Der diesjährige Ittinger Workshop des INGRES zum Kennzeichenrecht fand traditionsgemäss in der Kartause Ittingen statt. Geleitet wurde die Tagung von Michael Ritscher; Christoph Gasser war für die Organisation und David Aschmann sowie Gallus Joller für Konzept und Vorbereitung verantwortlich.
Der diesjährige Ittinger Workshop widmete sich den verschiedenen Markenkategorien und ihren Auswirkungen auf das Eintragungs-, Widerspruchs- und Verletzungsverfahren. Für «neue Markenformen» wie Form-, Farb-, Hör-, Duft-, Bewegungs- und Positionsmarken gelten heute unterschiedlich einschränkende Beurteilungsregeln. Doch die zugrunde liegenden Rechtsfragen lauten für alle Marken gleich. Entsprechen diese Markenkategorien unserer Wahrnehmung der Zeichen auf allen Märkten? Welche neuen Kategorien erwarten uns? Stimmen sie in Schutzgewährung, -umfang und Gebrauch mit der Beurteilung der Marke überein? Soll unsere Rechtsanwendung stetig differenzierter werden oder können wir sie auf einheitliche, aber wahrnehmungsabhängige Kriterien zurückführen? Wie lassen sich die Schutzanforderungen kategorienübergreifend formulieren? Diese und weitere Fragen standen im Zentrum des diesjährigen INGRES-Workshops.
Einleitend führte Michael Ritscher aus, dass Aristoteles mit seinem Werk Kategoriai als Erfinder der Kategorien gilt. Mittels Kategorien kann die Komplexität reduziert und Suchen vereinfacht werden. Andererseits geben Kategorien stets ein Schema vor, das festgelegt und relativ unbeweglich ist. Kategorien sind deshalb schwer an einen Fortschritt anpassbar.
Markenkategorien waren positivrechtlich eigentlich nur bis zum Anfang der 90er-Jahre vorgesehen. So waren ausschliesslich Wortmarken, Bildmarken oder kombinierte Wort-/Bildmarken eintragungsfähig. Es bestehen zwar nach wie vor andere markenrechtliche Kategorien, so z. B. die Nizza-Klassen, die Unterscheidung zwischen Waren und Dienstleistungen, Individual-, Kollektiv- und Garantiemarken etc. Eine eigentliche Limitierung auf bestimmte Markenkategorien existiere jedoch nicht mehr. Nach dem «neuen» Markenschutzgesetz aus dem Jahre 1992 wird die Marke lediglich als ein Zeichen definiert, das geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden.
Obwohl es gemäss geltendem Markengesetz keine Markenkategorien mehr gibt, unterscheiden das IGE und die Gerichte nach wie vor zwischen konventionellen und nicht konventionellen Marken. Auf diese Weise findet eine kategoriale Unterscheidung statt, und es existieren in der Praxis somit weiterhin Markenkategorien.
Theo Lieven von der Universität St. Gallen referierte zunächst zu den Marken aus der Perspektive des Marketings. Der Markenbegriff hat sich im letzten Jahrhundert stark entwickelt. Während die Markendefinition früher zeichen-, angebots- oder nachfrageorientiert erfolgte, werden heutzutage integrierte Ansätze der Markendefinition verwendet. So demonstrierte er die Markenpersönlichkeit nach Aaker (1997) anhand einiger Beispiele. Die Brand Personality Dimensions von Aaker sind ein Tool, um die Persönlichkeit einer Marke in fünf Dimensionen zu beschreiben und zu messen. Die fünf Dimensionen sind Begeisterung, Kompetenz, Robustheit, Kultiviertheit und Aufrichtigkeit.
Zur Analyse wird eine Marke in einem ersten Schritt in ihre kategorialen Bestandteile zerlegt. Ein Plakat wird z. B. in eine Wortmarke (z. B. Schriftzug auf dem Plakat), eine Bildmarke (z. B. auf dem Plakat abgebildete Person) und eine Farbmarke (Hintergrundfarbe) etc. zerlegt. Jeder Kategorie wird sodann ein Markenpersönlichkeitswert zugeordnet. In einem weiteren Schritt wird die «euklidische Distanz» zwischen zwei Marken berechnet, wobei die Markenpersönlichkeitswerte der einzelnen Kategorien der Marken in die Berechnung einfliessen. Die einzelnen Marken und die errechneten Distanzen können in eine «Distanzmatrix» eingetragen werden (MDS: Multidimensionale Skalierung). Mit einer solchen Matrix können die Position der Marken sowie eine mögliche Annäherung von Marken bei Veränderung der Charakteristika dargestellt werden.
