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Bericht ĂŒber die INGRES-Tagung vom 26. Januar 2015 in ZĂŒrich
1. Aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Patentrecht
2. Neues von den Beschwerdekammern des EPA
3. Generelle Entwicklungen im europÀischen Patentsystem
4. Die fĂŒr den Erfolg des EPG entscheidenden rechtlichen Fragen aus Sicht eines Richters
5. Vorbereitung auf das EU-Patentsystem
1. Aktuelle Entscheidungen der Beschwerdekammern des HABM
Die diesjĂ€hrige Wintertagung des Instituts fĂŒr gewerblichen Rechtsschutz (INGRES) zur Praxis des ImmaterialgĂŒterrechts in der EuropĂ€ischen Union wurde von Dr. Michael Ritscher, LL.M., geleitet, wĂ€hrend Dr. Christoph Gasser, LL.M., fĂŒr die Organisation verantwortlich zeichnete.
Die Tagung fand traditionsgemĂ€ss auf dem ZĂŒrichberg statt und beinhaltete zahlreiche Referate zu den neuesten Entwicklungen sowie bezĂŒglich der aktuellen Rechtsprechung in den Bereichen Patent-, Urheber-, Design- und Markenrecht in der EuropĂ€ischen Union.
Dr. Klaus Grabinski, Richter am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe, stellte vier neue Entscheide «seines» Gerichts vor.
Die dem Entscheid mit Akten-Nr. X ZB 5/13 («Kollagenase I») zugrunde liegende Patentanmeldung hatte den zweckgebundenen Stoffschutz fĂŒr Kollagenase zur Behandlung der Krankheit Morbus Dupuytren zum Gegenstand. GemĂ€ss BGH ist das Ruhigstellen der Hand als Teilanspruch einer zweiten medizinischen Indikation grundsĂ€tzlich patentfĂ€hig.
Vorliegend stĂŒtzte der BGH jedoch die Auffassung der Vorinstanz, wonach das Ruhigstellen der Hand nach einer Injektion eine alltĂ€gliche, nicht erfinderische Behandlungsmassnahme darstellen kann. Eine solche Behandlungsmassnahme könne nur dann zur PatentfĂ€higkeit beitragen, wenn sie objektiv darauf abziele, die Wirkung des Stoffs zu ermöglichen, zu verstĂ€rken, zu beschleunigen oder in sonstiger Weise zu verbessern. Zwar stand dem Bundespatentgericht keine Fachliteratur zur VerfĂŒgung, mit welchem sich die AlltĂ€glichkeit der Massnahme belegen liess. Nach Ansicht des BGH muss jedoch der Umstand, wonach eine Massnahme zum Standard-Repertoire zĂ€hlt, nicht zwingend durch den schriftlichen Stand der Technik belegt werden können. Der BGH hat die Sache gleichwohl an das Bundespatentgericht zurĂŒckgewiesen, da Letzteres die Anmelderin vor seiner Entscheidung nicht hinreichend auf den genannten Gesichtspunkt hingewiesen hatte.
In BGH-Akten-Nr. X ZB 107/12 («Kommunikationskanal») wurde die Frage der Inanspruchnahme der PrioritĂ€t einer britischen Voranmeldung im Rahmen einer europĂ€ischen Zweitanmeldung erörtert. Der BGH hielt in diesem Entscheid fest, dass fĂŒr eine wirksame Inanspruchnahme der Gegenstand der beanspruchten Erfindung in der PrioritĂ€tsanmeldung insgesamt â und nicht nur in deren AnsprĂŒchen â identisch offenbart werden mĂŒsse. Zudem habe sich die Beurteilung der identischen Offenbarung an den Prinzipien der NeuheitsprĂŒfung zu orientieren. Verallgemeinerungen eines in der Anmeldung beschriebenen AusfĂŒhrungsbeispiels sind zulĂ€ssig, wenn sie der Anmeldung als zur Erfindung gehörend entnommen werden können.
Im Entscheid mit Akten-Nr. X ZB 19/12 («Kommunikationsrouter») befasste sich der BGH mit der Frage, inwiefern der technische Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts â welchem notabene auch technisch qualifizierte Richter angehören â mit dem Verzicht auf den Beizug eines gerichtlichen SachverstĂ€ndigen im Rahmen einer Patentstreitigkeit das rechtliche Gehör des Anmelders verletzt hat. Das Gericht entschied, dass die unterbliebene Einholung des Gutachtens eines gerichtlichen SachverstĂ€ndigen nur dann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstelle, wenn sich die Erforderlichkeit zusĂ€tzlicher externer Sachkunde aufdrĂ€ngte.
In der Entscheidung mit Akten-Nr. X ZR 36/13 («Begrenzungsanschlag») wies der BGH die Vorinstanz aufgrund einer behaupteten Patentverletzung an, zu ĂŒberprĂŒfen, ob die angegriffene AusfĂŒhrungsform â trotz Abweichungen gegenĂŒber dem Wortlaut des Patentanspruchs â das dem Patent zugrunde liegende Problem mit gleichwirkenden und fĂŒr den Fachmann auffindbaren Mitteln löst und ob sich die diesbezĂŒglich erforderlichen Ăberlegungen des Fachmanns am Patentanspruch orientieren. In diesem Fall könne eine Ăquivalenz mit der technischen Lehre angenommen werden, welche durch den Wortsinn des Patentanspruches zum Ausdruck gebracht wurde.
