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Forum – Zur Diskussion / A discuter

Veranstaltung des INGRES vom 3. Juli 2008

Matthias U. Studer

Inhaltsverzeichnis

I.Patentrecht

1. Rechtsprechung

2. Die Revision der Patentrechtsgesetzgebung – die wesentlichen Neuerungen

II.Urheberrecht/Designrecht

1. Rechtsprechung

2. Interessengruppierungen und Interessengegensätze in der Revision des URG

III.Kennzeichenrecht

1. Rechtsprechung

2. Der Markenbeweis

3. Neues aus der Markenpraxis des IGE

4. Revision des Marken- und Wappenschutzgesetzes (Marke «Schweiz»)

Die diesjährige, von Dr. Michael Ritscher geleitete INGRES-Tagung «Praxis des Immaterialgüterrechts: Schweiz» bot neben einem Rückblick auf die jüngste Rechtsprechung und Gesetzgebung wiederum Gelegenheit für den Erfahrungsaustausch im Plenum, in den Pausen und beim beliebten Apéro auf dem Zürichsee. Die Tagung trug den Zusatz «Schweiz», da sie am 21. Januar 2009 durch einen Winteranlass zum Immaterialgüterrecht der EU ergänzt wird.

In seinen Ausführungen zur Rechtsprechung im Patentrecht widmete sich Dr. Stefan Kohler, Rechtsanwalt aus Zürich, einleitend der Frage der Berücksichtigung ausländischer Patententscheide durch schweizerische Gerichte. Im Lichte der im Patentrecht besonders ausgeprägten völkerrechtlichen Harmonisierung sei ein Einklang des nationalen Patentrechts mit den international harmonisierten Normen anzustreben. Dieser «Grundsatz der Harmonie der Rechtsanwendung» müsse, so Kohler, namentlich im Regelungsbereich des EPÜ gelten – eine Thematik, der sich das Bundesgericht im Entscheid «Citalopram I» (BGer, sic! 2007, 641 ff.) habe widmen können. Nach Ansicht des Bundesgerichts sei eine Berücksichtigung der Rechtsprechung der Beschwerdekammer des EPA durch schweizerische Gerichte dann nicht zu beanstanden, wenn diese Rechtsprechung die harmonisierten Normen des EPÜ betreffe und für die zu beurteilende Frage erheblich sei. Dies sei gemäss Bundesgericht namentlich bei der Beurteilung der Neuheit (Art. 7 PatG bzw. Art. 54 Abs. 1 EPÜ) und – gestützt auf den Entscheid «Aktenlage» (BGer, sic! 2008, 367 ff.) – auch bei den Anforderungen an die erfinderische Tätigkeit (Art. 56 EPÜ) sowie den Grundsätzen zur Bestimmung des Schutzbereichs eines Patents (Art. 69 EPÜ) der Fall. Schliesslich habe es das Bundesgericht als legitim erachtet, wenn schweizerische Gerichte zur Klärung der Gültigkeit von Patenten auf ausländische Urteile und in ausländischen Gerichtsverfahren eingeholte Gutachten abstellten.

Kritisch äusserte sich Kohler zum Massnahmeentscheid «Oxycodon II» des Kantonsgerichts Baselland (sic! 2008, 368 ff.), wo sich das Gericht auf die ausländische Gerichtspraxis zu Verletzungsklagen gestützt habe. Anders als im Bereich der Patentierungsvoraussetzungen und der Bestimmungen zum Schutzbereich seien Patentverletzungen nach nationalem – und nicht nach harmonisiertem – Recht zu behandeln. Der Entscheid «Oxycodon II» sei umso problematischer, weil sich das Kantonsgericht darin lediglich auf einen erstinstanzlichen und auf Grundlage des deutschen Patentgesetzes gefällten Entscheid gestützt habe.

Unter Berufung auf die Entscheide «Citalopram I» und «Aktenlage» zeigte Kohler anschliessend auf, dass ausländische Entscheide und Gutachten prozessual insbesondere bei der Glaubhaftmachung des Bestands bzw. der Nichtigkeit des schweizerischen Teils eines europäischen Patents sowie bei der Widerlegung der mittels Registereintrags geschaffenen Vermutung der Neuheit bzw. des Nichtnaheliegens von Bedeutung sein könnten. Ausländische Entscheide und Gutachten hätten in diesen Fällen allerdings bloss die Funktion von Beweismitteln, d.h. seien anders zu behandeln als im Anerkennungsverfahren gemäss LugÜ/IPRG.