Gallus Joller setzte sich in seinem Vortrag mit der originären Unterscheidungskraft und dem Freihaltebedürfnis der einzelnen Markenkategorien auseinander.
In Bezug auf Wortmarken sind einzelne Buchstaben, Zahlen und beschreibende Zeichen vom Markenschutz ausgeschlossen. Der beschreibende Charakter solcher Hinweise muss vom angesprochenen Publikum ohne besondere Denkarbeit und ohne Fantasieaufwand unmittelbar erkennbar sein (BGer vom 3. September 2009, 4A_330/2009).
Im Bereich der Bildmarken gelten banale Zeichen (Viereck, Dreieck etc.) sowie Zeichen, die sich in einer üblichen oder naturgetreuen Wiedergabe der Waren, für die sie beansprucht werden, erschöpfen, als Gemeingut. Erschöpft sich ein Zeichen in der Abbildung der gekennzeichneten Ware, ohne dass eine ungewöhnliche Bildperspektive, stilisierte Darstellung oder andere besondere Wiedergabe es unterscheidungskräftig individualisiert, unterliegt es denselben Voraussetzungen wie jene dreidimensionale Marken, die in der Form der angebotenen Ware oder Verpackung selbst bestehen (BVGer vom 28. März 2018, B-1722/2016).
Bei Formmarken ist festzuhalten, dass eine Warenform dann originär unterscheidungskräftig ist, wenn ihre auffällige Eigenart auch als Herkunftshinweis taugt, was insbesondere bei grosser Formenvielfalt im beanspruchten Warensegment regelmässig zu verneinen ist, sofern sich die als Marke beanspruchte dreidimensionale Form nicht deutlich von den üblicherweise verwendeten Formen abhebt (BGE 137 III 403). Der Schweizer Durchschnittskonsument ist es nicht gewohnt, in Verpackungsformen ein herkunftshinweisendes Zeichen zu erkennen. Dies ganz im Gegensatz etwa zu Wortzeichen (BGE 137 III 403).
Farben erfüllen in erster Linie eine ästhetische Funktion. Konturlose Farbtöne und deren Kombinationen zählen deshalb grundsätzlich zum Gemeingut. Hörmarken sind ebenfalls geeignet, als Herkunftszeichen erkannt zu werden. Bei Tonfolgen sind verschiedenste Kombinationen denkbar. Die konkrete Unterscheidungskraft dürfte selten zu verneinen sein. Bei einer Positionsmarke liegt die Schwierigkeit darin, dass sie auch tatsächlich ein Verständnis als Herkunftshinweis vermittelt.
Zusammengefasst ist die originäre Unterscheidungskraft bei Wort-, Bild- und Hörmarken grundsätzlich gegeben. Bei Form- und Positionsmarken ist die originäre Unterscheidungskraft selten bis nie gegeben, und Farbmarken sind grundsätzlich Gemeingut. Für die Frage der Unterscheidungskraft ist ohne Belang, welcher Markenart ein Zeichen zuzuordnen ist. Die zu klärende Rechtsfrage bleibt grundsätzlich dieselbe, wobei Besonderheiten in der Wahrnehmung einer Markenart durch das Publikum aber berücksichtigt werden können (BVGer vom 28. März 2018, B-1722/2016).
Im Anschluss wurde unter anderem die Aussage diskutiert, dass sich eine Formmarke vom Formenschatz abheben müsse. Ein Teilnehmer meinte, dies sei vergleichbar mit Neuheit aus dem Design- und dem Patentrecht. Im Markenrecht existiere ein solches Kriterium aber überhaupt nicht. Es stelle sich deshalb die Frage, ob die Wahrnehmung durch das Publikum überhaupt das richtige Kriterium sei.
Im nächsten Vortrag referierte Handelsrichter Meinrad Vetter über die Beurteilung von Verkehrsdurchsetzung und Bekanntheit in den einzelnen Markenkategorien.
