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Berichte / Rapports

Veranstaltung des Schweizer Forums für Kommunikationsrecht (SF) und des Center for Information Technology, Society, and Law (ITSL) der Universität Zürich vom 7. Juni 2016

Nicole Ritter*

I. Einleitung

Der Online-Handel ermöglicht Unternehmen, ihre Angebote immer besser auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Kunden abzustimmen. Dies gilt nicht nur für personalisierte Werbung, sondern auch für personalisierte und dynamische Preise.

Konkret ermöglicht die technische Entwicklung den Anbietern, ihre Preise nicht nur den laufenden Verschiebungen von Angebot und Nachfrage, sondern auch der Zahlungsbereitschaft der einzelnen Kunden anzupassen.

Unter der Leitung von Prof. Dr. Florent Thouvenin gingen das Schweizer Forum für Kommunikationsrecht (SF-FS) und das Center for Information Technology, Society, and Law (ITSL) der Universität Zürich dem Phänomen des Dynamic Pricing aus ökonomischer und rechtlicher Perspektive auf den Grund.

II. Dynamische Preise: Zweck und Nutzen

Als erste Referentin erläuterte Andrea Günster, PhD, Center for Economic Policy, ZHAW, Dynamic Pricing aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht. Bei Dynamic Pricing handle es sich eigentlich um ein altes Phänomen. Wettbewerber hätten bei der Preissetzung bereits früher auf Konkurrenzprodukte und das Konsumverhalten geachtet und die Preise entsprechend angepasst. Durch das Internet werde der Markt heute aber immer transparenter, was es den Unternehmen ermögliche, die maximale Zahlungsbereitschaft verschiedener Konsumententypen oder gar einzelner Konsumenten genauer einzuschätzen und abzuschöpfen. Die Art der Umsetzung und die wirtschaftlichen Auswirkungen von Dynamic Pricing seien von verschiedenen Faktoren wie dem Konjunkturzyklus, der Identifizierbarkeit des Konsumenten und der jeweiligen Wettbewerbssituation abhängig, so werde bspw. bei Vorliegen von sog. perfektem Wettbewerb kaum Preisdiskriminierung betrieben.

In einem Monopol könne der Monopolist mangels disziplinierender Konkurrenz seine Preise beliebig, also i.d.R. über den Grenzkosten festsetzen. In dieser Konstellation sei es für Unternehmen am einfachsten, Preisdiskriminierung zu betreiben. Für das Unternehmen besonders profitabel sei die sog. perfekte Preisdiskriminierung. Dabei werde von jedem Kunden genau so viel verlangt, wie dieser maximal zu zahlen bereit sei. Um die individuelle Zahlungsbereitschaft zu beurteilen, werde auf verschiedene Faktoren abgestellt. Beispielhaft führte die Referentin die Folgenden auf: Alter des Konsumenten, Aufenthaltsort, Suchverlauf sowie Online- und Offline-Zeiten. Das Monopol sei mit einem Wohlfahrtsverlust (sog. deadweight loss) verbunden, da die Preise über den Grenzkosten lägen, weshalb das Gut für gewisse, bei einem tieferen Preis grundsätzlich kaufinteressierte Kunden nicht mehr angeboten werde.

Der Grat zwischen monopolistischem und oligopolistischem Wettbewerb sei schmal. Monopolistischer Wettbewerb liege vor, wenn die Güter der Konkurrenten zwar ähnlich seien, von Konsumentenseite aber doch stark zwischen den einzelnen Gütern differenziert werde, bspw. aufgrund einer hohen brand loyality. Entsprechend sei auch die Nachfrage unelastisch. Als Beispiel führte Günster neben Waschmitteln und High-end-Smartphones die Autoindustrie an: Zwar gebe es eine Vielzahl von Automarken, der Konsument bleibe aber trotzdem meist einer bestimmten Marke treu. Diese Loyalität ermögliche es den Anbietern, ähnlich wie einem Monopolisten, Preisdiskriminierung zu betreiben und eine relativ hohe Marge abzuschöpfen. Auch in dieser Marktsituation sei mit einem Wohlfahrtsverlust zu rechnen, wenn auch mit einem geringeren als beim Monopol.

