«Wo ein Ermessen möglich ist, wird es nie völlige Voraussehbarkeit geben.»(zit. Rolf Brunner)
An der diesjährigen, von Meinrad Vetter und Michael Ritscher geleiteten Tagung des von INGRES in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Verband der Richter in Handelssachen durchgeführten Tagung am BVGer in St. Gallen trafen sich Vertreter praktisch aller Deutschschweizer, mit immaterialgüterrechtlichen Streitigkeiten befassten kantonalen Gerichte des Bundesgerichts und des BPatGer sowie Vertreter der Patent- und Rechtsanwaltschaft und der Unternehmen.
Ein Hauptziel dieser Tagung, nämlich einen Erfahrungsaustausch aller Beteiligten, sah Ritscher bereits erreicht. Vorrangige Aufmerksamkeit solle zudem einer Besonderheit von immaterialgüterrechtlichen gegenüber anderen Zivilprozessen geschenkt werden. Den Inhabern von Immaterialgüterrechten geht es nämlich in aller Regel darum, möglichst rasch einen Unterlassungsanspruch durchzusetzen.
Meinrad Vetter (Vizepräsident HGer Aargau) erklärte, seit Einführung der eidgenössischen ZPO 2011 hätten die Gerichte einen grossen Gestaltungsspielraum, etwa bei der Durchführung der Instruktionsverhandlung. Dennoch seien hierzu die Schranken des BGer betreffend neue Einbringen zu beachten (vgl. BGE 144 III 67; BGer 4A_70/2019). Heute besteht dazu zwar mehr Klarheit, aber immer noch viele Unklarheiten und grosse Unterschiede zwischen den kantonalen Gerichten. Zu nennen sind dabei etwa das Novenrecht nach Art. 229 ZPO, wonach erforderlich ist, dass neue Tatsachen und Beweismittel «ohne Verzug» vorgebracht werden müssen. Als Richter erkennt Vetter den Wunsch der Verfahrensbeteiligten nach mehr Rechtssicherheit. Er betonte auch die neuen taktischen Möglichkeiten für die Verfahrensparteien infolge der bevorstehenden ZPO-Revision, so etwa das freiwillige Schlichtungsverfahren i.S.v. Art. 198-VE ZPO bei Streitigkeiten vor einer einzigen kantonalen Instanz.
Im Anschluss referierte Mark Schweizer (Präsident BPatGer) über die Rahmenbedingungen eines Patentprozesses. Er eröffnete seinen Vortrag im ersten Teil zu den rechtlichen Rahmenbedingungen am Beispiel des diesjährigen Urteils BGer 4A_70/2019 vom 6. August 2019. Er rekapitulierte anhand dieses Falles die bisherige Praxis des BPatGer zum Novenrecht, wonach bisher dem Kläger die Möglichkeit eingeräumt worden war, sich (1) in der Klage (ohne thematische Beschränkung), (2) der beschränkten Replik (mit thematischer Beschränkung) sowie (3) der ergänzenden Replik (ohne thematische Beschränkung) zu äussern. Für das BGer ist es jedoch fraglich, ob diese thematische Aufteilung der Replik bundesrechtskonform ist (BGer 4A_70/2019, E. 2.4).
Im selben Entscheid hat das BGer darauf hingewiesen, dass sich im Behauptungsverfahren keine Partei dreimal unbeschränkt äussern darf (E. 2.4.2). Schweizer führte aus, dass er das als Signal an die Vorinstanz verstehe, weshalb inskünftig auf eine Aufteilung der Replik verzichtet werde. Offen bleibt nun, wann die Instruktionsverhandlung durchzuführen ist. Möglich ist dies inskünftig direkt nach der Klageantwort oder nach der Duplik, wobei beide Varianten Vor- und Nachteile mit sich bringen. Ausserdem hat die Instruktionsverhandlung zwei Funktionen, nämlich informell die Erzielung eines Vergleichs und formell die Erörterung des Streitgegenstandes. Ebenfalls kann eine Instruktionsverhandlung auch nur mit einer Partei durchgeführt werden. Im Massnahmeverfahren, wo sich jede Partei bekanntlich nur einmal äussern kann, plädiert er dafür, dass die Parteien die Möglichkeit haben sollen, sich zumindest via Stellungnahme zu neuen Vorbringen nochmals Gehör zu verschaffen. Auch brachte er ein, dass es seiner Ansicht nach zulässig sei, eine superprovisorische Massnahme nicht zu begründen. Eine einheitliche Ausgestaltung von Beweisverfügungen ist nicht vorhanden, vielmehr handelt es sich um kantonale Praxen, wozu es mangels Anfechtbarkeit keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt. Im nächsten Teil seines Referats ging Schweizer auf die menschlichen Rahmenbedingungen ein. Rechtsstreitigkeiten und Prozesse entstehen aus der Unsicherheit der Beteiligten, weil beide glauben, den Prozess gewinnen zu können. Je mehr Unsicherheit in einer Instruktionsverhandlung weggenommen wird, desto höher stehen die Vergleichschancen.
