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Berichte / Rapports

Am 26. Oktober 2018 fand in Zürich das von den Patentanwaltsverbänden VIPS und VESPA gemeinsam veranstaltete Herbstseminar zum Thema «Mittelbare Patentverletzung» statt. Das mit nahezu 120 Teilnehmern sehr gut besuchte Seminar bot einen Überblick über die Rechtsprechung in der Schweiz und in Deutschland. Ebenfalls thematisiert wurden die ab Anfang 2019 in Kraft stehenden Neuerungen des Patentgesetzes und die Patentverletzung durch additive Fertigung (3D-Druck).

I. Dogmatische Grundlagen der mittelbaren Patentverletzung

In einem einleitenden Vortrag gab Prof. Dr. Cyrill P. Rigamonti einen Überblick über die historische Entwicklung der mittelbaren Patentverletzung. Er diskutierte auch unterschiedliche Lösungsansätze zum Vorgehen gegen die Lieferung patentfreier Gegenstände, die patentgemäss verwendet werden können.

Ein erster Lösungsansatz wäre, dass der Patentinhaber den Lieferanten gar nicht ins Recht fassen dürfte und sich ausschliesslich an den belieferten Patentverletzer wenden müsste. Eine zweite Lösung bestünde darin, die Lieferung patentfreier Gegenstände als eine direkte Patentverletzung zu qualifizieren. In fast allen Rechtsordnungen hat sich jedoch ein dritter Ansatz, nämlich die «Teilnahme an einer direkten Patentverletzung», durchgesetzt. Diese Rechtsfigur entspricht der Anstiftung im Strafrecht. Der Grundsatz, dass ein Teilnehmer an einer direkten Verletzung ins Recht gefasst werden kann, ist unumstritten. Unklar ist allerdings, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit eine rechtswidrige Teilnahmehandlung vorliegt. Die Rechtsgrundlage bildet in der Schweiz Art. 66 lit. d PatG. In Deutschland kommt noch ein vierter Ansatz zum Zuge, nämlich die mittelbare Erfindungsbenutzung. Dies ist ein unabhängiger Tatbestand.

In der Schweiz gilt das Prinzip der Akzessorietät. Eine widerrechtliche Haupttat muss in der Schweiz begangen worden sein, damit eine Teilnahme nach Art. 66 lit. d PatG überhaupt infrage kommt. Entweder fand eine patentverletzende Haupttat bereits statt oder eine solche droht unmittelbar. Im Gegensatz zur Haupttat kann die Teilnahmehandlung auch im Ausland stattfinden.

Das Bundesgericht setzte sich im Jahre 2003 im Entscheid «Schiffchen-Stickmaschine» mit der mittelbaren Patentverletzung auseinander. Es hielt fest, dass der Abnehmer die Vorrichtung patentverletzend einsetzen oder einzusetzen beabsichtigen muss. Der Lieferant macht sich zivilrechtlich nur dann verantwortlich, wenn er weiss oder wissen muss, dass die von ihm angebotenen oder gelieferten Mittel geeignet und vom Abnehmer dazu bestimmt sind, für die Benützung der geschützten Erfindung verwendet zu werden.

Somit setzt eine widerrechtliche Teilnahme einen objektiven Zusammenhang zwischen Teilnahme und Haupttat und subjektive Tatbestandselemente seitens des Teilnehmers voraus. Bezüglich der Subjektivität stellt sich die Frage, ob der Teilnehmer nur die Handlung des Abnehmers kennen, oder ob ihm die Patentverletzung bewusst sein muss. Beispielsweise wäre zu fragen, ob ein Hersteller von Elektromotoren, welcher seine Produkte an Waschmaschinenproduzenten liefert, die Waschmaschinen-Patente ebenfalls kennen muss.

II. Mittelbare Patentverletzung und Erschöpfung in Deutschland

In einem zweiten Referat berichtete Dr. Matthias Zigann, Vorsitzender Richter am Landgericht München I, über die deutsche Rechtsprechung zur mittelbaren Patentverletzung. Grundlage in Deutschland bildet § 10 PatG. Demnach ist es jedem Dritten verboten, Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiss oder es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

Zigann hob hervor, dass das Mittel im Mittelpunkt der Diskussion steht. Voraussetzung für eine mittelbare Patentverletzung ist, dass sich das Mittel auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht. Im Entscheid «Flügelradzähler» aus dem Jahre 2004 hielt der BGH fest, was Bestandteil des Patentanspruchs sei, sei regelmässig bereits deshalb auch wesentliches Element der Erfindung. Daher komme es nicht darauf an, mit welchem Merkmal oder mit welchen Merkmalen des Patentanspruchs das Mittel zusammenwirke.

