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Bericht ĂŒber die INGRES-Tagung vom 1. Juli 2015 in ZĂŒrich
Auch dieses Jahr lud das Institut fĂŒr gewerblichen Rechtsschutz (INGRES) unter der Leitung von Dr. Michael Ritscher, LL.M., und der organisatorischen Verantwortung von Dr. Christoph Gasser, LL.M., wieder zur traditionellen alljĂ€hrlichen Tagung ĂŒber die Praxis des ImmaterialgĂŒterrechts in der Schweiz.
Der patentrechtliche Teil wurde von Frau PatentanwĂ€ltin Dipl. Natw. ETH Prisca von Ballmoos, nebenamtliche Richterin am Bundespatentgericht, eingeleitet, die zunĂ€chst in die einschlĂ€gigen Rechtsgrundlagen im EPĂ und im Schweizer Patentgesetz einfĂŒhrte. Das Anmeldeverfahren wird vom Prinzip beherrscht, wonach Ănderungen der Patentanmeldung nicht zu einem Gegenstand fĂŒhren dĂŒrfen, der ĂŒber den Inhalt der ursprĂŒnglichen Anmeldung hinausgeht (Art. 123[2] EPĂ und Art. 58[2] PatG), wobei mit «Inhalt» der Offenbarungsgehalt und nicht der Schutzbereich gemeint ist. Nach der Patenterteilung gilt zusĂ€tzlich, dass keine Erweiterung des Schutzbereichs zulĂ€ssig ist (Art. 123[3] EPĂ und â implizit â Art. 24 PatG).
Im zweiten Teil ihres Referats ging von Ballmoos auf die per November 2014 angepassten Richtlinien fĂŒr die PrĂŒfung im EPA ein. In Reaktion auf die unter den Anwendern verbreitete Ansicht, wonach die PrĂŒfung von Art. 123(2) EPĂ zu sehr auf die wörtliche Basis der Anmeldeunterlagen gerichtet sei, wurde in den ĂŒberarbeiteten Richtlinien H-IV 2.3 darauf abgestellt, was die ursprĂŒnglich eingereichten Unterlagen dem Fachmann offenbaren. Der PrĂŒfer soll vermeiden, das Augenmerk zu stark auf die Struktur der ursprĂŒnglich eingereichten AnsprĂŒche zu richten. BezĂŒglich der Thematik der «offenbarten Bereiche» stellte die Referierende fest, dass die langjĂ€hrige und stĂ€ndige Rechtsprechung in den Richtlinien (H-IV 2.5) implementiert worden ist, wonach im Falle eines ursprĂŒnglich offenbarten allgemeinen sowie eines bevorzugten Bereichs ein geĂ€nderter Bereich zulĂ€ssig sein kann, der sich aus dem bevorzugten Bereich und dem davor oder danach liegenden Teilbereich ergibt.
Schliesslich wandte sich von Ballmoos der Schweizer Rechtsprechung zu den sogenannten «Disclaimer» zu. Anhand des Entscheids (O 2012_030, sic! 2014, 555 ff.) «Selbstklebende MontagebĂ€nder» des BPatGer erörterte die Referentin die unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen zur EinschrĂ€nkung eines unabhĂ€ngigen Patentanspruchs. WĂ€hrend gemĂ€ss Art. 123(3) EPĂ die EinschrĂ€nkung lediglich in der Anmeldung abgestĂŒtzt sein muss, ist gemĂ€ss Art. 24(1)(c) PatG zudem eine Basis in der veröffentlichten Patentschrift erforderlich. Im vorliegenden Fall wurde durch den Beklagten als Reaktion auf ein Nichtigkeitsverfahren ein Disclaimer angebracht (ursprĂŒnglich beansprucht: Haftkleberbeschichtung mit einem nicht klebenden Mittelstreifen; Disclaimer: Haftkleberbeschichtung, die keinen nicht klebenden Mittelstreifen aufweist). Weil jedoch in einem gleichzeitig zum schweizerischen Verfahren vor dem EPA stattgefundenen BeschrĂ€nkungsverfahren der ursprĂŒngliche Anspruch (d.h. das positive Merkmal) gestrichen worden war, lag die gemĂ€ss PatG erforderliche Grundlage in der veröffentlichten Patentschrift nicht mehr vor, weshalb die ZulĂ€ssigkeit des Disclaimers verneint wurde.
Anschliessend setzte sich Lara Dorigo, LL.M., RechtsanwĂ€ltin in ZĂŒrich, zunĂ€chst mit den im vergangenen MĂ€rz vom EuGH im Verfahren C-577/13 «Actavis vs Boehringer Ingelheim» beantworteten Vorlagefragen auseinander.