In seinen Ausführungen zu den Entwicklungen im Bereich der Gewinnherausgabe ging Kohler der Frage nach, ob eine analoge Anwendung des Entscheides «Patty Schnyders Vater» (BGer, sic! 2007, 434 ff.) im Patentrecht möglich sei. Er verneinte dies, da der relevante Art. 73 Abs. 1 PatG – anders als die vergleichbaren Bestimmungen in MSchG, URG, DesG und ToG – keinen ausdrücklichen Verweis auf die Möglichkeit einer Gewinnherausgabe nach den Regeln der Geschäftsanmassung enthalte. Somit sei ein Gewinnherausgabeanspruch im Patentrecht weiterhin an den Nachweis der Bösgläubigkeit geknüpft. Nach Ansicht von Kohler wäre es im Lichte des Entscheides «Patty Schnyders Vater» stossend, bei der Gewinnherausgabe im Patentrecht hohe Anforderungen an den Nachweis der Bösgläubigkeit zu stellen. So sei namentlich die Ansicht des Kantonsgerichts Zug in einem Urteil vom 21. Juni 2007 («Resonanzetiketten», nicht publ.) zu begrüssen, wonach sich ein Patentverletzer spätestens bei der Einreichung des Gesuchs um vorsorgliche Massnahmen nicht mehr auf seine Gutgläubigkeit berufen könne. Kohler regte in Anlehnung an die Theorie der «gesetzlichen Fiktion der Kenntnis des Registerinhalts» an, die Gutgläubigkeit bereits dann zu verneinen, wenn das verletzte Patent bzw. das entsprechende Patentgesuch veröffentlicht worden ist.

Abschliessend kritisierte der Referent die Ansicht des Bundesgerichts im Entscheid «Resonanzetiketten II» (sic! 2008, 539 ff.), wonach es grundsätzlich keine Kosten gebe, welche ihrer Art nach nicht zum Abzug zugelassen werden könnten, sofern sie zur Erzielung des Gewinns aus der Geschäftsanmassung tatsächlich anfielen und dafür erforderlich seien. Da so auch Fixkosten und den verletzenden Produkten nicht konkret zurechenbare Kosten (Gemeinkosten) abzugsfähig seien, trage der Verletzer nach Ansicht von Kohler bei geschicktem Vorgehen kaum ein Geschäftsrisiko. Offenbar tue sich das Bundesgericht bei der konkreten Umsetzung des Prinzips, dass sich «Unrecht nicht lohnen» solle, schwer.

Über den Stand der umfassenden Revision des Schweizer Patentsystems berichtete Dr. Felix Addor, stellvertretender Direktor und Leiter Recht und Internationales des IGE. Von den mittlerweise fünf Tranchen sei die erste Tranche (Akte vom 29. November 2000 zur Revision EPÜ sowie das Übereinkommen vom 17. Oktober 2000 über die Anwendung des Artikels 65 EPÜ) seit dem 13. Dezember 2007 bzw. 1. Mai 2008 in Kraft.

Die bedeutsame zweite Tranche, welche u. a. die Patentierung biotechnologischer Erfindungen, verschärfte Massnahmen zur Bekämpfung von Fälschung und Piraterie sowie zahlreiche weitere Revisionspunkte behandle, sei vor wenigen Tagen, nämlich am 1. Juli 2008, in Kraft getreten. Die Revision beinhalte im Rahmen der Massnahmen zur Bekämpfung von Fälschung und Piraterie insbesondere strengere Strafen bei gewerbsmässigem Handeln sowie ein vereinfachtes Vernichtungsverfahren. Viele der neuen Bestimmungen könnten aber nur dann Anwendung finden, wenn der Rechtsinhaber einen entsprechenden Antrag bei den Zollbehörden stelle. Die Neuerungen in der zweiten Tranche umfassten auch Anpassungen des IPRG (Art. 109 Abs. 2, Art. 111 Abs. 1, Art. 127 sowie Art. 129 IPRG). Von besonderer Relevanz sei die neu geschaffene Zuständigkeit der Gerichte am Erfolgs- oder Handlungsort, was die Umgehung von Kantonen ohne Handelsgerichtsbarkeit ermögliche.

