Die Tagung wurde vom Schweizer Forum für Kommunikationsrecht1 sowie dem Zentrum für Kulturrecht2 gemeinsam organisiert. Rechtsanwalt Dr. iur. Alfred Früh, Geschäftsführer des Schweizer Forums für Kommunikationsrecht (SF-FS) und des Center for Information Technology, Society, and Law (ITSL) der Universität Zürich, leitete die Veranstaltung und wies eingangs darauf hin, dass wir es bezüglich des Phänomens «Influencer-Marketing»3, 4 mit einer qualitativ neuartigen Werbeform im Vergleich zum traditionellen Markenbotschafter zu tun hätten. Obschon das Spannungsverhältnis zwischen gefälligkeitsbedingter Authentizität und weisungs- oder provisionsbedingter Manipulation an sich nichts Neues und Beeinflussung (englisch Influencing) in der Werbung schon fast wesensimmanent sei, liege das Besondere am Influencer-Marketing darin, dass heute potenziell jedermann über das Internet mit einem breiten Publikum kommunizieren und dieses beeinflussen könne. Ziel der Veranstaltung sei einerseits die Darstellung des infrage stehenden Phänomens aus einer unternehmerischen sowie kommunikationswissenschaftlichen Sicht in einem Fachteil5 und andererseits – schwerpunktmässig – die Darstellung der sich in Anbetracht des Phänomens stellenden praxisrelevanten Rechtsfragen in einem rechtlichen Teil6. Zum Schluss der Veranstaltung fand eine Paneldiskussion statt7.
Naomi Meran, CEO und Mitgründerin der Influencer-Marketing-Agentur MeetMaker, Content Creator und Food-Bloggerin, schied in ihrem Referat zunächst verschiedene – teils voneinander unabhängige, teils sich überlappende – Charakteristika des Influencers bzw. Influencer-Marketings aus. Influencer-Marketing sei einerseits gekaufte Reichweite, andererseits authentischer und leidenschaftlicher Inhalt. Influencer seien nicht nur Werbebanner, sondern authentisch wirkende Markenbotschafter mit grosser Reichweite in ihrer Zielgruppe, was sie für Unternehmen besonders interessant mache. Zwischen den involvierten Parteien (Influencer, Brand, Agentur) bestünden aber zahlreiche Spannungsverhältnisse.
Insbesondere zwischen Influencer und Brand bestehe ein Spannungsverhältnis, die Vorstellungen seien oft nicht deckungsgleich. Beide möchten jeweils authentisch und glaubwürdig wirken, ihre eigene Tonalität und Bildsprache mitbringen, eigene Ideen in das Projekt einbringen und qualitativen und kreativen Content herstellen, der dem Zielpublikum des Brands bzw. den Followern des Influencers einen Mehrwert bietet. Der Influencer möchte somit unter Umständen auch unbezahlten Real-Life-Content bieten können. Der Brand möchte demgegenüber sein Produkt möglichst selbst im Bild platzieren. Im Gegensatz zum Brand habe der Influencer zudem kein grundsätzliches Problem mit Fake-Followern, da er damit seine Engagement Rate und letztlich seine Entlöhnung in die Höhe treibe.
Ein weiteres Spannungsverhältnis bestehe auch zwischen Influencer und Agentur. Der Influencer wolle Exklusivität, Autonomie und Authentizität für sich beanspruchen, zudem habe er ein Interesse an möglichst wenig Vorschriften und möglichst vielen Followern. Demgegenüber wolle die Agentur die Interessen der Marke vertreten. Entsprechend sei der Agentur eine schriftliche Vertragsdokumentation und ein vertragskonformes Verhalten des Influencers (z. B. Kennzeichnung als Werbung, Mitwirkung an der Gewinnung von Insights/Kennzahlen sowie Einhaltung der Maximalquote an Fake-Followern) zentral. Ein grosses Problem sei in verschiedener Hinsicht die mangelnde Transparenz vonseiten des Influencers, insbesondere bezüglich der Verwendung von Fake-Followern.
Zudem bringe das Jobprofil des Influencers einige nennenswerte Besonderheiten mit sich. Der Influencer wolle sich auf ein spezifisches Thema fokussieren und diesbezüglich die gesamte Community – das Optimum an potenziellen Followern – ansprechen und am liebsten den Status eines anerkannten Accounts mit «blauem Häkchen» auf Instagram erreichen. Manche Influencer, insbesondere Beauty-Blogger, würden gewisse Produkte von sich aus – ohne Auftrag – auf Instagram posten und taggen, sodass der Brand auf sie aufmerksam werde und ihnen allenfalls gratis PR-Samples zustelle. Fraglich sei, ob dies als Werbung gekennzeichnet werden müsse. Generell bestehe grosse Unsicherheit in Bezug auf die Frage, ob man sich mit einer konkreten Aktion im Bereich von kennzeichnungspflichtiger Werbung befinde: Ist das Testen von PR-Samples oder das unaufgeforderte Taggen eines Brands als Schleichwerbung zu qualifizieren? Ändert sich daran etwas, wenn es sich um einen anerkannten Account handelt?
Fabian Reichle, Brand Journalist bei SMLY Multimedia Productions und ehemaliger Social Media Manager bei Schweiz Tourismus, stellte im anschliessenden Referat mögliche Varianten der Zusammenarbeit mit Influencern aus Sicht des Brand-Inhabers dar. Nicht selten komme es dabei zu unprofessionellem, opportunistischem Verhalten vonseiten des Influencers. Der Referent nannte das Beispiel, dass ein auf Bali weilender Influencer für eine Kampagne zu hyperlokalen Nahrungsmitteln vorschlug, den Content von Bali aus mit beliebigen Äpfeln zu produzieren und trotzdem Zürich als Standort zu taggen. Die Unternehmen seien diesbezüglich nicht immer ausreichend sensibilisiert, weswegen der Referent das Publikum auf fünf Punkte hinwies, mit denen sich Authentizität gewährleisten lasse:
Erstens solle man sich Zeit nehmen, den Influencer kennenzulernen und prüfen, ob ein Brand-Fit bestehe. Zweitens solle man immer schon zu Beginn eines Erstauftrags eine Beziehung zum Influencer aufbauen, so wie man dies auch mit Journalisten im klassischen PR-Bereich mache. Drittens solle man sich nicht von schnellen Ergebnissen blenden lassen; selbst eine Million Likes brächten einem Unternehmen nichts, wenn der Influencer die vom Unternehmen gewollte Aussage nicht inhaltstreu an den Follower kommuniziere. Viertens brauche es ein kurzes Strategiepapier und eine saubere Vertragsdokumentation. Fünftens gebe es den Influencer in Form des klassischen Markenbotschafters – bspw. der Marlboro Man – eigentlich schon seit Jahrzehnten, neu sei nur das digitale Umfeld. Würde man den digitalen Influencer intern gleich wie einen klassischen Markenbotschafter behandeln, wären viele Influencer-Projekte sehr viel solider und nachhaltiger aufgesetzt.