Anlass war ein Vorabentscheidungsersuchen betreffend die Auslegung von Art. 3(a) und (c) der ESZ-Verordnung an den EuGH. Boehringer Ingelheim hatte fĂŒr das Arzneimittel Micardis (Wirkstoff: Telmisartan) ein ESZ bekommen. Nachdem Boehringer Ingelheim auch die Marktzulassung fĂŒr das KombinationsprĂ€parat Micardis Plus (Wirkstoff: Telmisartan + Hydrochlorothiazid) erhalten hatte, wurde hierfĂŒr auf der Basis desselben Grundpatents ein weiteres ESZ beantragt. Das vorlegende Gericht gelangte mit der Frage an den EuGH, ob in einem solchen Fall ein zweites ESZ fĂŒr die Kombination erteilt werden könne. Unbestritten war, dass allein Telmisartan Gegenstand der Erfindung bildet und Hydrochlorothiazid gemeinfrei ist. Dorigo erlĂ€uterte die vom Gericht in einem ersten Schritt festgehaltene Grundregel, gemĂ€ss welcher ein ESZ nur erteilt werden kann, wenn das Erzeugnis «als solches» durch das Grundpatent geschĂŒtzt ist. Die Referentin erwĂ€hnte sodann den vom EuGH im vorliegenden Entscheid beigezogenen Auslegungsgrundsatz, wonach ein ESZ der Wiederherstellung einer ausreichenden Schutzdauer des Grundpatents dient («Ersatz fĂŒr Zeitverlust durch die Marktzulassung»). GemĂ€ss dem Gericht werde dieser Ausgleich jedoch nicht in Bezug auf alle möglichen Verwertungsformen der Erfindung â inklusive verschiedener Zusammensetzungen mit demselben Wirkstoff â bezweckt. Vor diesem Hintergrund gelangte der EuGH zum Schluss, dass ein Wirkstoff vom Grundpatent nur dann «als solcher» geschĂŒtzt ist, wenn er den «Gegenstand der vom Grundpatent geschĂŒtzten Erfindung» bildet. Wurde fĂŒr ein Erzeugnis mit einem Wirkstoff, welcher den alleinigen Gegenstand der Erfindung bildet, bereits ein ESZ erteilt, so ist ein weiteres ESZ fĂŒr eine Kombination dieses Stoffs unzulĂ€ssig. Vorliegend war mit dem ESZ fĂŒr das Arzneimittel Micardis bereits ein Mono-ESZ erteilt worden, welches den alleinigen Gegenstand â nĂ€mlich den Wirkstoff Telmisartan â schĂŒtzte, womit fĂŒr Micardis Plus kein zweites Kombi-ESZ möglich war.
Danach gliederte Dorigo den genannten Entscheid in die frĂŒhere Rechtsprechung des EuGH ein. Im Entscheid «Medeva» (C-322/10) entschied der EuGH, dass der Wirkstoff oder die Wirkstoffkombination, fĂŒr welche ein ESZ beantragt wird, in den AnsprĂŒchen des Grundpatents genannt werden muss und er verwarf mindestens implizit den sogenannten «Verletzungs-Test». Im spĂ€teren «Actavis vs Sanofi»-Urteil (C-443/12) hatte der EuGH die Frage zu beurteilen, ob mehrere ESZ pro Grundpatent erteilt werden können, was er im Grundsatz bejahte. Das Gericht bestimmte aber, dass ein zweites ESZ fĂŒr eine Wirkstoffkombination nicht erteilt werden kann, wenn der Wirkstoff, der die «zentrale erfinderische TĂ€tigkeit» darstellt, bereits alleine Gegenstand eines ESZ war und dieses ESZ ein Vorgehen gegen die Verwendung der Wirkstoffkombination ermöglichte. Die Referierende diskutierte alsdann die Frage, ob das Kriterium der «zentralen erfinderischen TĂ€tigkeit» in «Actavis vs Boehringer Ingelheim» durch das Kriterium «Gegenstand der Erfindung» ersetzt worden sei und ob dies ĂŒberhaupt zu unterschiedlichen Resultaten fĂŒhre.
Im letzten Teil ihres Vortrags verglich Dorigo die Rechtsprechung des EuGH mit derjenigen in der Schweiz. Letztere prĂŒfte â allerdings noch vor den besagten Urteilen des EuGH â im Rahmen des auf das «Fosinopril»-Urteil des BGer aus dem Jahre 1998 (124 III 375, sic! 1998, 594 ff.) zurĂŒckgehenden sogenannten «Verletzungs-Tests», ob das Erzeugnis, fĂŒr welches ein ESZ beantragt worden ist, in den Schutzumfang des Grundpatents fĂ€llt. Verletzt somit die Verwendung eines patentgeschĂŒtzten Wirkstoffs mit einem weiteren Wirkstoff das Patent, kann â anders als in der EU â ein ESZ fĂŒr diese Kombination erteilt werden. Die Referentin zeigte aber auch auf, dass die Anwendung unterschiedlicher Prinzipien nicht immer zu unterschiedlichen Resultaten fĂŒhren muss, was anhand des prĂ€zise begrĂŒndeten «Panitumumab»-Urteils des BVGer (B-3245/2010, sic! 2012, 48 ff.) ersichtlich sei, welches trotz Anwendung des Verletzungs-Tests sehr Ă€hnliche ErwĂ€gungen wie die EuGH-Rechtsprechung anstellte und ein ESZ fĂŒr den Monowirkstoff Panitumumab ablehnte, weil dieser Wirkstoff nicht «am Erfindungsgedanken» des Patents teilnehme bzw. nicht in den Schutzbereich des Kombinationsanspruchs des Grundpatents fiel.
Dr. Dieter BrĂ€ndle, PrĂ€sident des BPatGer, wies darauf hin, dass in der Hauptverhandlung vor dem PatGer die Besetzung des Gerichts Ă€ndert. WĂ€hrend die Instruktionsverhandlung von einem Juristen und einem Techniker durchgefĂŒhrt wird, kommen fĂŒr die Hauptverhandlung i.d.R. noch zwei technische und ein juristischer Richter dazu. Die Richter sind gespannt auf die AusfĂŒhrungen der Parteien â aber mehr noch auf die Meinung der Kollegen.
BezĂŒglich des Novenrechts machte der Referierende darauf aufmerksam, dass nach dem VerstĂ€ndnis des BPatGer zulĂ€ssige, nach Abschluss des Schriftenwechsels oder der Instruktionsverhandlung ergangene oder gefundene echte und unechte Noven erst an der Hauptverhandlung selber, zusammen mit dem ersten Parteivortrag, vorzubringen sind, und nicht bereits vorher im Rahmen einer unaufgeforderten Eingabe. Einzige Ausnahme sind Gerichtsentscheide aus auslĂ€ndischen Parallelverfahren oder des EPA, ĂŒber welche das BPatGer gerne sofort unterrichtet wird.