Anschliessend ging Addor auf weitere Neuerungen im Rahmen der zweiten Tranche ein, die bisher in Fachkreisen noch keine grössere Beachtung gefunden hätten; so z. B. die Möglichkeit, beim IGE eine Patentrecherche in Auftrag zu geben. Diese Recherche könne wertvolle Anhaltspunkte für die Fortsetzung der Anmeldung bzw. für die Rechtsbeständigkeit des Patents liefern. Als weitere Neuerung würden Patentanmeldungen neu 18 Monate ab Anmelde- bzw. Prioritätsdatum veröffentlicht, was eine raschere Wissensverbreitung ermögliche. Zudem sehe das Patentgesetz ab 1. Juli 2008 ein – auf die Ausschlüsse der Patentierbarkeit (insbesondere im Bereich Biotechnologie) gemäss Art. 1a, 1b und Art. 2 PatG beschränktes – Einspruchsverfahren vor und regle explizit die Klagebefugnis des ausschliesslichen Lizenznehmers.

Mit der dritten Tranche der Revision (Bundespatentgerichtsgesetz) beschäftigt sich gemäss Addor zurzeit die Rechtskommission des Ständerates. Aktuell sei vorgesehen, dass das Bundespatentgericht neben der ausschliesslichen Zuständigkeit in patentrechtlichen Verletzungs- und Bestandesklagen auch kumulativ (aber nicht ausschliesslich) für vertragsrechtliche Fragen mit patentrechtlichem Hintergrund zuständig sei. Dem neuen Bundespatentsgericht würde die Infrastruktur des bestehenden Bundesverwaltungsgerichts zur Verfügung gestellt. Aktuell sei eine Zusammensetzung aus zwei hauptamtlichen Richtern und einer noch offenen Anzahl nebenamtlicher Richter vorgesehen. Das Geschäft werde voraussichtlich in die Herbstsession des Ständerates kommen. Die dritte Tranche umfasse ferner ein Patentanwaltsgesetz, welches einerseits die Qualitätssicherung mittels Titelschutzes beinhalte (Patentanwälte müssten u.a. neu eine eidgenössische Patentanwaltsprüfung sowie ein Berufspraktikum absolvieren) und den Geheimnisschutz durch eine Unterstellung der Patentanwälte unter Art. 321 StGB gewährleisten solle. Auch dieser Gesetzesentwurf befinde sich jedoch, so Addor, noch im politischen Entscheidfindungsverfahren. Gleiches gelte für die vierte Tranche der Revision, welche eine neue gesetzliche Regelung von Parallelimporten im Patentrecht zum Inhalt habe.

Einleitend zu seinen Ausführungen über ausgewählte Rechtsprechung im Bereich Urheberrecht widmete sich Dr. Gregor Wild, Rechtsanwalt in Zürich, dem von Max Kummer in den 60er-Jahren geprägten und vom Bundesgericht im Entscheid «Documed» (BGE 134 III 166 ff.) thematisierten Kriterium der «statistischen Einmaligkeit». Das Bundesgericht habe in «Documed» festgehalten, aus der rein statistischen Einmaligkeit könne nicht automatisch auf das Vorhandensein von Werkindividualität geschlossen werden. Um die erforderliche Individualität zu erreichen, müsse sich diese statistische Einmaligkeit der Werkgestaltung vielmehr vom allgemein Üblichen abheben. Im Entscheid «Documed» habe das Bundesgericht den gestalterischen Spielraum als derart gering erachtet, dass den fraglichen Fach- und Patienteninformationen kein selbständiges, vom üblichen abweichendes Sprachgepräge gegeben werden könne. Wild hielt dem Entscheid des Bundesgerichts die in Lehre und Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Bestimmung des urheberrechtlichen Werkcharakters entgegen und zeigte die Schwierigkeiten bei einer Anwendung dieser Kriterien auf unterschiedliche Branchen bzw. einer Einordnung des Entscheides «Documed» in die bestehende Rechtsprechung auf.

Im Anschluss an diese Ausführungen ging Wild auf die im Entscheid «Reprografieentschädigung» (BGE 134 III 214 ff.) behandelte Frage des Gerichtsstands für Vergütungsansprüche ein. Im besagten Entscheid habe das Bundesgericht die Auffassung des Zürcher Obergerichts bestätigt, wonach die Nichtleistung einer nach Art. 20 Abs. 2 URG geschuldeten Vergütung keine unerlaubte Handlung im Sinne von Art. 25 GestG sei und sich die gerichtliche Zuständigkeit daher aus Art. 3 Abs. 1 lit. b GestG ergebe. Wild erachtete den Entscheid des Bundesgerichts zwar als vertretbar, räumte aber ein, dass auch die Gegenansicht haltbar wäre.