Schweizer leitete sodann über zu einem anderen Thema: die zunehmend lange Verfahrensdauer. Dies ist ein Problem, gerade weil die Wirtschaft immer schneller tickt. Die Fristenregelung des BPatGer ist online abrufbar, dennoch gibt es in praktisch allen Verfahren Fristerstreckungen. Das Gericht muss sich entsprechend um die Beschleunigung des Verfahrens bemühen. Daher hat das BPatGer auch damit begonnen, an einer Instruktionsverhandlung, bei der kein Vergleich erzielt wird, gleich die Fristen der nächsten Verfahrensschritte zu kommunizieren.
Kathrin Klett (Bundesrichterin) erklärte, dass der Unterscheid zwischen dem unbeschränkten Novenrecht und dem Recht, Stellung zu nehmen (etwa noch in der Duplik), in IP-Prozessen nicht anders sei als in normalen Forderungsprozessen.
Im Anschluss referierten Rolf Brunner (Präsident HGer St. Gallen), Matthias Studer (Leiter Geistiges Eigentum Migros-Genossenschafts-Bund) sowie Bernard Volken (Rechtsanwalt) über die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten.
Brunner äusserte sich aus der Sicht der Gerichte. Etwas vom Wichtigsten ist formelle Klarheit, namentlich klare und vollstreckbare Rechtsbegehren, denn dies führt zu Zeitgewinn. Ebenfalls relevant sind eine klare Sprache, Ausführungen in der Nähe zum Gesetzestext sowie der Verzicht auf unnötige Wiederholung und widersprüchliches Verhalten. Wer statt einer raschen Entscheidung eine Lösung in einer Instruktionsverhandlung will, soll dies anzeigen, denn ohne klare Kommunikation der Parteien ist dies für den Richter nicht ersichtlich. Das Problem bei einer Entscheidung kann sein, dass sie das Problem nicht löst und nicht rückgängig gemacht werden kann. Weiter brachte Brunner vor, dass er der telefonischen Kontaktaufnahme nicht abgeneigt sei, denn dies könne zu Zeitersparnis führen. Dennoch droht damit letztlich die Gefahr, in den Ausstand treten zu müssen, weshalb die geforderte Transparenz der Beteiligten eine schwierige Gratwanderung für das Gericht sein kann.
Das Bedürfnis nach Voraussehbarkeit ist verständlich, doch selbst Richter können nicht alles voraussehen. Auch sie wissen oftmals nicht von Anfang an, wie der Prozess ausgehen wird. Wo ein Ermessen möglich ist, wird es nie völlige Voraussehbarkeit geben. Völlige Voraussehbarkeit bieten nur starre Regeln. Wo der Gesetzgeber bewusst auf starre Regeln verzichtet und dem Gericht einen Ermessensspielraum einräumt, sollte dieses nicht im Dienste der Voraussehbarkeit auf die Ausübung des Ermessens gänzlich verzichten, indem es selber starre Regeln schafft. Das gilt auch für die Verfahrensleitung.
Studer schilderte aus der Sicht der Rechtssuchenden, dass es (obwohl dies nach aussen selten ersichtlich ist) auch innerhalb der Organisation des Rechtssuchenden viele Stakeholder mit gegensätzlichen Interessen gebe. Diese Interessen für das Gerichtsverfahren in Einklang zu bringen, ist nicht immer einfach. Eine wichtige Aufgabe des In-House-Counsels ist zudem das interne «Expectation Management». Erfahrung zeigt, dass die besten Gerichtsverfahren häufig die vermiedenen sind, denn gerade interne Stakeholder ohne juristischen Hintergrund unterschätzen, wie viel Geld und Zeit Verfahren verschlingen, und wie äussere Umstände (z. B. Konkurs der Gegenseite, sinkende Relevanz des Streits wegen Veränderungen im Geschäftsmodell etc.) ein Verfahren hinfällig machen können (ausser Spesen nichts gewesen). Ebenfalls sinkt die Motivationskurve der internen Stakeholder erfahrungsgemäss im Verlaufe des Prozesses merklich. Es muss somit sorgfältig abgewogen werden, ob sich ein Gerichtsverfahren wirklich lohnt. Ein Gang ans Gericht lässt sich aber z. B. dann kaum vermeiden, wenn zentrale Geschäftsmodelle des Rechtssuchenden in Gefahr sind.
Volken erklärte, dass aus der Sicht des Prozessanwalts eine gewisse Planbarkeit hinsichtlich Verfahren, materiellen Rechts und finanziellen Prozessmanagements wünschenswert wäre. Vier Fälle aus seiner Praxis exemplifizieren die Unberechenbarkeit dieser drei Aspekte. Auch seiner Ansicht nach kommt der Instruktionsverhandlung grosse Bedeutung zu. Wenn die Beteiligten mit der Eingabe von unaufgeforderten Noven so weiterfahren, wird die Prozessökonomie zu Grabe getragen. Oftmals möchten die Klienten wissen, wie gut ihre Chancen sind, doch nur die wenigsten Prozesse sind noch planbar, was keine Basis für Vergleichsverhandlungen ermöglicht. Trotz acht Jahren einheitlicher ZPO sind etwa in Markenrechtsangelegenheiten in den letzten fünf bis sieben Jahren die Prozessprognosen erheblich unberechenbarer geworden. Das Durchlaufen des Prozesses ist teilweise wie ein Flug um das Matterhorn ohne Instrumente. Er selbst hat die Erfahrung gemacht, nie mit den Gerichten über den Fall zu sprechen. Dennoch ist wichtig, etwa bei Vergleichsverhandlungen zu wissen, was die wesentlichen Parameter und der Ablauf sein werden. So sind klare prozessleitende Verfügungen wünschenswert. Die enorme Spannweite der Höhe der Prozesskosten ist oftmals nicht gut einschätzbar und vor allem für kleinere Unternehmen eine Herausforderung. Die beabsichtigte Revision des Bundesrats betreffend die Kostenvorschüsse, um die Hürde zum Recht zugunsten des Klägers zu reduzieren, ist begrüssenswert. Auch wenn eine völlige Voraussehbarkeit wegen des Ermessens der Gerichte nicht möglich ist, ist ein bisschen Voraussehbarkeit wünschenswert.
