sic!

Zeitschrift fĂŒr ImmaterialgĂŒter-, Informations- und Wettbewerbsrecht

Seit 1997 stellt die Zeitschrift sic! sicher, dass Schweizer ImmaterialgĂŒterrechtlerinnen und ImmaterialgĂŒterrechtler stets auf dem neuesten Stand der Rechtsprechung und der wissenschaftlichen Diskussion sind. DarĂŒber hinaus bietet die sic! dieselben hochwertigen Inhalte auch in den Bereichen Informationsrecht, Datenschutzrecht und Wettbewerbsrecht.

Unsere renommierten Expertinnen und Experten verfassen praxisnahe und wissenschaftlich fundierte BeitrĂ€ge, die sowohl dogmatische als auch rechtspolitische Fragestellungen beleuchten. ErgĂ€nzt wird das Angebot durch aktuelle Berichterstattungen aus den wichtigsten schweizerischen Fachorganisationen, die die sic! unterstĂŒtzen.
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A
AufsÀtze / Articles

Über viele Jahre hinweg blieben in der europĂ€ischen Lehre und Praxis zahlreiche Fragen offen, wie sich das PrioritĂ€tsrecht gemĂ€ss der Pariser VerbandsĂŒbereinkunft auswirkt, wenn ein gewerbliches Schutzrecht eine PrioritĂ€t einer Erstanmeldung eines anderen Schutzrechtstyps beansprucht. Eine solche typenĂŒbergreifende PrioritĂ€tsbeanspruchung wird bildlich als «KreuzprioritĂ€t» bezeichnet. Die im Februar 2024 durch den Gerichtshof der EuropĂ€ischen Union gefĂ€llte Entscheidung in der Rechtssache «The KaiKai» klĂ€rt wesentliche Fragestellungen des PrioritĂ€tsrechts auch mit Auswirkung auf die Schweiz.

Erste VerfĂŒgungen des Instituts fĂŒr Geistiges Eigentum zeigen auf, dass die europĂ€ische Auslegung nun auch in der Schweiz entsprechend ĂŒbernommen wird und daher Patentanmeldungen aufgrund dieser Rechtsprechung nicht mehr als Grundlage fĂŒr die Inanspruchnahme der PrioritĂ€t eines spĂ€teren Design dienen können. Der vorliegende Artikel beleuchtet ausgewĂ€hlte Fragen der UnionsprioritĂ€t dogmatisch und hinterfragt die aktuelle (wechselhafte) Rechtsprechung kritisch.

Depuis des annĂ©es dĂ©jĂ , de nombreuses interrogations sont restĂ©es sans rĂ©ponse dans la doctrine et la pratique europĂ©ennes en ce qui concerne l’effet du droit de prioritĂ©, au sens de la Convention de Paris, lorsqu’un droit de propriĂ©tĂ© industrielle revendique la prioritĂ© d’une premiĂšre demande portant sur un autre type de droit de propriĂ©tĂ© industrielle. Une telle revendication, au croisement de diffĂ©rents domaines de la propriĂ©tĂ©, est souvent dĂ©signĂ©e de maniĂšre imagĂ©e sous le terme de «prioritĂ© croisĂ©e». La dĂ©cision rendue en fĂ©vrier 2024 par la Cour de justice de l’Union europĂ©enne dans l’affaire «The KaiKai» vient Ă©clairer des points essentiels du droit de prioritĂ© et entraĂźne des rĂ©percussions significatives pour la Suisse.

De nouvelles dĂ©cisions de l’Institut FĂ©dĂ©ral de la PropriĂ©tĂ© Intellectuelle rĂ©vĂšlent que l’interprĂ©tation europĂ©enne commence dĂ©sormais Ă  ĂȘtre intĂ©grĂ©e en Suisse et que les demandes de brevet ne peuvent plus ĂȘtre utilisĂ©es comme fondement pour revendiquer la prioritĂ© d’un dessin ou modĂšle dĂ©posĂ© ultĂ©rieurement, Ă  la suite de cette jurisprudence. Le prĂ©sent article s’efforce d’apporter un Ă©clairage doctrinal sur certaines questions relatives Ă  la prioritĂ© au sein de l’Union, tout en remettant en cause de maniĂšre critique la jurisprudence actuelle, aux contours oscillants.

Rudolf A. Rentsch / Raphael Zingg | 2025 Ausgabe 5


Seit dem 1. Januar 2022 ist das Geoblocking-Verbot in der Schweiz in Kraft. Mit dem Ziel, die Hochpreisinsel Schweiz zu bekĂ€mpfen, untersagt die neue Regelung gewisse Diskriminierungen von Kundinnen und Kunden aus der Schweiz. Dieser Beitrag zieht eine Bilanz nach drei Jahren: Wie hat der Markt reagiert? Welche Gerichte sind fĂŒr die Durchsetzung von Geoblocking-AnsprĂŒchen zustĂ€ndig? Wann besteht eine Schnittstelle zum Kartellrecht? Wo besteht noch Verbesserungspotenzial?

