Sachverhalt:1
Eine Bank machte auf ihrer Webseite verschiedene Werbeaussagen über ihre Kreditdienstleistungen. Gegen einige Aussagen erhob ein in der Schuldenberatung tätiger Verband eine Beschwerde. Die II. Kammer der SLK hiess die Beschwerde in einem Punkt gut, in den anderen Punkten wies sie die Beschwerde ab.
Erwägungen der II. Kammer:
1. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin verstossen die Werbeaussagen «Engpass überbrücken», «Unvorhergesehenes meistern» sowie «Zinssatzgarantie bei Erhöhung des laufenden Kredits innert 12 Monaten» gegen den Grundsatz Nr. B.1.c der Konvention betreffend Werbeeinschränkungen im Privatkredit- und Konsumentenleasinggeschäft.
2. Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die fragliche Bestimmung der Konvention verbiete in keiner Weise die generische Bezugnahme bzw. Umschreibung einer allgemeinen finanziellen Situation, in welcher die Aufnahme eines Konsumkredites in Erwägung gezogen werden könne. Auch die Beschwerdeführerin verwende auf ihrer Website vergleichbare Umschreibungen von finanziellen Situationen, in welchen die Aufnahme eines Konsumkredites in Betracht gezogen werde. Die Beschwerdegegnerin vertieft diese Argumente in ihrer Beschwerdeantwort.
3. Der Verband Schweizerischer Kreditbanken und Finanzierungsinstitute (VSKF) wurde ebenfalls zu einer Stellungnahme eingeladen, da er Mitunterzeichner der Konvention (vgl. folgende Ziff.) ist.
4. Gemäss Art. 36 des Bundesgesetzes über den Konsumkredit (KKG) richtet sich Werbung für Konsumkredite nach dem Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Für Konsumkredite darf nicht in aggressiver Weise geworben werden. Die Kreditgeberinnen umschreiben in einer privatrechtlichen Vereinbarung in angemessener Weise, welche Werbung als aggressiv gilt (Art. 36a Abs. 1 und 2 KKG). Im Rahmen der Konvention vom 27. November 2015 betreffend Werbeeinschränkungen und Prävention im Privatkredit- und Konsumentenleasinggeschäft (Konvention2) haben sich die im Privatkredit- und Konsumentenleasinggeschäft tätigen Mitglieder des Verbandes Schweizerischer Kreditbanken und Finanzierungsinstitute (VSKF), des Schweizerischen Leasingverbandes (SLV) und weitere in diesen Bereichen aktive Institute zu einer Selbstregulierung der Kreditwerbung für Konsumkredite und zur Umsetzung von Präventionsmassnahmen entschlossen. Dadurch soll das in Art. 36a KKG enthaltene Verbot aggressiver Werbung konkretisiert werden. Die Schweizerische Lauterkeitskommission wurde durch die Konvention als ausschliessliche Kontrollstelle eingesetzt, mit dem Auftrag, auf Beschwerde hin allfällige Missachtungen der werblichen Selbstbeschränkung gemäss Art. 36a Abs. 2 KKG festzustellen.
5. Das Verbot der aggressiven Werbung gemäss Art. 36a Abs. 1 KKG wird durch die Lauterkeitskommission konventionsautonom ausgelegt. Die aggressive Werbung nach KKG wird daher einerseits von den nach herrschender Lehre und Rechtsprechung unter die Generalklausel von Art. 2 UWG fallenden aggressiven Werbemethoden, andererseits von den besonders aggressiven Verkaufsmethoden nach Art. 3 Abs. 1 lit. h UWG abgegrenzt. Während das UWG unlauteres Verhalten bei Verhaltensweisen bejaht, welche die freie Willensbildung und/oder die Entscheidungsfreiheit (möglicherweise) beeinträchtigt, sei es durch an die Allgemeinheit gerichtete Kommunikation (Werbemethoden) oder durch individuelle, persönliche, direkte Ansprache des Einzelnen (Verkaufsmethoden), sieht die Konvention folgende Grundsätze für die Bestimmung von aggressiver Werbung nach Art. 36a Abs. 1 KKG vor (lit. B Ziff. 1 der Konvention):
- a) Bei den Konsumenten soll nicht der Eindruck erweckt werden, dass Konsumkredite besonders rasch und ohne Vornahme einer detaillierten Kreditfähigkeitsprüfung erhältlich seien.
- b) Junge Erwachsene (Personen, die unter 25 Jahre alt sind) sollen durch die Werbung für Privatkredite nicht besonders angesprochen werden.
- c) Auf Werbung für die Aufnahme von Konsumkrediten mit Argu-|menten, die offensichtlich ökonomisch nicht sinnvoll sind, ist zu verzichten.
- d) Auf Werbung für die Aufnahme von Konsumkrediten zur Finanzierung kurzzeitiger kostspieliger Freizeitaktivitäten, Feste etc. ist zu verzichten.
- e) Auf aufdringliche Verteilaktionen von Werbemitteln auf Strassen und Plätzen etc. ist zu verzichten.