Studer stimmte zu, dass Parteien ihre Interessen oder Anliegen klar kommunizieren sollten. Oft ist ein aussergerichtlicher Vergleich zielführender als ein Entscheid, weil im Vergleich die Sache umfassender und für beide Seiten mit klareren Eckpunkten geklärt werden kann. Daraufhin erklärte Schweizer, dass er gemeinsame Verfahrensanträge aus richterlicher Sicht grundsätzlich gutheisse. Dem stimmte auch Brunner zu. Betreffend unaufgeforderten Eingaben erklärte Vetter, er habe den Eindruck, die Rechtsvertreter möchten immer das letzte Wort haben. Volken brachte daraufhin vor, dass es zwar durchaus Fälle gebe, in denen sich unaufgeforderte Eingaben aufdrängen, diese jedoch die Minderheit bildeten. Deswegen sollten sich Prozessanwälte vielmehr überlegen, was wo reingehört, denn unaufgeforderte Eingaben führen letztlich zu einem Spiraleffekt und die andere Partei fühlt sich psychologisch im Nachteil, wenn sie nicht auch nochmals eine Eingabe dazu macht. Besonders im Patentrecht ist dies aber eher der Fall als im Markenrecht. Dies zu vermeiden, liegt in der Verantwortung der Rechtsvertreter. Studer ergänzte, dass es eine gewisse Souveränität brauche, um das «Ping Pong» der Eingaben zu beenden, hofft aber, dass dies vom Gericht auch entsprechend gewürdigt und nicht zum Nachteil der «vernünftigen» Partei ausgelegt werde (z. B. wenn man nicht nochmals auf jede bereits früher bestrittene Behauptung der Gegenseite nochmals eingeht). Hinsichtlich der Art und Weise, wie es mit unaufgeforderten Eingaben umgeht, sollte ein Gericht möglichst klare Anweisungen geben.
Hierzu wendete Peter Widmer (Rechtsanwalt) ein, dass bei Klienten ein grosses Bedürfnis besteht, sich intern abzusichern, da sie ja meistens rechenschaftspflichtig seien. Es ist also eine schwierige Entscheidung für den Prozessanwalt, im richtigen Moment abzuklemmen. Brunner erklärte, dass betreffend Bestreitung der Einbringen Unsicherheit bestehe und die Gerichte klar kommunizieren sollten, was die Gegenpartei im Rahmen einer nachträglichen Eingabe noch substanziiert bestreiten müsse. Auch Vetter stimmte dem zu. Christian Josi (Präsident HGer Bern) erläuterte die Praxis des HGer Bern zu unaufgeforderten Eingaben. Diese werden nicht beachtet, solange es im weiteren Verfahren noch prozessrechtliche Möglichkeiten zur Stellungnahme gibt, etwa in einer Hauptverhandlung, einem Parteivortrag oder einem Schlussvortrag. Die Eingaben werden zwar zu den Akten genommen, aber es wird verfügt, dass sie nicht beachtet werden.
Im Anschluss referierten Josi, Studer und Widmer zum Timing im Prozess.
