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Berichte / Rapports

Bericht über die INGRES-Tagung vom 5. Juli 2018 in Zürich

Agnieszka Taberska*

Die traditionelle Sommerveranstaltung des Instituts für gewerblichen Rechtsschutz INGRES fand wiederum unter der Leitung von RA Dr. Michael Ritscher und der Organisation von RA Dr. Christoph Gasser im «Lake Side» in Zürich statt. Einleitend begrüsste Ritscher insbesondere Prof. Dr. Manfred Rehbinder, den Gründungspräsidenten des INGRES.

I. Patentrecht

1. Rechtsprechung

PD Dr. Hannes Spillmann und RA Dr. Kilian Schärli eröffneten die Vortragsreihe mit einer gemeinsamen Präsentation der Rechtsprechung im Patentrecht.

Schärli präsentierte zunächst die Urteile des BPatGer vom 29. August 2017, O2015_012, «Fulvestrant» und des BGer vom 8. Mai 2018, 4A_543/2017. Im Rahmen einer Patentnichtigkeitsklage hatte die Beklagte und Patentinhaberin an der Haupt­verhandlung vor dem BPatGer, nach durchgeführtem doppeltem Schriftenwechsel, einen Eventualantrag auf Einschränkung ihres Patents durch Hinzufügen eines neuen Merkmals gestellt. Nach ihrer Auffassung handelte es sich dabei um eine jederzeit zulässige teilweise Klageanerkennung (Art. 241 Abs. 2 ZPO). Das BPatGer beurteilte den Eventualantrag hingegen als verspätet erfolgtes neues Sachvorbringen (Art. 229 ZPO), trat darauf nicht ein und erklärte das Patent für nichtig. Die dagegen erhobene Beschwerde der Patentinhaberin wies das BGer ab, soweit es darauf eintrat. Die Ergänzung des Patentanspruchs durch ein zusätzliches Merkmal erfordere eine neue tatsächliche Beurteilung und beschränke sich nicht auf eine Rechtsfrage.

Darauf Bezug nehmend wies Spillmann auf die Einschränkungsmöglichkeiten im Rahmen des Einspruchsverfahrens vor dem EPA hin. Nach Art. 114 EPÜ ermittelt das EPA den Sachverhalt von Amtes wegen, ohne dabei auf die Anträge der Beteiligen beschränkt zu sein. Es braucht Tatsachen und Beweismittel, die verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen. Das Amt verfügt also über einen Ermessensspielraum betreffend die Zulassung von Änderungen bzw. Einschränkungen. Nach der Einladung zur mündlichen Verhandlung können Änderungen als verspätet betrachtet werden (Art. 116 EPÜ). Üblicherweise wird das Kriterium einer eindeutigen Gewährbarkeit angewendet; sind die Ansprüche klar gewährbar, bestehen gute Chancen, dass sie auch zugelassen werden. Grundsätzlich werden selbst in der mündlichen Verhandlung noch Änderungen zugelassen, die ausschliesslich Einschränkungen auf abhängige Ansprüche in der erteilten Fassung ­betreffen. Beschränkungen durch Merkmale aus der Beschreibung werden zu diesem Zeitpunkt indessen meist nicht mehr zugelassen.

Der von Spillmann präsentierte Entscheid der Beschwerdekammer des EPA vom 24. Januar 2018, T 2101/12 betraf ein Verfahren und System zur Bereitstellung einer digitalen Signatur. Entgegen der Ansicht der Prüfungsabteilung beurteilte das EPA den Anspruch als neu. Betreffend die erfinderische Tätigkeit führte es aus, keines der im Verfahren genannten Dokumente eigne sich als nächstliegender Stand der ­Technik. Mit Verweis auf Art. 54 Abs. 2 EPÜ, wonach der Stand der Technik durch alles gebildet wird, was der ­Öffentlichkeit vor dem Tag der Patent­anmeldung durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, Benutzung oder in sonstiger Weise zugänglich ­gemacht wurde, kam das EPA zum |Schluss, Stand der Technik bilde vorliegend das allgemeine, nichttechnische Fachwissen – konkret das Wissen, wie ein Vertrag in einem Notariat unterzeichnet werde. Der Fachmann sei eine Person im Bereich der Automation. Da Automatisierungen von menschlichen Tätigkeiten ständig verlangt würden, habe es nahegelegen, die an sich bekannte Tätigkeit eines Notars mit all­gemein verfügbaren Mitteln zu auto­matisieren. Die Anmeldung verfüge folglich nicht über erfinderische Tätigkeit. Spillmann hob hervor, dass zum ersten Mal ausdrücklich entschieden worden sei, nichttechnische Offenbarungen seien nicht vom Stand der Technik ausgeschlossen. Es stelle sich die Frage, ob der Entscheid T 2101/12 eine Praxisänderung gegenüber der im Entscheid T 172/03 erfolgten Auslegung von Art. 54 Abs. 2 EPÜ herbeiführen und Anlass zu einem Entscheid der Gros­sen Beschwerdekammer geben werde.