Bezüglich Verkehrsdurchsetzung wurden noch nicht für sämtliche Markenkategorien Entscheide gefällt. Für die Kategorien Wortmarke, Bildmarke, Wort-/Bildmarke, Formmarke und abstrakte Farbmarke gingen die Gerichte bisher zumindest stets vom gleichen Verkehrsdurchsetzungsverständnis aus. Es wurden die gleichen rechtlichen Anforderungen definiert. Bei der Rechtsfrage, ob eine Verkehrsdurchsetzung besteht, gibt es somit keine Kategorisierungen. Der Referent betonte allerdings, dass die Wahrnehmung des Zeichens durch das Publikum je nach Kategorie unterschiedlich sei. So sind die Nachweise für die Verkehrsdurchsetzung und damit insbesondere für demoskopische Umfragen je nach Kategorie unterschiedlich zu gestalten.
In ähnlicher Weise beurteilt der Referent auch das Kriterium der Notorietät nach Art. 3 Abs. 2 lit. b MSchG. Der Rechtsbegriff der Notorietät folgt bei allen Kategorien dem gleichen Verständnis. Hingegen gibt es bei den Tatfragen Unterschiede. So werden die überragende Verkehrsgeltung, die Einmaligkeit und die allgemeine Wertschätzung für die unterschiedlichen Markenkategorien je nach Markenkategorie unterschiedlich beurteilt.
Matthias Steinlin vom IGE referierte zur Wiedergabe im Markenregister und illustrierte die verschiedenen Anforderungen an die Darstellung der einzelnen Markenkategorien.
Grundsätzlich wird verlangt, dass eine Marke grafisch darstellbar ist. Das IGE kann aber für besondere Markentypen weitere Arten der Darstellung zulassen (Art. 10 Abs. 1 MSchV). Im Sinne der Rechtssicherheit muss die Darstellung im Register klar sein. Es wird deshalb gefordert, dass die Darstellung in sich abgeschlossen, eindeutig, objektiv, leicht zugänglich, verständlich und dauerhaft ist. Der Referierende erläuterte, dass beispielsweise nicht einfach ein Keks eingereicht werden könne, um dessen Duft als Duftmarke zu schützen, weil in diesem Fall weder der Keks noch der Duft dauerhaft seien.
Anhand einer Übersicht zeigte der Vertreter des IGE, welche Anforderungen an die Darstellung bei den einzelnen Markenkategorien gestellt werden. So können eine Wortmarke, eine Bildmarke oder eine kombinierte Wort/Bildmarke ohne weitere Angaben eingereicht werden. Allenfalls ist ein Farbanspruch anzugeben. Für die restlichen Marken ist stets anzugeben, um welchen Markentyp es sich handelt. Ausserdem sind Mehrfachabbildungen bei Formmarken, Positionsmarken und Hologrammen möglich, bei Bewegungsmarken zwingend. Insbesondere bei einer Bewegungsmarke sollten weitere Bemerkungen hinzugefügt werden.
In der anschliessenden Diskussion wurde erwähnt, dass den Anmelder eine Mitwirkungspflicht treffe und dieser deshalb gegenüber dem Amt klarstellen müsse, was er eintragen will. Es sei nicht Aufgabe des Amtes, eine Marke einer Kategorie zuzuordnen. Wenn der Anmelder die Markenkategorie bei der Anmeldung nicht angibt, nimmt das IGE mit dem Anmelder Kontakt auf. Wird die Kategorie gewechselt, so ändert sich auch der Anmeldetag. Im Weiteren wurde erwähnt, dass es wichtig sei, die Markenkategorie anzugeben, weil sich das Verständnis von Marken über die Zeit auch ändere. So werde heutzutage eine arabische Schrift als Bildmarke geschützt, während diese in 20 Jahren vielleicht als Wortmarke geschützt werden könne.
In einem nächsten Vortrag referierten Lukas Abegg und Claudia Walz vom BVGer zur Kategorisierung bei der Beurteilung des rechtserhaltenden Gebrauchs.
