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Berichte / Rapports

Bericht über die INGRES-Tagung vom 2. Juli 2024 in Zürich

Die diesjährige INGRES-Tagung zur Praxis des Immaterialgüterrechts in der Schweiz wurde wiederum von Michael Ritscher konzipiert und geleitet und von Christoph Gasser organisiert. Rund 150 Vertreterinnen und Vertreter von Behörden, Gerichten, der Industrie sowie der Anwaltschaft konnten sich über die aktuellen Entwicklungen im Immaterialgüterrecht der Schweiz informieren und diese diskutieren.

Cette année, la conférence de l’INGRES sur la pratique du droit de la propriété intellectuelle en Suisse a de nouveau été conçu et dirigé par Michael Ritscher et organisé par Christoph Gasser. Près de 150 représentants des autorités, des tribunaux, de l’industrie ainsi que du barreau ont pu s’informer sur les développements actuels du droit de la propriété intellectuelle en Suisse et en discuter.

Gianluca Bonatesta,

MLaw, Zürich.

Richard Gao,

MLaw, Zürich.

I. young@ingres

Einleitend berichtete Timmy Pielmeier über die vom INGRES-Vorstand ins Leben gerufene Initiative young@ingres, die für junge Praktizierende des Immaterialgüterrechts geschaffen wurde und einen niederschwelligen Zugang und Austausch ermöglichen wird. Die Kick-off-Veranstaltung wird im Frühjahr 2025 stattfinden, gefolgt von kleineren Anlässen in der ganzen Schweiz.

II. Patentrecht

1. Aktuelle Rechtsprechung

Dr. Susanne Finklenburg, Patentanwältin bei Mettler-Toledo und technische nebenamtliche Richterin am Bundespatentgericht, berichtete über die neueste Rechtsprechung im Patentrecht.

Das Streitpatent im Fall Sonnenschutz (BGer vom 14. Dezember 2023, 4A_370/2023; BPatGer vom 6. Juni 2023, O2021_009) betraf die Verwendung von Antioxidantien zur Herstellung einer pharmazeutischen oder kosmetischen Zusammensetzung zum Schutz der Haut vor Schädigung durch Infrarotstrahlung. Der Stand der Technik umfasste unter anderem die Erkenntnis, dass Antioxidantien die Bildung von Matrix-Metalloproteinase-1 (MMP-1) verhindern. Im Streitpatent wurde erkannt, dass nicht nur die UV-Strahlung eine Schädigung des menschlichen Körpers verursachen kann (MMP-1 versursacht eine Photoalterung bei UV-Licht, E. 55; BPatGer vom 6. Juni 2023, O2021_009), sondern auch die Infrarotstrahlung. Dies geschieht gemäss Patentanmeldung durch die Aktivierung der Bildung der MMP-1. Das Bundesgericht erkannte in E. 4.3.3, dass «das blosse Aufdecken des Wirkungsmechanismus einer schon bekannten Anwendung» keinen patentrechtlichen Schutz zulässt.

Gemäss Finklenburg besteht in der Chemie das Problem, dass unter Umständen die technische Wirkung nicht offenbart ist. Im Fall Apixaban (BPatGer vom 5. März 2024, O2022_007, Beschwerde hängig) scheitert der Aufgabe-Lösungs-Ansatz an der fehlenden Aufgabe. Eine neue Wirkung ist möglich, falls diese von der technischen Lehre der Anmeldung umfasst und von derselben ursprünglich offenbarten Erfindung verkörpert wird. Die Grundlage hierzu besteht aus dem Fachwissen und den Angaben in der ursprünglichen Anmeldung. Im vorliegenden Fall stellt die Markush-Formel den nächstliegenden Stand der Technik dar. Die Differenz besteht in der Mehrfachauswahl, um zu Apixaban zu gelangen. Der Effekt ist im verbesserten Faktor Xa-Hemmer zu erkennen. Die Daten, die den Effekt stützen, wurden erst während des Erteilungsverfahrens eingereicht. Fraglich ist, ob dies ausreichend ist. Im Entscheid G2/21 äusserte sich die Grosse Beschwerdekammer des Europäi|schen Patentamts zur «Plausibilität». Danach könnte sich ein Patenanmelder oder -inhaber zum Nachweis der erfinderischen Tätigkeit auf eine technische Wirkung berufen, wenn der Fachmann gestützt auf sein Fachwissen und auf der Grundlage der ursprünglichen Anmeldung schlussfolgern würde, dass die Wirkung von der technischen Lehre umfasst und von derselben ursprünglich offenbarten Erfindung verkörpert werde. Das Bundespatentgericht wendete diesen Entscheid im vorliegenden Fall an und gelangte so zu den grundlegenden Fragen, ob die behauptete technische Wirkung als von der ursprünglich offenbarten technischen Lehre umfasst erkannt wird und ob die Wirkung aus der ursprünglich eingereichten Anmeldung ableitbar wäre. Die Hürde solle dabei nicht zu hoch angesetzt werden, und Daten bzw. explizite Aussagen seien nicht nötig. Konkret erkannte das Bundespatentgericht, dass die Wirkung erkennbar umfasst und die Ableitbarkeit gegeben sei.

Ebenfalls anhand des Urteils Apixaban erläuterte Finklenburg, dass ein Auseinanderfallen der Rechteinhaber vorgelegen habe. Das Bundespatentgericht erkannte, dass eine formlose Übertragung des Prioritätsrechts nach schweizerischem Recht wie nach dem Europäischen Patentübereinkommen gültig sei. Betreffend die konkludente Übertragung durch Überlassung der Prioritätsunterlagen hielt das Bundespatentgericht fest: «man kann sich überzeugenden Überlegungen anschliessen.»