Anders als im frĂŒheren BGH-Entscheid «Okklusionsvorrichtung» (Akten-Nr. X ZR 16/09), war die bei der angegriffenen AusfĂŒhrungsform realisierte abweichende Ausgestaltung nicht in der Beschreibung des Patents offenbart, sodass dem Patentanspruch auch keine Auswahlentscheidung gegen diese abweichende Ausgestaltung entnommen werden konnte. Nach Auffassung des BGH setze die fĂŒr die Bejahung der Ăquivalenz erforderliche Orientierung der Ăberlegungen des Fachmanns am Patentanspruch nicht zwingend voraus, dass die Beschreibung des Patents AusfĂŒhrungen enthalte, die den Fachmann geradezu auf die patentgeschĂŒtzte Ausgestaltung hinlenken wĂŒrden. GemĂ€ss Grabinski dĂŒrfe jedoch nicht bereits aus dem blossen Umstand, dass einem Patentanspruch keine Auswahlentscheidung entnommen werden könne, auf das Fehlen einer alternativen AusfĂŒhrungsmöglichkeit geschlossen werden. Es handle sich in solchen FĂ€llen letztlich um Einzelfallentscheide.
Dr. Ursula Kinkeldey, ehemalige Vorsitzende einer technischen Beschwerdekammer (Biotech) und Mitglied der grossen Beschwerdekammer des EuropĂ€ischen Patentamtes (EPA) in MĂŒnchen, thematisierte im ersten Teil ihres Referats die Frage nach der UnabhĂ€ngigkeit der Beschwerdekammern des EPA.
In diesem Zusammenhang nahm die Referentin Bezug auf die Zwischenentscheidung R 19/12 der grossen Beschwerdekammer (GBK), welche den Antrag auf Ersetzen des Vorsitzenden der GBK aufgrund Befangenheit zum Gegenstand hatte. GemĂ€ss der Antragstellerin resultiert die Befangenheit des Vorsitzenden aus seiner Einbindung in die Verwaltung des EPA als dessen VizeprĂ€sidenten. Die GBK erwog, dass sich der VizeprĂ€sident wegen seiner dualen Funktion durchaus mit widersprechenden Anforderungen konfrontiert sehen könne (Punkt 17.1). Des Weiteren wies die GBK darauf hin, dass bereits im Jahr 2004 dem Verwaltungsrat ein Basisvorschlag fĂŒr die Revision des EPĂ zwecks Umsetzung der organisatorischen VerselbstĂ€ndigung der Beschwerdekammern des EPA vorgelegt worden sei (CA/46/04). GemĂ€ss diesem Revisionsvorschlag hĂ€tten die Beschwerdekammern (unter Leitung eines GerichtsprĂ€sidenten) die Stellung eines dritten Organs der EuropĂ€ischen Patentorganisation erhalten. Der GerichtsprĂ€sident hĂ€tte hiermit eine vom Amt und dessen PrĂ€sidenten unabhĂ€ngige Stellung (Punkt 21). Aufgrund dieser ErwĂ€gungen hiess die GBK die Beschwerde gut und ersetzte den Vorsitzenden durch ein anderes Mitglied.
GemĂ€ss Kinkeldey ist die Tragweite dieses Entscheides derzeit schwierig einzuschĂ€tzen. Im Moment seien noch zwei weitere Petitionsverfahren gemĂ€ss Art. 112a EPĂ anhĂ€ngig, in welchen ebenfalls AntrĂ€ge wegen Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden der GBK gestellt wurden. Ungeachtet ihres Ausganges wĂŒrden diese Entscheide nach Ansicht der Referentin Geschichte schreiben. Sollte die GBK die Entscheidung R 19/12 bestĂ€tigen, so könne dies der entscheidende Anstoss dafĂŒr sein, dass den Beschwerdekammern die Stellung eines dritten Organs im GefĂŒge der europĂ€ischen Patentorganisation eingerĂ€umt wird. Sollte der Entscheid gegenteilig ausfallen, könne die GBK diesen Entscheid ausschliesslich damit begrĂŒnden, dass den Beschwerdekammern kein Gerichtscharakter zukomme. GemĂ€ss der Referentin hĂ€tte dies â insbesondere auf die nicht der EU angehörenden Vertragsstaaten des EPĂ â massive Auswirkungen.
Aus aktuellem Anlass verwies Kinkeldey im Folgenden auf den derzeitigen Konflikt bezĂŒglich der einstweiligen Suspendierung eines Mitglieds einer Beschwerdekammer durch den PrĂ€sidenten des Verwaltungsrates des EPA. Dem suspendierten Mitglied wird vorgeworfen, vertrauliche (möglicherweise ehrverletzende) Unterlagen weitergegeben zu haben. Unter Verweis auf Art. 11 Abs. 4 EPĂ vertritt die Referentin die Ansicht, der PrĂ€sident habe mit der ausgesprochenen Suspendierung seine Befugnisse ĂŒberschritten. Es sei nicht in Ordnung, dass der PrĂ€sident im Alleingang ein Mitglied der Judikative massregle.