BrĂ€ndle sieht die Chance der Hauptverhandlung fĂŒr die Parteien darin, dass ihnen Gelegenheit geboten wird, auf zentrale Punkte zurĂŒckzukommen, ihre Argumentation didaktisch besser aufzubereiten und direkt auf Reaktionen einzelner Richter einzugehen.
Angesichts der Tatsache, dass die beiden Hauptthemen am BPatGer â RechtsbestĂ€ndigkeit und Verletzung des Streitpatents â in tatsĂ€chlicher Hinsicht meist unbestritten sind und einzig die rechtliche Beurteilung kontrovers diskutiert wird, bleibt das eigentliche HerzstĂŒck der Hauptverhandlung, nĂ€mlich die Beweisabnahme, meist aus.
Schliesslich kam der Referent auf das Thema eines allfĂ€lligen Vergleichs zu sprechen. Zeigen sich die Parteien vergleichsinteressiert, bespricht sich das Gericht intern und unterbreitet ihnen dann einen motivierten Vergleichsvorschlag. Weil dieser auf der Beurteilung von fĂŒnf Richtern beruht, kommt ihm grosses Gewicht zu. Im Ergebnis fĂŒhrt dies dazu, dass rund zwei Drittel der Hauptverhandlungen am BPatGer zu einem Vergleich fĂŒhren. GemĂ€ss BrĂ€ndle ist deshalb die Hauptverhandlung auch kein unnötiger Leerlauf, sondern ermöglicht vielmehr, das Verfahren â nachdem sĂ€mtliche Punkte vorgetragen und gewĂŒrdigt wurden â auf einer sinnigen Basis doch noch einvernehmlich zu beenden.
Prof. Nathalie Tissot, ausserordentliche Professorin an der UniversitÀt Neuenburg und AnwÀltin in La Chauxde-Fonds, leistete einen designrechtlichen Beitrag zur Tagung und behandelte eingehend den Entscheid «Rollmatte» des Handelsgerichts Aargau vom 5. MÀrz 2014 (HOR.2012.23, sic! 2014, 545 ff.).
Im Rahmen der PrĂŒfung der von der Beklagten erhobenen Nichtigkeitseinrede verwies das Gericht auf Art. 21 DesG, gemĂ€ss welchem ein im Register hinterlegtes Design die Vermutung der Neuheit, Eigenart und Hinterlegungsberechtigung geniesst und die diesbezĂŒgliche Nichtigkeit daher von demjenigen zu beweisen ist, der sie entgegen der Designhinterlegung behauptet. Das Gericht lehnte die teilweise in der Lehre postulierte Ansicht ab, wonach die GĂŒltigkeit des hinterlegten Designs schlechthin zu vermuten ist. Die Vermutung greift somit ausschliesslich fĂŒr die drei genannten Kriterien und insbesondere nicht fĂŒr die Frage der technischen Bedingtheit nach Art. 4(c) DesG. Gleichwohl ist auch dieser Schutzausschlussgrund vom Schutzrechtsgegner zu beweisen, weil der Gesetzgeber von einem nur ausnahmsweisen Vorliegen der technischen Bedingtheit â und somit von einer rechtshemmenden Tatsache â ausgeht.
BezĂŒglich des Nichtigkeitsgrunds der fehlerhaften Hinterlegung ging Tissot auf die gerichtliche Auslegung von Art. 4(a) DesG ein, wonach sich mehrere hinterlegte Abbildungen nicht widersprechen dĂŒrfen. Dabei stellen jedoch nur völlig widersprĂŒchliche Abbildungen einen Nichtigkeitsgrund dar. Solch qualifizierte Unterschiede liegen nicht vor, wenn aufgrund des Aufnahmewinkels oder der QualitĂ€t der Schwarzweissabbildung nur gewisse Details hinsichtlich Mass und Farbgebung eines Designs nicht eindeutig aus den Abbildungen hervorgehen und insofern nicht mit den hinterlegten technischen Zeichnungen ĂŒbereinstimmen.
Das Handelsgericht hielt weiter fest, die EigenartsprĂŒfung gemĂ€ss Art. 2(3) DesG wĂŒrde eine erweiterte NeuheitsprĂŒfung darstellen und somit bei einer unbegrĂŒndeten Einrede der fehlenden Eigenart die PrĂŒfung der Einrede der fehlenden Neuheit obsolet werden lassen. Die Referierende ging sodann auf die Kriterien der EigenartsprĂŒfung ein und stellte die ErwĂ€gungen des Gerichts vor, welche diesbezĂŒglich bei der vorliegenden Rollmatte angestellt wurden. In einem Vergleich des hinterlegten Designs mit zwei vorbekannten Pfannenuntersetzern wurde der Gesamteindruck der jĂŒngeren Produktgestaltung als deutlich abweichend beurteilt, womit deren Eigenart durch die Ă€lteren Gestaltungen nicht geschadet wurde.
Im Hinblick auf den Schutzausschlussgrund der technischen Bedingtheit bestĂ€tigte das Gericht, dass dieser nur greift, wenn zur Realisierung des technischen Effekts keine Formalternative und damit nur eine einzige sinnvolle AusfĂŒhrungsvariante besteht. Obschon zur Sicherstellung des Abtropfens des Wassers gewisse technische Anforderungen erfĂŒllt sein mĂŒssen, gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Gestaltung.
Abschliessend vergegenwĂ€rtigte Tissot dem Publikum den Umstand, dass die AusschlussgrĂŒnde des DesG direkt vom Markenrecht inspiriert sind. GemĂ€ss der â kritisch diskutierten â Entscheidung «Schmuckschatulle» (BGE 133 III 189, sic! 2007, 546 ff.) ist die technische FunktionalitĂ€t im Designrecht gleich zu beurteilen wie im Markenrecht. Die Referentin fĂŒgte an, dass die beiden Urteile «Lego IV» (4A_20/2012, sic! 2012, 811 ff.) sowie «Nespresso II» (4A_36/2012, sic! 2012, 627 ff.) des BGer hilfreich sein könnten, um die SchutzausschlussgrĂŒnde im DesG zu konkretisieren.