Im Anschluss an die Inputreferate stellte Prof. Dr. phil. Stefan Gürtler, Dozent für Kommunikation an der Fachhochschule Nordwestschweiz, die Wirkungsmechanismen des Influencer-Marketings als Sonderform der Unternehmenskommunikation für Laien verständlich dar. Der Ausgangspunkt des Influencing-Geschäftsmodells sei das existenzielle Such-und-Entscheid-Dilemma eines jeden Menschen, der im Dschungel des Marktes auf der Suche nach dem Produkt sei, das ihn glücklich mache und ihm Ansehen verleihe. Es scheine, als könnten wir dieses Problem nicht allein lösen und seien daher auf Hilfe durch Dritte angewiesen. Schon das Elternhaus helfe dem Jugendlichen bei der Wahl seiner Hausbank. In vergleichbarer Weise lasse man sich von Freunden, Bekannten oder Influencern beeinflussen. Gemäss verschiedenen Studien lasse man sich von Influencern v. a. bei der Suche nach neuen Marken, Looks sowie Styles beeinflussen. Empirisch liessen sich dabei v. a. zwei Erkenntnisse nachweisen: Erstens hätten gesponserte Posts nicht dieselbe Wirkung wie nicht gesponserte; zweitens bestimme die Zahl der Rezipienten (Followerzahl) die Reichweite der Kommunikation. Entgegen anderslautenden Meinungen habe die Followerzahl – relativ unabhängig von der jeweiligen sozialen Plattform – die stärkste Korrelation mit dem sozialen Kapital und folglich mit dem Einkommen des Influencers.
Der digitale Influencer im Social-Media-Bereich stelle dieses soziale Kapital in Form von möglicherweise kaufwilligen Konsumenten seinem Kunden zur Verfügung. Eine aussagekräftige Kontrolle (Berechnung) dieses sozialen Kapitals mittels Messung der Reichweite sowie der Nutzungszeit, Nutzungsdauer und Nutzungsform der Follower über Mediapools gebe es zurzeit nicht. Der Influencer habe deshalb einen sehr hohen Gestaltungsspielraum bei der Deklaration seines sozialen Kapitals. Zudem bewirke die weitgehende Automatisierung der Kommunikationsvorgänge auf den sozialen Plattformen mittels Bots eine Verfälschung der Kennzahlen. Beispielsweise habe man auf vielen Plattformen kurz nach Errichtung des eigenen Accounts bereits Follower, oder es gebe ganze Influencer-Netzwerke, die sich gegenseitig folgen und für Interaktionen sorgen (sog. Follow-to-Follow bzw. Pods). Es gebe auch Pay-to-Follow-Pods, wo man sich für das Folgen bezahlen lassen könne. Noch einfacher manipulierbar sei die Followerzahl, wenn man als Influencer Fake-Accounts automatisiert kreiere und diese dann einsetze, um sich selbst zu followen, zu liken oder zu sharen. Solche Fake-Accounts könne man auch auf Grau- oder Schwarzmärkten kaufen. Schätzungsweise gebe es 1,5 Milliarden Fake-Accounts. Ungefähr 10 % aller Influencer würden gemäss verschiedenen branchenbezogenen Studien mit solchen Instrumenten operieren. Besonders anfällig hierfür scheine die Mode-, Entertainment- und Reisebranche zu sein. Solche Studien seien jedoch nur Momentaufnahmen und nicht selten auf den US-Markt beschränkt.
Aus dem Ganzen folge eine doppelte Informationsasymmetrie: Erstens könne sich das Unternehmen nicht sicher sein, dass die vom Influencer ausgewiesenen Kennzahlen auch tatsächlich zutreffen würden; zweitens könne sich auch der Konsument nicht sicher sein, ob die kommunizierten Interaktionen auch tatsächlich so stattgefunden hätten. Zur Lösung dieser Informationsasymmetrien gebe es v. a. zwei nennenswerte Honorierungsmodelle: Einerseits Strukturbeiträge – welche von der Grösse des sozialen Netzwerks des Influencers abhängen, insbesondere der Followerzahl –, andererseits Interaktionsbeiträge, z. B. Cost-per-Action- oder Cost-per-Click-Beiträge. Beide Modelle hätten ihre Vor- und Nachteile. Wenn man als Unternehmen primär Strukturbeiträge ausrichte, fahre man gut, wenn der Influencer in der Folge tatsächlich viele Interaktionen in seinem sozialen Netzwerk erzeuge. Im Falle der genannten Interaktionsbeitragsmodelle fahre man eigentlich immer in etwa gleich gut.
Nach dem Fachteil bot Prof. Dr. iur. Mischa Senn, Dozent für Medien- und Werberecht, Handelsrichter am HGer Zürich und Vizepräsident der Schweizerischen Lauterkeitskommission (SLK), als erster Referent zum rechtlichen Teil einen kursorischen Überblick über ausgewählte lauterkeitsrechtliche Tatbestände, die im Falle von Influencer-Marketing einschlägig sein könnten.
Im Sinne einer idealtypischen juristischen Arbeitsdefinition definierte der Referent den Sachverhalt «Influencer-Marketing» als eine auf sozialen Medien «vom Influencer ausgehende kommunizierte Werbebotschaft (Empfehlung, Beeinflussung) an seine Follower für bestimmte Produkte, meist im Auftrag von Unternehmen oder Agenturen». Das schlichte «Influencing» stelle demgegenüber eine private Meinungsäusserung mit allenfalls sozialen, kritischen oder unterhaltenden Inhalten dar und verfolge insofern keinen werblichen (kommerziellen) Zweck.
Das Influencer-Marketing sei somit ein eigenständiges Werbeformat und kein redaktioneller Beitrag im Sinne einer journalistischen Darstellungsform mit Faktizitätsanspruch, das publizistischen oder medienethischen Qualitätsanforderungen genügen wolle. Daher sei die unter dem Titel des lauterkeitsrechtlichen Trennungsgebots entwickelte Unterscheidung zwischen «werblich-kommerziellem» Beitrag und «journalistisch-redaktionellem» Beitrag in Bezug auf Kommunikation in sozialen Medien kein zweckmässiges Unterscheidungsmerkmal. Deshalb liege der eingangs verwendeten Arbeitsdefinition die Unterscheidung zwischen kommerzieller und nicht kommerzieller (privater) Kommunikation zugrunde.