Die Referierenden hielten fest, dass insgesamt sieben Anforderungen an den rechtserhaltenden Gebrauch zu stellen sind. Zu prüfen sind der Ort, die Zeit, die Quantität, die Qualität, die Person, der Adressat und der Gebrauch des Zeichens. Sie sind der Auffassung, dass es bezüglich der ersten sechs Anforderungen keine Kategorisierung gebe und die Kriterien deshalb einheitlich angewendet werden. Unterschiede zeigen sich allerdings beim Kriterium des Zeichengebrauchs. Die Unterschiede entstehen jedoch nicht durch die unterschiedliche Kategorie, sondern durch die verschiedenen Waren und Dienstleistungen. Dies sei ein Ausfluss aus Art. 11 MSchG.
Der Zusammenhang zwischen Zeichen und Gebrauch der Ware oder Dienstleistung wird auch vom Gestaltungsspielraum des Anbieters der Ware oder Dienstleistung sowie von den Gewohnheiten des Marktes mitbestimmt. Wird die Wortmarke beispielsweise lediglich als Bezeichnung der Unternehmung verwendet, liegt kein rechtserhaltender Gebrauch vor. Entsprechend können Rechnungen oder Lieferscheine unter Umständen kein taugliches Beweismittel sein (z. B. -BVGer, B-7449/2006). Verschwindet das Zeichen im Gebrauchskontext in einem «Zeichenwald», erscheint es als Teil eines Gesamtzeichens. Wirkt es lediglich dekorativ, wird es als solches nicht mehr wahrgenommen. Entsprechend können unter Umständen Verpackungen oder Prospekte mit ausladender Farb- und Formgestaltung nicht als Beweismittel taugen (BVGer, B-648/2008, «Hirsch [fig.] / Hirsch [fig.]»). Bei Kleidern hingegen kann ein ornamentaler Gebrauch rechtserhaltend sein (BVGer, B-5830/2009, E. 2.2.3, «fünf Streifen [fig.] / fünf Streifen [fig.]»).
Die Kategorisierung erfolgt somit nach der Art der Produkte. So ist beispielsweise zwischen Luxusgütern und Massenprodukten des täglichen Gebrauchs zu unterscheiden. Bei Produkten, welche Bestandteil eines anderen Produkts sind, kann der Gebrauch des Gesamtproduktes bereits genügen.
Aus dem Publikum wird sodann mit Verweis auf den EuGH-Entscheid «Baumwollblüte» als Ergänzung erwähnt, dass bei Individualmarken, Garantie- und Kollektivmarken durchaus eine Kategorisierung in Bezug auf den rechtserhaltenden Gebrauch bestehe.
Zum Abschluss des ersten Seminartages referierte Bernard Volken zur Verwechslungsgefahr und zum verletzenden Markengebrauch.
Bei der Wortmarke sind die Kriterien für die Verwechslungsgefahr die Phonetik, das Schriftbild und der Sinngehalt. Dies ist ein Erfahrungssatz. Die Ähnlichkeit eines dieser Kriterien genügt für die Verwechslungsgefahr. Bei einer Bildmarke kommt es auf die grafische Gestaltung und den allfälligen Sinngehalt an. Eine Ähnlichkeit bei einem Element der Bildmarke genügt grundsätzlich ebenfalls für die Verwechslungsgefahr. Bei der Wort-/Bildmarke sind die Kriterien dieselben. Für die Formmarke sind die zwei- und dreidimensionalen Gestaltungselemente zu prüfen. Massgebend sind die prägenden kennzeichnungskräftigen Elemente. Bei der Farbmarke ist der Farbton und bei der akustischen Marke die Tonfolge, die Tonhöhe und der Rhythmus entscheidend. Allen Markenkategorien gemeinsam ist jedoch, dass es auf den Gesamteindruck ankommt. Die Unterscheidung nach Kategorien unterstützt somit bei der Prüfung, entscheidend ist schlussendlich aber der Gesamteindruck.
Der Referent hält fest, dass die Schnittmenge der Ähnlichkeitskriterien zwischen den einzelnen Markenkategorien auffallend klein sei. Eine Zusammenführung all dieser Kriterien sei deshalb nicht sinnvoll. Die Juristen mögen das Kategorisieren bzw. das Anwenden von «Kochrezepten». Es sollte aber darauf geachtet werden, dass sie in den Kategorien nicht gefangen sind. Flexibilität ist notwendig.
