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Berichte / Rapports

Revision per 1. Januar 2019

Das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum hat seine Richtlinien in Markensachen überarbeitet und dabei insbesondere die neusten Entwicklungen der Rechtsprechung des BVGer und des BGer sowie der eigenen Praxis berücksichtigt.

Die revidierten Richtlinien sind am 1. Januar 2019 in Kraft getreten und werden seit jenem Datum auf sämtliche hängigen Verfahren angewendet. Sie sind auf der Website des Instituts verfügbar.

Folgende Punkte sind hervorzuheben:

Fristen (Teil 1, Ziff. 5.5)

Die im Rahmen von Widerspruchs- und Löschungsverfahren wegen Nichtgebrauchs geltenden Fristen für eine Stellungnahme zu den Eingaben der Gegenpartei werden von zwei Monaten auf einen Monat verkürzt. Diese Kürzung gilt auch für Fristerstreckungen. Das Institut schafft jedoch die Möglichkeit einer dritten, einmonatigen Fristerstreckung ohne Zustimmung der Gegenpartei, um eventuellen Schwierigkeiten bei der Erlangung und Einreichung von Beweisen für den Gebrauch einer Marke Rechnung zu tragen. Diese Fristerstreckung wird jedoch nur gewährt, wenn die betreffende Partei wichtige Gründe geltend macht. Unter wichtigen Gründen versteht das Institut Schwierigkeiten, Beweise für den Gebrauch der Marke beizubringen, insbesondere wenn sich die Partei im Ausland befindet. Mit der Fristverkürzung soll gewährleistet werden, dass möglichst kurze Löschungs- und Widerspruchsverfahren weiterhin eine Alternative zum Zivilprozess darstellen.

Recht, sich zur Sache zu äussern (Teil 1, Ziff. 5.7.1)

Bei den Gesuchen für die Eintragung schweizerischer Marken gibt das Institut dem Hinterleger in der Regel die Möglichkeit, sich ein einziges Mal zu den Gründen zu äussern, die zur vollständigen oder teilweisen Ablehnung eines Gesuchs führen können. Ein zweiter Schriftenwechsel findet bei Schweizer Markeneintragungsgesuchen statt, bei denen

  • das Beanstandungsschreiben des Instituts mangelhaft war (bspw. ungenügende Begründung der Zurückweisung oder fehlende Beweismittel zum Nachweis der Üblichkeit);
  • sich der Sachverhalt geändert hat (bspw. bei einer Zeichenänderung, die nicht zur Schutzfähigkeit führt, wenn der Hinterleger Verkehrsdurchsetzung geltend macht oder wenn ein präzisiertes Waren- und Dienstleistungsverzeichnis erneut beanstandet werden muss);
  • die Umstände des konkreten Falls dies erfordern (bspw. wenn sich der Hinterleger aufgrund des rechtlichen Gehörs zu neuen Gründen oder Beweismitteln äussern können muss, die das Institut im Laufe des Verfahrens geltend macht).

Waren- und Dienstleistungsverzeichnis (Teil 2, Ziff. 4)

Die Richtlinien wurden mit Erklärungen zum Aufbau und zur Ausformulierung von Waren- und Dienstleistungsverzeichnissen ergänzt. Besonders erwähnenswert sind die Hinweise zur Ausformulierung von Einschränkungen und Beispiele problematischer Einschränkungen.

Die Praxis wird in zwei Bereichen geändert. Erstens lässt das Institut Verweise auf andere Klassen innerhalb des Verzeichnisses nicht mehr zu, da die OMPI ihre Praxis per 1. Juli 2018 geändert hat und diese Querverweise neu zurückweist. Das Institut ist bestrebt, die Praxis in Bezug auf die Prüfung von Waren- und Dienstleistungsverzeichnissen so weit möglich mit derjenigen der OMPI zu harmonisieren, um Beanstandungen im Rahmen der internationalen Schutzausdehnung von Schweizer Marken zu verhindern. Zweitens wird die Klassennummer neu auch bei der Auslegung von Dienstleistungsbegriffen mitberücksichtigt, was dazu führt, dass gewisse Dienstleistungen nicht mehr präzisiert werden müssen. Der Zusatz «soweit in dieser Klasse enthalten» alleine führt aber weder bei Waren noch bei Dienstleistungen dazu, dass ein Begriff, welcher nicht klar einem Oberbegriff oder einem Begriff der alphabetischen Liste einer Klasse untergeordnet werden kann, als genügend präzise für die Klassierung erachtet werden kann. Zur Veranschaulichung der Praxis wurden verschiedene Beispiele von zulässigen und unzulässigen Waren- und Dienstleistungsbegriffen aufgenommen.