Schärli präsentierte sodann die Urteile des BPatGer vom 3. Oktober 2017, O2017_001 und des BGer vom 11. Juni 2018, 4A_576/2017 zu den Erteilungsvoraussetzungen für ergänzende Schutzzertifikate. Ein ESZ wird nach Art. 140b PatG erteilt, wenn im Zeitpunkt des Gesuchs das Erzeugnis als solches durch ein Patent geschützt ist und eine Genehmigung für das ­Inverkehrbringen als Arzneimittel vorliegt. Bisher wurden die Erteilungs­voraussetzungen in der Schweiz und der EU unterschiedlich geprüft. Nach der «Fosinopril»-Rechtsprechung (BGE 124 III 375) werden neben den in Art. 140b PatG genannten keine weiteren materiellen Bedingungen gefordert und ist nur entscheidend, ob das ­Erzeugnis in den Schutzbereich des Grundpatents fällt, ohne dass es im ­Patent ausdrücklich genannt sein muss (sog. Verletzungstest). Demgegenüber müssen laut Urteil der vom EuGH vom 24. November 2011, C-322/10, «Medeva» eingeführten Offenbarungstheorie zur Erteilung des ESZ die Wirkstoffe des Kombinationspräparats in den Ansprüchen des Basispatents spezifiziert sein. In casu war im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gegen ein ESZ unbestritten, dass das Erzeugnis in den Schutzbereich des Grundpatents fiel. Fraglich war aber, ob beide Wirkstoffe des Kombinationspräparats im Anspruch des Patents genannt waren. Die Klägerin machte geltend, die Anwendung des PatG sei an die Rechtsprechung des EuGH anzu­passen, mithin von der ­Anwendung des Verletzungstests ab­zusehen. Das ­BPatGer stellte sich auf den Standpunkt, im Interesse der Rechtssicherheit gebe es keinen Anlass, vom Verletzungstest abzuweichen. Die Offenbarungstheorie des EuGH werfe mehr Fragen auf, als sie löse, zudem verfüge die Schweiz über ein autonomes Zulassungsver­fahren für Arzneimittel. Entsprechend wies es die Nichtigkeitsklage ab, da sich das ESZ nach dem Verletzungstest als gültig erwies. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das BGer ab, eta­blierte aber gleichzeitig eine Praxisänderung. Die Rechtsprechung des EuGH auf Grundlage der Offenbarungstheorie sei nunmehr als gefestigt zu betrachten. Eine Praxis­änderung, mithin eine Abkehr vom ­Ver­letzungstest, sei angezeigt und Art. 140b PatG künftig dahingehend auszulegen, dass die Wirkstoffe des Erzeugnisses in den Patentansprüchen genannt werden müssen oder sich die Patentansprüche zumindest stillschweigend, aber notwendigerweise spezifisch auf die Wirkstoffe beziehen.

Die Referenten stellten zuletzt das Urteil des BPatGer vom 21. März 2018, O2015_009, «Wärmetauscherelement» vor. Der Kläger verlangte die Über­tragung der von der Beklagten vorgenommenen Patentanmeldungen, eventualiter die Feststellung, der Anspruch auf Patenterteilung stehe ihm allein zu. Er brachte vor, die von ihm eingereichte europäische Patentanmeldung habe den Gegenstand zweier späterer Patent­anmeldungen der Beklagten, für die er beratend tätig gewesen war, vorweggenommen. Zum hier interessierenden Punkt der Beweislastverteilung führte das BPatGer aus, der auf die euro­päischen Patentanmeldungen anwendbare Art. 60 EPÜ enthalte keine Beweislastregeln, weshalb sich diesbezüglich die Anwendung des schweizerischen Rechts (Art. 8 ZGB) rechtfertige. Der Kläger trage die Beweislast für die Behauptung, dass er die von der Beklagten zum Patent angemeldeten Lehren allein erfunden habe. Aus der Nennung des Klägers als einzigem Erfinder in den Patentanmeldungen folge die Ver­mutung, er sei einer der Erfinder, nicht aber die Vermutung der alleinigen Erfinderschaft. Auch die vom Kläger ­verfassten Entwürfe einer Patentan­meldung bewiesen keine alleinige Erfinderschaft. Das BPatGer wies den Antrag auf Übertragung der Patentanmeldungen folglich ab und hielt mit Bezug auf das Eventualbegehren fest, der Antrag auf Feststellung, der Kläger sei an einer Patentanmeldung alleinberechtigt, umfasse a maiore minus auch den Antrag, er sei gemeinsam mit anderen daran berechtigt. Es stellte folglich fest, die Parteien seien gemeinsam an den Patentanmeldungen berechtigt. (Anmerkung: Die gegen dieses Urteil erhobene Beschwerde wurde vom BGer mit Urteil vom 1. Oktober 2018, 4A_277/​2018 abgewiesen.)

Die anschliessende Diskussion dreht sich zunächst um den Entscheid T 2101/12 des EPA. Prof. Dr. Herbert Zech warf die Frage auf, was der Entscheid für die Praxis bedeute. Etwas Nicht-Technisches möge zum Stand der Technik zählen, könne aber nicht zu etwas Erfinderischem gemacht werden. Spillmann brachte vor, die Begründung der Beschwerdekammern sei mit Verweis auf Art. 54 Abs. 2 EPÜ schlüssig. Bemerkenswert sei aber die Definition des Fachmanns als Person aus dem Gebiet der Automation. Eine solche habe keine Kenntnis von der Notariatstätig-|keit. Sinnvoller wäre gewesen, ein aus einem Automationsfachmann und ­einem Juristen gebildetes Team als Fachmann zu bestimmen.

Diskutiert wurde auch das Urteil des BPatGer O2015_012 und damit zusammenhängend der zulässige Zeitpunkt für das Stellen eines Eventualbegehrens. Dr. Thierry Calame stellte sich auf den Standpunkt, einer Partei müsse es unbenommen sein, ein Eventualbegehren auch nach dem letzten Schriftsatz zu stellen. Würden etwa im ersten Parteivortrag an der Hauptverhandlung Ausführungen zum Stand der Technik gemacht, müsse der Patentinhaber mittels Eventualbegehren darauf reagieren können.

2. Bundespatentgericht

Dr. Mark Schweizer, seit dem 1. Januar 2018 neuer Präsident des BPatGer, präsentierte zunächst die Eingänge und Erledigungen des Gerichts im Jahr 2018 und wies auf Neuerungen hin. Nach dem revidierten Art. 35 PatGG hat der zweite hauptamtliche Richter neu die Befugnis, das Verfahren bis zum Entscheid zu instruieren; die Instruktion ist damit nicht mehr juristisch ausgebildeten Richtern vorbehalten. Das BPatGer kann Verhandlungen auch aus­serhalb seines Sitzes in St. Gallen durchführen. Davon hat das Gericht bereits Gebrauch gemacht und zwei Mal Verhandlungen in Neuenburg durch­geführt, was den Parteien aus der ­Westschweiz entgegenkommt. Die Veröffentlichung von Urteilen, auch in Massnahmeverfahren, erfolgt in nicht anonymisierter Form, sofern nicht der Schutz privater oder öffentlicher Interessen eine Anonymisierung erfordert. Wünscht eine Partei die Anonymisierung des Massnahmeurteils, hat sie dies zu beantragen und entsprechend zu begründen. Neu verfügt das BPatGer über einen Twitter-Account (@patentcourt). Instruktionsverhandlungen werden künftig immer stattfinden, auch wenn nur eine Partei dies wünscht und die andere Partei nicht erscheint, Ausnahmen vorbehalten. Anlässlich der Instruktionsverhandlung wird nicht plädiert; kommt kein Vergleich zustande, wird ein Zeitplan für das weitere Verfahren fest­gelegt und anschliessend ein weiterer Schriftenwechsel durchgeführt (Art. 8 Abs. 6 der Richtlinien zum Verfahren vor dem BPatGer). Im Massnahmeverfahren bleibt es bei der bisherigen Praxis, wonach kein zweiter Schriftenwechsel durchgeführt wird. Wird die Einrede der fehlenden Rechtsbeständigkeit erhoben, erhält die ­andere Partei jedoch die Möglichkeit, zur Rechtsbeständigkeit Stellung zu nehmen. Um das Verfahren zu beschleunigen, erfolgt auch die Stellungnahme zum Fachrichtervotum mündlich an der Verhandlung.