L’interdiction du gĂ©oblocage est en vigueur en Suisse depuis le 1er janvier 2022. Dans le but de lutter contre l’ülot de chertĂ© suisse, la nouvelle rĂ©glementation interdit certaines discriminations Ă  l’encontre des clients rĂ©sidant en Suisse. Cet article dresse un bilan aprĂšs trois ans: comment le marchĂ© a-t-il rĂ©agi? quels sont les tribunaux compĂ©tents pour faire valoir les droits en matiĂšre de gĂ©oblocage? quand y a-t-il une articulation avec le droit de la concurrence? oĂč existe-t-il encore un potentiel d’amĂ©lioration?

Peter Georg Picht / Benjamin Zerbe / Leander D. Loacker | 2025 Ausgabe 5



B
Berichte / Rapports

Der Entscheidung des EuGH vom 24. Oktober 2024 (Rs. C-227/23) liegt ein Vorabentscheidungsersuchen des höchsten niederlĂ€ndischen Gerichtshofs, des «Hoge Raad der Nederlanden» zugrunde. Kern des Rechtsstreits ist der Designerstuhl «Dining Sidechair Wood», der von dem berĂŒhmten US-amerikanischen Designerehepaar Charles und Ray Eames entworfen wurde und von dem schweizerischen Unternehmen «Vitra» vermarktet wird. Vitra ist auch Inhaberin von Rechten des geistigen Eigentums an diesen StĂŒhlen. Durch den Vertrieb des dem «Dining Sidechair Wood» sehr Ă€hnlich sehenden «Paris-Stuhl» durch das Unternehmen «Kwantum», das in den Niederlanden und in Belgien eine Kette von GeschĂ€ften fĂŒr InneneinrichtungsgegenstĂ€nden betreibt, sah Vitra diese Urheberrechte verletzt. Mit insgesamt fĂŒnf Vorlagefragen hat der «Hoge Raad der Nederlanden» den EuGH angerufen. Es ging dabei im Grundsatz darum, zu klĂ€ren, ob Werke der angewandten Kunst, deren Ursprungsland ein Drittstaat oder deren Urheber ein Drittstaatangehöriger ist, in der EU genauso geschĂŒtzt sind wie Werke aus der Union.

Der EuGH hat hier entschieden, dass es einen Verstoss gegen Unionsrecht darstellen wĂŒrde, wenn ein EU-Mitgliedstaat unter Bezugnahme auf Art. 2 Abs. 7 RBÜ einem Werk der angewandten Kunst mit Ursprung in einem Nicht-EU-Staat den urheberrechtlichen Schutz verweigert. ErfĂŒllt ein Gegenstand der angewandten Kunst also die Voraussetzungen fĂŒr das Vorliegen eines «Werks» im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG, unterfĂ€llt er als Werk dem urheberrechtlichen Schutz dieser Richtlinie, auch dann, wenn dem Gegenstand in seinem ausserhalb der EU liegenden Ursprungsland lediglich ein Schutz als Muster oder Modell gewĂ€hrt wird. Hier zeigen sich auch die praktischen Folgen der bisherigen EuGH-Rechtsprechung zum einheitlichen Werkbegriff fĂŒr GegenstĂ€nde der angewandten Kunst. Sollte es durch die zukĂŒnftige EuGH-Rechtsprechung zu einer signifikanten Absenkung der Schwelle des urheberrechtlichen Schutzes kommen, wirkt sich dies nach dem aktuellen Urteil nicht mehr nur allein auf Werke mit Ursprung in der EU aus. Das Gericht hat insgesamt ein klares Bekenntnis zum InlĂ€ndergrundsatz getroffen. Konsequenz des Urteils ist auch, dass der EuGH der Anwendbarkeit des Grundsatzes der materiellen Gegenseitigkeit des Art. 2 Abs. 7 Satz 2 RBÜ eine |«klare Absage» erteilt hat. Da einige nationale Gerichte in ihren Entscheidungen in der Vergangenheit von einer unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 2 Abs. 7 RBÜ ausgegangen sind, betrifft das Urteil in diesen FĂ€llen durchaus das jeweilige nationale Recht.