Anschliessend befasste sich die Referentin mit der Problematik der «toxischen» PrioritĂ€ten und nahm dabei Bezug auf die bisherige Rechtsprechung des EPA. Nach Ansicht von Kinkeldey hat sich die Rechtsunsicherheit in diesem Zusammenhang aus dem Umstand ergeben, dass die Entscheidung G 2/98 zahlreiche Fragen offengelassen habe, was in der Folge zu einer uneinheitlichen Rechtsprechung fĂŒhrte. Die Referentin wĂŒrde es begrĂŒssen, wenn der PrĂ€sident die bestehenden Unklarheiten möglichst rasch durch Vorlage an die GBK beantworten liesse. Bis dahin schlĂ€gt die Referentin vor, die Regeln zu multiplen PrioritĂ€ten in einem Patentanspruch zu ĂŒberdenken und nicht nur alternative AusfĂŒhrungsformen («or») zu berĂŒcksichtigen. Weiter gibt sie zu bedenken, dass sich die Problematik der «toxischen» PrioritĂ€ten nicht stelle, wenn das PrioritĂ€tsrecht nach dem EPĂ sowie dem PVĂ strikt im Sinne einer Neuheitsschonfrist angewendet wĂŒrde.
Letztlich wies die Referentin noch auf die weiteren pendenten Vorlagefragen gemĂ€ss Art. 112 EPĂ hin, mit welchen sich die GBK in nĂ€chster Zeit zu befassen hat. Bei der Vorlagefrage G 3/14 werde die GBK entscheiden mĂŒssen, ob neu formulierte PatentansprĂŒche unter Art. 84 EPĂ zu prĂŒfen sind. G 1/14 beinhalte die Frage nach dem Unterschied zwischen einer unzulĂ€ssigen Beschwerde und einer Beschwerde, welche nicht richtig eingereicht wurde. Schliesslich befassen sich die konsolidierten Vorlagefragen G 2/12 (Tomaten II) und G 2/13 (Brokkoli II) damit, ob eine Pflanze, welche mit einem nicht patentfĂ€higen, im Wesentlichen biologischen Verfahren hergestellt wurde, patentierbar sei oder nicht.
Die anschliessende Diskussion beschrĂ€nkte sich auf den derzeitigen Konflikt beim EPA. Grabinski teilte die Auffassung von Kinkeldey, wonach der PrĂ€sident seine Kompetenzen ĂŒberschritten habe, weil die ergriffene Massnahme offensichtlich nicht im Wortlaut von Art. 23 EPĂ erfasst sei. LuginbĂŒhl wendete ein, das in Art. 23 EPĂ vorgesehene Vorgehen sei ausschliesslich fĂŒr den Fall vorgesehen, dass ein Mitglied seines Amtes enthoben wird. Weil es sich bei der vom PrĂ€sidenten verfĂŒgten Massnahme «bloss» um eine einstweilige Suspendierung gehandelt habe, sei der PrĂ€sident nicht verpflichtet gewesen, das in Art. 23 EPĂ vorgesehene Verfahren zu beschreiten. Der Alleingang des PrĂ€sidenten ist nach Ansicht von Zigann schon nur deshalb nicht gerechtfertigt, weil es sich beim mutmasslichen Fehlverhalten um einen Ă€usserungsrechtlichen Tatbestand handle und deshalb zu keinem Zeitpunkt Gefahr im Verzug gewesen sei.
Dr. Stefan LuginbĂŒhl, Jurist in der Direktion fĂŒr Internationale Rechtsangelegenheiten des EPA, fokussierte sich im ersten Teil seines Vortrages auf die aktuellen Entwicklungen bezĂŒglich des in Vorbereitung befindlichen europĂ€ischen Patents mit einheitlicher Wirkung (Einheitspatent).
Die Verordnung ĂŒber das Einheitspatent (EPV) und die Verordnung ĂŒber die Ăbersetzungsregelungen zum Einheitspatent (EPVĂ) sind fĂŒr die fĂŒnfundzwanzig an der «verstĂ€rkten Zusammenarbeit» beteiligten EU-Mitgliedstaaten per 20. Januar 2013 in Kraft getreten. Anwendbar werden die beiden Verordnungen jedoch erst, sobald die dreizehnte Ratifikations- oder Beitrittsurkunde (einschliesslich der Staaten Deutschland, Frankreich sowie Vereinigtes Königreich) betreffend das Ăbereinkommen ĂŒber ein Einheitliches Patentgericht (EPGĂ) hinterlegt worden ist. Im Zeitpunkt des Referats haben bereits sechs Staaten (inkl. Frankreich) die Ratifikationsakte hinterlegt. Ausserdem hat eine Reihe von Staaten angekĂŒndigt, in diesem Jahr zu ratifizieren.
GemĂ€ss LuginbĂŒhl zeichne sich ab, dass der Gerichtshof der EuropĂ€ischen Union (EuGH) die im MĂ€rz 2013 erhobenen Nichtigkeitsklagen Spaniens gegen die beiden obgenannten Verordnungen im Mai oder Juni 2015 abweisen werde. Dies sei eine wichtige Voraussetzung fĂŒr eine möglichst rasche Implementierung des Einheitspatentsystems.
Anschliessend wandte sich LuginbĂŒhl dem EuropĂ€ischen Patentgericht (EPG) zu, wobei er insbesondere die Abgrenzung zwischen der ZustĂ€ndigkeit des EPG einerseits und der nationalen Gerichte andererseits thematisierte. Mit Inkrafttreten des EPGĂ ĂŒbertragen die Vertragsstaaten dem EPG die ausschliessliche ZustĂ€ndigkeit betreffend europĂ€ische Patente, Einheitspatente und auf diesen basierenden ErgĂ€nzende Schutzzertifikate (ESZ) fĂŒr Klagen wegen tatsĂ€chlicher und drohender Verletzung, Klagen auf NichtigerklĂ€rung, Klagen auf Erlass von vorsorglicher Massnahmen sowie Klagen gegen Entscheidungen des EPA. Die nationalen Gerichte werden insbesondere fĂŒr Klagen auf Ăbertragung des Rechts auf das Patent oder auf Ăbertragung des Patents zustĂ€ndig bleiben. WĂ€hrend der gesetzlich vorgesehenen Ăbergangszeit von mindestens sieben Jahren wird ĂŒberdies bei Streitigkeiten betreffend europĂ€ische Patente eine parallele ZustĂ€ndigkeit von nationalen Gerichten und EPG bestehen. Letztlich besteht auch die Möglichkeit, dass EP-Patente vom Anwendungsbereich des EPG-Ăbereinkommens ausgenommen werden.