Zigann illustrierte diesen Entscheid anhand eines Verfahrensanspruchs mit dem einen von mehreren Merkmalen, dass die Spitzen langer Haare mit einer speziellen Schere geschnitten werden. Eine spezielle Schere ist damit aufgrund ihrer Erwähnung im Patentanspruch ein wesentliches Element des beanspruchten Verfahrens und es spielt dabei keine Rolle, dass die Schere für sich alleine Stand der Technik ist.

Im Entscheid «MPEG-2-Videosignalkodierung» aus dem Jahre 2012 hielt der BGH weiter fest, dass das gelieferte Mittel dabei helfen müsse, wie ein «Rädchen im Getriebe» die geschützte Erfindung vollständig ins Werk zu setzen. Ausgeschlossen seien daher solche Mittel, die zwar bei der Benutzung der Erfindung verwendet würden, zur Verwirklichung der technischen Lehre der Erfindung aber nicht beitragen. Diskutiert am Beispiel von Ziganns Verfahrensanspruch bedeutet dies, dass sich die Lieferung von Langhaarperücken nicht auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht, obwohl «Haare» im Patentanspruch explizit genannt sind.

Zigann folgerte für die Anspruchsformulierung, das Mittel so weit möglich selbst und so wenig wie möglich darüber hinaus zu beanspruchen. Im Weiteren sollte im Anspruch das Zusammenwirken des Mittels mit den übrigen Merkmalen herausgestellt werden. Im Übrigen könne es auch vorteilhaft sein, Vorbereitungshandlungen in den Anspruch mit aufzunehmen, wobei aber die Vor- und Nachteile abzuwägen seien.

In einem zweiten Teil seines Vortrages diskutierte Zigann den Unterschied zwischen einer nicht patentverletzenden, üblichen Erhaltungsmassnahme und einer verbotenen Neuherstellung. Reparatur- und Erhaltungsmassnahmen bzw. ein Austausch von Verschleissteilen an einer erschöpften Vorrichtung sind erlaubt, soweit sie die Identität der erschöpften Vorrichtung wahren. Ein Austausch von Teilen ist allerdings dann verboten, wenn die technischen Wirkungen der Erfindung gerade in dem ausgewechselten Teil in Erscheinung treten, weil die Erfindung dessen Funktionsweise oder Lebensdauer beeinflusst.

Beispielsweise ist das Auswechseln einer Spritze bei einer patentgeschützten Greifeinrichtung einer Pipette nicht patentverletzend (BGH, GRUR 2007, 769, «Pipettensystem»). Im Entscheid «Palettenbehälter II» aus dem Jahre 2012 (BGH, GRUR 2012, 1118) ging es um einen Palettenbehälter zum Transport und zur Lagerung von Flüssigkeiten mit einem Aussenmantel, welcher einen austauschbaren Innenbehälter umgibt. Der BGH erwog, dass bei einer patentgemässen Ausgestaltung des Aussenmantels die Wandstärke und damit das Gewicht des Innenbehälters reduziert werden können. Eine solche Ausgestaltung des Innenbehälters sei aber in den Patentansprüchen weder vorgesehen noch stillschweigend vorausgesetzt. Zigann folgerte daraus, dass Vorteile der Erfindung in den Patentanspruch aufgenommen werden sollten. Vorliegend hätten die verbesserten Eigenschaften der Innenbehälterwand im Patentanspruch erwähnt werden sollen. Ebenfalls nicht patentverletzend sei der Austausch einer verbrauchten Kapsel eines Kaffeesystems durch eine neue Kapsel, wenn die Erfindung einzig und alleine die Extraktionsvorrichtung für ein Kapselsystem betrifft.

III. Mitwirkung an Patentverletzungen unter Schweizer Recht

Nach dem Mittagessen gab Rechtsanwalt Dr. Andri Hess einen Überblick über die Mitwirkung an Patentverletzungen unter Schweizer Recht. Er betonte zu Beginn seines Vortrages, dass zwischen einer Teilnahme an einer Patentverletzung und einer gemeinsamen Patentverletzung zu unterscheiden sei.

Eine Teilnahme an einer direkten Patentverletzung ist gemäss Art. 66 PatG nur dann von Relevanz, wenn die Haupttat widerrechtlich erfolgt. Widerrechtlichkeit fehlt beispielsweise, wenn die Haupttat nicht in der Schweiz erfolgt, nicht unter die in Art. 8 PatG erwähnten Verletzungshandlungen fällt oder wenn die geförderte Haupttat unter einen gesetzlich statuierten Ausnahmetatbestand, wie z. B. das Forschungsprivileg, fällt.

