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Berichte / Rapports

Entscheid der Schweizerischen Lauterkeitskommission (SLKE) vom 8. November 2017

(Plenum)

Sachverhalt (Prozessgeschichte):1

Die Beschwerdeführerin reichte gegen den TV-Spot der Beschwerdegegnerin Beschwerde ein​2. Die III. Kammer unterbreitete den Fall direkt dem Plenum zur Beurteilung, da es sich um grundlegende Fragen handelte, über welche zuerst das Plenum zu entscheiden habe. Das Plenum hat die Beschwerde am 7. November 2017 abgewiesen.

Erwägungen der Kammer:

1. Die Beschwerdeführerin erachtet den TV-Spot der Beschwerdegegnerin als unnötig verletzende resp. anlehnende unlautere Werbung. Es handle sich dabei um ein systematisches Vorgehen der Beschwerdegegnerin. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin verfolgt der beanstandete Spot zwei unlautere Motive: Zum einen will er ein äusserst negatives Bild über die Kategorie der alkoholfreien Biere vermitteln. Zum anderen will er sich ebenso negativ an fremdes Eigentum anlehnen, konkret an die seit Jahren geschaltete Grillkampagne der Beschwerdeführerin.

2. Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde. Sie beruft sich darauf, dass kein Mitbewerberverhältnis bestehe und die beanstandete Szene nur ein «Nebenschauplatz» des Spots sei. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb sich der Spot auf die Produkte und das Unternehmen der Beschwerdegegnerin beziehen soll. Eine eindeutig erkennbare Diffamierung liege nicht vor. Es handle sich zudem um eine erkennbare Parodie auf die realitätsfremde Happy-Shiny-People-Werbewelt. Die fragliche Szene sei zudem nicht kennzeichenkräftig zugunsten der Beschwerdeführerin. Auch ein anderer Detailist verwende beispielsweise eine analoge Szenerie in seiner kommerziellen Kommunikation.

3. Vorliegend ist neben der Frage, ob sich die Beschwerdegegnerin tatsächlich an das Wettbewerbsauftreten der Beschwerdeführerin anlehnt und diese allenfalls herabsetzt, die weitere grundlegende Frage zu beurteilen, inwiefern eine Anlehnung an die kommerzielle Kommunikation eines Dritten einen Verstoss gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) darstellt. Dazu besteht noch keine Praxis der Lauterkeitskommission. Auch in der Lehre und Rechtsprechung sind keine klaren Vorgaben dazu ersichtlich. Da es sich vorliegend nach Meinung der Dritten Kammer aus diesen Gründen um eine Beschwerde mit grundlegenden Fragen handelt, unterbreitet die Kammer die Sache im Sinne von Art. 16 Abs. 3 des Geschäftsreglements dem Plenum zur Beurteilung.

Erwägungen des Plenums vom 8. November 2017:

1. Der Begriff der unlauteren Anlehnung ist in Grundsatz Nr. 3.5 Ziff. 4 der SLK betreffend vergleichende Werbung (Art. 3 Abs. 1 lit. e UWG) wie folgt umschrieben: «Unnötig anlehnend ist eine Äusserung, die sich den guten Namen oder den Ruf eines anderen zunutze macht oder die von einer fremden Unternehmensleistung profitiert.» In analoger Weise kann auch eine Anlehnung gegenüber Nicht-Konkurrenten als ein gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossendes Geschäftsgebaren im Sinne von Art. 2 UWG vorliegen.

2. Eine Anlehnung an fremde kommerzielle Kommunikation ist demnach nicht per se unlauter. Sie muss auch die entsprechende Marktwirkung erzielen, indem die Anlehnung für die Durchschnittsadressaten des betreffenden Werbemittels vordergründig offensichtlich ist.