Das Trennungsgebot, welches sich aus dem lauterkeitsrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr gemäss Art. 2 UWG ableiten lasse, verlange eine «klare Trennung» von redaktionellen (nicht kommerziellen) und kommerziellen Beiträgen. Eine klare Trennung lasse sich durch formale Kennzeichnung der Kommunikation oder durch Vorliegen inhaltlich eindeutiger Erkennbarkeit der Kommunikation als Werbung verwirklichen. Die Kennzeichnung, bspw. durch #Ad oder #Werbung, müsse aber auch erkennbar sein. Demgegenüber sei die Erkennbarkeit ein materielles Kriterium. Indizien der Erkennbarkeit seien die Gestaltung (Layout), der Inhalt (Text/Bild), das mediale Umfeld (Printmedien, soziale Medien usw.) und der Kontext10 des Auftritts. Ein kommerzieller Zweck liege vor, wenn wirtschaftliche Eigeninteressen verfolgt würden, mithin wenn das Verhalten auf eine Absatzförderung gerichtet sei. Das Influencer-Marketing sei damit auch ein Geschäftsmodell. Ein Indiz hierfür sei die erhöhte Anzahl von Tags, die mit ihren Verlinkungen auf die Internetseiten der entsprechenden Unternehmen führen. Zudem sei der Auftritt des Influencers als Ganzes zu berücksichtigen. Da «eindeutige» Erkennbarkeit verlangt werde, müsse sie in jedem Fall gegeben sein und habe somit grundsätzlich Vorrang im Verhältnis zur Kennzeichnung. Dies lasse sich aus dem Klarheitsgebot gemäss Art. 2 UWG ableiten, das dem Trennungsgebot übergeordnet sei.
Der Tatbestand der Schleichwerbung (Art. 2 UWG) könne v.a. gegenüber der Allgemeinheit oder dem Zielpublikum vorliegen. Schleichwerbung sei eine «nicht als Werbung erkennbare kommunizierte kommerzielle Aussage zu Produkten in redaktionellen Beiträgen». Verbotszweck sei die «Vermeidung einer möglichen Täuschung über den Charakter der (kommerziellen) Kommunikation aufgrund fehlender Transparenz». Der Tatbestand bezwecke m.a.W. eine Irreführungsabwehr. Die Täuschung bzw. Täuschungsgefahr hänge vom Rezeptionsverständnis des Nutzers ab – vom informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittskonsumenten als hypothetischer Referenzperson12. Influencer-Marketing sei daher typischerweise nicht als Schleichwerbung zu qualifizieren. Demgegenüber könne das Influencing – definiert als private Kommunikation – den Tatbestand der Schleichwerbung erfüllen, soweit die erforderlichen Voraussetzungen vorlägen. Indizien für den Werbecharakter einer Kommunikation seien eine reklamehafte Sprache, positive Hervorhebungen, Kaufappelle sowie die zuvor genannten Indizien zur Ermittlung der Erkennbarkeit von Werbung13. Weitere Indizien seien affirmative Preisempfehlungen, die Übernahme von Kennzeichen eines Unternehmens, Verlinkungen zum Unternehmen sowie der generelle Auftritt im Kontext. Indizien für private Kommunikation seien demgegenüber Produktempfehlungen innerhalb von Storys über das eigene Privatleben sowie im Rahmen der Schilderung von Alltagsproblemen des Influencers, soweit kein Auftragsverhältnis und/oder keine Gegenleistungen bestünden und keine weiteren kommerziellen Zwecke beabsichtigt seien.
Relevant sei zunächst der Sondertatbestand der herabsetzenden Äusserung gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. a UWG durch eine unrichtige, irreführende oder verletzende Äusserung des Influencers gegenüber anderen Influencern (seinen Konkurrenten), deren Empfehlungen oder gegenüber Konkurrenzprodukten oder Konkurrenzunternehmen.
Einschlägig sei der Sondertatbestand des unlauteren Vergleichs gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. e UWG dann, wenn der Vergleich mit Produkten des Auftraggebers und solchen von Drittunternehmen in unrichtiger, irreführender oder anlehnender Weise erfolge. Auch im Verhältnis zu anderen Influencern (Konkurrenten) könne der Sondertatbestand erfüllt werden.
In der Praxis bedeutsam sei der Sondertatbestand der unrichtigen Angaben über sich selbst gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG14, wenn unrichtige oder irreführende Angaben, bspw. bezüglich Leistungen, Preisen, Geschäftsverhältnissen, gemacht werden oder Storys erfunden werden. Jegliche Manipulationen zur Erhöhung der Engagement-Rate, insbesondere der Beizug von Fake-Followern, das Kaufen von Likes oder die Zusammenarbeit in WhatsApp-Gruppen, seien tatbestandsmässige Handlungen. In der Realität bestehe somit ein hohes Risiko für Rechtsfälle v.a. im Verhältnis zum Unternehmen oder zur Agentur, was zumindest teilweise vertragsintern über definierte Fake-Quoten abgefedert werde. Aber auch gegenüber anderen Influencern (Konkurrenten), der Allgemeinheit oder dem Zielpublikum könne der Sondertatbestand erfüllt sein.
Abschliessend ging der Referent auf das erforderliche Rezeptionsverständnis als Beurteilungsmassstab einer Äusserung bei der Beurteilung des Vorliegens unbestimmter UWG-Tatbestandsmerkmale (wie bspw. der Erkennbarkeit der Werbung bzw. bezüglich der Irreführung/Täuschung im Allgemeinen) ein. Zunächst sei das Zielpublikum des Influencers zu ermitteln, was im vorliegenden Kontext primär die Followerschaft darstelle. Dann müsse man den Verständnishorizont des Zielpublikums normativ eruieren, wobei diesbezüglich von der bereits genannten hypothetischen Referenzperson des informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittskonsumenten auszugehen sei. Dies habe zur Folge, dass für die Followerschaft das Influencer-Marketing auch als Werbung erkennbar sei. Der Referent plädierte diesbezüglich für eine empirische Ermittlung des Verständnishorizonts. Es gebe mindestens zwei ihm bekannte Studien, die die Wahrnehmung des Influencer-Marketings als Werbung durch die Followerschaft tatsächlich bestätigen würden.