In einer oligopolistischen Wettbewerbssituation orientieren sich die Anbieter bei der Preisgestaltung laut Günster stärker an der Konkurrenz als am einzelnen Kunden. Oligopolistische Märkte hätten in der Regel hohe Markteintrittsschranken, während die Produkte relativ homogen seien. Typische Beispiele dafür seien PCs, Versicherer sowie die Luftfahrtbranche. Anhand letzterer beschrieb die Referentin zwei verschiedene Preisstrategien, denen im Oligopol je nach der wirtschaftlichen Situation gefolgt werde. Zu Boom-Zeiten würden die Fluggesellschaften die sog. Cournot-Strategie verfolgen: Die Produktionsmenge werde derjenigen der Konkurrenten angepasst und die Preise lägen über den Grenzkosten. In einer Rezession (wie sie die Luftfahrtbranche z.B. nach 9/11 durchlebte) würden die Preise dagegen bis auf die Grenzkosten und somit unter den eigentlichen Marktpreis gesenkt, um die Auslastung des bestehenden Angebotes zu optimieren (sog. Bestandstrategie). Dies zeige, dass Dynamic Pricing auch aus Kundensicht positive Auswirkungen haben könne.

Ein weiteres Beispiel für die positiven Auswirkungen von Dynamic Pricing sei bei Uber in Toronto zu beobachten gewesen: Bei einem Zusammenbruch des öffentlichen Verkehrs aufgrund eines Stromausfalles seien die Nachfrage nach Fahrgelegenheiten und damit auch der Fahrtpreis stark gestiegen. Der hohe Fahrtpreis habe dazu geführt, dass vermehrt Uber-Fahrer ihre Dienste angeboten hätten, was wiederum eine Preissenkung zur Folge gehabt habe. Als Gründe für diesen für alle Seiten positiven Verlauf identifizierte Günster u.a. die Preistransparenz, die Tatsache, dass ein grosser Teil der erzielten Einnahmen direkt an die Fahrer gehe sowie den perfekten Wettbewerb, der zwischen den Uber-Fahrern herrsche.

Abschliessend fasste die Referentin die aus ihrer Sicht wichtigsten Voraussetzungen für eine aus gesamtwirtschaftlicher Sicht positive Ausgestaltung von Dynamic Pricing zusammen: Es dürfe keine Marktmacht vorliegen, die Preispolitik müsse transparent und die Kunden möglichst umfassend informiert sein.

III. Rechtliche Analyse: Fokus Datenschutz

Prof. Dr. Rolf H. Weber, Ordinarius für Privat-, Wirtschafts- und Europarecht, Center for Information Technology, Society, and Law (ITSL), Universität Zürich, beleuchtete die potenziellen Konfliktfelder von Dynamic Pricing und Datenschutzrecht. Gleich zu Beginn nahm der Referent eine Weichenstellung vor: Voraussetzung für die Anwendbarkeit des DSG sei, dass Personendaten, also Daten, die einer bestimmten oder bestimmbaren Person zugeordnet werden könnten, vorlägen. Solche würden aber nur bei wenigen Ausprägungen des Dynamic Pricing verwendet. Werde, wie oft behauptet, klar zwischen Personalised und Dynamic Pricing differenziert, komme man wohl sogar zum Schluss, dass das DSG auf Dynamic Pricing nur selten Anwendung finde. Mit dieser Bemerkung schloss der Referent die terminologische Betrachtung ab und wandte sich der Frage zu, welche Handlungen datenschutzrechtlich relevant sein könnten. Als Beispiele nannte er u.a. die individuelle Profilerstellung aufgrund von Big Data oder des Browserverhaltens sowie die Verwendung der IP-Adresse. Bestimmbar im Sinne von Art. 3 lit. a DSG sei eine Person, wenn sich der Personenbezug ohne unverhältnismässigen Aufwand erstellen lasse, bspw. aufgrund von Browserdaten, Cross-Device Identification oder Fingerabdrücken. Weber bemerkte aber, es sei praktisch oft schwierig nachzuweisen, dass Dynamic Pricing tatsächlich auf die Bearbeitung von Personendaten abstelle.