Schliesslich wandte sich Finklenburg dem Entscheid Barcode II (BGer vom 16. Januar 2024, 4A_460/2023; BPatGer vom 2. August 2023, O2022_003) zu. Hier ging es um eine Klägerin, die gemeinsam mit einem Unternehmen H. eine Kaffeekapsel entwickelt hatte, die einen Barcode enthielt. Diese Erfindung besprach die Klägerin mit dem Unternehmen A. für ein gemeinsames Projekt, da die Klägerin nicht im Bereich der Herstellung von Kaffeemaschinen tätig ist. Das Unternehmen A. stand zu diesem Zeitpunkt bereits mit der Beklagten bezüglich einer anderen Zusammenarbeit in Kontakt. Sodann meldete die Beklagte die Patentfamilie «WO 317» an. Aufgrund von Übereinstimmungen zwischen den Streitpatenten und dem Gegenstand, den die Klägerin gemeinsam mit dem Unternehmen H. entwickelt hatte, forderte die Klägerin im Anschluss die Übertragung von Teilen der Patentfamilie «WO 317». Finklenburg hielt fest, dass für die erfolgreiche Abtretung zunächst geklärt werden muss, wer die Erfindung zu welchem Zeitpunkt erfunden hat. Im Anschluss stellt sich die Frage, wie die Klägerin das Recht auf das Patent erworben hat. In einem nächsten Schritt ist zu prüfen, wie welche Teile der Erfindung zur Beklagten gelangt sind. Schliesslich muss geklärt werden, inwieweit das Streitpatent der übermittelten Erfindung entspricht. Das Vorliegen der Tatsachen muss die Klägerin substanziiert behaupten und gegebenenfalls beweisen. In casu scheiterte die Abtretungsklage, da der Übergang von den Erfindern auf H. nicht bewiesen werden konnte. Insbesondere blieb die Frage, ob eine Diensterfindung vorliegt, ohne Beweisofferte.

Als nächstes präsentierte Dr. iur. Mark Schweizer, Präsident des schweizerischen Bundespatentgerichts, den Geschäftsbericht des Bundespatentgerichts für das Jahr 2023. Im ordentlichen Verfahren sind zwanzig Eingänge zu verzeichnen, eine Zunahme von sieben im Vergleich zum Vorjahr. Im summarischen Verfahren blieb die Anzahl mit elf Eingängen identisch wie im Vorjahr. Die Erledigungen im ordentlichen Verfahren beliefen sich auf 21, eine Zunahme um sechs gegenüber dem Vorjahr. Im summarischen Verfahren nahm die Anzahl Erledigungen um eins von zehn auf elf zu. Die Pendenzen im ordentlichen Verfahren beliefen sich auf 22, eine Abnahme um eins. Im summarischen Verfahren verblieb die Anzahl Pendenzen bei sechs. Daraus resultierten Einnahmen von CHF 680 000. Im Vorjahr beliefen sich die Einnahmen noch auf CHF 960 000. Das Defizit betrug CHF 842 000, eine deutliche Zunahme gegenüber den vorjährigen CHF 587 000. Diese Entwicklung war auf das Bestehen von transitorischen Aktiven zurückzuführen.

Sodann äusserte sich Schweizer zur sachlichen Zuständigkeit, die im Entscheid BPatGer vom 23. Januar 2024, S2023_004, streitgegenständlich war. Im ersten Rechtsbegehren stützte sich die Klägerin auf das Patentrecht; das Bundespatentgericht war zweifellos hierfür zuständig. Im zweiten Rechtsbegehren stützte sie sich jedoch auf das Designrecht. Fraglich war, ob das Bundespatentgericht dennoch zuständig ist. Die Klägerin argumentierte, dass sich die Klage im Sinne einer Kompetenzattraktion gegen die gleiche Ausführungsform richte wie das auf das Patentrecht gestützte Rechtsbegehren. Daher sei das Bundespatentgericht sachlich zuständig. Die Beklagte hielt dem entgegen, dass es zwei verschiedene Rechtsbegehren seien, die sich auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen stützen würden, und die blosse objektive Klagehäufung keine Zuständigkeit begründen würde. Im Ergebnis schloss sich das Bundespatentgericht dieser Auffassung an.

In einem nächsten Entscheid ging Schweizer auf das Urteil BGer vom 21. November 2023, 4A_320/2023, ein. Schweizer führte aus, dass Patentansprüche nicht – wie etwa vertragsbezogene Willenserklärungen – subjektiv an einen bestimmten Adressaten gerichtet seien, sondern objektiv darauf ausgelegt sind, ein absolutes Recht mit Defensivwirkung gegenüber allen Unbefugten, erga omnes, zu begründen. Die absolute Normwirkung setze dabei ein einheitliches Verständnis des vorbehaltenen Machtbereichs voraus. Das Bestimmtheitsgebot, das der Rechtssicherheit verpflichtet ist, verlangt einen für die Ausgeschlossenen erkennbaren, anhand fassbarer Kriterien feststellbaren Herrschaftsraum. Die Patentansprüche seien daher im Allgemeinen nicht empirisch, sondern normativ auszulegen. Diese normative Auslegung sei Teil der Rechtsfindung.

Im Weiteren führte Schweizer aus, dass im Zivilverfahren die Parteien entscheiden, worüber gestritten wird. Konkret betreffe dies den Sachverhalt (vgl. Art. 55 ZPO) und die Rechtsbegehren (vgl. Art. 58 ZPO). Vor diesem Hintergrund sei es konsequent, dass die Parteien die Interpretation einzelner Merkmale eines Patentanspruchs prozessual ausser Streit stellen könnten. Seien sich die Parteien in einem Patentverletzungsverfahren über die Auslegung eines Anspruchsmerkmals einig, so habe sich das Gericht diesem Verständnis zu unterwerfen. Schweizer hielt fest, dass es nicht |Aufgabe der Justiz sei, eine Kontroverse über das Verständnis eines Patentanspruchs zu entfachen, wo es keine gibt.