Weil sĂ€mtliche Spruchkörper des EPG multinational besetzt sein werden, sei die Suche nach rechtlich und technisch geeignetem Richterpersonal in sĂ€mtlichen Vertragsstaaten der EU bereits in vollem Gange. Die ersten Trainings der Richterkandidaten haben gemĂ€ss LuginbĂŒhl bereits im Februar 2015 begonnen.
Dr. Matthias Zigann, Vorsitzender Richter am Landgericht I, MĂŒnchen, wies in seinem Referat auf zwei prozessrechtliche Ungereimtheiten hin, welche aus seiner Sicht dringend einer vorgĂ€ngigen KlĂ€rung bedĂŒrfen.
ZunĂ€chst bestĂŒnden bezĂŒglich der Wirkung einiger gesetzlich vorgesehener Rechtsbehelfe noch Unklarheiten. So sei etwa im gemĂ€ss 333.1 Rules of Procedure of the Unified Patent Court («Rules») vorgesehenen Abhilfeverfahren sowie im Verfahren betreffend die Ablehnung eines Richters gemĂ€ss Art. 7 Abs. 2 der Satzung des einheitlichen Patentgerichts unklar, ob diesen aufschiebende Wirkung zukomme oder nicht.
Des Weiteren erachtet es der Referent als problematisch, dass Unklarheit darĂŒber bestehe, ob der Antragsteller dem Gericht die Verurteilung des (angeblichen) Verletzers zur Unterlassung beantragen könne. Diese Unsicherheit ergebe sich aus dem Umstand, dass die materiellen Vorschriften (Art. 25 und 26 EPGĂ) als Muss-Vorschrift («shall») ausgestaltet seien. Die prozessualen Vorschriften, welche sich mit dieser Frage befassen (Art. 62 und 63 EPGĂ), seien hingegen eindeutig als Kann-Vorschriften («may») formuliert. Im Sinne der Rechtssicherheit bedĂŒrfe diese Frage deshalb einer dringenden KlĂ€rung.
Letztlich wies Zigann auf die Möglichkeit hin, bei internationalen Patentstreitigkeiten vor dem EPG als KlĂ€ger stets die Sprache des Patents als Verfahrenssprache zu wĂ€hlen und dem Gericht zusĂ€tzlich bereits eine Ăbersetzung der Klageschrift in der Sprache des Beklagten einzureichen. Unter Zuhilfenahme eines anschaulichen Praxisbeispiels gelang es dem Referenten, aufzuzeigen, dass sich durch diese Massnahme unnötige Verfahrensverzögerungen effizient vermeiden lassen.
Dipl. Ing. Beat Weibel, EuropĂ€ischer Patentanwalt und Leiter einer der weltweit grössten Unternehmensabteilungen fĂŒr geistiges Eigentum, dem Corporate IP von Siemens in MĂŒnchen, widmete sein Referat der Frage, welche Massnahmen aus Sicht der Praxis fĂŒr eine angemessene Vorbereitung auf das bevorstehende EU-Patentsystem notwendig sind.
Besonderes Augenmerk legte der Referent auf die Opt-Out-Möglichkeit, welche in Art. 83 Abs. 3 EPGĂ fĂŒr europĂ€ische Patente vorgesehen ist. Er empfiehlt, mit dem Opt-Out nicht zu lange zuzuwarten, auch wenn ein solches noch wĂ€hrend der Ăbergangsfrist von beinahe sieben Jahren ab Inkrafttreten des EPGĂ (also voraussichtlich bis ins Jahr 2024) ausgesprochen werden kann. Es gelte insbesondere zu berĂŒcksichtigen, dass ein Opt-Out gemĂ€ss dem eindeutigen Wortlaut von Art. 83 Abs. 3 EPGĂ im Falle eines anhĂ€ngigen Verfahrens nicht mehr möglich sein wird. Mit einem frĂŒhen Opting-Out von SchlĂŒsselpatenten sei man wohl auf der sicheren Seite.
Auf die Frage aus dem Publikum, in welchen Situationen die Siemens von der Opt-Out-Möglichkeit Gebrauch zu machen gedenke, erwiderte Weibel, dass dies einerseits fĂŒr Patente geschehen werde, fĂŒr welche ein Durchsetzungsverfahren in Betracht gezogen werde. Andererseits sei ein Ausschluss fĂŒr diejenigen Patente prĂŒfenswert, welche in bestimmten LĂ€ndern ĂŒber besondere Standortvorteile verfĂŒgen.
Patentanmeldern, welche an einem einheitlichen Schutz interessiert sind, riet Weibel, vermehrt auf Anmeldungen fĂŒr europĂ€ische Patente im PCT-Verfahren zu setzen. Dadurch wĂŒrde man sich in Bezug auf den angestrebten bzw. anzustrebenden Schutzumfang des betreffenden Patents sĂ€mtliche Optionen offenhalten. Insbesondere bleibe damit die Möglichkeit gewahrt, die eigene internationale Schutzstrategie selbst zu bestimmen.