3. Damit eine Anlehnung zudem als Nachahmung lauterkeitsrechtlich relevant werden kann, muss die übernommene Vorlage (sog. Original) selbst eine Kennzeichnungsfähigkeit resp. Marktbekanntheit aufweisen, um einen Ausstattungsschutz gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG bzw. Grundsatz Nr. 3.7 der SLK beanspruchen zu können. Die Kennzeichnungsfähigkeit setzt eine Unterscheidungskraft voraus oder ist dann als gegeben zu betrachten, wenn eine Verkehrsgeltung der Ausstattung nachgewiesen wird (vgl. dazu SLKE vom 13. November 2002, sic! 2003, 180, m.w.H., «Kult-Werbung»). Der übernommene TV-Werbespot ist als Original im Sinne von Grundsatz Nr. 3.7.1 der SLK zu bezeichnen, indem gemäss dieser Bestimmung nebst Produkten (Waren, Werke) auch eine kommerzielle Kommunikation selbst als Original gilt. Indem die Beschwerdegegnerin diesen «originären» Werbespot in wesentlichen Teilen übernommen hat, liegt wohl eine Nachahmung gemäss dem erwähnten Grundsatz vor​3.

4. Vorliegend fehlt es dem TV-Spot der Beschwerdegegnerin aber nach Auffassung der SLK an der zusätzlich geforderten offensichtlichen Verkehrsdurchsetzung. Der TV-Spot der Beschwerdegegnerin wird von den Durchschnittsadressaten nicht zwingend mit dem Spot der Beschwerdeführerin in Verbindung gebracht, sondern kann auch als generische Parodie auf typische Motive einer Bierwerbung verstanden werden. In diesem Sinne ist vorliegend eine unlautere Anlehnung resp. eine unlautere Nachahmung zu verneinen. Abgesehen davon wäre das Kriterium einer ironischen Aussage gemäss Grundsatz Nr. 1.1.2 der SLK zu berücksichtigen, was zur Folge hätte, dass dieser Umstand selbst bei einer gegebenen Tatbestandsmässigkeit die Unlauterkeit der kommerziellen Kommunikation allenfalls aufheben könnte, da wie erwähnt davon auszugehen ist, dass der Durchschnittskonsument diese Ironie erkennt.

5. Auch von einer Herabsetzung von Produkten der Beschwerdeführerin kann keine Rede sein. Generell ist eine Herabsetzung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. a UWG insbesondere auch aufgrund der Berücksichtigung der Meinungsäusserungsfreiheit nur mit Zurückhaltung anzunehmen. Folglich sind nur Herabsetzungen von einer gewissen Schwere, d. h. ein eigentliches Anschwärzen, Verächtlich- und Heruntermachen, relevant (u. a. BGer 6 S.340/2003, E. 3, «Jahrmarktveranstaltung»). Eine solche Schwere ist vorliegend gerade nicht erkennbar, da es klar und offensichtlich an der Ernsthaftigkeit der beanstandeten Aussage im Zusammenhang mit dem alkoholfreien Bier fehlt (vgl. dazu die vorherige Randziffer). Die Durchschnittsadressaten verstehen, dass der TV-Spot eine zunächst gelungene und unterhaltsame Grillparty zeigt, die zunehmend Mängel aufweist. Dass das Bier den Partyteilnehmern nicht schmeckt, ist nur eines von vielen Elementen, welche im Rahmen der erzählten Geschichte negativ in Erscheinung treten. Aussagen wie «Pfütze» oder «gruusig» sind dabei nicht genereller Natur, sondern werden lediglich auf den Kontext des TV-Spots bezogen. Ein eigentliches Anschwärzen, Verächtlich- oder Heruntermachen von Produkten der Beschwerdeführerin ist daher nicht zu erkennen, zumal es sich um Meinungsäusserungen und nicht um Tatsachenbehauptungen handelt.

6. Ein unlauteres Verhalten zum Nachteil der Beschwerdeführerin ist nicht ersichtlich. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen.

Mitgeteilt von Mischa Senn,

Prof. Dr. iur., Fachexperte und Vizepräsident SLK

Fussnoten:
1

Die Sachverhaltsdarstellung ist nicht Bestandteil des offiziellen Entscheides (sie wurde vom Berichterstatter hinzugefügt).

2

Der TV-Spot «Grillfest» ist abrufbar unter: <www.youtube.com/watch?v=LjKQm7​eBpU0>, jener der Beschwerdeführerin «Grill​party» unter: <www.youtube.com/watch?v=Z1PTtWeI4vg>.

3

Vgl. dazu M. Senn, Besprechung zur Publikation von S. Löscher, Die Markenparodie, Bern 2017, in: sic! 2017, 594596.