Im letzten Teil seines Vortrages widmete sich Schweizer dem Ablauf einer Stufenklage i.S.v. Art. 85 ZPO anhand des Entscheids BPatGer vom 12. Februar 2024, O2022_002. Dabei ging Schweizer auf zwei Problemfelder ein, die sich bei der Stufenklage stellen: Einerseits müsse die Klägerin die Forderung beziffern, ehe die Novenschranke für die Beklagte gefallen ist. Andererseits stellt sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn die Auskunft (angeblich) unvollständig erfolgte. Eine Lösung erblickt Schweizer im Art. 107 Abs. 1 lit. a ZPO. Dieser Artikel besagt, dass das Gericht von den Verteilungsgrundsätzen abweichen und die Prozesskosten nach Ermessen verteilen kann, wenn die Klage zwar grundsätzlich, aber nicht in der Höhe der Forderung gutgeheissen wurde und diese Höhe vom gerichtlichen Ermessen abhängig oder die Bezifferung des Anspruchs schwierig war.

Im vorliegenden Entscheid erkannte das Bundespatentgericht, dass die Beklagte ihre Pflichten zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung nicht erfüllt habe und der Beklagten zur ergänzenden Auskunftserteilung und Rechnungslegung eine Nachfrist von höchsten zwei Wochen anzusetzen sei. Im Weiteren hielt das Gericht fest, dass es sich ausserstande sieht, ohne Beweisverfahren zu entscheiden, ob die Auskunftserteilung und/oder die Rechnungslegung durch die Beklagte unvollständig erfolgt ist. Eine solche Feststellung hätte unter anderem zur Folge, dass die Organe der Beklagten nach Art. 292 StGB mit Busse zu bestrafen wären. Eine derartige Feststellung könne im vorliegenden Fall nicht ohne Abnahme von Beweisen erfolgen. Die Ausführungen der Klägerin mögen zwar Hinweise dafür sein, dass die Beklagte unvollständig abgerechnet hat, den Beweis dafür vermögen sie jedoch nicht zu erbringen.

Ein Beweisverfahren durchzuführen, um über den prozessualen Antrag der Beklagten zu entscheiden, lasse sich mit einer beförderlichen Verfahrensführung nicht vereinbaren. Entsprechend werde das Beweisverfahren nach Abschluss des Schriftenwechsels der zweiten Stufe durchgeführt. Die Klägerin sei daher gehalten, ihre Forderung auch dann zu beziffern, wenn sie der Auffassung ist, dass die Rechnungslegung unvollständig erfolgt sei. Wenn sie überzeugt ist, dass die Beklagte einen höheren Betrag schulde als gemäss der Auskunft der Beklagten, muss sie diesen beziffern.

Dem Risiko des Überklagens sei durch die Anwendung von Art. 107 Abs. 1 lit. a ZPO zu begegnen. Stellt sich nach durchgeführtem Beweisverfahren heraus, dass die Beklagte unvollständig Auskunft geleistet hat, trägt sie die Prozesskosten selbst dann, wenn die Klägerin nicht vollständig obsiegt, weil sie es der Klägerin schwierig gemacht hat, ihren Anspruch zu beziffern.

Im letzten Abschnitt des patentrechtlichen Teils der Tagung widmete sich Andrea Mondini, Rechtsanwalt und nebenamtlicher juristischer Richter am Bundespatentgericht, den Fällen Deferasirox (BGer vom 25. September 2023, 4A_273/2023), Sägeblätter II (BPatGer vom 12. Februar 2024, O 2022_002) und Rivaroxaban (BPatGer vom 25. Juli 2023, S2023_006).

Deferasirox ist ein Arzneimittel. Der Patentanspruch beansprucht eine schluckbare Filmtablette, die 45 bis 60 Gewichtsprozent Deferasirox enthält. Gemäss Beschreibung seien 56 Gewichtsprozente bevorzugt. Die angegriffene Ausführungsform (ein Generikum) wies einen Wirkstoffgehalt von 64.3% auf. Vor dem Bundesgericht war lediglich die dritte Äquivalenzfrage betreffend die Gleichwertigkeit strittig.

Zusammenfassend hielt Mondini fest, dass gemäss dem vorliegenden Entscheid die Angabe einer genauen Bandbreite (45–60%) als Verzicht auf Wirkstoffanteile ausserhalb dieser Bandbreite verstanden werde dürfe. Möchte die Patentinhaberin darüber hinaus z.B. Toleranzen nicht ausschliessen, so obliege es ihr, ihren Anspruch entsprechend zu formulieren. Darüber hinaus ist betreffend den bevorzugten Wert zu erwähnen, dass die Tatsache, dass der bevorzugte Wert von 56% in der Beschreibung und nicht im Anspruch selbst enthalten ist, daran nichts ändere. Dass der bevorzugte Wert von 56% näher an der oberen Bereichsgrenze liegt, lege für den Fachmann nahe, dass es oberhalb dieses Zahlenbereichs Probleme geben könnte.

Als nächstes ging Mondini auf die Gewinnherausgabe anhand des Entscheids Sägeblätter II des Bundespatentgerichts ein. Die Gewinnherausgabe i.S.v. Art. 423 Abs. 1 OR (unter dem Titel Geschäftsführung ohne Auftrag) setzt Bösgläubigkeit voraus. Vorausgesetzt wird, dass der Geschäftsführer weiss oder hätte wissen müssen, dass er das Patent verletzt. Wer «die Fremdheit des Geschäfts nicht erkennt, weil er zumutbare Sorgfaltsobliegenheiten nicht erfüllt», gilt als bösgläubig.