Auf der Grundlage des Urteils «BoĂźtier protubĂ©rant» (BGE 138 III 461, sic! 2012, 644 ff.) analysierte Tissot schliesslich die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Wirkung der Hinterlegung sowie zum Schutzumfang, welcher einem angemeldeten, aber noch nicht veröffentlichten Design im Zeitpunkt der Hinterlegung eines zweiten identischen oder Ă€hnlichen Designs zukommt. Die Referierende kam zum Schluss, dass die RechtsausschlussgrĂŒnde im DesG abschliessend genannt sind. Dieser abschliessende Charakter der GrĂŒnde könne jedoch nicht auf die Auflistung in Art. 4 DesG beschrĂ€nkt werden, da der Gesetzgeber selber im Art. 6 DesG zusĂ€tzliche AusschlussgrĂŒnde vorgesehen hat. Tissot fragte sich, ob der in Art. 6 DesG vorgesehenen HinterlegungsprioritĂ€t nicht nur relativen Ausschlusscharakter in dem Sinne zukommen sollte, wonach sie â analog zur Art. 3(3) MSchG â nur vom Ersthinterleger geltend gemacht werden kann. Dies hĂ€tte zur Folge, dass die PrioritĂ€t eines angemeldeten Designs, welches aber im Zeitpunkt der Hinterlegung eines zweiten identischen oder Ă€hnlichen Designs noch nicht veröffentlicht war, nur vom Erstanmelder selber geltend gemacht werden kann.
Dr. Reinhard Oertli, LL.M., Rechtsanwalt in ZĂŒrich, deckte den urheberrechtlichen Teil der Tagung ab und stellte die Entscheide des Handelsgerichts ZĂŒrich (HG110271-O) respektive des BGer (4A_295/2014, sic! 3/2015, 155 ff.) vom 7. April 2014 und 28. November 2014 vor.
Im Rahmen eines durch die Bibliothek der ETH betriebenen Dokumentenlieferdiensts werden auf Antrag eines Bestellers hin AuszĂŒge aus in der Bibliothek vorhandenen Zeitschriften eingescannt oder kopiert und dem Besteller per E-Mail oder Post zugestellt. Drei bedeutende internationale Wissenschafts-Verlage versuchten dies zu verbieten.
In einem ersten Schritt erlĂ€uterte der Referierende anhand des «Drei-Kreise-Modells» die urheberrechtlichen Schranken der Verwendung zum Eigengebrauch gemĂ€ss Art. 19 URG. Der innerste Kreis stellt den Privatgebrauch dar (Art. 19[1][a] URG), bei welchem jede Werkverwendung erlaubt ist. Erfolgt der Privatgebrauch unter Einbezug Dritter â worunter auch das Kopieren auf von Bibliotheken zur VerfĂŒgung gestellten KopiergerĂ€ten fĂ€llt â (Privatgebrauch im weiten Sinne), so ist das Kopieren ganzer Werkexemplare nicht zulĂ€ssig (Art. 19[3][a] URG) und es ist eine VergĂŒtung gemĂ€ss Tarif geschuldet (Art. 20[2] URG). Dasselbe gilt im mittleren (Schulgebrauch) und im Ă€usseren Kreis (betriebsinterner Gebrauch) (Art. 19[1][c] URG).
Oertli hielt fest, dass das Handelsgericht in seinen ErwĂ€gungen die Grundlinien der Schrankenbestimmungen im URG neu gezeichnet hat. Als «Werkexemplar» im Sinne von Art. 19(3)(a) URG sieht das Gericht die einzelnen wissenschaftlichen AufsĂ€tze selbst und nicht die Zeitschrift als Ganzes an. Dies folge aus einer zeitgemĂ€ssen Auslegung der Bestimmung. GemĂ€ss dem Referenten wĂŒrde dieses VerstĂ€ndnis â konsequent zu Ende gedacht â dazu fĂŒhren, dass nicht nur die Bibliothek solche einzelnen BeitrĂ€ge nicht fĂŒr ihren Nutzer kopieren darf, sondern auch dazu, dass der Nutzer solche BeitrĂ€ge nicht selbst auf dem Fotokopierer der Bibliothek kopieren dĂŒrfte. Die weitreichenden Konsequenzen seiner eigenen Interpretation mildert das HGer, indem es den Nutzern erlaubt, solche ganzen Werkexemplare selbst auf GerĂ€ten der Bibliothek zu kopieren und sich selbst zuzuschicken, was zu einer Verschiebung der herkömmlichen Grenze zwischen Privatgebrauch im engen und im weiten Sinne fĂŒhrt. Diese Nutzung will das Handelsgericht zudem nicht nur den Privatnutzern, sondern auch den schulischen und betrieblichen Nutzern erlauben. Der Versand von solchen elektronischen Kopien durch die Bibliothek auf Fernbestellung der Nutzer gehöre nach Auffassung des Handelsgerichts nicht zur rein technischen DurchfĂŒhrung des Kopierens im Sinne von Art. 19(2) URG, sondern ĂŒberschreite die vom Gesetzgeber gesetzte Grenze und falle deshalb ganz aus der Schranke der Verwendung zum Eigengebrauch hinaus. GemĂ€ss Oertli können somit die Verlage gemĂ€ss dem Handelsgerichtsurteil den Fernversand verhindern, erlangen aber keine Kontrolle ĂŒber die unter Verwendung der Infrastruktur Dritter erstellten Kopien solcher Artikel und verlieren sogar die Kontrolle ĂŒber derart erstellte Kopien im Rahmen der schulischen und der â wirtschaftlich wichtigen â betrieblichen Nutzung.