6. Somit ist festzuhalten, dass der konsumkreditrechtliche Rechtsbegriff der aggressiven Werbung von den lauterkeitsrechtlichen Rechtsbegriffen der besonders aggressiven Werbe- bzw. Verkaufsmethoden klar zu trennen ist.
7. Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob die beanstandeten drei Werbeaussagen «Engpass überbrücken», «Unvorhergesehenes meistern» sowie «Zinssatzgarantie bei Erhöhung des laufenden Kredits innert 12 Monaten» gegen den Grundsatz Nr. B.1.c der Konvention verstossen. Nach Nr. B.3.b ist es unzulässig, für die Aufnahme von Konsumkrediten zu offensichtlich ökonomisch nicht sinnvollen Zwecken zu werben. Dazu gehört generell die Empfehlung der Aufnahme von Konsumkrediten für den Abbau von Schulden, die erfahrungsgemäss niedriger zu verzinsen sind als Konsumkredite (z. B. Steuerschulden). In diesem Zusammenhang sind insbesondere Ausdrücke wie «Sparkredite» etc. untersagt. Weiter ist zu prüfen, ob die Werbeaussage «Zinssatzgarantie bei Erhöhung des laufenden Kredits innert 12 Monaten» gegen den Grundsatz Nr. B.1.a verstösst. Untersagt sind nach Nr. B.3.a Werbeargumente, die den Verzicht auf eine umfassende Kreditfähigkeitsprüfung bzw. die voraussetzungslose Erhältlichkeit von Konsumkrediten vermuten lassen.
8. Nach Ansicht der Lauterkeitskommission sind die drei beanstandeten Werbeaussagen nicht als «offensichtlich ökonomisch nicht sinnvoll» zu qualifizieren. Die Überbrückung von finanziellen Engpässen oder die Finanzierung von unvorhergesehenen Ausgaben sind ökonomisch übliche Gegebenheiten für die Aufnahme von Kleinkrediten, ja sie bilden geradezu den ökonomischen Zweck derartiger Kredite. Der eintretende finanzielle Ausnahmefall soll mithilfe eines Kleinkredites überwunden werden. Mit «ökonomisch nicht sinnvoll» bezeichnet die Konvention die Aufnahme von Kleinkrediten, wenn zum Beispiel eine Schuldensituation den Regelfall darstellt, also die vorhergesehenen und vorhersehbaren Ausgaben nicht gedeckt werden können oder eine finanzielle Enge Dauerzustand ist. Auch die Aussage betreffend Zinsgarantie ist nicht als offensichtlicher ökonomischer Unsinn zu werten, zumal der Kreditnehmer eine Sicherheit für die Nichtverschlechterung des Zinses erhält, falls der bestehende Engpass grösser als erwartet ist.
9. Die Werbeaussage «Zinssatzgarantie bei Erhöhung des laufenden Kredits innert 12 Monaten» ist aber dennoch unzulässig. Sie verstösst gegen den Grundsatz Nr. B.1.a. Durch die Garantie des Zinssatzes bei einer Krediterhöhung wird dem Kunden suggeriert, dass er im laufenden Vertragsverhältnis schnell und ohne Vornahme einer erneuten Kreditfähigkeitsprüfung den aktuellen Kreditbetrag erhöhen oder einen neuen Kredit gewährt erhalten kann. Es wird implizit kommuniziert, dass eine Krediterhöhung oder neue Kreditvergabe innert 12 Monaten ohne Weiteres erfolgen kann. Der Durchschnittsadressat der Werbeaussage ist sich jedoch der Tatsache nicht bewusst, dass es sich bei der Kreditfähigkeitsprüfung um eine Momentaufnahme handelt und grundsätzlich bei jeder Erhöhung (insbesondere bei Abschluss eines geänderten Vertrages) eine vollständige Überprüfung der Kreditfähigkeit vorgenommen werden muss. Somit ist in Bezug auf diese Werbeaussage die Beschwerde gutzuheissen.
10. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen.
Beschluss:
Es wird festgestellt, dass die Werbeaussage «Zinssatzgarantie bei Erhöhung des laufenden Kredits innert 12 Monaten» gegen Grundsatz Nr. B.1.a der Konvention vom 27. November 2015 betreffend Werbeeinschränkungen und Prävention im Privatkredit- und Konsumentenleasinggeschäft verstösst. Diesbezüglich wird die Beschwerde gutgeheissen. Der Entscheid wird nach Eintritt der Rechtskraft gemäss Nr. D der Konvention den beiden Verbänden VSKF und SLV mitgeteilt.
Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
Mischa Senn, Prof. Dr. iur.,
Fachexperte und Vizepräsident SLK
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Fussnoten: |
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| 1 |
Die Sachverhaltsdarstellung ist nicht Bestandteil des offiziellen Entscheides (sie wurde vom Berichterstatter hinzugefügt). |
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Die Konvention ist abrufbar unter: <www.faire-werbung.ch/wordpress/wp-content/uploads/2016/01/konvention-werbung-u-pr-vention-def-27.11.2015.pdf>. |