Schweizer wies sodann auf die Verfügung des BPatGer vom 15. März 2018 im Verfahren O2017_025 hin. Zugrunde lag die Frage, wie Art. 79 lit. b ZPO – wonach die streitberufene Person anstelle der Partei, die ihr den Streit verkündet hat, mit deren Einverständnis den Prozess führen kann – auszu­legen sei. Das BPatGer hielt in Übereinstimmung mit der Praxis des OGer Zürich fest, die Prozessführung durch die Streitberufene begründe weder einen Parteiwechsel noch eine Prozessstandschaft. Die Streitberufene handle als Stellvertreterin der streitverkündenden Partei. Diese behalte ihre Parteistellung mit allen sich daraus ergebenden Folgen, müsse sich die prozessualen Handlungen der Streitberufenen als ihre ­eigenen anrechnen lassen, doch stehe es ihr frei, ihr Einverständnis zur ­Prozessführung durch die Streitberufene jederzeit zu widerrufen. Das materielle Rechtsverhältnis beurteile sich ausschliesslich nach dem Rechtsverhältnis zwischen den ursprünglichen Parteien.

Zuletzt präsentierte Schweizer das Urteil vom 23. Mai 2018, S2018_001. Es betraf ein Gesuch um genaue Beschreibung von Telekom­munikationstechnologie, insbesondere von Software für Server und Set-Top-Boxen. Die Streitpatente waren seit Mai 2017 abgelaufen. Das Gericht stellte klar, auch nach Ablauf der Schutzdauer könne der Patentinhaber Ansprüche, namentlich finanzieller Art, aus dem Patent geltend machen. Ein Anspruch auf Beschreibung zwecks Beschaffung von Beweismitteln bzw. Klärung der Prozessaussichten (Art. 77 Abs. 1 lit. b PatG) sei nicht bereits deshalb zu verneinen, weil der Patentschutz abge­laufen sei, doch könne ein Rechtsschutz­interesse an einer Beschreibung in ­einem solchen Fall nur vorliegen, wenn in der Gegenwart ein Gegenstand ­beschrieben werden könne, der während der Patentlaufdauer bestanden habe. Dies hatte die Klägerin nicht hinreichend substantiiert. Ebenfalls nicht substantiiert hatte sie, mit welchen ­Methoden die durch die Software erzeugten Wirkungen zu ermitteln seien. Ist aber das Beschreibungsobjekt, wie vorliegend die Funktionsweise von Software, nicht sinnlich wahrnehmbar, ­erfordert ein Antrag auf Beschreibung die Angabe, mit welchen Mitteln das ­Objekt beschreibbar wäre, entschied das ­BPatGer. Das Gesuch wurde abgewiesen.

RA Dr. Christian Hilti sprach in der anschliessenden Diskussion die präsentierte Statistik an und wies darauf hin, einige der Verfahren hätten nicht ein einzelnes, sondern mehrere Patente betroffen. In Deutschland würde ein solcher Fall mehrfach gezählt. Er schlug vor, die Anzahl der betroffenen Streitpatente als Ausgangspunkt für die Statistik zu nehmen. Schweizer antwortete, pro Verfahrensnummer werde nur ein Fall in die Statistik aufgenommen, selbst wenn mehrere Patente betroffen seien; es gebe keinen Anlass, die Fallzahl künstlich zu erhöhen. Prof. Dr. Dieter Stauder begrüsste die Anonymisierungspraxis des BPatGer, da die fehlende Angabe der Parteien, wie etwa in Deutschland praktiziert, ein Hindernis für die Praktiker darstelle.

II. Lauterkeitsrecht

Das Referat von RA PD Dr. Philippe Spitz fokussierte sich auf das Lauterkeitsstrafrecht bzw. das Verhältnis zwischen Strafrecht, Lauterkeitsrecht und Immaterialgüterrecht. Der Referent wies einleitend auf den begrifflichen Unterschied zwischen Lauterkeits- und Wettbewerbsrecht hin, die oft als Synonyme verwendet werden, jedoch voneinander abzugrenzen sind, und stellte zwei Urteile zum Thema vor.

Dem Urteil des BGer vom 12. März 2018, 6B_873/2018, «Davoser Schlitten» lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Privatklägerin hatte ­Strafanzeige wegen Gebrauchs un­zutreffender Herkunftsangaben gegen ein Unternehmen erstattet, das aus Tschechien stammende Holzschlitten mit einem die Bezeichnung «Davos» aufweisenden Logo verkaufte. Die Staatsanwaltschaft hatte Nichtanhandnahme verfügt, die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom AppGer ab­gewiesen. Dieses qualifizierte den Begriff «Davoser Schlitten» nicht als Herkunftsangabe, sondern als Gattungsbezeichnung und erachtete den objektiven Tatbestand von Art. 64 MSchG als nicht erfüllt. Auch den subjektiven Tatbestand sah es als nicht erfüllt an, da der betreffende Schlitten seit Jahrzehnten im Sortiment gewesen, kein vorsätz­liches Handeln einer natür­lichen Person eruierbar sei und damit auch die Strafbarkeit des Unternehmens entfalle. Das BGer liess mit Bezug auf den objektiven Tatbestand die Frage offen, ob die Bezeichnung «Davoser Schlitten» nicht doch als Herkunftsbezeichnung zu qualifizieren gewesen wäre. Hinsichtlich des subjektiven ­Tatbestands bestätigte es den vorinstanzlichen Entscheid und wies die ­Beschwerde im Ergebnis ab. Die ­Beschwerdeführerin habe nicht aufgezeigt, dass sie die Beschwerdegegnerin vor der Strafanzeige auf die Problematik hingewiesen habe, und hätte auf dem Zivilrechtsweg gegen diese vorgehen müssen.