In diesem Bericht werden das Urteil sowie der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt und die Prozessgeschichte skizziert, bevor auf die WĂŒrdigung der fĂŒnf Vorlagefragen durch den EuGH eingegangen wird. Der Darstellung der Beantwortung der einzelnen Vorlagefragen durch den EuGH geht jeweils ein kurzer Überblick ĂŒber die fĂŒr die Antwort relevanten Rechtsgrundlagen voraus. Der Bericht schliesst mit einer kritischen Einordnung des Urteils.

La dĂ©cision de la CJUE du 24 octobre 2024 (affaire C-227/23) repose sur une demande de dĂ©cision prĂ©judicielle de la plus haute juridiction nĂ©erlandaise, le «Hoge Raad der Nederlanden». Le cƓur du litige est la chaise design «Dining Sidechair Wood», conçue par le cĂ©lĂšbre couple de designers amĂ©ricains Charles et Ray Eames et commercialisĂ©e par l’entreprise suisse Vitra. Vitra est Ă©galement titulaire des droits de propriĂ©tĂ© intellectuelle sur ces chaises. Vitra a estimĂ© que la commercialisation de la «chaise Paris», qui ressemble beaucoup Ă  la «Dining Sidechair Wood», par l’entreprise Kwantum, qui exploite aux Pays-Bas et en Belgique une chaĂźne de magasins d’articles de dĂ©coration intĂ©rieure, portait atteinte Ă  ses droits d’auteur. Le «Hoge Raad der Nederlanden» a saisi la CJUE par cinq questions prĂ©judicielles au total. Il s’agissait en principe de clarifier si les Ɠuvres des arts appliquĂ©s dont le pays d’origine est un pays tiers ou dont l’auteur est un ressortissant d’un pays tiers sont protĂ©gĂ©es dans l’UE de la mĂȘme maniĂšre que les Ɠuvres de l’Union.

La CJUE a dĂ©cidĂ© ici qu’il serait contraire au droit de l’Union qu’un État membre de l’UE refuse la protection par le droit d’auteur Ă  une Ɠuvre d’art appliquĂ© originaire d’un État non-membre de l’UE en se rĂ©fĂ©rant Ă  l’art. 2 par. 7 de la Convention de Berne (CB). Par consĂ©quent, si un objet d’art appliquĂ© remplit les conditions d’existence d’une «Ɠuvre» au sens de la directive 2001/29/CE, il est soumis Ă  la protection par le droit d’auteur selon cette directive, mĂȘme si l’objet ne bĂ©nĂ©ficie que d’une protection en tant que dessin ou modĂšle dans son pays d’origine situĂ© en dehors de l’UE. On voit ici Ă©galement les consĂ©quences pratiques de la jurisprudence actuelle de la CJUE sur la notion uniforme d’Ɠuvre pour les objets d’art appliquĂ©. Si la future jurisprudence de la CJUE devait entraĂźner un abaissement significatif du seuil de protection par le droit d’auteur, cela ne se rĂ©percuterait plus uniquement, selon l’arrĂȘt actuel, sur les Ɠuvres originaires de l’UE. Dans l’ensemble, la Cour a pris clairement position en faveur du principe du pays d’origine. La consĂ©quence de cet arrĂȘt est Ă©galement que la CJUE a «clairement rejeté» l’applicabilitĂ© du principe de rĂ©ciprocitĂ© matĂ©rielle de l’art. 2 par. 7 deuxiĂšme phrase CB. Étant donnĂ© que certaines juridictions nationales ont, par le passĂ©, considĂ©rĂ© dans leurs dĂ©cisions que l’art. 2 par. 7 CB Ă©tait directement applicable, l’arrĂȘt concerne bien, dans ces cas, le droit national correspondant.

Le prĂ©sent rapport dĂ©crit l’arrĂȘt, les faits Ă  l’origine du litige et l’historique de la procĂ©dure avant d’aborder l’apprĂ©ciation des cinq questions prĂ©judicielles par la CJUE. La prĂ©sentation de la rĂ©ponse de la CJUE Ă  chacune des questions prĂ©judicielles est prĂ©cĂ©dĂ©e d’un bref aperçu des bases juridiques pertinentes pour la rĂ©ponse. Le rapport se termine par une Ă©valuation critique de l’arrĂȘt.

Isabel Gabert-Pipersberg | 2025 Ausgabe 5


Dieser Artikel fasst die jĂŒngste Entscheidung T56/21 kurz zusammen und erörtert sie. In dieser Entscheidung kam eine Beschwerdekammer des EPA zu dem Schluss, dass bei der PrĂŒfung einer Patentanmeldung weder Art. 84 noch die Regeln 42, 43 und 48 EPÜ eine Rechtsgrundlage dafĂŒr bieten, dass die Beschreibung an zulĂ€ssige AnsprĂŒche mit einem engeren Gegenstand angepasst werden muss.