Für die DSG-konforme Datenbearbeitung müssen dem Referenten zufolge folgende Grundprinzipien eingehalten werden:

  • Transparenz und Erkennbarkeit (Art. 4 Abs. 4 DSG): Die Beschaffung und der Zweck der Datenbearbeitung müssten transparent und erkennbar sein. Der Grundsatz der Transparenz werde bereits in der über 20 Jahre alten Botschaft für die Geltendmachung von datenschutzrechtlichen Ansprüchen durch das Individuum als Voraussetzung angesehen.
  • Zweckbindung (Art. 4 Abs. 3 DSG): Die Daten dürften nur für einen bestimmten Zweck und nicht auf Vorrat erhoben werden.
  • Datenminimierung: Der Grundsatz der Datenminimierung ergebe sich aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 4 Abs. 2 DSG). Dies bedeute, dass nur Daten erhoben werden dürften, die zum Erfüllen des vorgesehenen Zwecks geeignet und erforderlich seien.
  • Verhältnismässigkeit (Art. 4 Abs. 2 DSG): Es müsse ein Interessenausgleich zwischen den Konsumenten- und den Anbieterinteressen stattfinden.

Bei Dynamic Pricing würden diese Grundprinzipien, darunter insbesondere das Transparenzprinzip, wohl nur sehr selten eingehalten, weshalb nach einem möglichen Rechtfertigungsgrund gesucht werden müsse. Infrage komme allenfalls die Einwilligung des Betroffenen. In der Onlinewelt würden die gesetzlich konzipierten Anforderungen an eine gültige Einwilligung allerdings oft nicht ohne weiteres erreicht. Eine gültige Einwilligung könne nur auf Basis angemessener und umfassender Information und absolut freiwillig, bei Persönlichkeitsprofilen und besonders schützenswerten Personendaten zudem ausdrücklich, erfolgen (Art. 4 Abs. 5 DSG). Diese Voraussetzungen seien bei Dynamic Pricing wohl regelmässig nicht erfüllt, zumal die Datenerhebung meist erfolge, bevor über diese informiert worden sei. In der neuen Datenschutz-Grundverordnung der EU (Verordnung 2016/679 vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG, nachfolgend EU-DSGVO), welche wohl auch Einfluss auf das Schweizer Recht haben werde, fänden sich Bestimmungen, welche mit Blick auf Dynamic Pricing allenfalls genauer betrachtet werden müssten, etwa das in Art. 21 EU-DSGVO verankerte Widerspruchsrecht sowie Art. 22 EU-DSGVO zu automatisierten Entscheidungen im Einzelfall. In Art. 22 Abs. 1 EU-DSGVO werde ausdrücklich festgehalten, dass eine Person nicht einer Entscheidung, welche ausschliesslich auf automatisierter Datenbearbeitung beruhe, unterworfen werden dürfe, welche ihr gegenüber rechtliche Wirkung entfalte oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtige. Wie weitreichend die Konsequenzen dieser Bestimmung letztlich seien, ob es sich dabei z.B. um ein «Per-se»-Verbot handle, könne aus heutiger Sicht kaum beantwortet werden.

Weber sah keinen konkreten und unmittelbaren Handlungsbedarf, die Entwicklung müsse aber im Auge behalten werden. Allenfalls könne man sich überlegen, ob die genannten Bestimmungen der EU-DSGVO in das schweizerische DSG übernommen werden sollten, nicht zuletzt aufgrund der Adäquanz. Sollte sich herausstellen, dass tatsächlich Missbrauch betrieben werde, könne diesem vorerst mit einem Rundschreiben des EDÖB begegnet werden. Auch eine Selbstregulierung durch die betroffenen Anbieter sei durchaus denkbar. Unternehmen könnten zudem durch entsprechende Compliance-Massnahmen oder Datenschutz-Managementsysteme dazu Sorge tragen, dass die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes nicht verletzt würden. Zu beachten sei ferner, dass sich die Konsumenten selbst – bspw. durch entsprechende Browsereinstellungen – schützen könnten. Fest stehe zudem, dass keine Preisdiskriminierung aufgrund sensibler Charakteristiken wie z.B. Religion passieren dürfe, dies sei aber weniger ein datenschutzrechtliches als vielmehr ein verfassungs- und allenfalls wettbewerbsrechtliches Problem.