Das BGer hingegen orientierte sich in seinen ErwĂ€gungen an der bisherigen Grenzziehung der Schranke des Eigengebrauchs. Das Gericht versteht unter dem Werkexemplar die konkret als Kopiervorlage verwendete Verkörperung des Werks. Der bisherigen Rechtsprechung folgend, ist im Rahmen des Eigengebrauchs eine auszugsweise VervielfĂ€ltigung der konkret vorliegenden Verkaufseinheit zulĂ€ssig. Das heisst, der Berechtigte darf einen einzelnen Artikel oder ein einzelnes Kapitel, das als Teil einer Zeitschrift oder eines Sammelbandes veröffentlicht wurde, auf einem Bibliotheks-Kopierer kopieren oder kopieren lassen. Eine vollstĂ€ndige VervielfĂ€ltigung eines ganzen Artikels unter Verwendung des konkreten im Handel erhĂ€ltlichen Werkexemplars ist dagegen nur im eng beschrĂ€nkten Rahmen des Privatgebrauchs im engen Sinne zulĂ€ssig und darf nicht unter Beizug eines Dritten erfolgen â auch dann nicht, wenn der Nutzer den Kopierer der Bibliothek selber bedient. Sodann dĂŒrfen Bibliotheken auszugsweise Kopien nicht auf Vorrat, sondern nur auf konkrete Bestellung hin herstellen. Das Versenden ist demgegenĂŒber eine Hilfsleistung, welche gar nicht vom ExklusivitĂ€tsanspruch des Rechtsinhabers erfasst ist. GemĂ€ss dem Referierenden hat das Bundesgericht die zu beurteilende Konstellation in das Raster der bisherigen Auslegung gezwĂ€ngt und dadurch â ebenso wie das Handelsgericht â beide Parteien zu Verlierern gemacht: Die Verlage können den Dokumentenlieferdienst nicht verhindern und die Bibliothek ist gezwungen, auf jede Einzelbestellung hin jeden Artikel speziell zu scannen, manuell zu versenden und anschliessend wieder zu löschen.
Abschliessend warf Oertli einen Blick auf das europĂ€ische, das deutsche, das französische und das hollĂ€ndische Recht. GemĂ€ss deutschem Recht hat der Versand einzelner BeitrĂ€ge und Werkteile per Post oder Telefax zu erfolgen. VervielfĂ€ltigung und Ăbermittlung in elektronischer Form unterliegen erheblichen EinschrĂ€nkungen hinsichtlich der Form und des Verwendungszwecks und sind nur zulĂ€ssig, wenn die Rechtsinhaber die entsprechenden Artikel und Werkteile nicht zum «on-demand download» zu angemessenen Bedingungen zur VerfĂŒgung stellen.
Dr. Eric Meier, Vizedirektor und Leiter der Markenabteilung des IGE, widmete sich zunĂ€chst der elektronischen PrĂŒfungshilfe des Instituts. Dieses wichtige Arbeitsinstrument ergĂ€nze die IGE-Richtlinien in Markensachen, diene der Transparenz und solle den Nutzern bei der Vorhersehbarkeit der Entscheide helfen. Die Datenbank enthĂ€lt aktuell ĂŒber 360 Entscheide zu Markeneintragungsgesuchen und 81 Widerspruchsentscheide mit erlĂ€uternden Bemerkungen (Leitentscheide). Weiter finden sich darin 8000 geografische Bezeichnungen, die in der Schweiz durch einen Staatsvertrag geschĂŒtzt sind, sowie alle seit 2008 erlassenen materiellen Widerspruchsentscheide des Instituts. Meier nahm sein Referat zum Anlass, die verschiedenen Suchmöglichkeiten im Bereich Widerspruch und MarkenprĂŒfung in Erinnerung zu rufen.
Im Bereich Herkunftsangaben konzentrierte sich der Referent insbesondere auf die Frage der Bekanntheit der geografischen Bezeichnung und stellte in diesem Zusammenhang zwei neu in die PrĂŒfungshilfe integrierte FĂ€lle â IR 1128240 «Andros Pâtit Dros» (fig.) und IR 1126029 «Warwick Chemicals» (fig.) â vor. Aufgrund der geringen touristischen Bedeutung bzw. aufgrund fehlender historischer oder kultureller SehenswĂŒrdigkeiten ist keiner der geografischen Namen (Andros und Warwick) als den massgebenden Verkehrskreisen bekannt einzustufen, womit sie nicht als Herkunftsangabe gemĂ€ss Art. 47(1) MSchG verstanden werden und keine TĂ€uschungsgefahr besteht.
Im selben Themenbereich sprach Meier sodann die wichtige Frage der Mehrdeutigkeit eines geografischen Namens an. Er verwies auf den Erfahrungssatz, wonach ein allein oder mit weiteren Elementen zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen verwendeter geografischer Name im Regelfall als Herkunftsangabe verstanden wird. Letzterer findet jedoch bezĂŒglich mehrdeutiger Begriffe dann keine Anwendung, wenn die nicht geografische Bedeutung dominiert. Meier veranschaulichte dies anhand der Marke CH 663727 «House of Hamilton» (fig.).
