Leitsätze1:
UWG 2; SLK-GS A.3.1. Die sachliche Zuständigkeit der SLK beschränkt sich auf die Prüfung von Massnahmen im Rahmen der kommerziellen Kommunikation (E. 7–9).
Eine Informationskampagne einer Konsumentenschutzorganisation über mögliche schädliche Kosmetikprodukte stellt keine kommerzielle Kommunikation im Sinne der SLK-Grundsäze dar (E. 10, 11).
LCD 2; Règle CSL A.3.1. La compétence matérielle de la CSL est limitée à l’examen des mesures dans le cadre de la communication commerciale (consid. 7-9).
Une campagne d’information menée par une organisation de protection des consommateurs sur d’éventuels produits cosmétiques nocifs ne constitue pas une communication commerciale au sens des Règles CSL (consid. 10, 11).
Sachverhalt:
Eine Konsumentenschutzorganisation wies in einer Informationskampagne auf mögliche schädliche Inhaltsstoffe in Kosmetikprodukten hin. Einzelne Angaben dazu fanden sich auf ihrem «Flyer unerwünschte Substanzen». Ein Kosmetikverband erhob gegen diese Kampagne Beschwerde. Dabei machte der Beschwerdeführer u. a. geltend, es sei unlauter, Inhaltsstoffe in kosmetischen Mitteln generell als problematisch darzustellen, solange diese Stoffe innerhalb der gesetzlich zulässigen Vorgaben (Höchstmengen) verwendet würden.
Die mit diesem Fall befasste erste Kammer überwies die Sache ans Plenum, da es ihrer Ansicht nach um die Beurteilung eines grundsätzlichen Sachverhalts ging, indem zu entscheiden sei, ob mit dieser Kampagne überhaupt eine kommerzielle Kommunikation im Sinne der SLK-Grundsäze vorliege. Da das Plenum zum Schluss kam, dass hier keine kommerzielle Kommunikation vorliege, war in der Sache (unlauteres Verhalten) nicht zu entscheiden. Auf die Beschwerde wurde nicht eingetreten.
Erwägungen des Plenums:
1. Der Beschwerdeführer ist gemäss Beschwerde vom 22. Mai 2019 der Auffassung, die Beschwerdegegnerin erwecke in der Kampagne «Kosmetik: schädliche Inhaltsstoffe erkennen» den unlauteren Eindruck, dass Kosmetikartikel, die den schweizerischen Vorschriften entsprechen, ein grundsätzliches Sicherheits- und Gesundheitsproblem darstellen würden. Insbesondere beanstandet der Beschwerdeführer die nach seiner Auffassung unbelegten Aussagen «viele Kosmetik-Produkte enthalten Inhaltsstoffe, welche Allergien auslösen können oder sonst gesundheitlich bedenklich sind» sowie «Hormonaktive Inhaltsstoffe, allergieauslösende Substanzen – sie sind in Pflege-, Hygiene- und Kosmetikprodukten allgegenwärtig». Darüber hinaus fordert der Beschwerdeführer von der Beschwerdegegnerin, dass diese bei gesetzlich in bestimmten Höchstmengen zugelassenen Inhaltsstoffen von Kosmetikprodukten auf diese gesetzliche Zulässigkeit hinweise. Im Zusammenhang mit der angeblichen Gesundheitsgefährdung von Inhaltsstoffen von Kosmetikprodukten soll die Beschwerdegegnerin nicht pauschal auf angebliche wissenschaftliche Studien verweisen, sondern diese und den Stand der wissenschaftlichen Diskussion konkret benennen. Der Beschwerdeführer erläutert die Problematik anhand einzelner, beispielhafter Stoffe, welche von der Beschwerdegegnerin pauschal als gefährlich bezeichnet werden.
2. Unter Verweis auf frühere Entscheide der Lauterkeitskommission (SLK) macht die Beschwerdegegnerin in ihrer Stellungnahme vom 28. Juni 2019 geltend, dass die zu beurteilende Informationskampagne nicht vom Kauf bestimmter Produkte abhalte, sondern nur auf die Problematik von Inhaltsstoffen verweise, weshalb keine kommerzielle Kommunikation im Sinne der Grundsätze der SLK vorliege. Darüber hinaus macht sie geltend, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten seien.
