte, dass insbesondere der Transport von Kunstwerken zu hohen Emissionen führe.
Kontroverser diskutiert wurde schliesslich die Frage, ob das Privatrecht NFT besser berücksichtigen und sich entsprechend anpassen müsse. Dabei ging es zum einen um die Frage, ob für NFT aufgrund deren Exklusivität ein Ausschliesslichkeitsrecht gewährt werden solle. Zum anderen, ob der Gesetzgeber in Bezug auf NFT-Transaktionen nicht weitere (z.T. berechtigte) Erwartungen der Parteien schützen solle – etwa, dass bei einem NFT-Kauf auch weitere Rechte, insbesondere das Urheberrecht am digitalen Werk übergehen. Während Zellweger-Gutknecht beides im Grundsatz bejahte, war Volz zurückhaltender und wollte vorerst keinen Anpassungsbedarf erkennen.
Die von Interdisziplinarität geprägte Tagung ermöglichte nicht nur zwischen den Referierenden einen gehaltvollen Wissens- und Informationsaustausch, sondern auch mit den Teilnehmenden. Äusserst interessant war zu beobachten, wie das Thema Kunst-Token aus verschiedenen Blickwickeln – Technik, Kunst und Recht – beleuchtet werden konnte und diese drei Ebenen schliesslich in der Podiumsdiskussion zusammengeführt wurden. Ob es sich dabei lediglich um einen Hype handelt oder nicht, lässt sich auch nach dieser Tagung nicht mit Sicherheit beantworten, jedoch steht fest, dass es sich lohnt die Entwicklung von Kunst-Token weiter zu beobachten, sei es aus der Sicht eines Kunstkenners oder auch aus juristischer oder technischer Warte.
Fussnoten:
1 |
FINMA, Wegleitung für Unterstellungsanfragen betreffend Initial Coin Offerings (ICOs), 16. Februar 2018. |
2 |
Bericht des Bundesrates zu virtuellen Währungen in Beantwortung der Postulate Schwaab (13.3687) und Weibel (13.4070) vom 25. Juni 2014. |
3 |
FINMA, FINMA veröffentlicht totalrevidierte Geldwäschereiverordnung-FINMA, Bern 2015. |
4 |
Bericht des Bundesrates, Rechtliche Grundlagen für Distributed Ledger-Technologie und Blockchain in der Schweiz vom 14. Dezember 2018. |
5 |
S. hierzu grundlegend Corinne Zellweger-Gutknecht, Developing the right regulatory regime for cryptocurrencies and other value data, in: Sarah Green/David Fox (Hrsg.), Cryptocurrencies in Public and Private Law, Oxford 2019, S. 57–91 sowie ‹https://ssrn.com/abstract=3240454› (17. November 2021). |
6 |
Botschaft zum Bundesgesetz zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register vom 27. November 2019, BBl 2020 233 ff., S. 234. |