Anschliessend informierte MeierÂ ĂŒber die 25. Sitzung des Expertenkomitees der Nizza-Union, in welcher VorschlĂ€ge zur Ănderung der Nizza-Klassifikation geprĂŒft wurden. Das IGE machte in diesem Rahmen einen Vorschlag bezĂŒglich «Kundenspezifischen Herstellungsdienstleistungen», welche in der aktuellen alphabetischen Liste nicht existieren und anhand der erlĂ€uternden Bemerkungen auch keiner Dienstleistungsklasse zugeordnet werden können. Dessen ungeachtet akzeptiert eine Vielzahl von Ămtern diese oder Ă€hnliche Dienstleistungsbegriffe. Um Klarheit zu schaffen, regte das Institut an, die erlĂ€uternden Bemerkungen der Klasse 40 zu ergĂ€nzen und den Begriff dort aufzunehmen, was vom Komitee einstimmig angenommen wurde und auf der Internetseite der WIPO einsehbar ist. Die Ănderungen der Nizza-Klassifikation werden auf den 1. Januar 2016 in Kraft treten und das IGE beabsichtigt, auf diesen Zeitpunkt hin seine Praxis betreffend die Zulassung von «Kundenspezifischen Herstellungsdienstleistungen» in Klasse 40 dementsprechend zu Ă€ndern.
Lukas Abegg, LL.M., Gerichtsschreiber am BVGer, informierte ĂŒber die Markenrechtsprechung am BVGer. Anhand verschiedener Entscheide wurden drei Themen angesprochen, welche das Gericht im letzten Jahr besonders beschĂ€ftigt haben.
Den ersten Teil widmete der Referierende der «SphĂ€re des Gemeingutes» und deren «ElastizitĂ€t». Dabei richtete er das Augenmerk speziell auf Widerspruchsverfahren, bei welchen die ĂŒbereinstimmenden Bestandteile zweier Marken dem Gemeingut angehören und daher keine Verwechslungsgefahr begrĂŒnden können. Im Fall «Swissprimbeef/Appenzeller Prim(e)beef (fig.)» (B-3119/2013, sic! 2014, 640 ff.) bestĂ€tigte das BVGer die Ansicht der Vorinstanz, wonach â trotz Eintragung der neuen Marke fĂŒr grösstenteils gleichartige oder identische Produkte und Ăhnlichkeit im Klang und im Schriftbild â keine Verwechslungsgefahr auszumachen sei, da sich der ĂŒbereinstimmende Zeichenbestandteil im Element Primbeef bzw. Prim(e)beef manifestiere, welcher von den relevanten Verkehrskreisen als prime beef (erstklassiges Rindfleisch) verstanden werde und somit gĂ€nzlich im Gemeingut stehe.
Im Entscheid B-341/2013 «Victorinox/Miltrorinox» â beide Marken sind fĂŒr Waren der Klassen 9, 14 und 18 hinterlegt â wies die Vorinstanz den Widerspruch mit der BegrĂŒndung ab, dass das Wortelement inox (kurz fĂŒr inoxidable) beschreibend ist, und sich der Zeichenvergleich deshalb auf die Bestandteile Victor sowie Miltror zu beschrĂ€nken hat. Im Beschwerdeverfahren konnte Victorinox die erhöhte Verkehrsbekanntheit ihrer Marke fĂŒr Armbanduhren belegen. In einer differenzierten Beurteilung des Gemeinguts der Marke wies das BVGer die Beschwerde mit den Argumenten der Vorinstanz ab, ausser fĂŒr Waren, fĂŒr welche Victorinox eine gesteigerte Kennzeichnungskraft nachweisen konnte. In gleichermassen differenzierender Weise urteilte das Gericht in «Clinique/Dermaclinique Beauty Farm (fig.)» (B-6821/2013, sic! 6/2015, 397), dass Clinique im vorliegenden Fall nicht dem Gemeingut angehören wĂŒrde, sondern Markenschutz geniesst, da sich das Zeichen der BeschwerdefĂŒhrerin im Markt durchgesetzt hat.
Als Fazit hielt L. Abegg fest, dass die Beurteilung, ob ein Zeichen dem Gemeingut angehört, nicht bereits mit der Feststellung endet, dass Ersteres fĂŒr bestimmte Waren beschreibend ist. Vielmehr muss die konkrete Auswirkung auf die Kennzeichnungskraft untersucht werden. So gibt es Argumente (z.B. Durchsetzung am Markt oder erhöhte Bekanntheit), weshalb ein an und fĂŒr sich beschreibendes Zeichen doch nicht durch die «SphĂ€re des Gemeingutes» eingeschrĂ€nkt wird. Letztere begrenzt die Kennzeichnungskraft somit nur graduell und nicht durch eine einfache «entweder-oder» Entscheidung.
Des Weiteren befasste sich der Referent mit dem Thema der Herkunftsangaben und stellte die Frage, ob eine bekannte direkte Herkunftsangabe auch eine unbekannte indirekte Herkunftsangabe sein kann. Im Entscheid «TegoPort» (B-1646/2013, sic 3/2015, 172) wurde die Eintragung der Marke nicht zugelassen, da Port eine Gemeinde nahe bei Biel wĂ€re und daher eine Herkunftserwartung erwecke. Im Verfahren vor BVGer war insbesondere fraglich, ob diese Gemeinde ĂŒberhaupt bekannt genug ist, um eine Herkunftserwartung zu erwecken. Denn eine der im Leitentscheid «Yukon» (BGE 128 II 454, sic! 2003, 149 ff.) formulierten Ausnahmen besagt, dass eine geografische Marke, die nicht bekannt ist, auch keine Herkunftserwartung wecken kann. Angesichts der Situierung in einem dicht besiedelten Gebiet des Mittellandes und der Bekanntheit aufgrund des Autobahnanschlusses wurde hier das Vorliegen einer geografischen Herkunftsangabe bejaht. Auch geografische Bezeichnungen, die nicht als Produktions- oder Handelsort infrage kommen, werden vom Publikum nicht als Herkunftshinweis verstanden und stellen deshalb eine weitere Ausnahme gemĂ€ss der Yukon-Rechtsprechung dar.