Sandra Hanhart, MLP-HSG, Rechtsanwältin in Zürich und Handelsrichterin am HGer Zürich stellte überblicksweise die Rechtslage in Bezug auf den privatrechtlichen Schutz der Persönlichkeit gemäss Art. 28 ZGB, den strafrechtlichen Schutz der Ehre gemäss Art. 173 ff. StGB sowie die möglichen Verteidigungsmittel im Falle eines Angriffs auf die Persönlichkeit dar. Soweit ein Influencer seine Meinung in den sozialen Medien äussere, komme er potenziell als Verletzer von Persönlichkeitsrechten Dritter infrage. In den sozialen Medien könne dieses Risiko eine viel grössere Dimension annehmen und eine gewisse Eigendynamik entwickeln, indem Follower bspw. durch Likes regelrecht einen Shitstorm auslösen könnten. Nebst den gesetzlichen Vorschriften seien die Nutzerbedingungen der sozialen Medien (Plattformregeln) sowie die Vertragsbedingungen zwischen Influencer und Brand ebenfalls bedeutsam.
In ihren Ausführungen legte die Referentin den Fokus auf das Recht am eigenen Bild sowie auf das Recht auf Ehre.
Das Recht am eigenen Bild beinhalte den Anspruch, dass gewisse Vorgänge aus dem Privatleben auch privat blieben, mithin nicht öffentlich würden. Dazu gehöre das Recht, bestimmen zu können, in welchem Zusammenhang Bilder von einer Person erstellt und verwendet (insbesondere veröffentlicht) würden. Als Bild gelten alle Darstellungen (etwa Zeichnungen, Stickers usw.) einer Person, wenn diese objektiv in ihrem sozialen Umfeld erkennbar sei. Die Erkennbarkeit im Bekanntenkreis und in der Nachbarschaft genüge als Referenzkriterium. Zusätzlich sei eine individualisierte Darstellung erforderlich. Es bestehe hingegen kein Schutz, wenn die Person lediglich als Beiwerk (Staffage) in der Darstellung erkennbar sei16.
Das Recht auf Ehre beinhalte den Anspruch auf den Ruf, ein ehrbarer Mensch zu sein, und auf berufliches, gesellschaftliches und wirtschaftliches Ansehen. Eine Verletzung könne durch beliebige Handlungsformen erfolgen (Bild, Gestik, Social-Media-Sticker usw.). Massgebend sei der Eindruck, der beim Durchschnittsadressaten im Gesamtkontext entstehe. Beispielsweise gelte im Chat unter Jugendlichen ein anderer Massstab als in einem formellen Kontext.
Widerrechtlich sei jede Verletzung, die nicht gerechtfertigt werden könne. Eine wichtige Rechtfertigung sei häufig die Einwilligung der verletzten Person. Werde stillschweigend in eine Fotoaufnahme eingewilligt, gehe man heute von der Zulässigkeit der Abspeicherung der Fotografie auf dem Mobiltelefon aus. Eine kommerzielle Verwendung sei dann jedoch sicher nicht zulässig. Eine Publikation in einem privaten Chat mit überschaubarer Mitgliederzahl sei wohl noch zulässig, jedoch müsse man generell immer eine Einzelfallprüfung vornehmen. Ein weiterer Rechtfertigungsgrund sei das Vorliegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses, was v. a. in den klassischen Medien eine wichtige Rolle spiele. Methodisch sei an dieser Stelle eine Interessenabwägung zwischen dem fraglichen öffentlichen Interesse und dem verletzten Persönlichkeitsrecht vorzunehmen, wobei bspw. auch öffentlich bekannte Personen (Amtspersonen, Personen der Zeitgeschichte) zu schützen seien, soweit ihre Funktion nicht unmittelbar betroffen sei.
Liege eine widerrechtliche Verletzung vor, habe der Berechtigte Anspruch auf Unterlassung, Beseitigung (insbesondere Löschung) oder Feststellung der Verletzung sowie auch auf Schadenersatz, Genugtuung und Gewinnherausgabe. Es werde nicht nur der Urheber der Verletzungshandlung verpflichtet, sondern allenfalls auch die soziale Plattform durch passive Mitwirkung an der Verletzungshandlung17. Ein gerichtliches Vorgehen gegen den Verletzer gehe mit beträchtlichem Aufwand und Kosten einher und dauere eher lang, daher seien häufig lediglich vorsorgliche Massnahmen sinnvoll. Gerade bei Internetsachverhalten sei die internationale Durchsetzung der Rechte aufwendig und man habe zudem stets die Identität des Beklagten zu kennen.
Der Schutzbereich der Ehre sei im Strafrecht enger als im Privatrecht. Geschützt sei lediglich die ethische Integrität einer Person, eine Herabsetzung der gesellschaftlichen Geltung genüge nicht, wobei sich die Abgrenzung im Einzelnen schwierig gestalte18. Das Referenzkriterium zur Sinnermittlung einer Äusserung sei ein unbefangener Adressat unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes. Es sei ausserdem fraglich, ob allenfalls ein strengerer Massstab für Äusserungen auf sozialen Medien gelte. Bis anhin hätten sich dazu lediglich kantonale Gerichte geäussert19. Im Gegensatz zu Werturteilen, wo ein Wahrheitsbeweis nicht möglich sei, entfalle die Strafbarkeit bei Tatsachenbehauptungen, wenn der Nachweis gelinge, dass die Aussage wahr sei oder der Täter berechtigterweise von der Wahrheit ausgehen dürfe. Ein Wahrheitsbeweis sei jedoch nicht möglich, wenn kein öffentliches oder privates Interesse an der Äusserung bestehe oder die Absicht, zu beleidigen, im Vordergrund stehe.
Als Täter stehe grundsätzlich der Urheber einer Onlineäusserung im Vordergrund, jedoch könne sich auch der Weiterverbeiter als Täter unter den Tatbeständen der üblen Nachrede sowie der Verleumdung strafbar machen. Das Teilen von Inhalten sei eine explizite Weiterverbreitung und dürfte daher in der Regel den Tatbestand erfüllen. Beim Liken sei die Rechtslage etwas unklarer – wohl weniger verallgemeinerungsfähig. Denn mit dem Liken stütze man zwar lediglich die Äusserung, mache sie damit aber sozusagen auch zu eigen, sodass gegebenenfalls ein tatbestandsmässiges Verhalten vorliegen könnte20. Die Referentin kritisierte zudem ein erstinstanzliches Urteil, wonach im Falle eines Re-Tweets durch einen Journalisten keine neue Handlung, mithin eine Weiterverbreitungshandlung, vorgelegen habe, sondern das Medienprivileg gemäss Art. 28 StGB für anwendbar erklärt wurde21.