Josi erklärte, dass ein schneller Prozess wünschenswert sei, doch je nach Fallbelastung und vorhandenen Ressourcen das Treffen einer zeitnahen Entscheidung nicht möglich sei. Auch spielen weiche Faktoren mit, etwa das Richtertemperament oder die Komplexität der Fälle. Es obliegt daher der Prozessleitung, die Weichen zu stellen. Doch auch seitens der Parteien gibt es Strategien, Zeit zu gewinnen, etwa mittels Fristerstreckungen. Oftmals zeigt sich auch eine Inflexibilität betreffend Terminsuche und die zunehmende Tendenz eines «EMRK-Schriftenwechsels». Hier geht viel Zeit verloren. Aus der Schiedsgerichtsbarkeit ist bekannt, dass ein klares Prozessmanagement eine Planung ermöglicht, wobei die Gerichte hierin auf die Bedürfnisse der Parteien durchaus Rücksicht nehmen können. Dieses Prozessmanagement ist ein erster Lösungsansatz für ein besseres Timing. Absprachen sind im Rahmen des gerichtlichen Ermessens zulässig, doch obliegt nach Art. 124 Abs. 1 ZPO die Prozessleitung dem Gericht. Zu beachten ist ausserdem, dass sich nicht alle Prozessstadien gleich für Absprachen eignen. Fristerstreckungsgesuche sind aus zeitlichen Gründen zu vermeiden. Am HGer Bern werden längere Fristen angesetzt, die – ausser aus zwingenden Gründen – nicht erstreckbar sind. Dies wird in den Verfügungen klar kommuniziert. Eine Zeitersparnis liesse sich auch erreichen, indem Verhandlungstermine bereits während des Schriftenwechsels festgesetzt würden, z. B. während der Klageantwortfrist schon der Termin für die Instruktionsverhandlung und während der Duplikfrist jener der Hauptverhandlung. Dies setzt aber voraus, dass alle Beteiligten bereit sind, sich an die entsprechenden Absprachen zu halten. Einen weiteren Ansatz zur Lösung sieht Josi bspw. darin, dass Anwälte in Ausnahmefällen auf den zweiten Schriftenwechsel verzichten. Etwa, wenn nur oder überwiegend über Rechtsfragen zu beurteilen ist oder einfache Sachverhaltsfragen zu klären sind. Alternativ, falls ein zweiter Schriftenwechsel durchgeführt worden ist, kann in der Hauptverhandlung viel Zeit gespart werden, indem auf den ersten Parteivortrag verzichtet wird. Möglich ist auch die Einführung einer Redezeitbeschränkung oder der Verzicht auf den Antrag, die Schlussvorträge schriftlich einzureichen. Für ein optimaleres Timing sollte also im Rahmen eines Prozessmanagements mehr gemeinsam unter den Beteiligten geplant und auf unnötige prozessuale Schritte verzichtet werden.
Widmer brachte hierzu vor, dass die Planbarkeit eines Prozesses kein einfaches Unterfangen für Anwälte sei, und verglich die Rolle des Anwalts mit jener eines jonglierenden Zirkuskünstlers. Fristerstreckungsgesuche werden nicht etwa aus böser Absicht gestellt, sondern vielmehr, um dies mit den anderen laufenden Verfahren oder etwa Absenzen intern sowie mit den Vorgaben des Klienten in Einklang zu bringen. Die Vorteile einer klaren Prozessplanung durch das Gericht sieht er etwa darin, dass die ausländische Klientschaft dann besser weiss, was sie erwartet. Denn deren Verständnis der Teilnahme an einem Prozess (Stichwort Kreuzverhör) ist oft diametral anders als das unsere. Hilfreich ist also eine frühe, klare Kommunikation seitens des Gerichts. Beschleunigen kann man ein Verfahren ebenfalls z. B. mit einer Strafanzeige gegen das Management. Der Anwalt hat also verschiedene Druckmittel, um einen Entscheid zu steuern. Auch ist klar, dass nicht alle Prozessschritte vorgelegt werden wollen, es stets auf die Parteistellung ankommt und man probiert, eine gewisse Flexibilität zu wahren.
Studer erklärte, dass im Rahmen eines Fristenmanagements Fristentabellen, wie jene des BPatGer, die online verfügbar ist, sehr hilfreich seien. Ebenso erwähnte er, dass digitale Kanäle besser genutzt werden sollten (z. B. für das elektronische Versenden von Beilagen, Vereinbarung von Terminen etc.), weil sie Verfahren auch beschleunigen können. Betreffend Massnahmeverfahren erachtet Studer die strenge, sehr zurückhaltende Praxis des BGer bei der Überprüfung von Massnahmeentscheiden (es wird ein Nachteil «rechtlicher Natur» verlangt, aufschiebende Wirkung wird kaum je erteilt) als problematisch. So können gemäss Studer selbst «Fehler» des Einzelrichters oder der Einzelrichterin im Massnahmeverfahren (z. B. ein Verstoss gegen die Dispositionsmaxime oder eine klar falsche Rechtsanwendung) erst mit dem Endentscheid oder danach bei der Rechtsmittelinstanz korrigiert werden. Da immaterialgüterrechtliche Streitigkeiten häufig bereits mit dem Entscheid über die Massnahme «gelaufen» sind, ist diese Praxis des BGer für Rechtssuchende unbefriedigend und erschwert die Voraussehbarkeit von Verfahren.
Brunner erklärte, die Parteien erwarteten vom Massnahmeverfahren oftmals eine Art raschen Rechtsschutz. Massnahmeentscheide werden aber als etwas Vorläufiges erachtet, das ohnehin nicht Bestand hat. Dies vermag die hohen Hürden für Beschwerden gegen Entscheide im Massnahmeverfahren zu erklären. Man kann letztlich nicht das Hauptverfahren ins vorsorgliche Massnahmeverfahren vorverlegen. Dem pflichtete auch Studer bei. Aber ein Massnahmeentscheid hat Auswirkungen auf die gesamte Geschäftsplanung. Eine einfachere Überprüfbarkeit ist daher zumindest bei krassen Fehlern wünschenswert. Das findet auch Widmer, denn eine Verzögerung des Rechtsschutzes ist nicht im Sinne der Verfahrensbeschleunigung.