Letztlich sieht der Referent fĂŒr sĂ€mtliche grösseren Unternehmen den Zeitpunkt gekommen, eine einheitliche Eigentumsstruktur des Patentportfolios in einem jeweils vorteilhaften Land anzustreben. Weibel begrĂŒndet diesen Ratschlag damit, dass aufgrund von Art. 7 EPV das anwendbare Recht fĂŒr die rechtsgeschĂ€ftliche Verwertung von Einheitspatenten durch den ersten Anmelder zum Zeitpunkt der Anmeldung einheitlich festgelegt werde. Dies könne offensichtlich dazu fĂŒhren, dass im Fall von verschiedenen Patentanmeldern verschiedene nationale Rechtsordnungen zur Anwendung gelangen. Im Weiteren wĂŒrde auch aus steuerrechtlicher Sicht die baldige Implementierung von Patentboxen fĂŒr eine Bereinigung der Eigentumsstruktur sprechen.
Zum Abschluss des patentrechtlichen Teils der Tagung ging David Por, Rechtsanwalt und Partner bei Allen & Overy in Paris, auf das unter dem einheitlichen Patentsystem voraussichtlich anwendbare Recht ein.
Die Verordnung ĂŒber das Einheitspatent (EPV) sowie die damit zusammenhĂ€ngende Verordnung ĂŒber die Ăbersetzungsregelungen (EPVĂ) sehen fĂŒr die teilnehmenden EU-Mitgliedsstaaten die Errichtung eines EuropĂ€ischen Patents mit einheitlicher Wirkung vor. Mittels des Ăbereinkommens ĂŒber ein Einheitliches Patentgericht (EPGĂ) wird fĂŒr die Regelung von Rechtsstreitigkeiten ĂŒber die Verletzung und RechtsgĂŒltigkeit von Patenten ein einheitliches Patentgericht errichtet. Als eigentliche Prozessordnung sollen mit Inkrafttreten der vorgenannten Gesetzestexte die Rules of Procedure of the Unified Patent Court («Rules») Anwendung finden, welche derzeit im 17. (!) Entwurf vorliegen.
Diese Regelungen werden durch bereits bestehende gesetzliche Vorschriften ergĂ€nzt. Der Referent erwĂ€hnt in diesem Zusammenhang als erstes das EuropĂ€ische PatentĂŒbereinkommen (EPĂ 2000). Dieses liefert auch fĂŒr EuropĂ€ische Patente mit einheitlicher Wirkung in Bezug auf die grundsĂ€tzlichen patentrechtlichen Thematiken â etwa Patenttierbarkeit und deren Ausnahmen (Art. 52 f. EPĂ), aktueller Stand der Technik (Art. 54 EPĂ), Anforderungen an die Neuheit (Art. 54 EPĂ) und die erfinderische TĂ€tigkeit (Art. 56 EPĂ), Anforderungen an die Offenbarung der Erfindung (Art. 83 EPĂ) oder die Voraussetzungen fĂŒr die Ănderung einer Patentanmeldung (Art. 123 EPĂ) â die relevanten Antworten.
In Bezug auf das Recht der EuropĂ€ischen Union spielt das Wettbewerbsrecht â insbesondere die Art. 101 f. des Vertrages ĂŒber die Arbeitsweise der europĂ€ischen Union (VAEU) â eine wichtige Rolle. Des Weiteren bleibt die Richtlinie 2004/48 des europĂ€ischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums zu berĂŒcksichtigen. Zudem sieht das Recht der EuropĂ€ischen Union im Zusammenhang mit ErgĂ€nzenden Schutzzertifikaten (ESZ) sowie im Bereich von biotechnologischen Erfindungen verbindliche Vorschriften vor.
Letztlich verweist Art. 28 EPGĂ, in welchem das sogenannte Vorbenutzungsrecht des Erfinders geregelt wird, implizit auf nationales Recht. Weitere Fragen, welche auch unter dem Regime des EuropĂ€ischen Patents mit einheitlicher Wirkung durch nationales Recht beantwortet werden, sind etwa die des Eigentums oder der Lizenzierbarkeit.
Prof. Dr. Thomas Dreier, Professor und Institutsleiter am Karlsruher Institut fĂŒr Technologie (KIT), befasste sich in seinem Referat mit zwei Entscheiden des EuGH des vergangenen Jahres.
Im ersten Entscheid C-117/13 («Elektronische LeseplĂ€tze») befasste sich der EuGH mit mehreren Vorlagefragen, welche sich aus dem Umstand ergaben, dass die Technische UniversitĂ€t Darmstadt elektronische LeseplĂ€tze eingerichtet hatte, auf welchen â ohne dass die Bibliothek ĂŒber eine entsprechende Lizenz verfĂŒgte â unter anderem ein Werk des Eugen Ulmer Verlages öffentlich zugĂ€nglich gemacht wurde. Der EuGH zeigte sich in diesem Entscheid nutzerfreundlich und entschied, dass es einem Mitgliedsstaat nicht verwehrt sei, öffentlich zugĂ€ngliche Bibliotheken zur Digitalisierung der in ihren Sammlungen enthaltenen Werke zu ermĂ€chtigen. Dies stehe unter der Voraussetzung, dass die VervielfĂ€ltigungshandlung dazu erforderlich sei, um den Nutzern die Werke in den RĂ€umlichkeiten dieser Einrichtungen zugĂ€nglich zu machen. Des Weiteren hielt der EuGH fest, Art. 5 III lit. n der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (nachfolgend «Info-RL») könne zwar nicht dahin gehend ausgelegt werden, dass auch Handlungen wie das Ausdrucken von digitalisierten Werken auf Papier oder ihr Speichern auf einem USB-Stick von dieser Bestimmung erfasst seien. Durchaus denkbar sei jedoch, dass solche Handlungen gegebenenfalls durch nationale Rechtsvorschriften als zulĂ€ssig erachtet werden, sofern die Verlage und Rechteinhaber dafĂŒr eine angemessene VergĂŒtung erhalten. In der Zwischenzeit hat der BGH in dieser Angelegenheit entschieden, dass sowohl der Ausdruck als auch das Abspeichern auf einem USB-Stick eine zulĂ€ssige Kopie zum privaten oder zum sonstigen eigenen Gebrauch sein kann (vgl. Akten-Nr. I ZR 69/11).