Der Referent führte hierzu aus, unzutreffende Herkunftsangaben seien primär in Art. 47 ff. MSchG geregelt, doch decke auch der Normgehalt von Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG unrichtige ­Angaben ab. Die Aufnahme der Herkunftsangaben sei erst mit der Revision 1992 und damit zeitlich nach dem UWG in das MSchG aufgenommen worden. Bei Art. 64 MSchG handle es sich um einen lauterkeitsrechtlichen Spezial­tatbestand, der im Markenrecht untergebracht sei. Zwischen Art. 47 ff. MSchG und Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG bestehe eine Kongruenz in objektiver Hinsicht. Subjektiv bestehe ein Unterschied im Hinblick auf den strafrechtlich geforderten Vorsatz.

Der zweite vorgestellte Fall war ein Urteil der Cour de Justice Genf (publiziert in sic! 2018, 89 f., «centre médical»). Die Klägerin, eine Genfer Klinik, hatte der Beklagten vorgeworfen, mit der Errichtung eines medizinischen Zentrums mitsamt der Abwerbung von Arbeitnehmern bzw. ganzer Teams unlauter vorgegangen zu sein. Die Arbeitnehmer waren von der Konkurrenz ­direkt angegangen bzw. in den eigenen Räumlichkeiten besucht worden. Das Gericht verneinte zunächst die Schaffung einer Verwechslungsgefahr mit dem Betrieb der Klägerin durch die ­blosse Eröffnung des medizinischen Zentrums (Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG). Es verneinte auch das Vorliegen unlauterer Abwerbung von Arbeitnehmern sowie einer Verleitung zur Verletzung von Geschäftsgeheimnissen (Art. 4 lit. a und c UWG). Selbst die systematische Abwerbung ganzer Teams sei nicht unlauter, sofern die betreffenden Arbeitnehmer ihre Arbeitsverträge vertragskonform kündigten und nicht zum Vertragsbruch verleitet würden. Damit sei, so der Referent, bei Abwerbung grundsätzlich von Lauterkeit auszugehen, soweit damit keine Verletzung von Geschäftsgeheimnissen verbunden sei.

III. Urheberrecht

1. Teilrevision des URG

Dr. Catherine Chammartin, Direktorin des IGE, informierte über den bundesrätlichen Entwurf zur Teilrevision des URG, wobei sie die bisherigen Ereignisse rekapitulierte. 2015 war eine ­Vernehmlassung eingeholt worden, wobei ausserordentlich viele Stellungnahmen eingegangen waren. Dies zeige, so Chammartin, dass es sich um ein anspruchsvolles Projekt mit vielen unterschiedlich tangierten Interessen handle. Die Arbeitsgruppe AGUR 12 erarbeitete in der Folge die Vorlage mit zwei Schwerpunkten: Digitalisierung und Piraterie.

Mit Blick auf die Pirateriebekämpfung verpflichtet Art. 39d den Betreiber eines Internet-Hosting-Dienstes, der von Benützern eingegebene Informa­tionen speichert, zu verhindern, dass ein Werk Dritten mithilfe seines Dienstes erneut widerrechtlich zugänglich gemacht wird. Vorausgesetzt wird, dass das Werk bereits über denselben ­Hosting-Dienst widerrechtlich zugänglich gemacht und der Betreiber auf die Rechtsverletzung hingewiesen wurde. Die Verpflichtung der Hosting-Provider, dafür zu sorgen, dass einmal entfernte urheberrechtsverletzende Inhalte auch entfernt bleiben («Stay-down»), setzt also ein vorhergehendes «Take-down» voraus. Im Unterschied zum blossen Take-down, bei dem die Werke gleich wieder aufgeschaltet werden und der Kreislauf aus Abmahnen, Entfernen und wieder Zugänglichmachen von Neuem beginnt, hat die Pflicht zum Stay-down zum Ziel, das erneute Hochladen zu verhindern. Es handelt sich um eine zivilrechtliche Pflicht; wird der Anordnung keine Folge geleistet, kommt Art. 343 ZPO zum Zug. Chammartin warf die offenbar schon mehrfach gestellte Frage in den Raum, ob die Stay-down-Regelung notwendig sei oder nicht. Den Rückmeldungen zufolge verhielten sich die meisten Provider kor-|rekt. Eine Handvoll von Providern biete jedoch Hand zu Rechtsverletzungen, und gegen diese wolle man mit der neuen Regelung vorgeben. Obwohl es sich nur um wenige Anbieter handle, sei das Schadenspotenzial gross.

Zweites besprochenes Thema ­bildete der Lichtbildschutz. In Zukunft sollen alle Fotografien, auch solche ohne individuellen Charakter, urheberrechtlich geschützt sein. Es sei diskutiert worden, ob der Lichtbildschutz im 2. Titel beim Urheberrecht oder im 3. Titel bei den verwandten Schutzrechten hätte positioniert werden sollen. Mit der Einführung des Lichtbildschutzes sollte aber kein verwandtes Schutzrecht geschaffen, sondern der Urheberrechtsschutz erweitert werden. Weiter habe sich die Frage ­gestellt, inwiefern der Lichtbildschutz mit der Schutzvoraussetzung der Individualität vereinbar sei. Der in Deutschland verfolgte Ansatz, wonach auch bei Lichtbildern ein gewisser Gestaltungsspielraum bestehe, sei argumentativ nicht überzeugend, so die Referentin.

Die neu eingeführte Video-on-Demand-Vergütung verfolgt das Ziel, die Verwertungsmöglichkeiten im Internet so anzupassen, dass Urheber und Schauspieler angemessen vergütet werden. Die Vergütung entspricht bereits der Branchenpraxis, soll aber gesetzlich verankert werden. Laut Gesetzes­entwurf steht den Urhebern eines ­audiovisuellen Werks, das nicht von einer Person mit Sitz in der Schweiz produziert wurde, ein Anspruch auf Vergütung nur zu, wenn das Land, in dem das Werk produziert wurde, für dessen Zugänglichmachung ebenfalls einen kollektiv wahrzunehmenden Vergütungsanspruch vorsieht. Damit sollen Doppelvergütungen im internationalen Verhältnis vermieden werden.