Die Beklagte argumentierte, dass das Patent in der erteilten Fassung gemäss dem Massnahmeurteil glaubhaft nichtig sei. Zudem bestünden unzählige Möglichkeiten, den Anspruch einzuschränken. Schliesslich sei das Patent gemäss der Einschätzung des Patentanwalts der Beklagten sowie der vorläufigen Einschätzung der Einspruchsabteilung nichtig. Das Bundespatentgericht erkannte, dass die Beklagte dennoch bösgläubig handelte. Denn im Verfahren über vorsorgliche Massnahmen hätte die Beklagte erkennen müssen, dass die Klägerinnen keine eingeschränkten Ansprüche formuliert hatten. Zudem hätte die Beklagte respektive ihr Patentanwalt erkennen müssen, dass das Streitpatent in einer eingeschränkten Form gültig sein könnte, die vom angegriffenen Produkt verletzt wird. Die Kombination der Ansprüche sei nicht überraschend, sondern zu erwarten gewesen. Das Patentgutachten könne die angemessene Sorgfalt nur belegen, wenn es im Volltext vorgelegt wird. Letztlich war die Meinung der Einspruchsabteilung lediglich eine vorläufige. Die Einrede, dass das rechtmässige Alternativverhalten den gleichen Schaden bewirkt hätte, ist strikt zu beweisen. Solch ein Beweis sei jedoch kaum zu erbringen, da es sich um hypothetische Tatsachen handle. Damit war die Einrede mangels Beweises gescheitert.

Die Bemessung des herauszugebenden Gewinns bemisst sich anhand des Bruttoerlöses minus die Kosten, die direkt mit der Herstellung und dem Vertrieb des Verletzungsprodukts im Zusammenhang stehen. Die meisten ge|hörig geführten Buchhaltungen seien nicht geeignet, den Beweis dieser Kosten zu erbringen. Diese Konstellation führt sodann zu einer Schätzung gemäss Art. 42 Abs. 2 OR. Betreffend die Lohnkosten ist festzuhalten, dass diese für Produktionsmitarbeitende abzugsfähig seien und geschätzt werden könnten, da der konkrete Nachweis jedes einzelnen Arbeitsschrittes kaum möglich ist. Für leitende Angestellte seien diese nicht abzugsfähig, weil dem Verletzer kein Deckungsbeitrag aus der Verletzung des Patents verbleiben soll.

Das Bundespatentgericht kam in casu aufgrund der Faktorenanalyse zum Schluss, dass die Kompatibilität und nicht das patentfreie Sägeblatt kausal für die Kaufentscheidung war. Es sei entscheidend, ob die patentfreie Alternative effektiv auf dem Markt war, und nicht, ob eine solche denkbar wäre. Dies hatte die Beklagte jedoch weder behauptet noch bewiesen. Daher erkannte das Gericht, dass der gesamte Nettogewinn herauszugeben sei.

In der Dissenting Opinion wurde die Auffassung vertreten, dass nicht der gesamte Nettogewinn herauszugeben sei. Das Produkt bestehe aus einem Verbindungsstück und einem patentfreien Sägeblatt. Ohne das Sägeblatt wäre das Verbindungsstück nicht verkauft worden. Das Vorhandensein des Sägeblatts respektive die Kombination aus Sägeblatt und Verbindungsstück war mithin conditio sine qua non für den Verkauf des Produkts. Folglich sei der Verkaufserfolg auch auf die patentfreien Sägeblätter zurückzuführen.

Im Fall Rivaroxaban war strittig, ab wann ein drohender Nachteil im Falle einer Marktzulassung besteht. Vorliegend handelte es sich um ein Gesuch um eine superprovisorische vorsorgliche Massnahme. Die Klägerin war Inhaberin eines ergänzenden Schutzzertifikats für Rivaroxaban. Die Beklagte bot Out-Licensing-Angebote für Arzneimittel an, die Rivaroxaban enthielten. Zudem hat die Beklagte ein Gesuch um Marktzulassung eingereicht. Das Bundespatentgericht erkannte, dass eine Marktzulassung keinen unmittelbar bevorstehenden Markteintritt indiziert. Es bestünden darüber hinaus keine konkreten Anhaltspunkte, die für eine Verletzung sprechen würden. Das Gericht hielt auch fest, dass eine abstrakte Gefahr nicht genüge. Erst die Aufnahme in die Spezialitätenliste des Bundesamtes für Gesundheit der in der Grundversicherung erstattungspflichtigen Arzneimittel indiziere einen unmittelbar bevorstehenden Markteintritt.

III. Urheberrecht und IT-Recht

1. Blockchain und geistiges Eigentum in der Schweiz

Dr. iur. Catherine Chammartin, Direktorin des Eidgenössischen Instituts für geistiges Eigentum (IGE), referierte zum Thema «Blockchain trifft geistiges Eigentum: Erste Spuren in der Schweiz». Dabei stellte sie das im Rahmen einer Studie durchgeführte IP & Blockchain-Projekt vor. Die Studie wurde in der Schweiz und in Singapur durchgeführt, da diese beiden Länder viele Gemeinsamkeiten haben. Sie haben z.B. eine ähnlich hohe Innovationsleistung und betreiben einen vergleichbaren Aussenhandel. Ziele der Studie waren die Identifizierung der Schnittstelle zwischen Blockchain und IP, die Identifizierung der Herausforderungen, die Frage, was für das IGE relevant ist, und der Vergleich der Schweizer Ergebnisse mit denen von Singapur. Die Studie wurde durch Umfragen und Interviews mit Stakeholdern und durch Literaturrecherchen durchgeführt. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die Teilnehmenden die Track & Trace der Herkunft, das IP-Register, die Evidence of Generation und die Lizenzierung & Transfer von IP-Rechten als die relevantesten Anwendungsfälle ansehen. Um den Einsatz von Blockchain zu ermöglichen, wurde in der Schweiz angegeben, dass sich die Akzeptanz von sich auf Blockchain befindenden Beweisen ändern muss. In Singapur hingegen haben die Teilnehmenden angegeben, dass sich die Prozesse innerhalb der Behörden ändern müssten, damit der Einsatz von Blockchain ermöglicht werden kann. Für die Zukunft sind einerseits der rechtliche Rahmen und die Entwicklung der Schnittmenge von IP und Blockchain zu beobachten, zudem ist die Entwicklung von Blockchain-Standards nicht aus den Augen zu verlieren und falls notwendig, die Koordination mit anderen IP-Offices zu suchen.