IV. Rechtliche Analyse: Fokus Wettbewerbsrecht (UWG), Preisbekanntgabeverordnung (PBV) und Vertragsrecht

Prof. Dr. Florent Thouvenin, Extraordinarius für Informations- und Kommunikationsrecht, Center for Information Technology, Society, and Law (ITSL), Universität Zürich, legte den Fokus auf das UWG, die PBV und das Vertragsrecht. Dynamic Pricing könne ein Zeichen funktionierenden Wettbewerbs sein und bilde, sofern sich die Preissetzung an objektiven Faktoren wie Angebot und Nachfrage orientiere, den Markt potenziell perfekt ab. Die Preissetzung aufgrund subjektiver Faktoren, also persönlichen Merkmalen der Konsumenten (sog. Personalised Pricing), ermögliche es den Anbietern, die Produzentenrente durch die Abschöpfung der Zahlungsbereitschaft der Konsumenten zu maximieren; dabei würden namentlich finanzschwächere Konsumenten von tieferen Preisen profitieren. Der Preis sei ein zentraler Faktor bei der Entscheidung, ob ein bestimmtes Gut gekauft werde oder nicht. Die Vergleichbarkeit von Preisen sei daher Voraussetzung für funktionierenden Wettbewerb. Verändere sich der angegebene Preis zu schnell, sei die Vergleichbarkeit nicht mehr ohne Weiteres gegeben.

1. UWG und PBV

Zweck des UWG sei die Gewährleistung funktionierenden Wettbewerbs, wobei unter diesem Aspekt der Konsumentenschutz zusehends an Bedeutung gewinne. Als potenzielle Anknüpfungspunkte zur Regulierung von Dynamic Pricing wurden vom Referenten folgende Bestimmungen identifiziert:

Die Pflicht zur Preisbekanntgabe (Art. 16 ff. UWG) beinhalte verschiedene Aspekte. Der zu zahlende Preis müsse klar ersichtlich sein, also auf der Ware selbst oder unmittelbar daneben angebracht werden. Ferner dürfe die Preisangabe nicht irreführend sein. Das Verbot der irreführenden Preisbekanntgabe (Art. 18 UWG) könne dabei als Konkretisierung des Irreführungsverbots nach Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG verstanden werden, diese Bestimmungen seien denn auch kumulativ anwendbar. Konkretisiert würden Art. 16 ff. UWG in der Preisbekanntgabeverordnung (PBV), deren Zweck das Schaffen von Preisklarheit, die Verhinderung von irreführenden Preisangaben sowie das Gewährleisten von vergleichbaren Preisen sei (Art. 1 PBV). In diesem Zusammenhang wies der Referent auf die seit dem 1. Juli 2015 in der Schweiz geltende sog. Button-Lösung hin (Art. 11abis Abs. 2 PBV), welche auf die Verbraucherrechte-Richtlinie der EU (Richtlinie 2011/83/EU vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher) zurückgehe. Im Internet angebotene Dienstleistungen dürften dem Kunden demnach nur in Rechnung gestellt werden, wenn direkt auf oder in unmittelbarer Nähe der Schaltfläche, durch deren Anklicken der Konsument seinen Abschlusswillen zum Ausdruck bringt, der Preis angegeben sei. Eine Mindestgültigkeitsdauer für Preise lasse sich Art. 16 ff. UWG und der PBV zwar nicht entnehmen, dieser Gedanke sei dem Lauterkeitsrecht aber nicht fremd. So erachte etwa die SLK «jede Art von Fernabsatz» als unlauter, sofern die Gültigkeitsdauer des Angebotes nicht angegeben werde (Schweizerische Lauterkeitskommission, Grundsätze, Lauterkeit in der kommerziellen Kommunikation, April 2008, 18, N 4.2). Eine Angabe zur Mindestgültigkeitsdauer der Preise verlange auch das SECO im Informationsblatt vom 1. Januar 2016 für die «Preisbekanntgabe und Werbung für Reiseangebote». Dieser Gedanke liesse sich aus Sicht des Referenten durchaus verallgemeinern, bspw. durch eine explizite Regelung in Art. 16 UWG. Vom Verbot der Irreführung (Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG) erfasst würden unrichtige oder irreführende Angaben über Preise. Laut Thouvenin sind dynamische Preise nicht schon per se irreführend. Gehe man aber davon aus, dass eine Preisangabe zumindest implizit vermittle, dass diese über eine bestimmte Dauer Bestand habe, könnten schnell wechselnde Preise allenfalls als irreführend angesehen werden. Mit Blick auf den Zweck des UWG scheine diese Sichtweise durchaus vertretbar, aus dem Wortlaut des Gesetzes oder der Rechtsprechung ergebe sich dies aber nicht. Werde die schnelle Veränderung von Preisen als eine potenziell irreführende Angabe von Preisen angesehen, so würde dies für die Anbieter eine faktische Informationspflicht begründen, weil diese dem Vorwurf der Irreführung nur entgehen könnten, wenn sie auf die rasche Veränderung der Preise hinweisen würden.