Weiter kam Chammartin auf die Regelung für die Nutzung von verwaisten Werken zu sprechen. Dabei handelt es sich um Werke, deren Rechtsinhaber unbekannt oder unauffindbar ist; aus diesem Grund müssen Werknutzungen mangels einholbarer Erlaubnis oft unterbleiben. Es besteht bereits eine Regelung im URG, die jedoch auf die Archive von Sendeunternehmen beschränkt ist und künftig auf andere Werkkategorien ausgeweitet werden soll. Die neue Regelung ziele nicht ­darauf ab, für die Nutzung verwaister Werke unabhängig von deren Schutzdauer eine volle Vergütung sicherzu­stellen, sondern stelle eher eine Art ­Ver­sicherungsprämie dar, die dazu bestimmt sei, den Nutzern das mit der Nutzung verwaister Werke verbundene Risiko abzunehmen. Werden Rechts­inhaber der genutzten Werke nachträglich bekannt, werden sie durch die ­Verwertungsgesellschaften für die vergangenen erlaubten Nutzungen entschädigt. Sie haben keinen Anspruch gegenüber den Nutzern, welche die Nutzung mit Erlaubnis der Verwertungsgesellschaft vorgenommen haben. Die Nutzer entscheiden frei, ob sie sich gegen dieses Risiko absichern wollen oder nicht.

Prof. Dr. Florent Thouvenin erkundigte sich in der Diskussionsrunde, ob es angedacht sei, die auf EU-Ebene geregelte Upload-Filter-Regelung in die Revision einzubeziehen. Chammartin verneinte dies. Zwar werde die inter­nationale Entwicklung verfolgt, doch habe der Bundesrat die Vorlage bereits verabschiedet und werde nicht mehr darauf zurückkommen. Ritscher äus­serte sich mit Bezug auf den Lichtbildschutz. Der Schutz von Fotografien sei von INGRES bereits vor einigen Jahren an einer Veranstaltung im Foto­museum von Winterthur anhand der damals ­aktuellen Urteile «Wachmann Meili» bzw. «Bob Marley» diskutiert worden. Damals sei niemand auf die Idee gekommen, zwischen zwei- und dreidimensionalen Wiedergaben zu ­unterscheiden und je nach Werkart ­unterschiedliche Anforderungen an die für einen Schutz durch das Urheberrecht erforderliche Individualität einzuführen.

2. Rechtsprechung

RA Dr. David Vasella präsentierte ausgewählte Urteile auf dem Gebiet des Urheberrechts.

Das Urteil des BVGer vom 16. Mai 2017, B-7949/2015 betraf ein Gesuch um Akteneinsicht im Rahmen der Hilfeleistung durch die Zollverwaltung nach Art. 75 ff. URG. Nachdem gestützt auf einen Antrag auf Hilfeleistung ­Warenlieferungen der Beschwerdeführerin am Zoll zurückbehalten worden waren, verlangte diese Einsicht in den entsprechenden Antrag. Auch nachdem die Antragstellerin festgestellt hatte, dass die Waren keine Fälschungen urheberrechtlich geschützter Werke darstellten und diese freigegeben hatte, hielt die Gesuchstellerin an ihrem Antrag auf Einsicht fest. Ihre Beschwerde gegen die Abweisung des Gesuchs durch die Zollverwaltung hiess das BVGer ­teilweise gut. Es prüfte das Akteneinsichtsgesuch, da dieses ausserhalb eines hängigen Verfahrens gestellt worden war, nach Art. 29 Abs. 2 BV. Es kam nach einer Interessenabwägung zum Schluss, ein schützenswertes Interesse der Beschwerdeführerin an der Akteneinsicht sei nicht in erster Linie aufgrund der behaupteten Schwere der durch die Zurückbehaltung der Waren entstandenen Nachteile, sondern infolge ihrer Absicht zu bejahen, Schadenersatzansprüche gerichtlich durchzusetzen. Die Akteneinsicht sei not­wendig, um sich über Prozesschancen, Anspruchsgegner und Rechtsweg ein Bild machen zu können. Im Ergebnis wurde ein beschränktes Akteneinsichtsrecht bejaht, soweit dadurch nicht Geschäftsgeheimnisse der Rechteinhaberin offenbart würden.

BGE 143 II 617 hatte den gemeinsamen Tarif «GT 3a Zusatz» zum Gegenstand. Der Tarif betraf das Zurverfügungstellen von Radio- und Fernsehprogrammen sowie die Aufführung von Tonbildträgern in Hotels, Spitälern, Gefängnissen usw. Das BGer befasste |sich zunächst mit der Frage, ob der Sendeempfang in Gästezimmern ein Wahrnehmbarmachen von Sendungen nach Art. 10 Abs. 2 lit. f URG darstelle, folglich nicht unter die freie Weitersendung nach Art. 22 Abs. 2 URG falle und vergütungspflichtig sei, wie es das BVGer mit Urteil vom 14. März 2014, B-6540/2012 entschieden hatte. Das BGer entschied demgegenüber, es handle sich hierbei um eine Weiter­sendung nach Art. 10 Abs. 2 lit. e URG, die als öffentliche ­Wiedergabe (Art. 11bis Abs. 1 RBÜ) zu qualifizieren sei. Die Ausnahmere­gelung von Art. 22 Abs. 2 URG sei nicht anwendbar und eine Vergütungspflicht daher gegeben. Ferner setzte sich das BGer mit der Rückwirkung des Tarifs auseinander. Im Gegensatz zur Vorin­stanz erachtete das BGer eine rückwirkende Inkraftsetzung des strittigen Tarifs über die Dauer von 26 Monaten nicht als angemessen. Vielmehr sei der Tarif rückwirkend auf das Datum der von der Vorinstanz gewährten aufschiebenden Wirkung in Kraft zu setzen.