An der Widerrechtlichkeit der Haupttat fehlt es auch, wenn diese nicht gewerbsmässig erfolgt. Die dogmatisch konsequente Folgerung wäre somit, dass die Teilnahme an der nicht gewerbsmässigen Haupttat keine patentrechtliche Verantwortlichkeit begründet. Hess stellte diese auf den ersten Blick klare Beurteilung sodann infrage. Denn bemerkenswert ist, dass das Bundesgericht im Entscheid «Schiffchen-Stickmaschine» aus dem Jahre 2003 ausdrücklich offenliess, ob die Teilnahme an einer nicht gewerbsmässigen Haupttat rechtmässig ist. Weiter verwies Hess auf die historisch gesetzgeberische Begründung für die Freistellung der nicht gewerbsmässigen Benützung, wonach durch die Freistellung jede Untersuchung im Bereiche der Häuslichkeit umgangen werde und dem Patentinhaber dabei gleichzeitig kein bedeutender Nachteil erwachse. Diese Begründung der nicht gewerbsmässigen Haupttat trifft nach Auffassung von Hess auf die gewerbsmässige Teilnahme nicht zu. Denn ins Recht gefasst wird nicht der Private, sondern der Teilnehmer. Ausserdem ist der Nachteil enorm, wenn der Teilnehmer eine grosse Anzahl privater Haupttäter beliefert. Die Ausdehnung der Freistellung auf den Teilnehmer ist deshalb diskutabel.

Im Weiteren diskutierte Hess, wann die Schwelle zur Teilnahme überschritten ist. Voraussetzung ist ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen der Teilnahmehandlung und der Haupttat. Dies wurde im Entscheid «Schiffchen-Stickmaschine» bestätigt. Zudem liegt eine Anstiftung vor, wenn jemand einen anderen zu einer rechtswidrigen Handlung veranlasst.

Gegen den Teilnehmer stehen sowohl der Unterlassungs- als auch der Schadenersatzanspruch als Rechtsbehelf zur Verfügung. Bei der Formulierung des Rechtsbegehrens für die Unterlassung ist allerdings zu beachten, dass dieses nicht überschiessend ist. Sofern die Erzeugnisse nicht ausschliesslich patentverletzend verwendet werden können, ist eine Bezugnahme auf eine Haupttat erforderlich.

Zum Abschluss des Referats diskutierte Hess die gemeinsame Patentverletzung. Den Unterschied zwischen einer Teilnahme und einer gemeinsamen Patentverletzung illustrierte er anhand eines Ausdauerläufers. Ein Teilnehmer ist eine Person, welche den Ausdauerläufer beispielsweise in einem Wettkampf an einem Verpflegungsposten unterstützt. Eine gemeinsame Patentverletzung begehen beispielsweise gemeinsam kämpfende Staffelläufer.

Die gemeinsame Patentverletzung wurde in der Schweiz bisher dogmatisch nicht umfassend aufgearbeitet. Als Beispiel erwähnte Hess die Literaturmeinung, dass wegen Patentverletzung belangbar sei, wer Konstruktionszeichnungen für eine zu errichtende Anlage fertige, für den Zusammenbau der Anlage Anweisungen erteile und diesen Zusammenbau durch eigene Angestellte überwachen lasse (T. Calame, SIWR IV, Basel 2006, 435).

IV. Schutz der medizinischen Behandlungsfreiheit vor patentrechtlichen Verletzungsklagen – die Neuerungen des Patentgesetzes

Prof. Dr. Felix Addor, Stv. Direktor des Eidg. Instituts für Geistiges Eigentum (IGE), berichtete in einem weiteren Vortrag über die Neuerungen des Patentgesetzes ab Anfang 2019. Eine neue medizinische Indikation ist auch dann patentrechtlich schützbar, wenn der Wirkstoff für eine andere Indikation bereits bekannt ist. Zur Formulierung eines solchen Schutzes wurde ab 1984 die Form des «Swiss type claims» verwendet und vom Europäischen Patentamt anerkannt. Seit dem Inkrafttreten der EPÜ-Revision 2000 im Jahre 2007 sind gemäss der Grossen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts allerdings nur noch zweckgebundene Stoffansprüche zulässig. Ein solcher Schutz richtet sich auf den Wirkstoff als solchen, soweit er erfindungsgemäss im Sinne der spezifischen Indikation verwendet wird und nicht mehr bloss auf dessen Verwendung zur Herstellung eines Arzneimittels für eine bestimmte Anwendung (Swiss type claim). Die Folge dieser Entscheidung war, dass der Inhaber eines europäischen Patents theoretisch gegen jede Person, die ein patentfreies Arzneimittel für die im Patent beschriebene neue medizinische Indikation verschreibt, vorgehen kann. Somit setzt sich auch eine Ärztin oder ein Arzt, insbesondere bei einem «off-label use», einem patentrechtlichen Risiko aus.