Abschliessend wies Wild auf den Entscheid «Lounge Chair» des Berner Obergerichts (sic! 2008, 101 ff.) hin. Entgegen der Vorinstanz habe das Berner Obergericht in diesem Fall entschieden, eine Zusprechung von eingezogenen Vermögenswerten nach Art. 60 aStGB bzw. Art. 73 StGB sei nicht nur dann möglich, wenn der Schaden durch rechtskräftiges Urteil festgesetzt worden sei, sondern auch im Falle einer Festsetzung der Schadenssumme durch zivilrechtlich bindenden Vergleich.

Einen Überblick über die Interessengruppen und deren Einflussnahme im Rahmen der Revision des URG bot Dr. Ernst Brem, Rechtsanwalt in Zürich. Brem hob hervor, die schweizerische Gesetzgebung orientiere sich in der Regel an der Fortbildung des internationalen Konventionsrechts. So sei die Anpassung an das Konventionsrecht im Ausland regelmässig bereits vollzogen, wenn sich die Schweiz dieses Themas annehme. Nach Ansicht von Brem entstünden die Vorentwürfe in jüngerer Zeit in der Regel durch das IGE unter Mithilfe von Interessenvertretern. Die Mitwirkung von Gerichten und Wissenschaft im Gesetzgebungsprozess hingegen sei zurückgegangen. Brem bedauerte dies, da herausragende Gesetzesentwürfe in der Vergangenheit häufig aus akademischer Feder stammten (so z.B. der Revisionsentwurf von 1954).

Das Erfolgsrezept für eine erfolgreiche Interessenvertretung im Urheberrecht sei, so Brem, namentlich eine gute internationale Vernetzung, weil entscheidende Impulse oft direkt bei der Aushandlung von internationalen Verträgen gesetzt würden. Aus diesem Grund werde für die Interessenvertretung in der EU nicht selten ebenso viel Geld ausgegeben wie in der Schweiz. Nach Ansicht von Brem organisierten sich die unterschiedlichen Interessenorganisationen (z. B. Branchenorganisationen der Urheber und Nutzer, Fachorganisationen und wissenschaftliche Vereinigungen, übergeordnete Wirtschaftsorganisationen, die SRG, die Verwertungsgesellschaften sowie andere spezifisch auf das Urheberrecht ausgerichtete Organisationen) in jüngerer Zeit regelmässig in sog. «Clustern» und bündelten so ihre Interessen. Im Rahmen der Revision meldeten sich häufig nur noch die jeweiligen «Cluster» massgeblich zu Wort, wie z.B. im Rahmen der letzten Urheberrechtsrevision. Aufgrund dieses «Clusterings» würden gewisse Anliegen bereits im Rahmen der Entscheidfindung innerhalb des «Clusters» entschieden und daher bei der Revision gar nicht mehr öffentlich thematisiert. Zudem verfüge die Rechtswissenschaft über keinen «Cluster», sondern nehme lediglich im Rahmen von Studien und durch Weiterbildungen Einfluss.

Abschliessend zeigte Brem auf, dass Revisionsvorhaben nicht leicht über die Medien vermittelt werden könnten, da sich das Interesse der Medien oft auf einige ausgewählte Themen beschränke, wie z.B. die «iPod»-Steuer. Somit sei der Einfluss der Medien auf die Diskussion in der Regel beschränkt.

In ihrem Überblick zur aktuellen Rechtsprechung im Kennzeichenrecht widmete sich Gabriela Taugwalder, Rechtsanwältin in Zürich, einleitend dem Themenbereich der dreidimensionalen Marken. Taugwalder kritisierte die Einschätzung des Bundesgerichts im Entscheid «Lindor-Kugel (3D)» (BGer, sic! 2008, 110 ff.), wonach die Form und Verpackung der Lindor-Kugeln das Wesen der Ware im Sinne von Art. 2 lit. b MSchG ausmachten. Die Referentin plädierte stattdessen für eine Prüfung der Voraussetzungen von Art. 2 lit. a MSchG (Gemeingut), was der Hinterlegerin die Möglichkeit gegeben hätte, eine allfällige Verkehrsdurchsetzung zu belegen. Nach Ansicht von Taugwalder habe das Bundesgericht schliesslich zu Unrecht angenommen, für die fragliche Marke sei das gesamte Spektrum der Farben rot bzw. blau beansprucht worden. Diese Ansicht stehe im Widerspruch zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach eine Formmarke stets nach Massgabe der eingereichten Abbildungen (d. h. aufgrund der in der Markenhinterlegung konkret verwendeten Farbe) zu beurteilen sei.