BGE 143 III 373 betraf den urheberrechtlichen Schutz für ein Werk angewandter Kunst, konkret den von Max Bill geschaffenen «HfG Barhocker». Vasella schilderte zunächst die Vor­geschichte vor der Vorinstanz (HGer St. Gallen), wo die Aktivlegitimation des exklusiven Lizenznehmers zur Frage stand. Vor dem BGer war die Legitimation nicht mehr strittig. Hingegen hatte das BGer zu ­beurteilen, ob dem Barhocker urheberrechtlicher Schutz zukam. Die Vor­instanz hatte diese Frage mit Blick auf vier vorbekannte Modelle, welche alle Bestandeselemente des Barhockers auf die eine oder andere Weise vorweggenommen hätten, verneint. Der Barhocker sei nicht stilprägend gewesen. Aufgrund des eingeschränkten Gestaltungsspielraums sei für individuelle Merkmale kein Raum geblieben. Das BGer kam demgegenüber zum Schluss, die Vor­instanz habe eine unzulässige mosaikartige Betrachtung angewandt, indem sie den vorbekannten Formenschatz in einzelne Elemente zergliedert und diese miteinander verglichen habe. Der künstlerische Eindruck der Formgebung werde durch das Zusammenwirken aller Elemente bestimmt, wobei es nicht entscheidend sei, dass einzelne Elemente vorbekannt seien. Die Ein­leitung einer neuen Stilrichtung sei für die Bejahung einer individuellen künstlerischen Gestaltung nicht notwendig. Mit Blick auf die von der Beschwerdeführerin kritisierte strengere Beurteilung von Werken angewandter Kunst führte das BGer aus, die Voraussetzungen der urheberrechtlichen Individualität seien höher anzusetzen als die­jenigen der designrechtlichen Eigenart. Ein urheberrechtlich geschütztes Werk der angewandten Kunst könne nur vorliegen, wenn die Gestaltung die design­rechtliche Eigenart klar und deutlich erreiche. Auf den strittigen Barhocker bezogen führte das BGer aus, der künstlerische Eindruck, der durch dessen minimalistische Gestaltung erreicht werde, sei nicht funktional bedingt; der Hocker unterscheide sich wesentlich von den angeführten vorbestehenden Formen und sei urheberrechtlich geschützt.

Das BGer, so Vasella, habe seinen Entscheid mit drei Theorien oder Regeln begründet: der Spielraumtheorie, wonach die Anforderungen vom Spielraum abhängen; der Zweifelsfallregel, wonach bei angewandter Kunst im Zweifel ein handwerkliches Erzeugnis angenommen und kein urheberrecht­licher Schutz gewährt werde; und der Abstandstheorie, wonach die Anforderungen an urheberrechtliche Individualität höher seien als diejenigen an die designrechtliche Eigenart. Der Referent setzte sich anhand der bisherigen Rechtsprechung mit diesen Theorien auseinander und kam zum Schluss, keine dieser Theorien sei in der Rechtsprechung wirklich abgestützt und jemals eindeutig entscheidungsrelevant gewesen. Zwischen der Spielraumtheorie und der Abstands- bzw. Zweifelsfalltheorie bestehe ein gewisser Widerspruch. Die Spielraumtheorie scheine am ehesten im Bereich der Architektur zu greifen. Offenbar werde Schutz vor allem bei bekannten Namen gewährt, was nicht verwunderlich sei, da neue Stilrichtungen in der Regel mit bekannten Namen verbunden seien. Welche Anforderungen im Bereich der an­gewandten Kunst zur Geltung gelangten, sei offen und vom BGer auch im Barhocker-Urteil nicht beantwortet worden. Genau genommen könnten die Anforderungen an die urheberrecht­liche Individualität nicht höher sein als jene an die designrechtliche Eigenart – sie seien anders. Eigenart sei das Erwecken eines anderen Gesamteindrucks im kurzfristigen Erinnerungsbild, während Individualität als statistisch einmalige Gedankenschöpfung definiert werde.

IV. Marken- und Firmenrecht

1. Rechtsprechung zum ­Kennzeichenrecht

RA Dr. Marco Bundi präsentierte drei Urteile zum Kennzeichenrecht.

Das Urteil des BGer vom 2. Oktober 2017, 4A_229/2017, «Abanka (fig.) / Abanca (fig.)» betraf die Frage des rechtserhaltenden Gebrauchs der Marke im Rahmen einer zivilrechtlichen Feststellungs- bzw. Nichtigkeitsklage. Die Vorinstanz hatte dem Feststellungsbegehren der Beschwerdegegnerin auf Nichtigkeit der Marke der Beschwerdeführerin, einer slowenischen Bank, stattgegeben. Die Frage, ob der Nichtgebrauch allein mit Gebrauchsrecherchen glaubhaft gemacht werden könne, hatte die Vorinstanz offengelassen, da sie den Nichtgebrauch gestützt auf ­weitere Indizien als glaubhaft erachtete. So verfügte die Beschwerdeführerin weder über eine Zweigniederlassung noch über eine Vertretung oder Mitarbeiter in der Schweiz und machte auch keine Werbung für ihre Produkte.

Das BGer bestätigte den Schluss der Vorinstanz. Zu Recht sei diese bei der Prüfung des ernsthaften Markengebrauchs von einem breiten Bevölkerungskreis als mögliche Kunden von Bankdienstleistungen ausgegangen und nicht allein vom Nischenmarkt der ­Slowenen in der Schweiz. Der beschränkte Kundenkreis der Beschwerdeführerin spreche gegen die Ernsthaftigkeit der Markenbearbeitung, welche in einem kompetitiven Umfeld eine erhöhte Präsenz erfordere. Im Ergebnis wies es die Beschwerde ab.

Im Urteil vom 13. März 2017, HE160500-O hatte das HGer Zürich im Rahmen eines Massnahmeverfahrens die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken «Schwiizergoofe (fig.) / Schwiizer Kiddies (fig.)» zu beurteilen. Es ­verneinte eine solche zunächst aus ­markenrechtlicher Sicht. Die Marke der Klägerin sei nicht für die strittigen Tonträger eingetragen und könne keinen über den Gleichartigkeitsbereich hinausgehenden Schutz als berühmte Marke geltend machen. Das Zeichen «Schwiizergoofe» sei als Hinweis auf die Abnehmer der Dienstleistungen und der Tatsache, dass es zu erkennen gebe, dass Lieder in Mundart vertrieben würden, banal und freihaltebedürftig, die prägenden Elemente der Marken unterschieden sich zudem genügend voneinander. Die Berufung auf eine Verwechslungsgefahr nach UWG scheiterte sodann an deutlichen Unterschieden in der konkreten Präsentation der jeweiligen Tonträger. Das Massnahmebegehren wurde folglich abgewiesen.