Andrea Mondini (Rechtsanwalt) nannte einen Fall, in dem es zu einer Haftung des Gesuchstellers infolge einer sich als nachträglich ungerechtfertigt erwiesenen vorsorglichen Massnahme gekommen war. Doch letztlich erhielt man relativ wenig Geld hierfür, und die Schadenssubstantiierung erwies sich als schwierig.
Ritscher bemerkte, dass es wichtig sei, dass Richter in der Instruktionsverhandlung das Verfahren aktiv verfolgten und die Parteien nicht einfach durchplädierten. Die Publikation einer Fristentabelle wie jene des BPatGer ist sicherlich vorbildlich. Dennoch plädiert er für eine gewisse Flexibilität in der Handhabung der Fristen. Ritscher ergänzte, dass man betreffend Verfahrensdauer von einer Rechtsvereinheitlichung noch weit entfernt sei. In Deutschland etwa hat er die Erfahrung gemacht, dass konsequent Termine für die Hauptverhandlung angesetzt werden. Studer brachte vor, dass er dies sehr begrüsse, dagegen spreche ausser Zeitaufwand wenig. Martin Ruge (Ferag AG) stellte als Industrievertreter die Frage, ob nicht eine Möglichkeit bestehe, wie in der Industrie einen Projektleiter für die Prozessplanung zu schaffen. Denn jede Verzögerung kostet die Parteien Geld, schafft Rechtsunsicherheit, und es stellt sich die Frage, wer die Kosten für die Zeit der Rechtsunsicherheit trägt. Ritscher entgegnete, dass die Allokation der Kosten hierfür problematisch sei. Auch Vetter meinte, dass viele Faktoren hier hineinspielten und das Gericht diesbezüglich nur einer der vielen Akteure sei.
Im Anschluss referierten Roland Schmid (Präsident HGer Zürich), Studer und Widmer über die Ausgestaltungsmöglichkeiten sowie den Sinn und Zweck der Vergleichsverhandlung.
Schmid strich die hohe Bedeutung der Vergleichsverhandlung in der Praxis des HGer Zürich heraus. In 60 bis 70 % der Fälle kann ein Vergleich abgeschlossen werden. Die Vergleichsverhandlung wird als Dienstleistung gegenüber den Parteien angesehen und setzt vorgängig eine profunde Abklärung der Rechts- und Sachlage sowie der Risiken der Parteien voraus. Den Parteien soll mit einer Einschätzung des Gerichts eine verbesserte Entscheidungsgrundlage geliefert werden. Wie die Parteien dann mit dieser Einschätzung umgehen, ist eine andere Frage.
Einer solch hohen Vergleichsrate wie am HGer Zürich stand Studer positiv gegenüber. Der Vergleich ist einem Urteil oft vorzuziehen, weil der Regelungsgehalt viel umfangreicher sein kann als jener eines Urteils. Für grössere Unternehmen können Vergleichsverhandlungen aber auch problematisch sein. Oft wird aufgrund der höheren Finanzkraft eine grössere Kompromissbereitschaft erwartet. Eine solche Annahme kann die Vergleichsbereitschaft aber erheblich schmälern.
Widmer bemerkte, dass ein Vergleich von ausländischen Klienten oft als Niederlage angesehen werde. Insbesondere, wenn unternehmensintern ein Urteil gefordert wird und der Prozess schon emotional aufgeladen ist, kann ein Vergleich nur erschwert schmackhaft gemacht werden. Ein Vergleich kann zudem eine unerwünscht schwache Signalwirkung für allfällige Parallelprozesse im Ausland aussenden. Aufgrund der Erwartungshaltung der Klienten muss man gegenüber diesen als Anwalt auch vorsichtig mit der Mitteilung von prozentualen Prozesschancen sein. Wurden vor dem Prozess positive Prozesschancen genannt, wollen sich viele Klienten nicht mehr mit einem Vergleich abfinden. Aber auch das Gericht muss vorsichtig sein, wenn es eine Einschätzung abgibt und vorschnell konkrete Beträge nennt. Hier entsteht eine Diskrepanz zwischen dem Bedürfnis einer schnellen Einschätzung durch das Gericht und einer vernünftigen Prozessführung.
Dem stimmte Schmid zu. Es ist deshalb zu empfehlen – wenn überhaupt –, nur einen bestimmten Rahmen bei der Nennung von Beträgen festzulegen. Selbst dann besteht aber die Gefahr, dass die Parteien in erster Linie einen Mindestbetrag heraushören.
Im weiteren Verlauf diskutierten das Panel und weitere Teilnehmer über unterschiedliche Zeitpunkte der Ansetzung einer Vergleichsverhandlung an den Gerichten.
Hinsichtlich des idealen Zeitpunkts der Vergleichsverhandlung brachte Schmid vor, dass diese am HGer Zürich üblicherweise nach dem ersten Schriftenwechsel durchgeführt werde. Es gibt aber auch Gerichte, die meist nach dem zweiten Schriftenwechsel noch auf einen Vergleich hinwirken wollen. Allgemein müssen Parteien Gründe vorbringen, wenn sie nicht an einer Vergleichsverhandlung teilnehmen wollen. Solche sind bspw. der Wunsch nach einem Präjudiz, das Vorliegen eines Pilotprozesses oder eine bereits erfolglos durchgeführte Mediation.