Kai Schmidt-Hern, Rechtsanwalt und Partner bei Lubberger Lehment, eröffnete das Samstagsprogramm mit seinem Referat zu den Kategorien im EU-Markenrecht. Einleitend gab Schmidt-Hern dem Publikum einen Überblick über die derzeit auf EU-Ebene anerkannten Markenkategorien. Anhand der Statistik des EUIPO wurde deutlich, dass die neueren Markenkategorien nach wie vor eine verschwindend kleine Bedeutung haben. Während der Anteil der Formmarken noch deutlich unter der Schwelle von einem Prozent liegt, bewegen sich Hologramm- oder Multimediamarken gar im Promillebereich. 99 Prozent der registrierten Marken stellen nach wie vor Wort- und Bildmarken dar. Nach Schmidt-Hern werde sich daran auch in naher Zukunft nichts ändern.
Die derzeit verfügbaren Markenkategorien im EU-Recht entspringen Art. 3 Abs. 3 der Durchführungsverordnung zur Unionsmarke1, wonach die unterschiedlichen Markentypen in Bezug auf ihre Wiedergabe im Register verschiedene Kriterien erfüllen müssen. Dabei erfolgte die jüngste Erweiterung des Katalogs der verschiedenen Markentypen über den Verzicht auf die grafische Darstellbarkeit. Trotz der geringen Bedeutung neuerer Markenkategorien hält Schmidt-Hern den kategorialen Weg für richtig und notwendig, denn durch die Kategorisierung werde das Register differenzierter und aufnahmefähiger – vergleichbar mit der Einteilung von Waren und Dienstleistungen in verschiedene Klassen. Die Erhöhung der Aufnahmekapazität und die Differenzierung des Registers funktionieren gemäss Schmidt-Hern am besten auf dem Wege der kategorialen Unterscheidung. Flexibilität schwäche dieses System.
Es sei zwar korrekt, dass die Rechtswissenschaft bei bestimmten Fragen wie z. B. der Markenwahrnehmung auf allgemeingültige Erkenntnisse aus den Kognitionswissenschaften zurückgreifen sollte. Darauf gestützt könne jedoch nicht eine De-Kategorisierung des Markenrechts legitimiert werden. So sei bspw. aus juristischer Sicht eine von der konkreten Markenkategorie entkoppelte Verwechslungsgefahr nicht praktikabel, selbst wenn das psychologische Verständnis diese kategoriale Differenzierung so nicht kennt.
Neben dem registerrechtlichen Bedürfnis nach Kategorisierung verlange auch die Beurteilung des Schutzbereichs einer Marke eine kategoriale Unterscheidung. Obwohl das EU-Markenrecht keine Regeln zur Schutzbereichsbestimmung unterschiedlicher Markentypen enthält, zeige die Analyse des Fallrechts deutlich, dass sich auf dem Wege der kategorialen Rechtsanwendung eine solche etabliert hat. Dabei basiere der Schutzbereich auf der Bindung an die im Register eingetragene Form der Klagemarke, dem Begriff der Verwechselungsgefahr, dem dort verankerten Element der Kennzeichnungskraft sowie dem Begriff der Ähnlichkeit im Zeichenvergleich. Die dabei anzuwendenden Erfahrungssätze müssten wiederum von den infrage stehenden Markenkategorien bestimmt werden.
Schwierig werde es vor allem dann, wenn sich verschiedene Markenkategorien gegenüberstehen und die Verwechslungsgefahr kategorienübergreifend geprüft werden müsse. Letztere vermittle sich häufig nur über die Ähnlichkeit im Sinngehalt. Unter dem Titel «Kategorische oder übergreifende Verwechselungsgefahr?» kommt Schmidt-Hern zum Schluss, dass gerade bei Farbmarken im Verletzungsprozess immer ein «Kategoriensprung» nötig sei. Nicht selten mangelt es in solchen Konstellationen aber an anwendbaren Erfahrungssätzen. Dies werde bspw. im «Goldbären»-Urteil des BGH (BGH vom 23. September 2015, I ZR 105/14) deutlich, in dem sich Wortmarken («Goldbären / Goldbär»), eine abstrakte Farbmarke «Gold» sowie eine in Goldfolie eingewickelte Schokoladenfigur in Bärenform gegenüberstanden. In einem solchen Einzelfall lasse sich derzeit noch nicht auf eine gefestigte Praxis zurückgreifen, um die Verwechslungsgefahr zu beurteilen.