2. Der «Wert» einer Fotografie

Dr. iur. Reinhard Oertli referierte über finanziellen Wert einer Fotografie aus urheberrechtlicher Sicht. Gemäss Art. 2 Abs. 1 URG sind Werke geistige Schöpfungen der Literatur und Kunst, die individuellen Charakter haben, unabhängig von ihrem Wert oder Zweck. Fotografische, filmische und andere visuelle oder audiovisuelle Werke gehören nach Art. 2 Abs. 1 URG zu den Werken. Fotografische Wiedergaben und mit einem der Fotografie ähnlichen Verfahren hergestellte Wiedergaben dreidimensionaler Objekte gelten i.S.v. Art. 2 Abs. 3bis URG als Werke, auch wenn sie keinen individuellen Charakter haben. Wird ein Urheberrecht verletzt, stellen sich einerseits Fragen hinsichtlich des Verlusts des Rechtsinhabers in Form von erlittener Vermögensverminderung und entgangenem Gewinn und andererseits hinsichtlich möglicher Vorteile des Rechtsverletzers durch ersparte Aufwendungen, erzielten Gewinn und Bereicherung. Fraglich ist, inwiefern ein Schaden infolge der unerlaubten Nutzung entstanden ist. Dieser kann in nicht direkt zuordenbaren Aufwendungen durch das Aufspüren von Verletzungshandlungen liegen oder in den zuordenbaren Aufwendungen der Kosten für ein Abmahnschreiben. Folglich sind die Schadensbestimmung und -bemessung von zentraler Bedeutung. Gemäss Art. 8 Abs. 1 URG gilt als Urheber, wer auf den Werkexemplaren oder bei der Veröffentlichung des Werks mit dem eigenen Namen, einem Pseudonym oder einem Kennzeichen genannt wird, solange nichts anderes nachgewiesen ist. Dazu hat das Handelsgericht des Kantons Bern im Entscheid 22 35 vom 13. Februar 2023 (Luftaufnahme-Entscheid) entschieden, dass der Copyright-Vermerk im elektronischen Datensatz des Bildes oder auf, ober oder unter dem physischen Bild angebracht sein muss. Urheber ist i.S.v. Art. 6 URG die natürliche Person, die das Werk geschaffen hat. Gemäss dem Luftaufnahme-Entscheid gilt der Screenshot aus einem Bildspeicher- und -bearbei|tungsprogramm als Beweis für Urheberschaft. In diesem Entscheid wurde neben der unerlaubten Handlung i.S.v. Art. 41 ff. OR und der ungerechtfertigten Bereicherung gemäss Art. 62 f. OR auch die Lizenzanalogie geprüft. Gemäss Art. 42 Abs. 2 OR kann ein Richter – nach Ermessen mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und auf die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen – den nicht ziffernmässig nachweisbaren Schaden abschätzen. Auf dem Markt werden für die Nutzung von Bildern wie der streitbetroffenen Fotografie Preise zwischen CHF 10 und CHF 99 bezahlt, sodass es sachgerecht erscheint, die Gebühr auf den Durchschnittspreis von CHF 55 festzulegen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass nur das Fotografieren auf Bestellung rentabel ist, dass die eigenen besonderen technischen Fähigkeiten und die Nähe zu speziellen Themen zu verwerten sind und allgemeine Kontroll- und Überwachungskosten in den Produktpreis zu integrieren sind.

3. Urheberrecht und generative künstliche Intelligenz

Dr. iur. Sandra Marmy-Brändli präsentierte das Thema «Urheberrecht und generative künstliche Intelligenz». Dabei stellte sie zunächst die verschiedenen Schritte vom KI-Training bis zum KI-Output vor. Als erstes braucht es ein Trainings-Datenset, um dann die KI zu trainieren. Daraus resultiert ein trainiertes KI-Modell, das nachfolgend genutzt werden kann, sodass schliesslich ein KI-Output entsteht. Auf der Input-Seite stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob das KI-Training eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Die sogenannte Scraping-Software etwa durchsucht das Internet und lädt alles herunter, sodass eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass Urheberrechte verletzt werden. Die Erstellung des Trainingsdatensets erfordert eine Abspeicherung bzw. Vervielfältigung der zugrundeliegenden Dateien. Das Trainingsset enthält dabei vielfach urheberrechtlich geschützte Werke. Der KI-Betreiber erstellt das Datenset nicht notwendigerweise selbst. Der KI-Betreiber nutzt das Trainingsset beim KI-Training, indem er es auf dem Server abspeichert oder via Cloud auf das Datenset zugreift. Daraus stellt sich die Frage, ob dies in das urheberrechtliche Vervielfältigungsrecht eingreift. Fraglich ist, ob das Durchsuchen von Werken durch die KI mit dem Ziel des Lernens als Nähe zum menschlichen Werkkonsum angesehen werden kann. Zudem gilt die Vervielfältig als Indikator für Werkgenuss durch weitere Personen. Die Abspeicherung des Trainingssets stellt eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung dar. Beim reinen Zugriff auf das Trainingsdatenset via Cloud hingegen besteht mehr Spielraum, um zu argumentieren, dass es sich nicht um urheberrechtlich relevante Vervielfältigungen handelt bzw. dass eine Schranke Anwendung findet. Wenn ins Vervielfältigungsrecht eingegriffen wird, ist das KI-Training nur zulässig, wenn eine (implizite) Lizenz vorliegt oder eine Schrankenbestimmung anwendbar ist. Potenziell anwendbare Schrankenbestimmungen sind der Eigengebrauch – namentlich betriebsinterner Gebrauch nach Art. 19 Abs. 1 lit. c URG, die Schranke für vorübergehende Vervielfältigungen gemäss Art. 24a URG und die Wissenschaftsschranke i.S.v. Art. 24d URG. Auf der Output-Seite stellt sich die Frage, ob der KI-Output urheberrechtlich geschützt werden kann. Das Kriterium der «geistigen Schöpfung» stellt dabei ein limitierendes Element dar, da Urheber eines Werkes nur ein Mensch sein kann. Die kausale kreative Einflussnahme des KI-Entwicklers bzw. Programmierers auf den KI-Output ist zu gering, um als Urheber zu gelten. Fraglich ist, ob der Prompter als Urheber qualifiziert werden kann. Notwendig ist dabei die genügende kreative Einflussnahme des Prompters auf das Endergebnis bzw. den KI-Output. In diesem Zusammenhang liegt die Kernfrage darin, wann die KI lediglich als Werkzeug verwendet wird. Schliesslich stellt sich die Frage nach der potenziellen Verletzung von Urheberrechten Dritter durch den KI-Output. Um festzustellen, ob eine Urheberrechtsverletzung vorliegt, wird geprüft, ob der KI-Output mit dem Ursprungswerk identisch ist oder das Ursprungswerk bzw. dessen individuelle Züge im KI-Output erkennbar bleibt bzw. bleiben. Fraglich ist, wie stark der KI-Output abweichen muss, wenn das Ursprungswerk eine «nicht-individuelle Fotografie eines 3D-Objektes» darstellt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, was gelten soll, wenn trotz Identität bzw. Erkennbarkeit des Ursprungswerks generative KI nachweislich nicht anhand des Originals trainiert wurde – unabhängige Parallelschöpfungen. Des Weiteren stellt sich die Frage, wer bei einer Urheberrechtsverletzung haften soll. Namentlich der Prompter bzw. Nutzer oder auch der KI-Anbieter als Mitverantwortlicher? Die Wahrscheinlichkeit einer Urheberrechtsverletzung ist abhängig vom konkreten Prompt. Vermehrt werden in der KI Sicherheitsvorkehrungen eingebaut, die helfen, Verletzungen vorzubeugen.