Sortenbezeichnungen (Teil 5, Ziff. 4.4.2.7.12)

Die Praxis bezüglich der Sortenbezeichnungen wurde überarbeitet und präzisiert. Wenn ein Zeichen, dessen Schutz im Zusammenhang mit pflanzlichen Erzeugnissen der Klasse 31 beansprucht wird, aus einer im Sortenschutzregister des BLW oder des Verbandes zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) eingetragenen Bezeichnung besteht, ist es vom Schutz als Marke ausgeschlossen. Die Bezeichnung gilt als bei den massgebenden Verkehrskreisen in der Schweiz bekannt. Sie hat keine Unterscheidungskraft und untersteht einem absoluten Freihaltebedürfnis. Ausserdem verstösst ein solches Zeichen gegen geltendes Recht, da die Schweiz keine Rechte gewähren kann, mit denen der Gebrauch von Sortenbezeichnungen als Gattungsbezeichnung verhindert wird (vgl. Art. 20 Abs. 1 lit. b UPOV-Übereinkommen). Wenn das Zeichen für andere Waren oder für Dienstleistungen beansprucht oder mit anderen Bestandteilen kombiniert wird, sind die üblichen Kriterien für die Prüfung der Unterscheidungskraft anwendbar.

Buchstaben- oder Zahlenkombinationen (Teil 5, Ziff. 4.5.2)

Neu werden Zeichen, die aus einer Buchstabenfolge und einer gemeinfreien Wortkombination bestehen, nicht als schutzfähig qualifiziert, wenn die Buchstabenfolge als Akronym der gemeinfreien Wortkombination wahrgenommen wird. Dies gilt auch dann, wenn der Buchstabenfolge in Alleinstellung kein beschreibender oder üblicher Charakter zukommt. Diese Änderung ist gerechtfertigt, weil die neue Praxis den Grundsatz des Gesamteindrucks stärker berücksichtigt und eine Harmonisierung mit dem Gemeinschaftsrecht ermöglicht.

Kombinierte Wort-/Bildmarken (Teil 5, Ziff. 4.6)

Die Richtlinien stellen neu klar, dass die Prüfungskriterien des Instituts für kombinierte Wort-/Bildmarken grundsätzlich mit der im Rahmen des EUIPO-Konvergenzprogramms beschlossenen gemeinsamen Praxis (KP3) übereinstimmen. Daraus resultiert eine Praxisänderung bezüglich des Einflusses von mehreren Farben für die Beurteilung der Unterscheidungskraft eines zum Gemeingut zählenden Wortes oder einer Wortkombination. Neu gilt, dass aufgrund der Üblichkeit der Verwendung von Farben ein gemeinfreies Wortelement, das mit mehreren Farbansprüchen hinterlegt wird, in der Regel nicht mehr als unterscheidungskräftig beurteilt wird.

Verbot der Benutzung bestimmter Begriffe (Teil 5, Ziff. 7.5)

Bezüglich Begriffen, deren Benutzung durch spezialgesetzliche Bestimmungen untersagt ist, wird die Praxis angepasst. Eine Zurückweisung aufgrund Verstosses gegen geltendes Recht (Art. 2 lit. d MSchG) erfolgt nur, wenn mit der fraglichen Regelung 1. der betroffene Begriff ausdrücklich genannt und 2. ein Eintragungsverbot als Marke statuiert wird. Betroffen sind in diesem Kontext in erster Linie lebensmittelrechtliche Verbote. Mit dieser Anpassung wird die Abgrenzung der Rechtsgrundlagen für die Zurückweisung bereinigt; ihr Grund liegt insbesondere darin, dass das Institut fachlich nicht in der Lage ist, im Einzelfall über die Rechtswidrigkeit zu befinden. Die Praxisänderung betrifft nicht die geografischen Herkunftsangaben.