David Aschmann, Richter am BVGer (Abteilung II), plädierte im letzten Referat des diesjährigen Workshops für eine Flexibilisierung anstelle einer übermässigen Kategorisierung im Markenrecht. Hierzu analysierte Aschmann zunächst, inwiefern überhaupt ein Bedürfnis nach Markenkategorien besteht. Dabei kam der Referent zum Schluss, dass Markenkategorien weder von semiotischen oder kommunikativen noch von merkantilen oder polizeilichen Bedürfnissen getragen werden. Vielmehr basieren Markenkategorien auf einem argumentativen und daher rein rechtlichen Bedürfnis.
Wie sein Vorredner betonte Aschmann, dass mangels positivrechtlicher Regelung auf Erfahrungssätze aus der einschlägigen Kasuistik abgestellt werden müsse. Aber gerade im Markenrecht, welches in jedem Einzelfall eine Gesamtschau abverlangt, könne auch die richterliche Rechtsfortbildung nur begrenzt für Rechtssicherheit sorgen. Ferner sind kategorisierende Fallgruppen stets mit gewissen Risiken verbunden. So werden vom Einzelfall als Ausgangspunkt Vergleichsfälle abgeleitet, aus denen sich in der Folge vermeintlich allgemeingültige Regeln ergeben sollen. Er betont dabei, dass eine übermässige Kategorisierung bei der Rechtsanwendung die Gefahr berge, dass die ursprünglich für einen Einzelfall aufgestellten Kriterien und Regeln schematisch und ohne genügenden Bezug zum Begründungskontext auf anders gelagerte Fälle angewendet werden. Von den rechtsanwendenden Behörden fordert Aschmann daher, dass sie die in einem Vergleichsfall massgebenden Kriterien, Regeln und Schutzzwecke zunächst auf ihre Kategorieabhängigkeit überprüfen und anschliessend beurteilen, ob die Argumente, die dem Vergleichsfall zugrunde gelegen haben, auch im konkreten Einzelfall gelten.
Aschmann kommt zum Schluss, dass Kategorien – gerade im Markenrecht – zwar durchaus helfen können, Kriterien und Regeln zu begründen. Die Rechtsanwender müssen sich jedoch davor hüten, die für den Vergleichsfall aufgestellten Kriterien und Regeln allzu schematisch auf andere Fälle zu übertragen. Nur unter dieser Prämisse können Kategorien zur Flexibilisierung führen oder – übertragen auf die Tierwelt – Schmetterlinge auch als Raupen angesehen werden.
Im Anschluss an das letzte Referat fand unter der Leitung von Michael Ritscher, Bernard Volken, Meinrad Vetter und Matthias Leemann eine angeregte Schlussdiskussion statt. Dabei gingen die Meinungen über Sinn und Unsinn von Markenkategorien deutlich auseinander.
Die Anwesenden, die gegenüber Markenkategorien dem Grunde nach positiv eingestellt waren, vertraten die Ansicht, dass eine Kategorisierung im Sinne einer einheitlichen Anwendung verschiedener Grundsätze bei gleichen Sachverhalten ein Grundprinzip der Rechtswissenschaft darstelle und gerade im Markenrecht absolut notwendig sei. Kategorien schaffen Rechtssicherheit und seien daher nicht mehr wegzudenken. Zudem sei zu befürchten, dass eine permissivere Eintragungspraxis eine deutliche Zunahme von Eintragungsgesuchen und Widerspruchsverfahren nach sich ziehen würde. Selbst wenn die strengeren kategorientypischen Kriterien erst im Verletzungsprozess und nicht bereits im Eintragungsstadium zum Tragen kämen, würde dies den Markeninhabern eine starke Waffe in die Hand geben. Der Trend zur lockeren Eintragungspraxis aus den USA und der EU müsse in der Schweiz nicht übernommen werden.