Im Gegensatz zur zivilrechtlichen Durchsetzung entstünden bei einer Strafanzeige viel weniger Aufwand und Kosten und sie sei auch ohne Kenntnis der Identität des Täters möglich. Nachteilig sei die kurze Antragsfrist von drei Monaten ab Kenntnis des Täters sowie eine tendenziell eher lange Verfahrensdauer.
In Bezug auf den Umgang mit potenziellen Verletzern sei es wichtig, den konkreten Fall genau zu analysieren. Für die Auswahl des geeigneten Verteidigungsmittels sei es relevant, ob bspw. die Verletzung fortbestehe, eine Wiederholungsgefahr bestehe oder ob die Täterschaft bekannt sei und im In- oder Ausland ansässig sei. Einerseits seien passive Verteidigungsmittel (User stumm schalten oder ignorieren) in Erwägung zu ziehen, andererseits auch mildere aktive Verteidigungsmittel (informelle Kontaktaufnahme, allenfalls auch Abmahnung und Unterlassungserklärung oder Take-down-Meldung über Meldeformulare auf der sozialen Plattform). Insbesondere Take-down-Meldungen seien ein nützliches Instrument, da der Druck auf die Plattformen, namentlich aufgrund neuer Haftungsnormen, steige. Schliesslich stünde der zivil- und strafrechtliche Rechtsweg offen.
Dr. iur. Sandra Marmy-Brändli, Rechtsanwältin in Zürich, zeigte in ihrem Referat auf, inwiefern gewisse Influencer-Marketing-Handlungen gegebenenfalls eine Schutzrechtsverletzung aus Sicht des Marken-, Urheber- und Designrechts oder eine unlautere Verhaltensweise gemäss UWG darstellen könnten. Einleitend wies die Referentin darauf hin, dass grundsätzlich eine grosse Vielfalt an möglichen Verletzungshandlungen bestehe. Deshalb seien nachfolgend lediglich einige ausgewählte Beispiele zu besprechen, die aufgrund ihrer relativen Verallgemeinerungsfähigkeit einen guten Überblick zu verschaffen vermögen.
Im Zusammenhang mit der Frage, inwiefern die Verwendung von fremden Marken in Posts oder Videos zulässig sei, zeigte die Referentin ein auf Instagram gepostetes Video von Philipp Plein, in welchem verschiedene Philipp-Plein-Schuhe auf die Motorhaube eines Ferraris gelegt und gefilmt wurden.
Im Allgemeinen werde das fremde Markenrecht verletzt, wenn die Marke gewerbsmässig und kennzeichenmässig für identische oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen gebraucht werde, wie sie der Markeninhaber eingetragen habe (siehe Art. 13 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 MSchG). Im Falle von berühmten Marken entfalle die Voraussetzung, dass der Markeninhaber die Marke für die entsprechende Waren- oder Dienstleistungskategorie eingetragen haben müsse, sofern die Unterscheidungskraft der berühmten Marke oder deren Ruf beeinträchtigt werde (siehe Art. 15 MSchG). Gewerbsmässig handle man, wenn eine wirtschaftliche Ausrichtung oder ein Geschäftszweck verfolgt werde und die Handlung auf dem Schweizer Markt wahrnehmbar sei. Kennzeichenmässig sei die Verwendung der Marke, wenn sie nicht rein informativ oder dekorativ erfolge.
Im vorliegenden Beispiel sind zwei Waren im Spiel: einerseits das Luxusauto, andererseits die Schuhe. In Bezug auf das Luxusauto liege wohl ein klarer kennzeichenmässiger Gebrauch der Marke «FERRARI» vor – die Ausschliesslichkeitsrechte sind bezüglich des vorliegenden Fahrzeugs aber wahrscheinlich erschöpft, der Anwendungsbereich der Erschöpfungseinwendung ist aber begrenzt (siehe sogleich). In Bezug auf die Schuhe gebe es zwei vertretbare Rechtsansichten: Entweder es werde von einem kennzeichenmässigen Gebrauch der Marke «FERRARI» für die Schuhe ausgegangen oder eben nicht. Eine mögliche Begründung zugunsten des kennzeichenmässigen Gebrauchs sei, dass die Wortmarke «PHILIPP PLEIN» auf den Schuhen im Video kaum erkennbar sei und die Schuhe sehr nahe bei der Wortmarke «FERRARI» stünden und weiter unten auch die Bildmarke «FERRARI» erkennbar sei. Im ersteren Fall läge eine Markenverletzung vor, da entweder die Marke «FERRARI» auch für Schuhe eingetragen sei oder die Voraussetzungen einer berühmten Marke gemäss Art. 15 MSchG vorliegen würden. In diesem Zusammenhang wäre eine Erschöpfungseinwendung wohl nicht erfolgreich, da nur jene Werbung zulässig sei, die zwingend notwendig für den Weiterverkauf von rechtmässig in Verkehr gebrachten Produkten sei22. Im letzteren Fall liege keine Markenverletzung vor, jedoch könne unter Umständen eine Rufausbeutung gemäss Art. 2 UWG, die Vorspiegelung falscher Beziehungen zu Ferrari gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG sowie eine anlehnende Werbung gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. e UWG vorliegen.
Generell würden Influencer fremde Marken zumeist nur für die Produkte des Markeninhabers verwenden und nicht für (oftmals gar nicht existierende) eigene Produkte, daher liege in Bezug auf die fremden Produkte oft nur ein informativer oder dekorativer Gebrauch vor, bspw. wenn die Markenbekleidung auf dem Foto gut erkennbar sei. Nebst den bereits genannten UWG-Tatbeständen sei auch noch die Schaffung einer Verwechslungsgefahr gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. b und lit. d UWG zu nennen. Ein weiteres Beispiel sei die Verwendung von Hashtags, die zumeist informativ und somit nicht kennzeichenmässig erfolge. Soweit aber eigene Produkte oder Fälschungen unter fremdem Hashtag vermarktet würden, sei dies unzulässig – Gegenausnahme sei wiederum die erwähnte Erschöpfungseinwendung im Falle eines Weiterverkaufs. Zusammenfassend bestehe aus Sicht des Influencers im Markenrecht kein allzu hohes Risiko für Verletzungen. Soweit fremde Marken verwendet würden, bestünde jedoch vielfach das Risiko, einen lauterkeitsrechtlichen Tatbestand zu erfüllen.