Im zweiten Entscheid C-348/13 ging es um die Frage, ob ein Werbefilm, welcher mittels eines Deep-Links (d.h. ein Link, welcher unmittelbar auf eine ganz bestimmte, «tiefer liegende» Unterseite einer InternetprĂ€senz verweist) unter Verwendung der sogenannten Framing-Technik wiedergegeben wird, ein Eingriff in das Recht der öffentlichen Wiedergabe gemĂ€ss Art. 3 Abs. 1 Info-RL darstellt, wenn die KlĂ€gerin fĂŒr den entsprechenden Werbefilm die ausschliesslichen Nutzungsrechte besitzt. Der EuGH entschied, dass eine solche Verwendung allein keine öffentliche Wiedergabe im Sinne der vorgenannten Bestimmung darstelle, soweit das betreffende Werk weder fĂŒr ein neues Publikum noch nach einem speziellen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen der ursprĂŒnglichen Wiedergabe unterscheidet. Unter Verweisung auf die bisherige Rechtsprechung des EuGH unterstreicht Dreier, dass es dem EuGH in Bezug auf die Frage der öffentlichen Wiedergabe bis dato nicht gelungen ist, ĂŒberzeugende Abgrenzungskriterien zu entwickeln.
Nach Ansicht des Referenten betreibt der EuGH in Bezug auf das Urheberrecht bisher eine Praxis, die nicht auf Rechtsfortbildung, sondern eher auf autonomer Auslegung von Richtlinienbegriffen (teilweise unter RĂŒckgriff auf internationale Konventionen) basiert. Aufgrund der erheblichen Fluktuation unter den Richtern und der verhĂ€ltnismĂ€ssig geringen Anzahl von Entscheiden zum Urheberrecht tue sich der EuGH schwer, eine konsistente Rechtsprechung zu etablieren.
Dr. Peter Schramm, Rechtsanwalt und Partner bei Meyerlustenberger | Lachenal in ZĂŒrich, widmete sein Referat dem nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster (nachfolgend «neGGM»). Dabei handelt es sich um ein in der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 ĂŒber das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (nachfolgend «GGV») verankertes Rechtsinstitut, welches fĂŒr den Schutz von kurzlebigen, trendabhĂ€ngigen Produktegestaltungen (insbesondere fĂŒr die Modeindustrie) konzipiert wurde.
Das neGGM bietet dem Rechteinhaber fĂŒr die Schutzdauer von drei Jahren ab der ersten Offenbarung den Schutz seines Designs, unabhĂ€ngig davon, ob dieses im Register des Harmonisierungsamts fĂŒr den Binnenmarkt (HABM) eingetragen ist. Voraussetzung fĂŒr den Schutz ohne Eintragung ist neben einer ersten Veröffentlichung in der EU der Nachweis der Neuheit und Eigenart des Designs im Zeitpunkt der Offenbarung.
Im zunĂ€chst vorgestellten EuGH-Entscheid mit dem Aktenzeichen C-497/12 («Gartenpavillon») hatte sich das Gericht in einem Nachahmungsfall mit verschiedenen Vorlagefragen auseinanderzusetzen. Es entschied einerseits, dass nicht nur Personen, die mit der Gestaltung, Entwicklung oder Herstellung der mustergemĂ€ssen Erzeugnisse betraut sind, sondern bereits schon blosse HĂ€ndler, welche im entsprechenden Wirtschaftszweig tĂ€tig sind, als Fachkreise i.S.v. Art. 11 Abs. 2 GGV zu betrachten sind. Des Weiteren entschied der EuGH, dass das Vorliegen einer neuheitsschĂ€dlichen Offenbarung i.S.v. Art. 7 Abs. 1 GGV nicht bereits bejaht werden mĂŒsse, wenn ein neGGM einem einzelnen Unternehmen des entsprechenden Wirtschaftszweigs zugĂ€nglich gemacht oder in einem Ausstellungsraum eines ausserhalb der EU ansĂ€ssigen Unternehmens ausgestellt wurde. Ausserdem erwog der EuGH, dass der Musterinhaber die Beweislast trage, wonach die angegriffene Benutzungsform das Ergebnis einer Nachahmung i.S.v. Art. 19 Abs. 2 GGV sei, wobei sich die diesbezĂŒglichen Beweisregeln gemĂ€ss Art. 88 GGV nach nationalem Recht zu richten hĂ€tten. Ausserdem haben sich nach Auffassung des EuGH sowohl die Fragen der VerjĂ€hrung und Verwirkung von VerteidigungsansprĂŒchen als auch Auskunfts- und SchadenersatzansprĂŒche gestĂŒtzt auf Art. 88 GGV nach nationalem Recht zu richten. Auf VernichtungsansprĂŒche sei gemĂ€ss Art. 89 Abs. 1 lit. d GGV das Recht des Mitgliedstaates anwendbar, in dem die Verletzungshandlungen begangen worden sind beziehungsweise drohen.