Zuletzt präsentierte Bundi das ­Urteil des BGer vom 12. Februar 2018, 4A_500/2017, «Otto (fig.) / Otto’s (fig.)». Die Beschwerdegegnerin hatte gestützt auf ihre Schweizer Marken mit Bestandteil «Otto’s» vor der Vorinstanz die vorsorgliche Unterlassung der Tätigkeit der Beschwerdeführerin als ­Versandhändlerin in der Schweiz unter den Kennzeichen «Otto» und «Otto-Versand» erwirkt. Die Vorinstanz hatte im Rahmen der Nachteilsprognose erwogen, die Beschwerdegegnerin könne Gebrauchspriorität beanspruchen, da die Beschwerdeführerin ihre prioritär in der Schweiz registrierten Kenn­zeichen bisher nicht gebraucht habe. Dabei stellte sich namentlich die Frage, ob sich die Beschwerdeführerin auf den fingierten Gebrauch ihrer Marke gemäss Staatsvertrag zwischen Deutschland und der Schweiz betreffend den gegenseitigen Markenschutz von 1892 berufen könne. Das BGer stellte sich auf den Standpunkt, die Vorinstanz habe im Rahmen der summarischen Prüfung zu Recht die Möglichkeit einer Verwirkung des ­Markenrechts in Betracht gezogen und die Auslegung des Staatsvertrags auf den Hauptprozess verschoben. Die Tragweite des Staatsvertrags sei ­Ge­genstand eines Urteils des EuGH vom 12. Dezember 2013, C-445/12 P, ­«Baskaya / Passaia», das bei der Anwendung der staatsvertraglichen Normen nicht unberücksichtigt bleiben dürfe. Im ­Ergebnis wies es die Beschwerde ab. Im Publikum wurde anschliessend ­dis­kutiert, ob die Anwendung des Staatsvertrags gegen EU-Recht ver­stosse und ob bejahendenfalls auto­matisch die Unwirksamkeit des nationalen Rechts (d. h. des Staatsvertrags) daraus folge.

2. Aktuelles aus dem ­Markenbereich des IGE

Dr. Eric Meier, Vizedirektor und Leiter der Markenabteilung des IGE, berichtete über Neuigkeiten aus dem Institut. Einleitend wies er darauf hin, beim ­Eingang von Markengesuchen sei ein Zuwachs von 5% zu verzeichnen. In den letzten 12 Monaten seien rund 17 000 Anmeldungen eingegangen, was dem Rekordjahr 2007 entspreche. Meier stellte sodann das neu eingeführte IT-System «ESV» für Schweizer Marken vor und erläuterte den Fristenlauf für das Löschungsverfahren wegen Nicht­gebrauchs der Marke. Die Fristen würden von zwei Monaten auf einen Monat gekürzt, um die Verfahrensdauer ins­gesamt zu verkürzen. Im Markeneintragungsverfahren werde aus demselben Grund auf die Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels verzichtet. Meier erläuterte weiter die revidierten IGE-Richtlinien in Markensachen. Diese wurden aktualisiert und an die neue Rechtsprechung angepasst. Soweit sinnvoll und rechtlich zulässig, wurden die Prüfungskriterien gemäss Guide­lines EUIPO übernommen, etwa ­be­treffend die Eintragung von Akro­nymen. Angesprochen wurden diver­se Punkte im Marken­ein­tragungs­ver­fahren, etwa die Frage, inwieweit das Hinzufügen einer oder mehrerer Farben einem an sich beschreibenden Wortelement ­Unterscheidungskraft zufügt; in der Praxis genüge eine Kom­bination aus drei Farben, um Unterscheidungskraft anzunehmen. Die Richtlinien wurden auch mit Bezug auf Herkunftsangaben und die Glaubhaftmachung des Nichtgebrauchs im Widerspruchsverfahren angepasst. Abschlies­send wies Meier auf den Newsletter in Markensachen hin, abrufbar unter <www.ige.ch/de/dienstleistungen/newsletter.html>.

3. Rechtsprechung des BVGer in Markensachen

Marc Steiner, Richter am BVGer, präsentierte ausgewählte Urteile des BVGer in Eintragungs- und Widerspruchsverfahren.

Mit Urteil vom 17. Mai 2017, B-528/2016 bestätigte das BVGer den Entscheid des IGE, mit dem das Ein­tragungsgesuch «Muffin King» für Back- und Konditoreiwaren zurückgewiesen worden war. Das BVGer erachtete die Praxisänderung des IGE, wonach Kombinationen einer Sachbezeichnung mit dem Bestandteil «König» als anpreisender Hinweis von der Eintragung aus­genommen werden, als zulässig. Der Bestandteil «King» werde vorliegend |nicht als Adelstitel, sondern als Qualitätsangabe verstanden, das Zeichen insgesamt als reklamehafte Anpreisung. Eine Ausnahme von der Regel, wonach der Begriff «König» anpreisend wirke, kam im Widerspruchsverfahren «König (fig.) / H.koenig (fig.)» vom 20. De­zember 2017, B-7801/2015, zur Anwendung. Das BVGer kam zum Schluss, das Zeichen «König» werde – vorliegend in Alleinstellung – nicht in erster Linie als Verweis auf ein Königshaus oder als Anpreisung, sondern als Familienname wahrgenommen. Eine Verwechslungsgefahr wurde bei ge­gebener Zeichenähnlichkeit und Warengleichartigkeit bejaht.