Dass überhaupt eine Urheberrechtsverletzung vorliegen könne, setze zunächst voraus, dass dem verwendeten Content (Bild, Foto, Musik, Video usw.) eine geistige Schöpfung mit individuellem Charakter zugrunde liege, die auch im konkreten Fall erkennbar bleibe und nicht in den Hintergrund trete (siehe Art. 2 URG). Sei dies der Fall, so werde zumeist entweder das Vervielfältigungsrecht oder das Recht auf Zugänglichmachung verletzt (siehe Art. 10 URG), soweit keine Verwendung im Anwendungsbereich der Eigengebrauchsschranke (Art. 19 URG) stattfinde. Weitere relevante Schranken seien die Zitatschranke (Art. 25 URG), die Panoramaschranke (Art. 27 URG), die Parodiefreiheit (Art. 11 Abs. 3 URG) sowie unter Umständen die Schranke zur Berichterstattung über aktuelle Ereignisse (Art. 28 URG). Soweit bspw. die Musik in einem Video-Content erkennbar bleibe und einem fremden Urheber zugeordnet werden könne, sei die Verwendung unzulässig. Das Gleiche gelte für fremde Videoausschnitte im eigenen Video, wobei hier jedoch unter Umständen eine erlaubte Verwendung im Anwendungsbereich der Zitatschranke (Art. 25 URG) vorliegen könne, wenn man sich inhaltlich stark mit dem zitierten Werk auseinandersetze. In der Lehre sei man jedoch sehr streng bei der Beurteilung, ob ein erlaubtes Filmzitat vorliege. Zusammenfassend bestünden für den Influencer grössere Risiken für Verletzungen fremder Urheberrechte. Die Schrankenregelungen würden oft keine gute Verteidigung bieten, da es nicht viele Schranken gebe und die Tatbestandsvoraussetzungen vielfach nicht erfüllt sein dürften.
Die designrechtliche Rechtslage wurde von der Referentin anhand eines Beispiels eines Posts einer Interior-Design-Bloggerin veranschaulicht. Auf dem geposteten Foto war ein Loungestuhl von Charles Eames erkennbar. Es stelle sich die Frage, wie weit die Ausschliesslichkeitsrechte des Designinhabers gemäss Art. 9 Abs. 1 DesG reichten. Diese Frage sei im Designrecht im Falle von Wiedergaben/Publikationen des Designs und von dekorativen Gebrauchshandlungen umstritten. Hingegen sei stets nur eine Verwendung zu gewerblichen Zwecken eine relevante Gebrauchshandlung. Im vorliegenden Beispiel könne man den gewerbsmässigen Gebrauch bejahen, da die Bloggerin im Post auf ihren Onlineshop hinweise. Fraglich sei nun aber, ob das Abbilden des Loungestuhls im Post vom ausschliesslichen Gebrauchsrecht gemäss Art. 9 Abs. 1 DesG erfasst sei. Die Referentin ist der Ansicht, dass Abbildungen von Designs dann problematisch seien, wenn diese die Marketingfunktion des Designinhabers beeinträchtigen würden. In den meisten Fällen scheine der Referentin eine Abbildung eines Designs aber ein erlaubter dekorativer Gebrauch zu sein. Es existiere eine abweichende Lehrmeinung, die ein weiteres Verständnis vom Gebrauchsrecht habe, zugleich aber die urheberrechtliche Zitatschranke gemäss Art. 25 URG analog angewandt haben wolle. Im vorliegenden Beispiel wären die Voraussetzungen eines Zitats aber nicht erfüllt. Zum Zwecke des Weitervertriebs des Erzeugnisses sei es dem Eigentümer gestützt auf den Erschöpfungsgrundsatz (analog Markenrecht) in begrenztem Umfang erlaubt, damit zu werben. Zu beachten sei, dass solche Designs auch urheberrechtlich geschützt sein könnten, was zumeist eine klare Verletzung der Urheberrechte zur Folge hätte. Zusammenfassend bestünden für den Influencer keine grossen Risiken, fremde Designrechte zu verletzen, da gerade bei Abbildungen oftmals eine dekorative bzw. informative Verwendung als Rechtfertigung geltend gemacht werden könne.
Als Unternehmen müsse man sich auch jeweils fragen, ob und wen man abmahnen wolle. Im zuvor geschilderten Markenrechtsfall wurde Philipp Plein von Ferrari abgemahnt. Plein habe das Abmahnungsschreiben jedoch sofort gepostet und sich über Ferraris Vorgehen lustig gemacht und seine Followerschaft dazu aufgefordert, es ihm mit seinem Post nachzumachen und ihm die Videos zuzuschicken. Für Ferrari wirkte sich die Abmahnung daher v.a. rufschädigend aus, was offensichtlich nicht im Interesse des Unternehmens sei.
Lukas Bühlmann, LL.M., Rechtsanwalt in Zürich, zeigte als letzter Referent des rechtlichen Teils verschiedene Probleme und Lösungen im Zusammenhang mit der Gestaltung von Verträgen zwischen Influencern und dem Brand-Inhaber oder der Agentur auf. Der Abschluss eines schriftlichen Vertrags gebe der Zusammenarbeit ein Konzept und ein klares Regelwerk. Dies sei wichtig, da oftmals auf beiden Seiten gewichtige Interessen zu schützen seien. Da die Lebenssachverhalte im Rahmen der Zusammenarbeit mit Influencern sehr oft einen internationalen Bezug hätten, könne man trotz möglicher Rechtswahl und Gerichtsstands- bzw. Schiedsvereinbarung nie genau wissen, ob die vereinbarten Leistungen des Influencers in irgendeinem betroffenen Staat nicht gegen lokale zwingende Normen verstossen würden, die gewisse Probleme in Bezug auf die vereinbarten Leistungen bereiten könnten. Gerade deshalb sei auch ein Vertrag notwendig, der solche Fälle vorausschauend regle und klare Verantwortungsbereiche ausscheide.
Verträge mit Influencern könnten je nach Ausgestaltung und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände als Auftrag gemäss Art. 363 ff. OR, Agenturvertrag gemäss Art. 394 ff. OR, Arbeitsvertrag gemäss Art. 319 ff. OR oder als Vertrag sui generis qualifiziert werden.
Folgende Aspekte seien inhaltlich besonders relevant: Parteien, Leistungen und Gegenleistungen, weitere Rechte und Pflichten, immaterialgütervertragsrechtliche Aspekte, Haftungsfragen und die Beendigung.