Im zweiten behandelten Urteil C-345/13 («Karen Millen»), bei welchem es um die Nachahmung einer Damenkollektion ging, hatte der EuGH in erster Linie zu entscheiden, ob es fĂŒr die Bejahung der Eigenart eines neGGM auf einen Einzelvergleich mit Ă€lteren Mustern ankommt oder ob sich das Muster allenfalls bereits aus einer Kombination von Merkmalen aus verschiedenen Ă€lteren Mustern ergeben könne. Das Gericht erwog, dass ein neues Design Eigenart aufweise, wenn es in seinem Gesamteindruck keinem anderen bereits vorbekannten Design Ă€hnele. Jedoch sei es unzulĂ€ssig, dem neuen Design bereits den Eindruck, der durch eine Kombination isolierter Elemente von bekannten Mustern hervorgerufen werde, entgegenzuhalten. In der zweiten Vorlagefrage hatte sich das Gericht mit der Frage zu befassen, ob dem Inhaber die Beweislast zum Nachweis der Eigenart «seines» neGGM obliegt. Das Gericht kam zum Schluss, Art. 85 Abs. 2 GGV sei dahin gehend zu verstehen, dass der Inhaber des Geschmacksmusters nicht verpflichtet sei, die Eigenart im Sinne von Art. 6 GGV nachzuweisen.
Ganz allgemein ortet Schramm aufgrund der jĂŒngsten Rechtsprechung des EuGH eine StĂ€rkung der AttraktivitĂ€t des Rechtsinstituts des neGGM. Durch die Erweiterung des Kreises der fĂŒr die Offenbarung relevanten Fachleute sei die RechtsbegrĂŒndung des neGGM erleichtert worden. Ausserdem habe sich durch die Beweislastumkehr fĂŒr den Nachweis der Nachahmung bei wesentlichen Ăbereinstimmungen auch die Rechtsdurchsetzung vereinfacht. Letztlich trage auch die Vermutung der RechtsgĂŒltigkeit des neGGM zur gesteigerten Praxistauglichkeit dieses Instituts bei.
Mit Blick auf die rechtliche Situation in der Schweiz hĂ€lt der Referent fest, dass hierzulande weder ein nicht eingetragenes Design noch ein «ergĂ€nzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz», wie beispielsweise in Deutschland (§ 4 Nr. 9 UWG), bestehe. In der Schweiz sei der Schutz fĂŒr nicht eingetragene Designs aufgrund der bisherigen Rechtsprechung de facto auf Art. 3 lit. d UWG beschrĂ€nkt.
Christoph Bartos, Mitglied einer Beschwerdekammer beim Harmonisierungsamt fĂŒr den Binnenmarkt (HABM) in Alicante, fĂŒhrte durch die im Jahr 2014 aus seiner Sicht wichtigen Entscheidungen der Beschwerdekammern.
Hervorzuheben ist einerseits der Entscheid R 2392/2013-4 betreffend die Marke «Jersey dairy pure since 1763 (fig.)», welche Schutz fĂŒr verschiedene Milchprodukte in den Klassen 29 und 30 beanspruchte. Die Beschwerdekammer hielt zunĂ€chst fest, dass sĂ€mtlichen Wortbestandteilen der beanspruchten Marke eindeutige Bedeutung zukomme. Insbesondere handle es sich bei der Bezeichnung «Jersey» nicht nur um eine Kanalinsel, sondern auch um eine der Ă€ltesten und populĂ€rsten Rinderrassen der Welt. Des Weiteren wĂŒrden die figurativen Elemente der Marke â insbesondere die Abbildung einer grasenden Kuh â die Wortelemente der Marke noch weiter verstĂ€rken. Das Argument der BeschwerdefĂŒhrerin, wonach die Marke fĂŒr die beanspruchten Waren gemĂ€ss Art. 7 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 ĂŒber die Gemeinschaftsmarke (nachfolgend «GMV») â zumindest auf dem Gebiet des Vereinigten Königreichs â infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt habe, entkrĂ€ftete die Beschwerdekammer mit dem Hinweis, dass Jersey als englischer Kronbesitz (crown dependency) direkt der britischen Krone unterstellt sei. Es gehöre somit zum Territorium der EuropĂ€ischen Union. Auch das Vorbringen der BeschwerdefĂŒhrerin, wonach zwischen 8% und 16% ihrer VerkĂ€ufe exportiert worden seien, liess das Gericht nicht gelten. Selbst wenn sĂ€mtliche Produkte der BeschwerdefĂŒhrerin ins Vereinigte Königreich exportiert worden wĂ€ren, wĂŒrde dies bloss einer exportierten Menge von 3000 Hektolitern reiner Milch entsprechen. Angesichts der im Vereinigten Königreich jĂ€hrlich produzierten Milchmenge von rund 13 Millionen Hektolitern Milch, liesse sich somit unmöglich eine gesteigerte Benutzung beweisen.