Im Entscheid «Pralinenform (3D)» (BGer, sic! 2008, 302 ff.) erachtete Taugwalder die Ansicht des Bundesgerichts als problematisch, wonach bei der Beurteilung der Freihaltebedürftigkeit gemäss Art. 2 lit. a MSchG die Art und Weise zu berücksichtigen sei, in welcher die beanspruchte Pralinenform «üblicherweise präsentiert» werde. Dies widerspreche der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach unerheblich sei, ob, wie und wofür die Marke später tatsächlich gebraucht werde.

Anhand des Entscheides «Milchmäuse (3D)» (BGer, sic! 2008, 537 ff.) zeigte Taugwalder auf, dass sich nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung aus dem Prioritätsrecht gemäss PVÜ grundsätzlich kein Anspruch ableiten lasse, den Schutzanspruch einer Marke nach einer zur Zeit der Ersthinterlegung geltenden Praxis zu beurteilen anstelle der Praxis zum Zeitpunkt der Schweizer Hinterlegung.

Mit der Frage, ob der Inhalt einer Website für die Prüfung der Verwechslungsgefahr zwischen einem Domainnamen und einer prioritätsälteren Marke relevant sei, setzte sich Taugwalder anhand des Bundesgerichtsentscheides «swiss-life.ch und la-suisse.com» (BGer, sic! 2007, 543 ff.) auseinander. Nach Ansicht von Taugwalder sei diese Frage im konkreten Fall vom Bundesgericht nicht mit zureichender Klarheit beantwortet worden. Eine Abweichung von der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach – mit Ausnahme der berühmten Marken – der Inhalt der Website für die Prüfung der Verwechslungsgefahr relevant sei, wäre aus Sicht der Referentin bedauerlich.

Abschliessend gingTaugwalder unter Bezugnahme auf den Entscheid «Vichy-Karomuster» des Handelsgerichts Bern (sic! 2007, 632 ff.) auf die Frage ein, ob ein Teilgebrauch (im konkreten Fall für «Käse») auch für den Oberbegriff (im konkreten Fall «Eier, Milch und andere Milchprodukte») rechtserhaltende Wirkung entfalten könne. Gemäss Taugwalder sollten bei der Beurteilung, was eine «für den Oberbegriff typische Warengattung» sei, keine allzu strengen Massstäbe angelegt werden. Vielmehr sollte die Frage gestellt werden, ob allenfalls gewisse Oberbegriffe gestrichen bzw. die Benutzungsschonfrist z. B. von fünf auf drei Jahre verkürzt werden könnte. Abschliessend äusserte Taugwalder Zweifel daran, ob das im Entscheid «Vichy-Karomuster» als Marke hinterlegte Karomuster nach heutiger Praxis des Bundesverwaltungsgerichts eintragungsfähig wäre.

Über die Beweisarten, Beweisthemen sowie die Beweiswürdigung im markenrechtlichen Verfahren referierte anschliessend Dr. David Aschmann, Richter am Bundesverwaltungsgericht. Der Vortrag von Aschmann kann in schriftlicher Form in der sic! 10/2008, 699 ff. nachgelesen werden.

Gemäss Aschmann habe der Beweis eine wichtige Funktion neben Erfahrungssätzen bzw. dem Appell an das Erfahrungswissen der Richter. Im Markenverfahren seien direkte Beweise (z. B. Registerauszüge) eher selten, im Gegensatz zu indirekten Beweisen wie z. B. Autoritäts-/Zeugenbeweise (Zitate aus Fachliteratur, Erklärungen, Gutachten, Bestätigungen), Beispielbeweise, Sammelbeweise (Verkauf- und Werbepläne, Statistiken, Internetsuche), Recherchenbeweise (z. B. Datenbankrecherche) oder die Demoskopie. In vielen Fällen beliessen es die Parteien auch schlicht bei einem Appell an das Erfahrungswissen der Richter, was Aschmann auf den mit der Beschaffung von Beweisen verbundenen Aufwand zurückführte.

Den Beweisthemen sollte nach Ansicht von Aschmann im markenrechtlichen Verfahren besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. So stellten die Parteien beispielsweise beim Beweis von Fakten häufig nur unzureichend auf seriöse Quellen ab. Während beim Beweis von Markttatsachen (z. B. Marktstrukturen, Branchen, Gewohnheiten, Häufigkeit eines Wortbestandteils) in der Regel auf Demoskopie oder Sammelbeweise zurückgegriffen werden könne, bereite der Beweis innerer Tatsachen nicht selten Schwierigkeiten.