Bei Auslegung und Anwendung der Generalklausel (Art. 2 UWG) verwies Thouvenin auf den Theorienstreit zwischen der geschäftsmoralischen und der ökonomisch-funktionalen Auslegung des UWG. Aus einer geschäftsmoralischen Perspektive könnte der schnelle Wechsel der Preise als problematisch qualifiziert werden, weil die Kunden «überrumpelt» oder weil personalisierte Preise aus einer subjektivwertenden Perspektive als unmoralisch angesehen werden könnten. Bei einer ökonomisch-funktionalen Betrachtung sei hingegen entscheidend, ob durch eine bestimmte Handlung die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs beeinträchtigt werde. Die Beurteilung stütze sich dabei auf grundlegende Erkenntnisse der Ökonomie wie bspw. die Bedeutung der Markttransparenz für einen funktionierenden Wettbewerb. Mit Blick auf Dynamic Pricing scheine diese eingeschränkt. Ob sich daraus eine Pflicht zur Information über dynamische Preise ableiten lasse, sei aber fraglich: Zwar sei der Spielraum bei der Generalklausel grösser als beim Tatbestand der Irreführung und zusätzliche Information der Konsumenten sei mit Blick auf die Markttransparenz grundsätzlich erwünscht, das Fehlen ebendieser führe aber nicht zwingend zur Unlauterkeit. Da sich schnell verändernde Preise negativ auf die Vergleichbarkeit als Teilaspekt der Markt- und insbesondere Preistransparenz auswirken würden, liesse sich aus der Generalklausel aber allenfalls eine Mindestgültigkeitsdauer von Preisen ableiten.

2. Vertragsrecht

Würden (allzu) dynamische Preise als problematisch angesehen, so wäre nach Thouvenin auch eine Lösung im Rahmen des geltenden Vertragsrechts denkbar. Entscheidend sei dabei die Qualifikation von Online-Angeboten als Angebote im Rechtssinn. Als Anknüpfungspunkt könnte dabei die Regel dienen, nach welcher die Auslage von Waren mit der Angabe von Preisen grundsätzlich als Antrag gelte (Art. 7 Abs. 3 OR). Entgegen dieser Regel würden die Angebote in Webshops von der h.L. als blosse «invitatio ad offerendum» qualifiziert. Begründet werde diese Ansicht u.a. damit, dass der Verkäufer andernfalls haften würde, könnte er die nachgefragte Menge nicht liefern. Dieses Problem lässt sich aus Sicht des Referenten heutzutage aber bspw. durch eine Verknüpfung des Webshops mit einem Lagerverwaltungsprogramm ohne Weiteres lösen, weshalb es nicht angezeigt erscheine, weiterhin an dieser Qualifikation festzuhalten. Vielmehr müsse von einem Antrag ausgegangen werden, sofern die Ware so angeboten werde, dass sie unmittelbar erworben werden könne. Würde dieser Antrag als Antrag unter Abwesenden qualifiziert, lasse sich eine gewisse Mindestgültigkeitsdauer des Angebotes aus dem Vertragsrecht ableiten, zumal in diesem Fall eine angemessene Bedenkzeit gewährt werden müsste. Wie lange diese sei, müsse im Einzelfall entschieden werden. Damit ergebe sich aus dem Vertragsrecht eine mögliche Lösung. Es sei aber zu beachten, dass es sich bei der Regelung von Art. 3 ff. OR um dispositives Recht handle, diese Regeln also nur Anwendung fänden, sofern der Betreiber des Webshops keinen anderslautenden Hinweis auf seiner Website platziere.