Sie verweist darauf, dass nicht jede Herabsetzung unlauter sei, sondern im Rahmen der Meinungsäusserungsfreiheit ein erhöhter Grad an Herabsetzung notwendig sei. Zudem macht sie geltend, dass die Legalität der Produkte in keiner Art und Weise in Frage gestellt werde. Darauf habe sie auch mehrfach verwiesen. Sie erläutert aber, dass die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen nicht sämtliche Aspekte einer Gesundheitsgefährdung erfassen würden. Des Weiteren erläutert die Beschwerdegegnerin im Einzelnen und mit Blick auf die fraglichen Inhaltsstoffe, weshalb ihr kein unlauteres Verhalten vorgeworfen werden könne.
3. Soweit ein grundsätzlicher Sachverhalt noch nicht vom Plenum auf seine tatbestandsmässige Unlauterkeit hin präjudiziell beurteilt worden ist, kann eine Kammer aus eigener Initiative die Sache dem Plenum zur Beurteilung unterbreiten (Art. 15 Abs. 2 des Geschäftsreglements der SLK).
4. Beim vorliegenden Sachverhalt ist strittig, ob es sich um kommerzielle Kommunikation im Sinne von Art. 1 Abs. 3 des Geschäftsreglements des Grundsatzes Nr. A.3 der SLK handelt. Da es sich nach Auffassung der Kammer um eine Sache von grundlegender Bedeutung handelt, unterbreitete die Kammer gestützt auf Art. 15 Abs. 2 des Geschäftsreglements die vorliegende Beschwerde mit Beschluss vom 25. September 2019 dem Plenum zur Beurteilung.
5. Die Beschwerdegegnerin hat am 27. September 2019 eine ergänzende Stellungnahme eingereicht, in welcher sie an ihren Vorbringen festhält, genauso wie der Beschwerdeführer mit einer ergänzenden Stellungnahme vom 14. Oktober 2019.
6. Das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) bezweckt gemäss Art. 1 den lauteren und unverfälschten Wettbewerb im Interesse aller Beteiligten zu gewährleisten. Nach Art. 2 UWG ist unlauter und widerrechtlich jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst. Mit dem weiten Begriff des «Verhaltens», der im Zusammenhang mit der Beeinflussung der Wettbewerbsbeziehungen zu verstehen ist, wird der sachliche Anwendungsbereich des UWG gemäss Bundesgericht weit gezogen und so auch die Veröffentlichung von Warentests durch Konsumentenorganisationen als wettbewerbsrelevante Handlungen Dritter eingefangen (BGE 117 IV 193 ff. E. 1). Dass die vorliegend beanstandete Kampagne der Beschwerdegegnerin unter dem Titel «Kosmetik: schädliche Inhaltsstoffe erkennen» wettbewerbsrelevant für den Vertrieb von Kosmetika ist und damit den gesetzlichen Anforderungen des UWG untersteht, ist unzweifelhaft. Demgegenüber scheinen durchaus Zweifel an der lauterkeitsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser Kampagne zu bestehen, da die von der Beschwerdegegnerin angerufene Meinungsäusserungsfreiheit nicht davor befreit, das Transparenz- und Richtigkeitsgebot des UWG zu beachten. Dies insbesondere dann, wenn eine Aussage wie vorliegend nicht als Meinungsäusserung analog dem Sachverhalt des von der Beschwerdegegnerin angerufenen Leitentscheides BGE 123 IV 211, sondern als offenbar belegte, sachliche Tatsachenbehauptungen kommuniziert wird («Der Konsumentenschutz zeigt auf, welche Inhaltsstoffe dies sind und ob sie grundsätzlich oder für besonders empfindliche Bevölkerungsgruppen wie Babys, Kinder oder Schwangere zu vermeiden sind.», <www.konsumentenschutz.ch/themen/gesundheitsvor-sorge/kosmetik-so-vermeiden-sie-unerwuenschte-inhaltsstoffe/>).
7. Unabhängig von der Tatsache der sachlichen Anwendbarkeit des UWG ist die Frage der sachlichen Zuständigkeit der SLK zu prüfen, welche ihre Grundlagen in den Vorgaben des Stiftungszweckes der Stiftung der Schweizer Werbung für die Lauterkeit in der kommerziellen Kommunikation hat. Denn die Lauterkeitskommission ist das unabhängige, ausführende Organ dieser Stiftung (A. Brunner, Zur Praxis der Schweizerischen Lauterkeitskommission [SLK], recht 2001, 2).