Im Fall «Strela» (B-5024/2013, sic! 6/2015, 396) bestĂ€tigte das BVGer die EinschĂ€tzung, dass der bei Davos (GR) gelegene Berg Strela nicht als Produktionsstandort infrage kommt und daher nicht als direkte Herkunftsangabe gesehen werden kann. Abweichend vom IGE beurteilte das BVGer jedoch die Frage, ob es sich bei Strela auch um eine indirekte geografische Angabe fĂŒr die Schweiz handle. GemĂ€ss BVGer ist die Bekanntheit bei indirekten erst viel spĂ€ter als bei direkten Herkunftsangaben gegeben, nĂ€mlich erst bei einem typischen Wahrzeichen, welches eine spezifische Herkunft reprĂ€sentiert. Der Berg Strela sei nicht derart bekannt, dass er als Schweizer Wahrzeichen wahrgenommen werde. Dies fĂŒhrte L. Abegg zur Schlussfolgerung, wonach der Begriff der Bekanntheit mehrere Bedeutungen hat, je nachdem, ob er im Zusammenhang mit direkten oder indirekten Herkunftsangaben benutzt wird.
Schliesslich ging der Referierende auf den Entscheid «Froschkönig» (B-5996/2013, sic! 11/2015, 641) ein, in welchem die Eintragung der Marke Froschkönig fĂŒr verschiedene Schokoladenwaren von der Vorinstanz mit der BegrĂŒndung abgelehnt wurde, dem Zeichen wĂŒrde aufgrund seines beschreibenden Gehalts fĂŒr diese Waren die konkrete Unterscheidungskraft fehlen. Zudem wĂ€re der Begriff freihaltebedĂŒrftig fĂŒr Konkurrenten. L. Abegg stimmte jedoch der abweichenden Meinung des BVGer zu, gemĂ€ss welcher der Begriff Froschkönig keinen Bezug zu den beanspruchten Waren hat und daher nicht beschreibend ist. Auch bezĂŒglich des Aspekts der FreihaltebedĂŒrftigkeit kam das BVGer zu einem anderen Schluss und stellte fest, dass â im Gegensatz etwa zu MarienkĂ€fern oder Herzen â kein konkretes Marktinteresse fĂŒr MĂ€rchenfiguren als Gestaltungsmotiv fĂŒr SĂŒssigkeiten besteht und daher ein FreihaltebedĂŒrfnis verneint werden muss.
Dr. Barbara Abegg, RechtsanwĂ€ltin in ZĂŒrich, gab eine Ăbersicht ĂŒber verschiedene kennzeichenrechtliche Entscheide der Berichtsperiode und besprach dabei zwei Entscheide des BGer sowie ein Urteil des HGer ZĂŒrich ausfĂŒhrlicher.
Im Urteil «Keytrader» (BGE 140 III 297, sic 2014, 634 ff.) klagte die UBS AG (UBS) vor dem HGer AG gegen die Keytrade Bank SA (KT Bank) insbesondere auf Unterlassung der Verwendung des Zeichens «Keytrade» im GeschĂ€ftsverkehr. Sie stĂŒtzte sich dabei auf die Schweizer Marke «Keytrader», welche fĂŒr verschiedene finanzbezogene Dienstleistungen der Klassen 36, 38 und 42 sowie Software und AufzeichnungstrĂ€ger der Klasse 9 eingetragen war. Darauf erhob die KT Bank Widerklage auf NichtigerklĂ€rung der gegnerischen Marke. Letztere wurde gutgeheissen und die Unterlassungsbegehren in der Folge abgewiesen. Gegen das Urteil erhob die UBS Beschwerde vor dem BGer. Die Referentin wies auf die Frage der Wiederholungsgefahr hin, deren Vorliegen gemĂ€ss dem BGer in BestĂ€tigung der stĂ€ndigen Rechtsprechung insbesondere dann zu bejahen ist, wenn der Verletzer zwar im Hinblick auf den Prozess die Verletzungen eingestellt hat, in seinen RechtsvortrĂ€gen aber nach wie vor sein Verhalten als rechtmĂ€ssig verteidigt. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz gilt dies unabhĂ€ngig davon, ob sich die UBS zur BegrĂŒndung ihrer AnsprĂŒche lediglich auf das MSchG oder â als alternative Anspruchsgrundlage â auf das UWG beruft (weshalb die Beschwerde in diesem Punkt gutgeheissen und die Sache zu neuer Beurteilung der Unterlassungsbegehren nach UWG an die Vorinstanz zurĂŒckgewiesen wurde). B. Abegg ging weiter auf die vom BGer angesprochenen unterschiedlichen Eintragungsvoraussetzungen im Firmen- und Markenrecht ein. Unter anderem aufgrund der unterschiedlichen Funktion der absoluten Rechte (Hinweis auf UnternehmenstrĂ€ger im Falle des Firmenrechts bzw. betrieblicher Produkthinweis im Falle des MSchG) sowie der unterschiedlichen massgebenden Sicht (breites Publikum im Falle des Firmenrechts bzw. durchschnittlicher Abnehmer im Falle des MSchG) kam das BGer zum Schluss, dass das Zeichen «Keytrade(r)» â im Unterschied zum Firmenrecht (was vom BGer im Verfahren 4A_45/2012 bestĂ€tigt worden war) â als Marke fĂŒr Finanzdienstleistungsprodukte nicht schĂŒtzbar ist. Schliesslich sprach die Referierende auch die Frage des Verstosses gegen die Eigentumsgarantie in Art. 26(1) BV aufgrund der NichtigerklĂ€rung und Löschung der Marke «Keytrader» an. Eine solche wurde vom BGer namentlich mit der BegrĂŒndung verneint, die Eintragung einer Marke wĂŒrde kein wohlerworbenes Recht am Ausschliesslichkeitsanspruch schaffen, sondern unter dem Vorbehalt einer abweichenden Beurteilung durch den Zivilrichter stehen.