V. Rechtliche Analyse: Fokus Kartellrecht

Es war Sache von Dr. Alfred Früh, Rechtsanwalt, Center for Information Technology, Society, and Law (ITSL), Universität Zürich, Dynamic Pricing mit Blick auf das Kartellrecht zu prüfen. Zur Veranschaulichung nannte Früh neben dem Preisfestlegungsmechanismus von Uber und den personalisierten Rabatten bei Coop und Migros auch ein Praxisbeispiel zu Amazon aus dem Jahr 2007: Von verschiedenen Kunden seien für die gleichen DVDs unterschiedliche Preise verlangt worden, was beim Bekanntwerden zu einem Aufschrei unter den Konsumenten geführt habe.

Dieses ältere Beispiel zeige, dass es sich bei Dynamic Pricing um kein neues Phänomen handle. Neu ist laut Früh aber die Geschwindigkeit, mit welcher die Preise dank neuer Technologien angepasst werden können sowie die Tatsache, dass aufgrund massenhaft automatisiert erhobener Daten die maximale Zahlungsbereitschaft besser abgeschätzt und damit auch eher abgeschöpft werden kann. Es sei deswegen zu erwarten, dass diese sog. Preisdiskriminierung 1. Grades in Zukunft deutlich häufiger vorkommen werde als früher.

Mit Blick auf Dynamic Pricing spiele das Kartellrecht bis heute kaum eine Rolle. Da jedoch in jüngerer Vergangenheit insbesondere in der EU gewisse Ausweitungstendenzen erkennbar seien, – Beispiele seien das Technologiekartellrecht und der Entscheid des EuGH (EuGH vom 22. Oktober 2015, Rs. C-194/14P, «AC Treuhand», Rz. 31 ff.), auch sog. «Facilitators» ins Kartellverbot einzubeziehen – könnte sich das bald ändern.

Auf der tatsächlichen Ebene könne beobachtet werden, dass die Preise vermehrt vollautomatisiert durch Algorithmen bestimmt würden. Die eigenen Preise würden mittels spidering, web crawling oder web scraping fortwährend mit jenen der Konkurrenz abgeglichen und entsprechend angepasst. In der Literatur werde in diesem Zusammenhang von «robo selling» gesprochen (S.K. Mehra, Antitrust and the Robo-Seller: Competition in the Time of Algorithms, 100 Minnesota Law Review (2015), 1323–1375), da dabei Maschinen oder Algorithmen die Position des Verkäufers einnähmen. Bei funktionierendem Wettbewerb werde stets versucht, die Preise der Konkurrenz zu unterbieten, was aus Kundensicht begrüssenswert sei. Laufe die Preisanpassung und Preissetzung aber automatisiert ab, könne sich im Oligopol sehr rasch ein (Nash-)Gleichgewicht einstellen, welches vermutlich über dem eigentlichen Wettbewerbspreis liegen würde. Dies könne zu einer Stabilisierung von Oligopolen führen, was aus wettbewerbsrechtlicher Sicht unerwünscht sei. Damit stelle sich die Frage, ob eine solche Vorgehensweise unter den Abredebegriff nach Art. 4 Abs. 1 KG subsumiert werden könne. Denn die Abrede – zu der auch abgestimmte Verhaltensweisen gehörten – sei prinzipiell willensbestimmt. Jedenfalls sei in der Vergangenheit implizit davon ausgegangen worden, dass menschliches Handeln eine notwendige Voraussetzung für die kartellrechtliche Verantwortlichkeit sei. Ob dies auch im Zeitalter des robo selling noch gelte, sei in der Praxis bisher nicht geklärt worden. Zwar habe ein Gericht im US Bundesstaat New York kürzlich im Zusammenhang mit Uber einen Zwischenentscheid gefällt, der festhalte, dass «through the magic of smartphone technology» ein für jeden Fahrer geltender Preis festgelegt werden könne, weshalb letztlich von einem «Hub-and-Spoke»-Kartell ausgegangen werden müsse (Meyer v. Kalanick, District Court (Southern District of New York), Case No. 1:15-cv-09796, Doc. 37, 11f. bzw. 15). Das letzte Wort sei damit aber nicht gesprochen. Früh zog den Schluss, maschinell generierte Vorgehensweisen führten nicht von vornherein zur Kartellrechtsimmunität. Fraglich sei deswegen bspw., ob ein «Sonderkartellrecht» für Maschinen notwendig sei, ob Programmierer künftig als «Facilitators» zu qualifizieren seien und wie gegebenenfalls eine Regulierung von Algorithmen aussehen könnte.