Hinsichtlich des KI-Trainings besteht ein wesentliches Mass an Rechtsunsicherheit aufgrund unklaren Schutzumfangs des Vervielfältigungsrechts. Zudem ist der Anwendungsbereich der relevanten Schranken limitiert.

Bezüglich des KI-Outputs besteht die Notwendigkeit der Erarbeitung klarer Kriterien, wann es sich bei der Verwendung einer KI im schöpferischen Prozess um ein reines Werkzeug handelt. Bei der Prüfung, ob eine Verletzung von Drittrechten durch KI-Outputs vorliegt, sind die herkömmlichen Kriterien anzuwenden. Dabei relevant ist, ob die individuellen Züge des Ursprungswerks im KI-Output erkennbar sind.

IV. Kennzeichenrecht

1. Green Claims

Marc Steiner, Richter am Bundesverwaltungsgericht, begann mit dem Kennzeichenrecht und übernahm den ersten Teil der Präsentation zu den Green Claims. Als Teil des «European Green Deal» wird seitens der EU die Zielsetzung definiert, dass verlässliche, vergleichbare und überprüfbare Informationen wichtig sind, um Verbraucher in die Lage zu versetzen, nachhaltigere Entscheidungen zu treffen und das Risiko des «Greenwashing» zu verringern. Bei der Zielsetzung der Richtlinie 2024/825 vom 28. Februar 2024 wurde |als Erwägungsgrund die Sicherstellung von gleichen Ausgangsbedingungen für Gewerbetreibende durch korrekte, verständliche und verlässliche Umweltaussagen genannt. Dadurch werde der Wettbewerb gefördert, was zu ökologisch nachhaltigeren Produkten führe und demzufolge negative Auswirkungen auf die Umwelt verringere. Die eigentliche «Green Claims»-Richtlinie, nämlich der Entwurf «COM[2023]166 final», der die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation (Richtlinie über Umweltaussagen) umfasst, durchläuft zum gegebenen Zeitpunkt das Gesetzgebungsverfahren. Durch diese Regelungen soll für den Kunden ein Anreiz geschaffen werden, seinen Konsum auf bestimmte Weise anzupassen.

Dr. iur. Barbara Abegg präsentierte den ersten Teil der Green Claims. Nach Art. 2 MSchG sind gemäss lit. a und lit. c Zeichen, die Gemeingut sind, und irreführende Zeichen grundsätzlich vom Markenschutz ausgeschlossen. Gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG handelt insbesondere unlauter, wer über sich, seine Firma, seine Geschäftsbezeichnung, seine Waren, Werke oder Leistungen, deren Preise, die vorrätige Menge, die Art der Verkaufsveranstaltung oder über seine Geschäftsverhältnisse unrichtige oder irreführende Angaben macht oder in entsprechender Weise Dritte im Wettbewerb begünstigt. Zudem bestehen noch Produkt- und segmentspezifische Regulierungen, insbesondere verwaltungsrechtliche Vorschriften. Daher können die Rechtsgrundlagen in der Schweiz als genügend betrachtet werden. Wenn beispielsweise eine als markenrechtliche schützbar unterbreitete Verpackung mit einer Abbildung mit der Bezeichnung «rezyklierbar» versehen wird, muss diese dann auch effektiv rezyklierbar sein, da die Abbildung ansonsten i.S.v. Art. 2 lit. c MSchG irreführend wäre. Im Grund ist man als Werbende frei in dem, was man kommuniziert, sofern dies auch substanziiert werden kann. Wenn in einer Werbung behauptet wird, dass das Produkt klimapositiv ist, muss dazu auch der entsprechende Nachweis erbracht werden können. Ein weiteres Beispiel wäre, dass ein Unternehmen, das beteuert, bis 2050 Netto-Null zu sein, auch einen Plan vorzeigen können muss, wie es dieses Ziel erreichen möchte.