Das Bundesgericht wies in einem Entscheid aus dem Jahre 2011 darauf hin, dass diesbezüglich der Gesetzgeber tätig werden müsste, wenn er die ärztliche Freiheit sicherstellen möchte. Acht Jahre später sind nun mit Art. 9 Abs. 1 lit. g und h PatG entsprechende neue Bestimmungen in Kraft getreten. Demnach erstreckt sich die Wirkung des Patents nicht auf Handlungen im Rahmen einer medizinischen Tätigkeit, die sich auf eine einzelne Person oder ein einzelnes Tier bezieht und Arzneimittel betrifft, insbesondere die Verschreibung, Abgabe oder Anwendung von Arzneimitteln durch gesetzlich dazu berechtigte Personen. Ebenso wenig erstreckt sich die Wirkung eines Patents auf die unmittelbare Einzelzubereitung von Arzneimitteln in Apotheken in Ausführung einer ärztlichen Verschreibung.

Bei dieser neuen Ausgangslage stellt sich nun die Frage, wie ein Generikahersteller ins Recht gefasst werden kann, wenn sein Arzneimittel systematisch patentgemäss eingesetzt wird. Die Verwendung erfolgt nämlich durch einen Arzt, dessen Handlung von der Wirkung des Patents ausgenommen ist. Demnach begeht der Arzt keine widerrechtliche Haupttat und aufgrund der Akzessorietät der Teilnahmehandlung ist fraglich, ob der Generikahersteller in solchen Fällen überhaupt noch zur Verantwortung gezogen werden kann.

In der anschliessenden Diskussion wurde aus dem Publikum angemerkt, dass dieses Problem mit dem Konzept der «sinnfälligen Herrichtung» gelöst werden könne. Denn die «sinnfällige Herrichtung» stellt eine direkte Patentverletzung dar. Mit Interesse wurde auch die Frage diskutiert, welchen Aufwand ein Pharmaunternehmen treffen muss, um einen «off-label use» zu verhindern.

V. Unmittelbare und mittelbare Patentverletzung durch additive Fertigung (3D-Druck)

Dr. iur. Lukas Abegg-Vaterlaus, Gerichtsschreiber am Bundesverwaltungsgericht, referierte zum Abschluss der Tagung über die Patentverletzung durch «3D-Drucker».

Beim 3D-Druck handelt es sich um ein Fertigungsverfahren, bei dem durch computergesteuerte Aufeinanderschichtung dreidimensionale Gegenstände erzeugt werden. Die Schichten werden beispielsweise aus Kunststoffen oder Kunstharzen aufgebaut. Diese Werkstoffe sind beim Bedrucken vornehmlich flüssig und härten dann aus. Die Druckdaten sind in einer Fertigungsdatei vorhanden, welche in den 3D-Drucker eingelesen und von diesem dann verarbeitet wird.

Der Referierende erläuterte, dass ein Patent eine Lehre schützt, d. h. die technische Anweisung und nicht ein Objekt. Die Herstellung ist die Ausführung der Anweisungen gemäss Patentanspruch, d. h. das Inkorporieren der Lehre in ein Erzeugnis. Ohne Zustimmung ist die Herstellung in einem Erzeugnis deshalb nicht erlaubt.

Nach Ansicht des Referierenden liegt beim 3D-Druck eine unmittelbare Patentverletzung vor. Denn die Fertigungsdatei ist ein Erzeugnis, das handel- und konsumierbar ist und sämtliche Anweisungen für die Fertigungsanlage enthält. Massgebend ist nicht das Erzeugnis als solches, sondern was «im Erzeugnis drinsteckt».

VI. Fazit

Die VESPA-Tagung bot einen umfassenden Überblick zum Thema «mittelbare Patentverletzung». Es bleibt festzuhalten, dass noch eine ganze Reihe offener Fragen bestehen und es erfreulich wäre, wenn eine umfassende dogmatische Aufarbeitung für die Schweiz erfolgen würde.

Fussnoten:
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MSc ETH Masch.-Ing. und MLaw HSG, Europäischer Patentanwalt, Zürich.