Ein Konflikt mit dem Kartellrecht könne sich theoretisch auch aufgrund personalisierter Rabatte ergeben. Diese von Coop und Migros verwendeten Instrumente hätten im letzten Jahr zu kritischer Berichterstattung Anlass gegeben. Die dabei wesensimmanente Diskriminierung der Nachfrager sei nämlich nur bis zu einem gewissen Grad durch die Vertragsfreiheit gedeckt: Liege Marktbeherrschung vor, gehe das Gleichbehandlungsgebot vor. Dann sei zwischen den zulässigen Mengenrabatten und den unzulässigen Treuerabatten zu differenzieren, wobei das Verhalten der Unternehmen durch legitimate business reasons gerechtfertigt werden könne. In diesem Zusammenhang warf der Referent die Frage auf, ob Dynamic-Pricing-Praktiken (einschliesslich Personalised Pricing) nicht ohnehin schon Ausdruck legitimer Geschäftsinteressen (legitimate business reasons) seien, liess die Frage aber offen.

Zusammenfassend lasse sich feststellen, dass die Frage nach der kartellrechtlichen Relevanz von robo selling wohl drängender sei als die im Einzelfall evtl. vorliegende Diskriminierung aufgrund von personalisierten Rabatten, zumal es häufig auch an der Marktmacht fehlen dürfte.

Früh schloss seinen Vortrag mit dem Hinweis, insgesamt dränge sich momentan weder im Kontext des Kartellverbots noch im Bereich der Missbrauchskontrolle eine Anpassung der geltenden Gesetzgebung auf. Dynamic Pricing werfe aber die grundsätzliche Frage auf, ob der bestehende Rechtsrahmen den Anforderungen der digitalen Wirtschaftsordnung gewachsen sei, auf die man sich heute unaufhaltsam zubewege. Dynamic Pricing könne durchaus als «ein erstes Symptom» dieser Problemstellung verstanden werden.

VI. Panel- und Plenumsdiskussion

In der von Florent Thouvenin geleiteten Diskussion kamen die Branchenvertreter/-innen Dominique Fehlmann, Rechtsanwältin und Legal Counsel, Swiss International Air Lines, Markus Mahler, CEO der brack.ch AG, und Walter Kunz, Geschäftsführer des Schweizer Reisebüroverbandes, zu Wort. Vertreter anderer Unternehmen, die man ebenfalls in diesem Kreis erwartet hätte, waren jedoch nicht zu einer Teilnahme bereit, wie Thouvenin bedauernd feststellte.

In der Flugbranche sind laut Fehlmann die Fixkosten relativ hoch, die Margen dagegen sehr klein, weshalb Dynamic Pricing für die Branche gar lebensnotwendig sei. Die Swiss stelle bei der Preisfestsetzung bspw. auf die Flugzeit und die zu dieser Zeit erwartete Klientel ab. Flüge früh morgens unter der Woche würden eher von Geschäftsleuten gebucht, welche meist zahlungsbereiter seien als Freizeitreisende. Diese Flüge seien deshalb i.d.R. teurer als bspw. Hin- und Rückflüge über das Wochenende. Dass man abhängig vom für die Buchung verwendeten Computer einen anderen Preis bezahle, sei dagegen ein Mythos, der sich hartnäckig halte. Die Swiss betreibe kein Personalised Pricing. Dies sei schon technisch kaum umsetzbar, da die meisten Flüge nicht bei Swiss direkt gebucht würden. Zudem sei diese Preispolitik sehr reputationsschädigend.