In Bezug auf die Parteien seien nebst der Auswahl der Vertragspartei (Influencer persönlich, juristische Person des Influencers oder Agentur) bspw. die Handlungsfähigkeit von Kindern oder die Existenz von Vertretungsrechten (v. a. im Zusammenhang mit juristischen Personen oder Kindern) ein Problem. Zudem sei insbesondere im Falle einer intensiven Zusammenarbeit ein Nachweis der selbständigen Erwerbstätigkeit vonseiten des Influencers erforderlich. Ausserdem sei im Zusammenhang mit Kindern das jeweilige zwingende Persönlichkeits- und Familienrecht zu beachten.
Auf der Ebene von Leistung und Gegenleistung könne bspw. das Unternehmen genau festhalten, welche Bildwelten durch den Influencer gezeigt werden sollten, mithin erfolge in der Praxis nicht selten eine exakte Festlegung der Leistungen und der Verantwortungsbereiche (bspw. im Zusammenhang mit einem Fotoshooting), insbesondere über die Regelung von Mitwirkungspflichten. Die Einräumung von Genehmigungsrechten für Social-Media-Posts zugunsten der auftraggebenden Unternehmen werde häufig gefordert, könne jedoch je nach Art der Zusammenarbeit sowie der Rolle des Influencers im Arbeitsprozess unrealistisch sein. Nebst dem Entgelt als Gegenleistung seien auch Fragen im Zusammenhang mit Spesen (Reisen, Kosten der Shootings usw.) zu regeln. Auf derselben Ebene sei es möglich, Exklusivität mittels eines Konkurrenzverbots zu vereinbaren. Die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung hänge u. a. von der Vertragsqualifikation ab. Wichtige Aspekte seien die Eingrenzung eines solchen Verbots bezüglich Branche und Produkte sowie Territorialität. Ebenfalls sei es möglich, dem Influencer diesbezüglich eine thematische Fokussierung seiner Aktivitäten vorzuschreiben, bspw., wo oder in welchem Kontext er auftreten darf oder eben nicht. Umgekehrt sei es auch möglich, Brands anderer Unternehmen, insbesondere von Konkurrenten, als «Good Brands» zu vereinbaren, die der Influencer in seinem Auftritt dann zwingend auch mitvertreten müsse. Dies sei insbesondere im Luxusgütersegment nicht unüblich. Eine Pflicht zur Kennzeichnung des Contents als Werbung könne ebenfalls vereinbart werden, was mittlerweile insbesondere, bei der Zusammenarbeit mit noch weniger bekannten Influencern (bspw. im Bereich des Nachwuchssports) durchaus üblich sei. Wichtig sei sodann die Festlegung der persönlichen Leistungspflicht des Influencers (Verbot der Substitution sowie allenfalls des Beizugs von Hilfspersonen), insbesondere wenn die Agentur den Vertrag abschliesse.
Im Zusammenhang mit vorbestehenden sowie im Arbeitsprozess entstandenen Immaterialgüterrechten seien allfällige Rechtsübertragungen oder Lizenzierungen zu regeln. Zudem müssten sich die Unternehmen die Namens- und Bildrechte der Influencer einräumen lassen.
Ausserdem müsse man das erlaubte Verhalten des Influencers in Bezug auf potenziell zollrechtlich relevante Vorgänge regeln, sofern der Influencer leihweise mit Produkten im Eigentum des auftraggebenden Brands ausgestattet werde. Das Mitnehmen solcher Produkte von einem Staatsgebiet in ein anderes stelle zollrechtlich eine Aus- und Einfuhr dar, was entsprechende Anmeldepflichten auslöse. Es sei deshalb vertraglich zu regeln, ob solche Produkte überhaupt über Staatsgrenzen verbracht werden dürfen und wer für die Einhaltung der entsprechenden Voraussetzungen verantwortlich sei. Ähnlich sollten auch steuer- und sozialversicherungsrechtlich relevante Vorgänge geregelt werden, da diese zu Problemen und Reputationsschäden führen könnten. Deklariere ein prominenter Influencer seine Einnahmen aus der Zusammenarbeit in seinem Heimatland nicht, könne sich dies rasch auch negativ auf den vertretenen Brand niederschlagen. Schliesslich sei auch festzulegen, inwiefern der Influencer selbst für seine privatversicherungsrechtliche Deckung von Risiken bei Auslandaufenthalten zu sorgen habe. Sodann seien Regeln in Bezug auf die Imagebewahrung und Markenloyalität des Brands vorzusehen. Dies diene der Vorbeugung von Reputationsschäden. Beispielsweise seien Posts mit politischen, widerrechtlichen, sittenwidrigen oder rassistischen Inhalten zu verbieten. Zu guter Letzt seien Geheimhaltungspflichten und die Einhaltung von Werbe- sowie von Jugendschutzvorschriften zu regeln.
Letztlich sei auch an die Vertragsdauer und an Kündigungsrechte zu denken. Besonders wichtig seien durchdachte und vertragsspezifisch definierte ausserordentliche Kündigungsgründe, bspw. im Zusammenhang mit Fällen von Drogenkonsum in der Öffentlichkeit. Auch seien die Beendigungsfolgen, wie bspw. die optionale, zwingende oder unzulässige Bereinigung des Auftritts in den sozialen Medien, die Rückgabe von Leihgegenständen oder eine nachvertragliche Exklusivität zu regeln.
Die Realexekution von Pflichten (wie etwa Content zu generieren und zu posten, zum Fotoshooting zu erscheinen, aktiv mitzuwirken usw.) sei im Kontext des Influencer-Marketings offensichtlich der falsche Weg. Fraglich sei aber manchmal, ob eine persönliche Leistung zu einem gewissen Zeitpunkt noch möglich sei oder nicht. Die Festlegung von Schadenersatzregeln sowie von Konventionalstrafen sei möglich. Wichtig sei auch die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen sowie von Beendigungsfolgen. Hierfür seien durchsetzbare Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarungen auszuhandeln. Da im internationalen Kontext die Durchsetzung oft erschwert sei, gehe es im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vertrags v. a. auch um das Abtasten und Klären der gegenseitigen Erwartungen und Haltungen.
Sowohl die Äusserungen der Influencer-Industrie als auch der durch Petra Dreyfus, Co-CEO und Mitinhaberin der WIRZ Communications AG, vertretenen Werbewirtschaft zeigten, dass es sich beim Influencer-Marketing um ein Werbeformat handelt, das im Begriff ist, sich zu professionalisieren. In Bezug auf noch bestehende Probleme im Zusammenhang mit Fällen von Ad Fraud wurde vereinzelt vertreten, dass die Schaffung von Rechtsklarheit wünschenswert wäre. Zudem müssten die sozialen Plattformen eine gewisse Verantwortung tragen.