Die Entscheidung ist bemerkenswert wegen ihrer ausfĂŒhrlichen und detaillierten BegrĂŒndung und wegen der Tatsache, dass die Kammer entgegen weit verbreiteter Erwartungen beschlossen hat, keine Fragen an die Grosse Beschwerdekammer weiterzuleiten.

Diese Entscheidung scheint jedoch vom EPA als Einzelfallentscheidung einer bestimmten Beschwerdekammer ohne grössere Relevanz angesehen zu werden. Insbesondere wurden die Richtlinien nicht aktualisiert, und das EPA verlangt weiterhin eine Anpassung der Beschreibung an die enger gefassten zulĂ€ssigen AnsprĂŒche. Der Autor ist der Ansicht, dass die Grosse Beschwerdekammer die Sache endlich prĂŒfen und klĂ€ren muss.

Cet article rĂ©sume briĂšvement la rĂ©cente dĂ©cision T56/21 et la discute. Dans cette dĂ©cision, une chambre de recours de l’OEB a conclu que, lors de l’examen d’une demande de brevet, ni l’art. 84, ni les rĂšgles 42, 43 et 48 CBE ne fournissent de base juridique Ă  l’obligation d’adapter la description aux revendications admissibles ayant un objet plus Ă©troit.

La décision est remarquable en raison de sa motivation complÚte et détaillée et du fait que, contrairement à une attente largement répandue, la chambre a décidé de ne pas transmettre de questions à la Grande Chambre de recours.

Cette dĂ©cision semble toutefois ĂȘtre considĂ©rĂ©e par l’OEB comme une dĂ©cision individuelle d’une chambre de recours particuliĂšre sans grande pertinence. En particulier, les directives n’ont pas Ă©tĂ© mises Ă  jour et l’OEB continue d’exiger que la description soit adaptĂ©e aux revendications admissibles plus Ă©troites. L’auteur est d’avis que la Grande Chambre de recours doit enfin examiner et clarifier l’affaire.

This article briefly summarizes and discusses the recent decision T56/21 in which a Board of Appeal of the EPO concluded that «In examination of a patent application, neither Article 84 nor Rules 42, 43 and 48 EPC provide a legal basis for requiring that the description be adapted to match allowable claims of more limited subject-matter.»

The decision is notable for its lengthy and detailed reasoning and for the fact that, contrary to widespread expectations, the Board decided not to refer questions to the Enlarged Board of Appeal.

However, the EPO appears to regard this result as a solitary decision of a particular Board of Appeal without wider relevance. In particular, there has been no update of the Guidelines for Examination, and the EPO continues to require adaptation of the description to match more limited allowable claims. The author believes that it is necessary for the Enlarged Board of Appeal to finally consider and resolve the matter.

Philip Kerpen | 2025 Ausgabe 5



Entscheid der Schweizerischen Lauterkeitskommission (SLKE) vom 20. November 2024 (II. Kammer)


Dieser Ittinger Workshop zum Kennzeichenrecht in seiner notabene 20. Ausgabe widmete sich der zulĂ€ssigen Nutzung von markenrechtlich geschĂŒtzten Zeichen und sowie deren Grenzen. Unter der inhaltlichen Leitung von Dr. Michael Ritscher und der organisatorischen Leitung von Dr. Christoph Gasser wurde an zwei sonnigen Tagen in der Kartause Ittingen die Erschöpfung von Markenrechten aus Sicht des schweizerischen sowie des Unionsrechts beleuchtet. Durch Einbezug wirtschaftspolitischer sowie lauterkeitsrechtlicher Überlegungen erlangte die Thematisierung von praxisrelevanten FĂ€llen ihre notwendige gesamtheitliche Betrachtung.

L’atelier d’Ittingen sur le droit des signes distinctifs, qui en Ă©tait Ă  sa 20e Ă©dition, Ă©tait consacrĂ© Ă  l’utilisation licite des signes protĂ©gĂ©s par le droit des marques ainsi qu’à leurs limites. Sous la direction du Dr Michael Ritscher et la direction organisationnelle du Dr Christoph Gasser, l’épuisement des droits de marque a Ă©tĂ© examinĂ© sous l’angle du droit suisse et du droit de l’Union pendant deux journĂ©es ensoleillĂ©es Ă  la chartreuse Ittingen. En intĂ©grant des considĂ©rations de politique Ă©conomique ainsi que des aspects du droit de la concurrence dĂ©loyale, l’examen de cas pratiques pertinents a bĂ©nĂ©ficiĂ© de la perspective globale nĂ©cessaire.

Kaan Tasdemir / Richard Gao | 2025 Ausgabe 5



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Rechtsprechung / Jurisprudence