Die Gefahr eines Reputationsschadens wurde von Günster im Verlauf der Diskussion relativiert. Sie verwies dazu auf verschiedene Studien, die bewiesen hätten, dass selbst bei Eintreten von grossen Imageschäden – als Beispiel führte sie den VW-Skandal an – die Aktienpreise zwar kurzfristig um mehrere Prozentpunkte sinken, sich aber innerhalb von etwa 25 Tagen wieder erholen würden. Der tatsächlich eintretende Schaden sei daher wohl kleiner, als von verschiedenen Seiten im Zusammenhang mit Personalised Pricing befürchtet werde.

In der Reisebürobranche wird laut Kunz neben Dynamic Pricing auch Dynamic Packaging betrieben, d.h., Angebote würden aufgrund äusserer Faktoren gebündelt. Die Branche sei den Partnern (Hotellerie etc.) insoweit ausgeliefert, als man mit den Preisen arbeiten müsse, die vom Markt vorgegeben würden. Dynamic Pricing sei für die Branche daher teilweise mehr Fluch als Segen. Von Personalised Pricing distanzierte er sich klar, stellte aber fest, dass Dynamic Pricing an sich aus Kundensicht durchaus positiv bewertet werden könne: Auch das von Früh thematisierte robo selling könne ja schliesslich zu einer Preissenkung führen. Es gebe bislang nur wenige negative Beispiele.

Mahler stellte fest, dass sein Unternehmen für dasselbe Produkt keine unterschiedlichen Preise von unterschiedlichen Kunden verlange und dies auch in Zukunft nicht tun werde. Dennoch seien die neuen Technologien durchaus nützlich, um bspw. zukünftig benötigte Mengen abzuschätzen. In seinem Unternehmen erfolge Dynamic Pricing aber ausschliesslich manuell. Mit Blick auf die Zukunft müsse sicher der Datenschutz im Auge behalten werden, ein Eingreifen des Staates halte er allerdings nicht für nötig. Er gehe vielmehr davon aus, dass sich die Probleme aufgrund der hohen Transparenz des Marktes und der Tatsache, dass Konsumenten jederzeit den Anbieter – auch über die Schweizer Grenze hinweg – wechseln könnten, wohl von selbst regulierten.

In der Plenumsdiskussion tauchte immer wieder der Begriff der Transparenz auf. Thouvenin konstatierte, dass die hier diskutierte Preispolitik evtl. lediglich eine Reaktion der Anbieter auf die erhöhte Markttransparenz in der digitalen Gesellschaft sei, mit dem Ziel, den früheren Informationsvorsprung wieder zu erlangen. Bei der Markttransparenz muss laut Früh zwischen Transparenz «nach innen» und Transparenz «nach aussen» differenziert werden. Der Markt sei zwar insofern transparent, als dass man viele Angebote einsehen und vergleichen könne. Was aber niemand wisse, sei wie die Preisberechnung im Einzelnen intern funktioniere (d.h. bei den Unternehmen, die Dynamic Pricing anwenden). Heute sei dies wohl noch kein grosses Problem, da der Konsument die Möglichkeit habe, den Anbieter zu wechseln, wenn er dem Angebot misstraue. Verbreite sich jedoch diese Intransparenz «nach innen» in Zukunft, so könne sich dies auch auf die Transparenz «nach aussen» auswirken.

Thouvenin schloss die Diskussion und hielt im Sinne eines Fazits fest, dass dynamische Preise weitgehend akzeptiert, personalisierte Preise von Publikum und Panelisten aber kritisch beurteilt würden. Entscheidend aus rechtlicher Sicht sei letztlich die Transparenz der Preise. Diese müsse auch bei Dynamic Pricing gegeben sein.

Fussnoten:
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MLaw, wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Informations- und Kommunikationsrecht, Universität Zürich.