Die Zurückweisung von Begriffen unter dem Gesichtspunkt der offensichtlichen Irreführungsgefahr (Art. 2 lit. c MSchG) wird konsequenter als bisher an der Wahrnehmung der betroffenen Verkehrskreise ausgerichtet. In Zusammenhang mit Tabakprodukten führt die Änderung dazu, dass Hinweise wie «mild» oder «leicht» nicht mehr zurückgewiesen werden – die entsprechende Passage in Teil 5, Ziff. 5.2 der Richtlinien wurde daher ersatzlos gestrichen.

Herkunftsangaben (Teil 5, Ziff. 8)

Die Ziffer 8, die sich mit den Herkunftsangaben befasst, wurde überarbeitet und in ihrer Struktur vereinfacht. In Anwendung des Entscheids «Indian Motorcycle» (BGer 4A_357/2015) wurde ein neuer Abschnitt über die Ausnahmen vom Erfahrungssatz aufgrund des Gesamteindrucks eingefügt. Zudem wurde die Ausnahme bezüglich Inhaltsangaben (einschliesslich Hinweisen auf Titel von Medien- und Verlagserzeugnissen) in dem Sinne präzisiert, dass sich der Hinweis auf den Inhalt klar aus der Marke ergeben muss. Dies stellt eine Praxisänderung für Warenmarken dar.

Das Institut hat seine Praxis in zwei weiteren Bereichen geändert:

Erstens prüft es den qualifizierten Charakter von Herkunftsangaben im Rahmen des Eintragungsverfahrens nicht mehr. Herkunftsangaben, die sich auf Bodenprodukte beziehen, werden folglich nicht mehr automatisch als qualifiziert betrachtet. Eine enge Einschränkung der Liste der Waren und Dienstleistungen, d.h. auf die lokale oder regionale Herkunft, wird ausschliesslich für Bezeichnungen mit besonderem Schutz (gemäss bilateralen Verträgen, sektoriellem Abkommen CH-EU, Schweizer GUB/GGA-Recht, Weinrecht, Branchenverordnungen) verlangt und bezieht sich nicht mehr auf ein geografisches Gebiet, sondern auf den Schutztitel. Bei den übrigen Herkunftsangaben einschliesslich der lediglich durch Art. 23 Ziff. 2 TRIPS geschützten ausländischen Weinbezeichnungen genügt eine Einschränkung auf das Land, um die Irreführungsgefahr oder einen Verstoss gegen geltendes Recht zu vermeiden.

Zweitens ist das Fehlen eines besonderen Rufs keine Bedingung mehr, um eine Ausnahme vom durch das Bundesgericht entwickelten Erfahrungssatz anzunehmen. Mit dieser Praxisänderung wird das Urteil des BVGer B-1428/2016, «Deutscher Fussball-Bund (fig.)» umgesetzt. Vorbehalten bleiben allerdings die durch das internationale Recht und die Spezialgesetzgebung (Art. 23 Abs. 2 TRIPS, sektorielles Abkommen CH-EU, Schweizer GUB/GGA-Recht, Weinrecht, Branchenverordnungen) geschützten Bezeichnungen. Diese sind weitgehend unabhängig von der Wahrnehmung der Konsumenten nach Art. 47 Abs. 2 MSchG geschützt, und der Grossteil der Ausnahmen vom Erfahrungssatz gilt für sie nicht.

Öffentliche Zeichen und Hoheitszeichen (Teil 5, Ziff. 9)

Die dem WSchG unterstehenden öffentlichen Zeichen und Hoheitszeichen werden in der neuen Ziff. 9 behandelt. Alle dem am 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Gesetz unterstehenden Zeichen sind definiert. Des Weiteren werden die Kriterien für die Prüfung der Gefahr einer Verwechslung mit einem geschützten Zeichen, der Zugehörigkeit zum Gemeingut und der Irreführungsgefahr über die geografische Herkunft (Ausnahmen vom Erfahrungssatz) aufgezählt und anhand von Beispielen erläutert.

Eric Meier