Aus Sicht des Konsumentenschutzes, der von Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz, vertreten wurde, sei eine klare Trennung von Werbung und redaktionellen Inhalten zu befürworten, da das Zielpublikum – oft Jugendliche – unkritisch mit der Problematik umgehe und nicht wissen könne, wann und wieviel Geld im Hintergrund fliesse und daher geschützt werden müsse, ohne dass man die Influencer überreguliere. Das richtige Organ hierfür sei zumindest momentan die Lauterkeitskommission als Branchenverband, die eine klare Regelung in ihre Richtlinien aufnehmen sollte. Dieser Auffassung standen Wortmeldungen einer Influencerin aus der Zuhörerschaft entgegen, der es nicht klar war, wovor denn die Konsumenten – welche den Influencern ja freiwillig folgten – überhaupt zu schützen seien.
Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht wurde bemerkt, dass es empirische Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Durchschnittskonsument (als hypothetische Referenzperson in der Rechtsanwendung) kommerzielle Kommunikation nicht als solche erkenne und folglich keine informierten Entscheide treffe. Dem wurde aus rechtlicher Sicht entgegnet, dass die Frage der Erkennbarkeit von Werbung – zumindest nach heutiger Praxis – eine Rechtsfrage sei, welche die Ausübung richterlichen Ermessens verlange und diese Aufgabe dem Richter vorbehalten bleiben müsse.
Insgesamt bestand zwischen den Interessengruppen Einigkeit, dass eine eindeutigere Rechtslage wünschenswert wäre. Wie diese erreicht werden könnte, darüber gingen die Meinungen jedoch auseinander. Die Vorschläge reichten von der Festigung der Praxis der SLK über die Übernahme eines schwedischen Regulierungsmodells hin zu weitergehenden Transparenzpflichten für Influencer.
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Fussnoten: |
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BLaw UZH, wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Immaterialgüterrecht an der Universität Zürich, Kilchberg. |
| 1 |
<www.sf-fs.ch>. |
| 2 |
<www.zkr.ch>. |
| 3 |
Influencer-Marketing wird im Folgenden verstanden als eine vom Influencer ausgehende kommunizierte Werbebotschaft an seine Follower für bestimmte Produkte (siehe hinten Ziff. IV.1.). |
| 4 |
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird die männliche Sprachform in diesem Bericht generisch verwendet. |
| 5 |
Siehe hinten Ziff. I.–III. |
| 6 |
Siehe hinten Ziff. IV.–VII. |
| 7 |
Siehe hinten Ziff. VIII. |
| 8 |
Vgl. dazu detailliert M. Senn, Influencer-Marketing und die Rechtswirklichkeit, Jusletter vom 16. Dezember 2019. |
| 9 |
Vgl. zum Trennungs- und Erkennbarkeitsgebot auch SLK-Grundsätze B.15.1 und B.15.2, Stand Januar 2019; siehe auch den Entscheid der SLK vom 11. September 2019, «Federer», sic! 2019, 716 ff., sowie den Entscheid der SLK vom 9. Januar 2002, «Bester Empfang. Höchste Tonqualität.», sic! 2002, 393 ff.; zur Rechtslage noch ohne Berücksichtigung der neuen SLK-entscheide S. Hanart / A. Schmid, Das Trennungs- und Kennzeichnungsgebot bei Beiträgen in sozialen Medien, sic! 2019, 353 ff. |
| 10 |
Vgl. für denkbare kontextuelle Indizien SLK-Grundsatz A.2. |
| 11 |
Vgl. zur Schleichwerbung auch SLK-Grundsatz B.15.5. |
| 12 |
Siehe hinten Ziff. IV.5. |
| 13 |
Siehe vorne Ziff. IV.2. |
| 14 |
Vgl. dazu auch SLK-Grundsatz B.16. |
| 15 |
Vgl. zum Ganzen – nebst den Hinweisen bei Senn (Fn. 8) – in allgemeiner Weise statt vieler M. M. Pedrazzini / F. A. Pedrazzini, Unlauterer Wettbewerb UWG, 2. Aufl., Bern 2002, Rz. 4.82 ff.; aus jüngerer Zeit vgl. BSK UWG-Berger, Art. 3 Abs. 1 lit. a, N 15 ff., sowie SHK UWG-Spitz, Art. 3 Abs. 1 lit. a, N 49; zur Prüfung vor der SLK vgl. den Entscheid der SLK vom 11. September 2019, «Tchoumi», E. 6, sic! 2019, 720 f. |
| 16 |
Vgl. den strengeren Massstab i.Z.m. «Google Street View» in BGE 138 II 346. |
| 17 |
Vgl. BGer vom 14. Januar 2013, 5A_792/2011; zum Mitwirken durch passives Verhalten BGE 141 III 513. |
| 18 |
Vgl. BGer vom 22. April 2014, 6B_8/2014, dazu kritisch M. Schweibold, forumpoenale 214, 198 ff.; BGE 137 IV 313 = Pra 2020 Nr. 53. |
| 19 |
Vgl. den Entscheid des KGer St. Gallen vom 9. Mai 2011, «Seckel», zur Abrufbarkeit des Urteils sowie m.w.H. vgl. S. Selman / M. Simmler, «Shitstorm» – strafrechtliche Dimensionen eines neuen Phänomens, ZStR 2018, 248 ff., Fn. 45 ff. |
| 20 |
Vgl. zu einem solchen Fall Urteil des OGer Zürich vom 17. August 2018, SB170428, sowie den dazugehörigen Bundesgerichtsentscheid, BGer vom 29. Januar 2020, 6B_1114/2018 (zur amtlichen Publikation vorgesehen). |
| 21 |
Vgl. Urteil des BezGer Zürich vom 26. Januar 2016, GG150250. |
| 22 |
Vgl. BGer vom 12. Januar 2000, 4C.354/1999, sic! 2000, 310 ff. |
| 23 |
Vom Referenten ist ein Beitrag geplant, der das Influencer-Marketing unter den Gesichtspunkten Immaterialgüterrecht, Medienrecht, Persönlichkeitsschutz und Vertragsrecht behandelt: L. Bühlmann / M. S. Meier, Influencer-Marketing und die Rechtswirklichkeit – Eine neue Werbeform im Spannungsfeld zwischen Immaterialgüter-, Medien- und Vertragsrecht, Jusletter im Erscheinen. |