Im zweiten besprochenen Entscheid BGer 4A_41/2014 «Croix rouge II» (sic! 2014, 532 ff., publiziert als BGE 140 III 251,) wurde die SchutzfĂ€higkeit einer Schweizer Wortbildmarke eines medizinischen Zentrums (BeschwerdefĂŒhrerin) der Stadt Genf beurteilt, welche fĂŒr medizinische Dienstleistungen der Klasse 42 eingetragen war. Der Bildbestandteil stellt ein rotes Kreuz auf weissem Untergrund dar, wobei der rechte Arm des Kreuzes nicht durchgehend ist, sondern ein weisser Zwischenraum ausgelassen wird. Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) gelangte mit Klage an das Handelsgericht Bern und verlangte die Feststellung der Nichtigkeit des Zeichens der BeschwerdefĂŒhrerin sowie das Verbot der weiteren Verwendung desselbigen. Das Gericht kam diesen Forderungen nach, woraufhin die BeschwerdefĂŒhrerin beim BGer Beschwerde einlegte. B. Abegg erlĂ€uterte die vom BGer unter markenrechtlichen Gesichtspunkten gemachten ErwĂ€gungen wie folgt: Die Markeneintragung der BeschwerdefĂŒhrerin verletzt das dem SRK gemĂ€ss dem Rotkreuzgesetz zukommende exklusive Nutzungsrecht am Zeichen eines roten Kreuzes auf weissem Grund und ist deshalb unzulĂ€ssig und nichtig gemĂ€ss Art. 2(d) MSchG i.V.m. Art. 7 Abs. 2 RKG. Zu prĂŒfen ist einzig, ob das durch das RKG vorbehaltlos geschĂŒtzte Emblem (oder ein mit ihm â entgegen dem Gesetzeswortlaut â Àhnliches Zeichen) als Bestandteil der hinterlegten Marke wahrgenommen wird. Eine Verwechlungsgefahr im eigentlichen Sinne ist nicht notwendig, da das Rotkreuzgesetz einen absoluten Schutz gewĂ€hrt. Die Referentin kam sodann auf die vom BGer geprĂŒften UnterlassungsansprĂŒche des SRK gestĂŒtzt auf Art. 28 und 29 ZGB zu sprechen. Unklar ist, ob ein bildliches Kennzeichen, welches als individuelles Identifikationsmerkmal verwendet wird, durch Art. 28 ZGB oder Art. 29 ZGB geschĂŒtzt wird. Da jedoch unbestritten ist, dass ein solcher Rechtsschutz von Wappen, Emblemen oder anderen Zeichen besteht, erĂŒbrigt sich eine exakte Abgrenzung der Schutzbereiche der beiden Bestimmungen. Das BGer kam aufgrund des Vorliegens eines ausschliesslichen Rechts am Gebrauch des Logos sowie eines rechtlichen Interesses an der DurchfĂŒhrung der Klage zum Schluss, das SRK sei legitimiert, sich auf den Schutz aus Art. 28 f. ZGB zu berufen. Da das Logo der BeschwerdefĂŒhrerin demjenigen des Rotkreuzzeichens zweifelsohne Ă€hnlich ist, wurde das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr bzw. einer widerrechtlichen Namensanmassung als gegeben erachtet, weshalb die Beschwerde abgewiesen wurde.
Zum Schluss besprach B. Abegg das Urteil «Oskar» des HGer ZĂŒrich (sic! 5/2015, 316 ff.). In diesem Fall erhob die Academy of Motion Picture Arts and Sciences (Academy) als Inhaberin der u.a. fĂŒr Preisverleihungen in der Klasse 41 hinterlegten Schweizer Marke «Oscar» im Jahre 2006 gegen den italienischen TV-Sender Rai und seine Produktionsgesellschaft Rai World (gemeinsam Rai) eine Stufenklage. Die Academy forderte namentlich die Unterlassung der Verwendung des Zeichens «Oscar» insbesondere in und im Umfeld der Ausstrahlung der TV-Shows «Oscar del Vino», «La Kore Oscar della Moda» sowie «Oscar TV» in der Schweiz. Rai erhob u.a. die Verwirkungs- und Nichtgebrauchseinrede. Die Referentin wies darauf hin, dass das HGer ZĂŒrich eine Verwirkung zu Recht mit der BegrĂŒndung verneint hatte, dass Markenrechte erst bei einer UntĂ€tigkeit des Verletzers von vier bis acht Jahren verwirkt seien und es einer in den USA ansĂ€ssigen Markeninhaberin nicht zugemutetet werden könne, sĂ€mtliche TV-Shows aller Sender in Europa, geschweige denn in ĂŒber 200 LĂ€ndern, stĂ€ndig zu ĂŒberwachen. Mit Bezug auf den geltend gemachten Nichtgebrauch kam das HGer ZĂŒrich zum Schluss, dass eine Marke im Inland stellvertretend gebraucht werde, wenn die Marke mit Zustimmung des Markeninhabers fĂŒr die beanspruchten Dienstleistungen im Rahmen von in der Schweiz ausgestrahlten TV-Shows oder von Berichterstattungen durch Schweizer Medien verwendet werde. B. Abegg fĂŒhrte weiter aus, dass das HGer ZĂŒrich der Klage letztlich in weiten Teilen stattgegeben habe, da â entgegen der Ansicht von Rai â die Marke «Oscar» nicht zum Freizeichen degeneriert sei und einer Verwechslungsgefahr nicht durch das BeifĂŒgen von Sachbezeichnungen, wie «Wein», «Mode» oder «Fernsehen» begegnet werden könne.
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Fussnoten: |
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MLaw, RechtsanwĂ€ltin, LL.M., ZĂŒrich. |