2. Rechtsprechung des Bundesgerichts

Manuel Bigler berichtete über die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichts im Kennzeichenrecht. Dabei ging Bigler insbesondere auf die beiden Entscheide Customization, BGer vom 19. Januar 2024, 4A_171/2023, und Glubschis, BGE 150 III 83 (BGer vom 29. November 2023, 4A_290/230) ein.

Zunächst erläuterte Bigler den Sachverhalt und die Prozessgeschichte, die dem Entscheid Customization zugrunde lagen: Rolex klagte gegen die Beklagte, die Uhren gemäss Kundenwunsch anpasste, sog. Customization. Die Klage auf Unterlassung stützte Rolex primär auf das MSchG und das UWG. Der Entscheid des Bundesgerichts differenzierte zwischen zwei verschiedenen Geschäftsmodellen: Unter das Geschäftsmodell I fällt ausschliesslich das Erbringen der Anpassung der Uhren nach dem Kundenwunsch. Hierfür werden kundeneigene Uhren verwendet. Das Geschäftsmodell II unterscheidet sich insofern, als der Dienstleister die Uhren selbst erwirbt und die angepassten Uhren sodann verkauft. Betreffend das Geschäftsmodell I hielt Bigler fest, dass das Verbietungsrecht gemäss Art. 13 MSchG nicht greife, da die Anpassung durch Dritte gleich zu werten sei wie die Anpassung durch den Eigentümer selbst. Insbesondere sei die Anpassung einer kundeneigenen Uhr an spezifische Kundenwünsche mit Blick auf den persönlichen Gebrauch des Kunden kein gewerbsmässiger, sondern ein privater Gebrauch. Zudem finde kein erneutes Inverkehrbringen statt. Darüber hinaus bestehe bei einem blossen privaten Gebrauch kein Anspruch nach Art. 15 MSchG (berühmte Marke). Eine UWG-Verletzung sei ebenso nicht ersichtlich, da bei der Anpassung einer kundeneigenen Uhr keine Wettbewerbsbeeinflussung stattfindet. Jedoch könne die Bewerbung von Customization-Dienstleistungen gegen das MSchG oder das UWG verstossen, beispielsweise indem ein falscher Eindruck einer Beziehung zum Markeninhaber oder eines Co-Brandings erweckt wird.

Anders als unter dem ersten Geschäftsmodell greift das Verbietungsrecht nach Art. 13 MSchG unter dem zweiten Geschäftsmodell. Betreffend die Erschöpfungsschranke hielt Bigler fest, dass im Grundsatz der Weitervertrieb von Originalware zulässig sei. Eine Ausnahme besteht insofern, als der Weitervertrieb von Markenware, die nach der erstmaligen Inverkehrsetzung ohne Zustimmung des Markeninhabers verändert wurde, «en principe» unzulässig sei.

Die Beklagte war zum Urteilszeitpunkt nur im ersten Geschäftsmodell tätig. Daher bestand keine Marken- oder UWG-Verletzung. Betreffend die Frage, ob die Bewerbung der beklagtischen Customization-Dienstleistungen gegen das MSchG oder das UWG verstösst, wies das Bundesgericht den Fall an die Vorinstanz zurück. Abschliessend unterstrich Bigler die Bedeutung dieses Entscheids für andere Customization-Geschäftsmodelle und hielt fest, dass ein weites Verständnis des Privatgebrauchs respektive ein enges Verständnis der Wettbewerbshandlung bestehe. Darüber hinaus sei fraglich, ob die Weiterveräusserung durch den Customization-Kunden eine Markenverletzung darstellen könne. Des Weiteren sei unklar, ob eine Abklärungsobliegenheit für den Customization-Dienstleister bestehe. Letztlich fragte sich Bigler, wann die Erschöpfungsschranke nicht greife.

Dem Entscheid Glubschis lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Carletto DE vertreibt aufgrund eines Lizenzvertrages mit der TY US im DACH-Gebiet Plüschtiere mit übergrossen Augen. Diese Plüschtiere wurden unter der Bezeichnung «Glubschis» beworben. Die Carletto IP CH meldete verschiedene Marken für «Glubschi» an. Der Lizenzvertrag wurde einige Jahre später gekündigt. Gemeinsam mit der Nici vertrieb die Carletto nach Beendigung des Lizenzvertrages Plüschtiere mit dem Namen «Glubschis».

Bigler fasste im Anschluss die wesentlichen Punkte der Prozessgeschichte zusammen. Die Klage der TY US lautete auf Unterlassung, Plüschtiere unter der Bezeichnung «Glubschi(s)» zu vertreiben. Zudem sei die Nichtigkeit der beklag|tischen Marke festzustellen. Die Vorinstanz hiess mit Urteil vom 25. April 2023 die Klage teilweise gut (HGer AG, HOR.2020.16). Das Bundesgericht erkannte betreffend den Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG (Verwechslungsgefahr), dass das Zeichen «Glubschi» für glubschäugige Plüschtiere beschreibend sei, so dass die Kombination dieser beiden Merkmale nicht kennzeichnungskräftig sei. Somit schied die lauterkeitsrechtliche Verwechslungsgefahr mangels Kennzeichnungskraft aus. Im Übrigen wurden die weiteren geltend gemachten UWG-Ansprüche zur Prüfung zurückgewiesen. Bezüglich des Art. 4 MSchG (Agentenmarke) hielt das Bundesgericht fest, dass auch Hinterlegungen durch nahestehende Personen (Organe, Gesellschafter, Hilfspersonen, Konzerngesellschaften oder Strohmänner) erfasst seien, soweit sie im Zusammenhang mit dem im Rahmen der vertraglichen Ermächtigung erfolgten Markengebrauch vorgenommen wurden. Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen wurden zur Prüfung and die Vorinstanz zurückgewiesen.