Widmer brachte hierzu vor, dass es schwieriger werde, der eigenen Partei einen Vergleich zu verkaufen, je weiter fortgeschritten das Verfahrensstadium sei und je höher die bereits getätigten Investitionen angefallen seien. Dazu ergänzte Schweizer, dass am BPatGer die Erfolgsquote von Vergleichen am Schluss der Hauptverhandlung sehr tief sei, auch wenn das Gericht normalerweise immer noch einen Vergleich anbiete. Gleich wie am HGer Zürich wird es grundsätzlich auch am HGer Bern gehandhabt. Hierzu bemerkte Josi zudem, dass Parteien auch schon für eine Vergleichsverhandlung vorgeladen wurden, obwohl sie im Vorfeld eigentlich kein Interesse bekundeten.
Vetter warf die Frage auf, ob eine Teilnahme des obersten Managements an Vergleichsverhandlungen sinnvoll und erfolgsversprechend wäre. Diesem Ansinnen stand Studer eher kritisch gegenüber. Gerade wenn die Mitglieder des obersten Managements eine gewisse Bekanntheit haben, kann dies zu einer zu grossen Publizität führen (Medien etc.), was der pragmatischen Vergleichsfindung nicht unbedingt förderlich ist. Insgesamt ist deshalb eine Teilnahme des oberen Managements an der Vergleichsvershandlung wohl nicht förderlich. Schmid befand, dass für ihn als Richter nicht zwingend das oberste Management bei der Vergleichsverhandlung teilnehmen müsse. Wichtig sei aber, dass zumindest entscheidungsbefugte Personen anwesend sind. Andernfalls müsse ständig ein Einverständnis aus der Ferne von Personen eingeholt werden, die nicht direkt mit der Entwicklung der Verhandlung vertraut sind.
Ein eher kontroverses Thema schien jenes der Einzelgespräche vom Gericht mit nur einer Partei zu sein. Es zeigte sich, dass hierzu auch unter den Vertretern der Gerichte gänzlich unterschiedliche Ansichten herrschten. Am HGer Zürich werden Einzelgespräche mit Parteien anlässlich der Vergleichsverhandlung regelmässig durchgeführt, wie Schmid bekannt gab. Der Vorteil von Einzelgesprächen ist, dass man einer Partei auch auf einer anderen als der juristischen Ebene gegenübertreten kann. Wenn gewisse Regeln eingehalten werden, kann ein solches Gespräch durchaus positiv für den Ausgang einer Vergleichsverhandlung sein.
Studer brachte den Einwand vor, dass Einzelgespräche die Ausnahme sein müssten, und in jedem Fall nur mit Zustimmung aller Beteiligten und stets unter Beisein der eigenen Anwälte erfolgen sollten. Kein grosser Anhänger von Einzelgesprächen ist Widmer. In Anbetracht seines Auftrags gegenüber dem Klienten ist es für ihn undenkbar, dass dieser zu einem Einzelgespräch ohne seine Anwesenheit quasi gezwungen wird. Am HGer Bern – so Josi – kommen Einzelgespräche durchaus vor, allerdings nie ohne Anwalt. Für ihn ermöglichen Einzelgespräche in erster Linie eine offenere Einschätzung der Prozesschancen gegenüber einer Partei, ohne dass die andere gleich mithört. Anders sah dies Schweizer. Er befand, dass, solange er Präsident am BPatGer sei, keine Einzelgespräche durchgeführt werden. Gemäss Brunner gibt es bei Verfahren vor dem HGer St. Gallen nur in Ausnahmefällen Einzelgespräche. Solche Ausnahmefälle liegen etwa dann |vor, wenn einer Partei ein besonders hohes Prozessrisiko mitgeteilt werden soll, das in den Rechtsschriften noch nicht thematisiert wurde, oder wenn eine emotional aufgeladene Stimmung herrscht.
Im Teil zu Besonderheiten bei Prozessen vor dem BPatGer sassen Schweizer und Martin Wilming (Patentanwalt) im Panel. Auch hier entstand rasch eine offene Diskussion.
Zur Frage des Plädierens vor dem BPatGer wollte Ritscher von den Anwesenden wissen, ob ein mündlich frei vorgetragenes oder ein schriftliches Plädoyer bevorzugt werde. Für Wilming wirkt es skurril, wenn in einer mündlichen Verhandlung ein ganzes Plädoyer einfach abgelesen wird. Ein frei vorgetragenes Plädoyer wird wohl über mehr Überzeugungskraft verfügen. Auch Brunner hält eine freie Rede für angenehmer zum Zuhören. Er gab zu bedenken, dass man sich aber grundsätzlich über Sinn und Zweck der Parteivorträge an der Hauptverhandlung Gedanken machen solle. Der Nutzen ist sehr beschränkt, da ohnehin grundsätzlich keine neuen Vorbringen mehr gemacht werden dürfen. Ein Richter, der sich korrekt mit der Sache befasst hat, wird in der Regel durch Parteivorträge nicht umgestimmt werden können.