8. Die SLK ist in diesem Sinne eine Institution der Kommunikationsbranche zum Zwecke der werblichen Selbstkontrolle, die ursprünglich innerhalb der klassischen Werbung tätig war (H. O. Marti, Die werbliche Selbstkontrolle in der Schweiz, SMI 1989, 197). Mit dem Aufkommen weiterer kommerzieller Kommunikationsformen (wie Direktmarketing, PR, Sponsoring etc.) erweiterte sich das Feld für die Tätigkeit der SLK auf den gesamten Bereich der kommerziellen Kommunikation (M. Senn, Das Verfahren vor der Schweizerischen Lauterkeitskommission, sic! 1999, 697). Unbesehen dieser Ausdehnung der sachlichen Zuständigkeit der SLK muss die Tätigkeit der SLK auf den durch die Stiftungsurkunde und Stiftungsstatuten vorgegebenen Stiftungszweck beschränkt bleiben.
9. Gemäss Art. 2 Abs. 1 der Statuten der Stiftung der Schweizer Werbung für die Lauterkeit in der kommerziellen Kommunikation beschränkt sich der Stiftungszweck auf die Förderung der Lauterkeit der Werbung in der Schweiz. Entsprechend hält auch Art. 1 Abs. 3 des von der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht genehmigten Geschäftsreglements der SLK fest, dass die SLK einzig kommerzielle Kommunikation beurteilen darf. Wie der Grundsatz Nr. A.3 Abs. 1 der SLK verdeutlicht, zeichnet sich kommerzielle Kommunikation dadurch aus, dass sie zum Hauptzweck hat, Abschlüsse von Rechtsgeschäften oder deren Verhinderung zu beeinflussen.
10. Aus diesem Hauptzweck der Beeinflussung der Abschlüsse von Rechtsgeschäften ergibt sich eine Abgrenzung zu Kommunikationen, welche zweifelsohne den Abschluss von Rechtsgeschäften beeinflussen, dies aber nicht der Hauptzweck der Kommunikation ist, sondern beispielsweise die Aufklärung der Allgemeinheit über wirtschaftsrelevante Themen. Das Tatbestandselement des Hauptzweckes gemäss Grundsatz Nr. A.3 Abs. 1 ist dahingehend auszulegen, dass mit der Kommunikation primär eigene Zwecke verfolgt werden. Kommerzielle Kommunikation liegt somit dann vor, wenn der Kommunizierende resp. mit ihm verbundene Dritte eigene kommerzielle Interessen mit Blick auf den Abschluss von Rechtsgeschäften oder deren Verhinderung verfolgen. In diesem Sinne umfasst beispielweise der Begriff der kommerziellen Kommunikation gemäss EU-Richtlinien in noch engerer Auslegung nur Kommunikationsformen, welche der Absatz- oder Imageförderung eines Unternehmens, einer Organisation oder einer natürlichen Person dienen, die eine Tätigkeit in Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen reglementierten Beruf ausübt (Art. 2 lit. f der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr vom 8. Juni 2000).
11. Die Beschwerdegegnerin verfolgt mit der zu beurteilenden Kampagne «Kosmetik: schädliche Inhaltsstoffe erkennen» keine erkennbaren eigenen kommerziellen Interessen mit Blick auf den Abschluss von Rechtsgeschäften über solche Kosmetika respektive deren Verhinderung. Beispielweise ist auf der fraglichen Internetseite <www.konsumentenschutz.ch/themen/gesundheitsvor-sorge/kosmetik-so-vermeiden-sie-unerwuenschte-inhaltsstoffe/> kein Kosmetika-Webshop der Beschwerdegegnerin verknüpft. Die Beschwerdegegnerin ist auch nicht Vertreterin von Kosmetikherstellern, so dass stellvertretend ein Hauptzweck der Beeinflussung von Abschlüssen von Rechtsgeschäften bejaht werden könnte. Die Beschwerdegegnerin verfolgt mit ihrer Kommunikation vielmehr den Zweck der Aufklärung und damit vorliegend der Gesundheitsförderung der Konsumenten (vgl. auch Art. 3 Abs. 1 lit. c der Stiftungsurkunde der Beschwerdegegnerin). Somit liegt keine kommerzielle Kommunikation im Sinne des Grundsatzes Nr. A.3 Abs. 1 der SLK vor, weshalb auf die vorliegende Beschwerde gestützt auf Art. 1 Abs. 3 des Geschäftsreglements der SLK nicht eingetreten werden kann.
Prof. Dr. iur., Fachexperte und Vizepräsident der SLK
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Fussnoten: |
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Die Leitsätze und die Sachverhaltsdarstellung sind nicht Bestandteil des offiziellen Entscheides; sie stammen vom Berichterstatter. |