Bigler merkte abschliessend an, dass die Kombination verschiedener gemeinfreier Elemente nicht per se Kennzeichnungskraft begründe. Bigler begrüsste die Ausdehnung auf die dem Vertragspartner nahestehenden Personen im Rahmen des Tatbestands der Agentenmarke.

3. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

Dr. iur. Selim Haktanir, Gerichtsschreiber am Bundesverwaltungsgericht, ging auf ausgewählte Entscheide aus der Markenrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein.

Haktanir widmete sich zunächst verfahrensrechtlichen Fragen und ging hierzu auf den Entscheid vom 30. November 2023, B-1958/2022, ein. Gegenstand des vorliegenden Entscheides war die Einrede des Nichtgebrauchs i.S.v. Art. 12 Abs. 1 und 2 MSchG. Fraglich ist, bis und ab wann die Einrede möglich ist.

Haktanir wies darauf hin, dass der Art. 22 Abs. 3 MSchV mit der Revision vom 1. Dezember 2021 insofern abgeändert wurde, als nun eine Einrede nur zulässig ist, wenn die Frist von fünf Jahren abgelaufen ist. Somit sei fraglich, inwiefern die davor bestehende Rechtsprechung zu Gerflor/Gemfloor (BVGer vom 19. Juni 2019, B-6675/2016) noch Gültigkeit behält. In casu stellt sich die Frage, ob eine zulässige Einschränkung durch den Art. 22 Abs. 3 MSchV (seit 1. Dezember 2021) vorliegt. Gemäss den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts könne ein Recht erst nach dessen Entstehung durchgesetzt werden. Somit entstehe das «Abwehrrecht» des Widerspruchsgegners nach Art. 12 Abs. 1 MSchG erst nach Ablauf der fünfjährigen Karenzfrist. Die Nichtbeachtung der Einrede, falls die Karenzfrist im Zeitpunkt der ersten Stellungnahme noch nicht abgelaufen ist, würde dazu führen, dass der gesetzliche Anspruch aus Art. 12 MSchG im Urteilszeitpunkt nicht durchsetzbar wäre. Die Einschränkung durch die MSchV würde somit die Durchsetzung des «Abwehrrechts» nach dem MSchG verhindern. Es bestehe keine gesetzliche Grundlage für die Einschränkung in Art. 22 Abs. 3 MSchV. Daher liege ein Verstoss gegen das Legalitätsprinzip (Art. 5 BV) vor. Es liege kein Fall der Lückenfüllung vor, da sich Art. 22 Abs. 3 MSchV analog zu Gerflor/Gemfloor verfassungskonform auslegen liesse. In diesem Sinne müsse die vorsorgliche Erhebung der Einrede möglich sein, um das «Abwehrrecht» des Widerspruchsgegners zu wahren. Die Beschwerde sei somit begründet; die vorsorgliche Einrede ist möglich.

Haktanir merkte sodann an, dass das Urteil Konstellationen anspreche, in denen im Zeitpunkt der ersten Stellungnahme die Karenzfrist für den Markengebrauch noch läuft. Es werde klargestellt, dass Widerspruchsgegner die Einrede trotz noch laufender Karenzfrist vorsorglich in der ersten Stellungnahme erheben könnten. Die Einrede müsse möglich sein. Ob die revidierte oder die alte Fassung der MSchV vorliegend anwendbar ist, könne offengelassen werden. Das IGE hat indes bereits auf das vorliegende Urteil reagiert und eine Praxisänderung angekündigt (Newsletter 2024/03-04).

Im nächsten Teil referierte Haktanir über den Entscheid des BVGer vom 25. Oktober 2023, B-2418/2022. Diesem Entscheid lag die Frage zugrunde, ob die Wort-/Bildmarke «Stiftung Schweizerische Schule für Blindenführhunde Allschwil» bestehend aus zehn Wörtern und einem Piktogramm ein unterscheidungskräftiges Zeichen darstellt.

Das Bundesverwaltungsgericht erwog, so Haktanir, dass den Wortelementen keine Unterscheidungskraft zukomme. Diese seien generisch und beschreibend. Piktogramme könnten gerade durch ihre gestalterische Reduktion unterscheidungskräftige Prägnanz aufweisen, die zu erhöhter Unterscheidungskraft führt. Die Gesamtwirkung des Zeichens sei somit unterscheidungskräftig und individualisierend. Haktanir betonte, dass es sich um einen besonderen Fall handle, der aber für zukünftige kombinierte Marken gewisse Kriterien aufzeigen könne. Der Fall sei besonders, da eine ausreichende Unterscheidungskraft trotz direkt beschreibender «Anhäufung» von Wortelementen und einer funktionalen Abbildung der beanspruchten Dienstleistungen durch ein piktogrammartig gestaltetes Bildelement erkannt wurde.

Zum Abschluss widmete sich Haktanir dem Entscheid des BVGer vom 29. Januar 2024, B-4408/2022, Longines (fig.)/Losengs (fig.). Fraglich war, ob eine Verwechslungsgefahr besteht. Das Gericht erkannte betreffend die massgeblichen Verkehrskreise, dass der Endabnehmer von Uhren über eine «etwas erhöhte Aufmerksamkeit» verfüge. Für Fachkreise gelte eine erhöhte Aufmerksamkeit. Vorliegend bestehe zwischen den beiden Zeichen Warenidentität.

Unter Berücksichtigung der Aufmerksamkeit der massgeblichen Verkehrskreise, der Warenidentität, der geringen visuellen Ähnlichkeit sowie der fehlenden klanglichen und sinngehaltlichen Übereinstimmung und in Würdigung der erhöhten Kennzeichnungskraft von «Longines (fig.)» kam das Gericht in der Gesamtbetrachtung zum Schluss, dass keine Verwechslungsgefahr bestehe.

Die folgende Diskussion schloss die Tagung ab. Die Folgeveranstaltung findet am gleichen Ort am 1. Juli 2025 statt.