Auch andere Richter stimmten dieser Aussage zu. So war etwa Schmid der Meinung, dass an der Hauptverhandlung normalerweise nichts Neues zutage trete. Demzufolge helfe diese bei der Entscheidfindung meist auch nicht weiter. Schweizer hingegen fand, dass mit dem letzten Parteivortrag – falls thematisch auf das wesentliche begrenzt – eine gewisse Überzeugungsarbeit geleistet werden könne. In gewissen Fällen, die auf der Kippe stehen, können deshalb die Parteivorträge noch das «Zünglein an der Waage» sein. Vetter ergänzte, dass dies zumindest bei jenen Parteivorträgen der Fall sei, in denen sich der Anwalt nochmals auf die wesentlichen Punkte konzentriert und nur diese und dafür umso überzeugender thematisiere.
Ein weiterer von Ritscher aufgebrachter Diskussionspunkt war der Einfluss des internationalen Austauschs und Rechtsvergleichs unter Patentrichtern. Im Sinne der Harmonisierung des Rechts ist dies sicherlich zu befürworten. Nachteilig am Blick über die Grenze kann sich aber auswirken, dass allenfalls zu unkritisch und «blind» auf ausländische Gerichtsentscheide vertraut wird.
Gerade im Patentrecht sind ausländische Gerichtsurteile auch für Schweizer von besonderer Relevanz. Diese haben jedoch bloss «persuasive authority». Bevor man einem ausländischem Urteil folgt, muss daher geprüft werden, ob das Urteil denn auch wirklich «persuasive» ist. Dem pflichtet Brunner bei und findet unter diesem Blickwinkel die Auswahl an zitierten ausländischen Urteilen zu einseitig. Meist sind in Schweizer Urteilen nur solche aus Deutschland oder Österreich zitiert. Auf der Suche nach «persuasive authority» wäre auch ein Blick nach Frankreich oder Italien – besonders im Hinblick auf die Respektierung der Landessprachen – erforderlich und lohnenswert.
Von anderen anwesenden Anwälten wollte Ritscher deren Einschätzung zu den Auswirkungen der neuen bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu den Schriftenwechseln wissen.
Thierry Calame (Rechtsanwalt) war der Ansicht, dass gewisse Aspekte in der Folge wohl bereits in der Klageschrift abgehandelt wurden. Hinsichtlich der Instruktionsverhandlung wäre eine kurze Eingabe für Vergleichszwecke, wie es vorhin bereits angetönt wurde, durchaus sinnvoll. Es bleiben aber offene Fragen zur Zulässigkeit. Grundsätzlich ähnlich sah es Andri Hess (Rechtsanwalt). Insbesondere für Richter kann es sehr anspruchsvoll werden, da sie sich allenfalls darauf vorbereiten und einstellen müssen, von der Klägerin vorweggenommene Argumente zu behandeln. Anderer Meinung war Lara Dorigo (Rechtsanwältin). Die Nichtigkeitswiderklage wird damit wohl seltener, eine Gefahr vor vielen Eventualanträgen sei wohl aber nicht zu befürchten. Die entsprechenden Ausführungen werden wohl weiterhin in der Replik dargelegt werden.
Zuletzt referierte Kathrin Klett (Bundesrichterin) über Besonderheiten bei Prozessen vor dem BGer.
Von den rund 8000 Fällen, die das BGer jährlich zu beurteilen hat, entfallen 700 bis 900 auf die erste zivilrechtliche Abteilung, die u. a. Streitigkeiten über Immaterialgüterrechte beurteilt. Zur Bewältigung dieser Fallmenge ist eine Triage notwendig. Rund ein Drittel der Beschwerden wird durch Nichteintreten im Einzelrichterverfahren erledigt. Die materielle Beurteilung der Beschwerden setzt gehörige Rügen voraus. Es ist daher wichtig, in der Beschwerde die Schwachpunkte des angefochtenen Entscheides aufzuzeigen. Dabei ist die Unterscheidung von Tatfragen und Rechtsfragen wesentlich. Die Aufgabe des Bundesgerichts besteht in der Rechtskontrolle, Tatsachenfeststellungen können nur gerügt werden, wenn Willkür vorliegt. Dies ist bei der Begründung der Beschwerde zu beachten, da nur auf gehörig begründete Rügen eingetreten wird (auch wenn die Unterscheidung zuweilen schwierig erscheinen mag). Die Vernehmlassung der Gegenpartei hat denselben Begründungsanforderungen wie die Beschwerde zu genügen. Sie ist v. a. dann wichtig, wenn die Rügen in der Beschwerde gegen die Begründung des angefochtenen Entscheides zutreffen. In diesem Fall kann das der Gegenpartei günstige Urteil u. U. mit einer anderen Begründung geschützt werden, aber die Gegenpartei muss nachweisen, dass sie dafür allenfalls erhebliche Tatsachenbehauptungen prozesskonform vor Vorinstanz vorgebracht hat. Vernehmlassungen der Vorinstanz sind hilfreich, wenn Verfahrensfehler gerügt werden. Bei der Instruktion im engeren Sinne wird zuweilen beanstandet, dass manchmal die richterlich zu bestimmende Frist für die Antwort länger angesetzt wird als die gesetzliche Beschwerdefrist. Da die tatsächlich für die Begründung zur Verfügung stehende Zeit aber von den Umständen abhängt und nur ein Element gleicher Bedingungen für die Parteien bildet, kann von einem Verstoss gegen die Gleichbehandlung keine Rede sein, wenn die Fristen nicht auf den Tag genau gleich bemessen sind.