Gegner der Markenkategorien erachteten Mechanismen im Markenrecht grundsätzlich als unerwünscht und appellierten stattdessen an die Einzelfallbeurteilung. Markenkategorien dürften keine Schutzschranken sein. Obwohl mit der Zugehörigkeit zu einer Kategorie im Zeitpunkt der Anmeldung vom Anmelder im Prinzip nur festgelegt werde, als «was» der Markt die einzutragende Marke aufzufassen hat, habe diese Zuteilung laut Ritscher und Simon bereits eine enorme Vorwirkung auf einen späteren Verletzungsprozess, weil durch die Zugehörigkeit zu einer Kategorie bereits der Schutzumfang abgesteckt werde. Dies müsse aber zwingend dem Zivilrichter im Verletzungsverfahren und dem dortigen Beweisverfahren überlassen werden.
Ferner führe ein übermässiges Kategorisieren markenrechtlicher Sachverhalte nicht selten dazu, dass Zeichen im Verletzungsprozess auf einer völlig realitätsfernen und willkürlichen Abstraktionsebene verglichen werden. Kategorien würden daher nicht zwingend für Rechtssicherheit sorgen, sondern oftmals für eine vom Gesetz nicht vorgesehene Ungleichbehandlung der verschiedenen Kategorien. So brachte Ritscher vor, dass bspw. der Nachweis der Verkehrsdurchsetzung für die Eintragung gewisser Kategorien eine deutliche Benachteiligung dieser Markentypen darstelle. Leemann entgegnete, dass dieses Erfordernis lediglich Ausfluss aus dem Erfahrungssatz sei, wonach Formen und Farben halt tendenziell eher nicht als Herkunftsnachweis aufgefasst werden. Der Farbenschatz sei nun mal kleiner als der Wort- oder Formenschatz. Ein begrenzter Zeichenschatz müsse bereits bei der Eintragung berücksichtigt werden.
Hinsichtlich der Abstraktionsebene bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr brachten die Befürworter der Markenkategorien vor, dass in einem Verletzungsprozess, insb. bei Formmarken, teilweise einfach alle unterschiedlichen Elemente «weggestrichen» werden und die Vergleichszeichen dadurch zu stark auf die verwechselbaren Elemente reduziert werden. Auch dies sei ein realitätsfernes Abstrahieren. Für Formmarken bedeute dies letztlich, dass eine Verwechslungsgefahr verneint würde, wenn der angebliche Verletzer seine Produkte mit einer deutlich abweichenden Etikette dekoriert. Dies müsse hingenommen werden, solange Süssgetränkehersteller ihre Flaschen nicht gänzlich ohne Logo und Aufdruck verkaufen. Könnte der Markeninhaber erst im Verletzungsprozess definieren, was das hinterlegte Zeichen genau sein soll, dann schade das insbesondere im Zusammenhang mit den neueren Markenkategorien der Rechtssicherheit enorm.
Einig war man sich insofern, als die Verwechslungsgefahr stets ganzheitlich und – wenn möglich – kategorienübergreifend zu beurteilen sei. Ebenso teilte man die Abneigung gegenüber dem Begriff der Monopolangst im Immaterialgüterrecht. Ein Ausschliesslichkeitsrecht sei kein Monopol. Dieser Terminus sei vom Kartellrecht besetzt. Ebenso schien man sich einig zu sein, dass sich eine Kategorienzugehörigkeit im Eintragungs- und Widerspruchsverfahren nicht gleich wie im Verletzungsprozess auswirken dürfe. Ebenfalls teilte man eine gewisse Skepsis in Bezug auf das Vorgehen des EuGH im «Yoshida»-Entscheid, der für die Prüfung der Unterscheidungskraft auf die «wahrscheinlichste Form der Verwendung des Zeichens» abgestellt hat (EuGH vom 6. März 2014, C-337/12 P bis C-340/12 P, «Yoshida Metal Industry Co».
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Fussnoten: |
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MSc ETH Masch.-Ing. und MLaw HSG, Europäischer Patentanwalt, Zürich. |
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MLaw, Wissenschaftlicher Assistent und Doktorand an der Universität Zürich. |
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Durchführungsverordnung 2018/626 der Kommission vom 5. März 2018 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Unionsmarke und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) 2017/1431. |