Im Bereich der relativen SchutzausschlussgrĂŒnde erscheint der Entscheid R 1415/2013-4, welcher eine Beschwerde im Zusammenhang mit einem Widerspruchsverfahren zwischen der Ă€lteren Marke «Land Rover» und der jĂŒngeren Marke «Land Glider» fĂŒr Waren in Klasse 12 zum Gegenstand hatte, als erwĂ€hnenswert. Die Beschwerdeabteilung kam zum Schluss, dass das Element «Land» fĂŒr (Land-)Fahrzeuge auf dem gesamten Gebiet der EuropĂ€ischen Union als beschreibend wahrgenommen wĂŒrde und sich deshalb der Zeichenvergleich auf die zweiten Elemente der Vergleichsmarken zu richten habe. Da es sich bei den Verben «to rove» and «to glide» um verschiedene Fortbewegungsarten handle, wĂŒrden die Vergleichsmarken ausschliesslich in den nicht unterscheidungskrĂ€ftigen Elementen ĂŒbereinstimmen. Aus diesem Grund sei zwischen den beiden Marken keine Verwechslungsgefahr gegeben. ErwĂ€hnenswert ist dieser Fall vor allem deshalb, weil das schweizerische Bundesverwaltungsgericht rund fĂŒnf Monate zuvor entschieden hat, dass zwischen den beiden Marken eine Verwechslungsgefahr besteht.
Dr. Anke Nordemann-Schiffel, RechtsanwÀltin bei Boehmert & Boehmert in Potsdam, stellte im Rahmen ihres Referates eine Vielzahl von Entscheiden zum europÀischen Markenrecht vor.
Einen ersten Schwerpunkt setzte die Referentin mit dem BGH-Entscheid ZR 228/12 («Gelbe WörterbĂŒcher»), in welchem es um den Schutz der Farbmarke «Gelb» fĂŒr eine Wörterbuchreihe gegenĂŒber einer Sprachlernsoftware ging. Das Gericht hielt zwar fest, dass bei der Verwendung einer Farbe grundsĂ€tzlich nicht von einer Kennzeichnungskraft ausgegangen werden könne. Nehme der Verkehr jedoch den Farbton «Gelb» auf den angegriffenen Produktverpackungen als eigenstĂ€ndiges Zweitzeichen und nicht als Teil eines zusammengesetzten Zeichens wahr, so sei dieser Farbton in Bezug auf seine Kennzeichnungskraft isoliert zu prĂŒfen. Dabei sei eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Klagemarke keine zwingende Voraussetzung fĂŒr die Annahme einer markenmĂ€ssigen Verwendung der Farbe «Gelb». Nach Ansicht der Referentin ist der Entscheid zu begrĂŒssen, weil es dem Gericht damit gelungen sei, dem Institut der Farbmarke schĂ€rfere Konturen zu verleihen. Bemerkenswert sei das Urteil aber auch deshalb, weil es sich um den Schutz einer PrimĂ€rfarbe handle, welche erfahrungsgemĂ€ss sehr schwierig durchzusetzen sei.
Des Weiteren thematisierte die Referentin den EuGH-Entscheid C-421/13, mit welchem es der Apple Inc. gelungen ist, eine dreidimensionale Marke fĂŒr bestimmte Einzelhandelsdienstleistungen einzutragen. Die zeichnerische Darstellung der Einrichtung eines LadengeschĂ€fts als Marke fĂŒr auf diese Waren bezogene Dienstleistungen sei nach Ansicht des EuGH eintragungsfĂ€hig, wenn sie erheblich von der Branchennorm abweiche. GemĂ€ss der Referentin werfe dieser Entscheid die Frage auf, wie die Markeninhaberin eine solche Marke rechtserhaltend zu benutzen hat, um sie allfĂ€lligen Verletzern entgegenhalten zu können.
Letztlich kam die Referentin auf den Entscheid des Gerichts der EuropĂ€ischen Union (EuG) mit Aktenzeichen T-450/09 («Soma-ZauberwĂŒrfel») zu sprechen. Im Zusammenhang mit der Anmeldung einer 3-D-Marke hielt das Gericht fest, dass sich die PrĂŒfung betreffend absolute Schutzhindernisse allein auf die Gestaltung des Zeichens in der grafischen Wiedergabe im Register zu beschrĂ€nken habe. Dieser Entscheid unterstreiche gemĂ€ss Nordemann-Schiffel die Wichtigkeit der im Register hinterlegten Abbildungen.
Zum Abschluss des Tages nutzte Bartos die Gelegenheit, um auf das Konvergenzprogramm des HABM hinzuweisen. Das HABM beabsichtigt, mittels verschiedener Projekte die Benutzerfreundlichkeit der Gemeinschaftsmarken und der Gemeinschaftsgeschmacksmustern weiter zu steigern und seine Praxis zu vereinheitlichen. So wurden unter anderem im Bereich der Gemeinschaftsmarken bereits die KlassenĂŒberschriften und die unterschiedliche Handhabung von Farbmarken vereinheitlicht. KĂŒnftige Projekte, welche im Rahmen des Konvergenzprogramms in Angriff genommen werden, betreffen etwa die Vereinheitlichung der Kriterien fĂŒr nicht kennzeichnungskrĂ€ftige Bestandteile im Zusammenhang mit der Beurteilung der Verwechslungsgefahr von Bildmarken, die Verbesserung der grafischen Wiedergabe von Geschmacksmustern sowie die Harmonisierung von Erzeugnisangaben.
Auch die diesjĂ€hrige Tagung mit Teilnehmern aus ganz Europa zeigt, dass sich dieser Anlass als Treffpunkt etabliert hat und Wirkung weit ĂŒber die Schweiz hinaus erzielt. Die nĂ€chste Veranstaltung «Praxis des ImmaterialgĂŒterrechts in der EuropĂ€ischen Union» wird am 24./25. Januar 2016 stattfinden.
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Fussnoten: |
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MLaw, Rechtsanwalt, ZĂŒrich. |