Im Anschluss an ihr Referat beantwortete Klett einige Fragen der Anwesenden.
Eine Frage aus dem Publikum war jene, ob und wie das BGer bzw. die Bundesrichterinnen und -richter sich mit der Aufnahme ihrer Urteile in Fachkreisen auseinandersetzten.
Klett bestätigte, dass Kritik an Bundesgerichtsurteilen zur Kenntnis genommen werde. Die Auseinandersetzung mit der Rezeption der Urteile in Fachkreisen ist aber nicht institutionalisiert. Von den Bundesrichterinnen und -richtern wird aber selbstverständlich erwartet, dass sie dies selbständig tun. Klett kam im Anschluss auch auf die Verfahrenslänge zu sprechen. Was dies anbelangt, unterliegen die Bundesrichterinnen und -richter einer gewissen Kontrolle. Bei hängigen Verfahren muss alle zwei Jahre eine Begründung abgegeben werden, weshalb diese noch nicht abgeschlossen wurden. Daneben gibt es auch informelle Richtlinien und Vorgaben. Auch für das BGer gilt deshalb der Grundsatz, dass gute Justiz zeitgerechte Justiz ist.
Ritscher bemerkte, dass nach seinem Empfinden das BGer ausgesprochen schnell Entscheide erlasse, gerade wenn man dies mit den Verfahrensdauern im Ausland vergleiche. Er stellte den Anwesenden die Frage, wie nach ihrer Erfahrung im Austausch mit internationalen Klienten und Kollegen die Schweiz als Austragungsort von Konflikten wahrgenommen wird (Stichwort Forum Shopping).
Andrea Mondini (Rechtsanwalt) findet es sehr lobenswert, dass am BPatGer auf Englisch prozessiert werden kann. Dies wird von Klienten auch anerkannt und sehr gut aufgenommen.
Ein anderer Einwand eines Teilnehmers aus dem Publikum war aber, dass die gleichzeitige Praxistätigkeit sämtlicher Fachrichter des BPatGer sehr befremdlich wirken könne. Insbesondere deutsche Kollegen wundern sich oft darüber. Ritscher konstatierte hierzu, dass dies von Anfang an seit der Gründung als «Achillesverse» empfunden worden sei. Insgesamt überwiegen die positiven Effekte aber klar.
Zum Schluss wurden nochmals einige «Learnings» der Tagung zusammengetragen. Eine allgemeine Erkenntnis hinsichtlich der verschiedenen Praxen der kantonalen Handelsgerichte war, dass die mangelnde Vereinheitlichung für Rechtssuchende und deren Anwälte teilweise schwierig sein kann. Als Erfolg der Tagung konnte gewertet werden, dass die Publikation gewisser Praxishinweise auf den Gerichtswebsites von allen Seiten begrüsst und von den anwesenden Gerichtspräsidenten auch zur (weiteren) Umsetzung angekündigt wurde. Schweizer fand vor allem den Gedanken interessant, dass nachträgliche Parteieingaben der Gegenpartei mit dem Hinweis zugestellt werden, dass der Inhalt als bestritten gilt. Ein solches Vorgehen ist, um ein unnötiges Hin und Her unaufgeforderter Eingaben zu vermeiden, sicherlich zu prüfen. Für Vetter war die Sicht in das Innenleben eines Unternehmens, dargelegt durch Studer, sehr interessant. Des Weiteren ermutigte er Anwälte dazu, bei Fragen zu Verfahrensabläufen proaktiv auf das Gericht zuzugehen und bei Wünschen entsprechende Anträge zu stellen. Dies vereinfacht die Aufgabe und das Prozessmanagement durch das Gericht erheblich, da dieses die Beweggründe der Parteien aufgrund verschiedener Faktoren meist nicht nachvollziehen kann.
Studer befürwortete insbesondere die Idee der Erstellung einer Verfahrensplanung durch Gericht und Anwälte. Dass die Verfahrensausgestaltung kantonal unterschiedlich ausfällt, ist wahrscheinlich einfach eine schweizerische Ausprägung, letztlich macht es die Verfahrensplanung aber nicht einfacher. Widmer erkannte Handlungsbedarf bei den Weiterzugsmöglichkeiten von vorsorglichen Massnahmen. Hier ist möglicherweise ein Umdenken gefragt. Bei der Diversität der Praxen unter den Gerichten gibt es sowohl Nachteile wie auch Chancen. Eine Chance besteht insbesondere darin, dass ein gewisser Wettbewerb zwischen den Gerichten besteht, der zu attraktiveren Bedingungen führt. Attraktiv sind Gerichte mit transparenten Regeln und berechenbarer Zeitplanung, wenngleich Anwälte durch ihre eigenen Handlungen ebenso an der Zeitplanung mitwirken.
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Fussnoten: |
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Rechtsanwältin, LL.M, Zürich. |
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MLaw, Zürich. |