Im Urteil vom 25. Oktober 2017, B-1408/2015 stand die Wortmarke ­«Informa» zur Beurteilung. Die Vor­instanz hatte das Eintragungsgesuch für zahlreiche Waren und Dienstleistungen unterschiedlicher Klassen mit der ­Begründung zurückgewiesen, das ­Zeichen, das als «er/sie/es informiert» verstanden werde, beschreibe deren Zweck und thematischen Inhalt, weshalb es ihm an Unterscheidungskraft fehle. Ein Dienstleistungserbringer ­informiere und berate seine Kunden stets akzessorisch. Das BVGer hiess die ­dagegen erhobene Beschwerde teilweise gut. Das Zeichen hätte nicht ­global für sämtliche beanspruchten Dienstleistungen zurückgewiesen werden dürfen, sondern verfüge nur im Zusammenhang mit denjenigen Dienstleistungen, bei welchen die Informationsvermittlung tatsächlich im Vordergrund stehe, über einen beschreibenden Sinngehalt.

Das Urteil vom 16. April 2018, B-2791/2016 betraf die Wortmarke «WingTsun», die vom IGE als Hinweis auf die gleichnamige chinesische Kampfsportart infolge beschreibenden Charakters zurückgewiesen worden war. Nach Ansicht des BVGer war das Zeichen zwar nicht beschreibend, da die Mehrheit der Verkehrskreise die ­Bedeutung des Zeichens nicht verstünde. Wohl aber sei es freihaltebedürftig. Mitanbieter der beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Sportsegment seien auf die Verwendung des Zeichens angewiesen. Damit folgte das Urteil der «Pernaton»-Rechtsprechung (BVGE 2010/32), wonach ein Zeichen, das für die Durchschnittsbevölkerung nicht verständlich ist, keinen beschreibenden Charakter hat, aber dennoch wegen Freihaltebedürfnisses vom Markenschutz ausgeschlossen sein kann.

Um eine Bildmarke ging es im Urteil vom 28. März 2018, B-1722/2016, «emballage (fig.)». Die Vorinstanz hatte das Zeichen mit der Begründung von der Eintragung zurückgewiesen, es stelle die Abbildung einer Warenverpackung dar, die für die beanspruchten Konditorei- und Schokoladewaren ­banal sei und folglich über keine Unterscheidungskraft verfüge. Das BVGer bestätigte den Entscheid. Zweidimen­sionale Marken, die sich in der Ab­bildung der gekennzeichneten Ware oder deren Verpackung erschöpften, würden unter denselben Voraussetzungen wie eine Formmarke geprüft. Die Unterscheidungskraft der strittigen Marke hänge aufgrund der banalen ­Verpackungsform massgeblich von den grafischen Elementen ab; diese seien jedoch ebenfalls nicht geeignet, der Marke Unterscheidungskraft zu ver­leihen; insbesondere würden die ­weissen Farbflächen als Hinweis auf Milch und damit einen Inhaltsstoff der beanspruchten Waren verstanden.

Der vom Referenten als «Fall des Jahres» betitelte BVGE 2018 IV/1 vom 22. Januar 2018 «Swiss Military / Swiss Military» betraf die seltene Konstellation einer Doppelidentität. Die gleichlautenden Wortmarken waren beide für Uhren hinterlegt. Die Vorinstanz hatte den von der Inhaberin der älteren Marke erhobenen Widerspruch gegen die von der Beschwerdeführerin, der Schweizerischen Eidgenossenschaft, angemeldete Marke gutgeheissen. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach die ältere Marke rechtswidrig sei, war nach Ansicht der Vorinstanz im Widerspruchsverfahren nicht zu hören. Das BVGer stellte demgegenüber fest, obschon die Beständigkeit der Widerspruchsmarke im Widerspruchsver­fahren nicht zu prüfen sei, seien absolute Ausschlussgründe wie der Verstoss gegen geltendes Recht gemäss Art. 2 lit. d MSchG bei der Beurteilung des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke zu berücksichtigen. «Swiss ­Military» dürfe als amtliche Bezeichnung i.S.v. Art. 6 WSchG nur vom entsprechenden Gemeinwesen, nicht aber von der Beschwerdegegnerin benützt werden. Folglich verfüge die Widerspruchsmarke über keinen Schutz­umfang und über keinen Abwehranspruch. Die Beschwerde wurde gutgeheissen.

Im Urteil vom 12. Juli 2017, B-5129/2016, «Chrom-Optics / Chrom-Optics» stand zur Frage, inwieweit das Rechtsmissbrauchsverbot im Widerspruchsverfahren angerufen werden kann. Konkret hatte sich die Wider­sprechende darauf berufen, die von der – mit ihr konzernmässig verbundenen – Markenanmelderin erhobene Nichtgebrauchseinrede sei rechts­missbräuchlich. Das BVGer hielt fest, das Rechtsmissbrauchsverbot gelte grundsätzlich für die gesamte Rechtsordnung. Aufgrund des beschränkten Streitgegenstandes im Widerspruchsverfahren sei Rechtsmissbrauch aber nur, doch immerhin so weit relevant, als es sich auf in jenem Verfahren zu prüfende Themen beziehe – in casu die Einrede des Nichtgebrauchs.

Steiner erwähnte schliesslich die Zwischenverfügung vom 30. August 2017 im Verfahren B-3788/2017, mit welcher das Gesuch um Sistierung des Widerspruchsverfahrens zugunsten ­eines Löschungsverfahrens abgewiesen worden war. Die Beschwerdeführerin war nach vorinstanzlicher Gutheissung des Widerspruchs, im Rahmen dessen der Nichtgebrauch mangels Geltend­|machung nicht zu prüfen gewesen war, mit einem Teillöschungsgesuch an das IGE gelangt und hatte eine Woche ­später mit Beschwerde gegen den ­Widerspruchsentscheid beantragt, das Rechtsmittelverfahren vor dem BVGer betreffend den Widerspruchsentscheid sei bis zum Entscheid über das Löschungsgesuch zu sistieren. Der Antrag wurde mit Blick auf Art. 22 Abs. 3 MSchV abgewiesen.

Abschliessend wies Steiner auf die neuen, systematisch geordneten Jahresbände der BVGE hin. Interessierte können die neuen Entscheide als E-Mail-Newsletter abonnieren, in gedruckter Form ist der Jahresband beim Dike Verlag erhältlich.

Mit dem traditionellen Apéro auf dem Zürichsee fand die wie jedes Jahr wieder sehr gut besuchte Tagung ihren Ausklang.

Fussnoten:
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MLaw, Bundesverwaltungsgericht, St. Gallen.