Anschliessend wies Aschmann auf die Art und Weise hin, wie das Gericht im Rahmen des Aktenstudiums sein Erfahrungswissen sammle und den Sachverhalt würdige. Je nach Art der vorhandenen Beweise könne sich die Sachverhaltswürdigung des Gerichts zwischen reiner Erfahrungswürdigung und reiner Beweiswürdigung bewegen. Der Beweis falle jedenfalls dann leichter, wenn Beweise durch das Erfahrungswissen der Richter bzw. Erfahrungssätze bestätigt werden könnten.

Abschliessend kam Aschmann zum Schluss, dass der Beweis im Markenrecht oft schwer zu erbringen sei. Es bestehe daher die Verlockung, primär an das Erfahrungswissen der Behörde zu appellieren. Nach Ansicht von Aschmann existierten indessen gute Gründe, warum Parteien Beweise anbieten sollten. Die Behörde strukturiere ihr Erfahrungswissen anhand des Aktenstudiums, und Beweise könnten bestehende Erfahrungssätze entweder bestätigen oder erfolgreich relativieren.

Über die Entwicklungen der Markenpraxis des Instituts berichtete Dr. Eric Meier, Vizedirektor/Leiter Markenabteilung des IGE. Mit Bezug auf die vorgängigen Ausführungen von Aschmann zeigte Meier auf, dass bei der Prüfung des Gemeingutcharakters eines Zeichens (Art. 2 lit. a MSchG) die Wahrnehmung der Abnehmer massgebend sei, auf welche in der Regel mittels indirekten Beweises (Indizien, Lebenserfahrung, Erfahrungssätze) geschlossen werde und welche als Rechtsfrage vom Bundesgericht frei überprüft werden könne. Meier erinnerte daran, dass der im verwaltungsrechtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz durch gewisse Mitwirkungspflichten der Parteien eingeschränkt werde und dass das IGE die Pflicht zur Begründung von Verfügungen im Markenprüfungsverfahren sehr ernst nehme. Die Markenprüfung erfolge stets nach einem bestimmten Schema, und Verfügungen seien so zu begründen, dass eine sachgerechte Anfechtung möglich sei.

Anhand jüngerer Entscheide des Bundesgerichts, («Turbinenfuss (3D)» (BGer, sic! 2007, 824 ff.), «Milchmäuse (3D)» (BGer, sic! 2008, 537 ff.) und «Pralinenform (3D)» (BGer, sic! 2008, 302 ff.) stellte Meier daraufhin das Schema des IGE für die Prüfung der Eintragungsfähigkeit von Formmarken vor. Das IGE bestimme in einem ersten Schritt, was in einem bestimmten Warensegment eine «gewohnte und erwartete Form» (banale Form) sei, und in einem zweiten Schritt, ob die zu hinterlegende Form genügend von diesem «Gewohnten und Erwarteten» abweiche. Die Eintragungspraxis zeige, so Meier, dass Farben/Verpackungsformen ohne 2D-Elemente häufig nicht unterscheidungskräftig seien. In diesem Zusammenhang sei auf die Praxisänderung des IGE hinzuweisen, wonach bei der Prüfung der Ausschlussgründe gemäss Art. 2 lit. b MSchG (technische Notwendigkeit, Wesen der Ware) neu die zweidimensionalen Elemente berücksichtigt würden. Bei banalen Formen mit 2D-Elementen müsse jedoch das kennzeichnungskräftige Wort- oder Bildelement den Gesamteindruck des Zeichens wesentlich beeinflussen, also z. B. klar erkennbar bzw. lesbar sein. Meier zitierte diesbezüglich die vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fälle «Miniaturisierte Toilette» (BVGer, Urteil B-7419/2006 vom 5. Dezember 2007), «Bonne Maman» (BVGer, Urteil B-7401/2006 vom 24. Mai 2007) sowie «Leimtube» (BVGer, Urteil B-7379/2006 vom 17. Juli 2007). Es gelte auch zu beachten, dass sich der Schutzumfang einer banalen Form mit 2D-Elementen letztlich nicht auf die gemeinfreien Elemente beziehen könne, d. h., für die gleiche (banale) Form könne mit anderen unterscheidungskräftigen zweidimensionalen Elementen grundsätzlich Schutz beansprucht werden.

Anschliessend wies Meier auf einige Anpassungen in den per 1. Juli 2008 revidierten Richtlinien des IGE hin, so z. B. – neben der vorgängig erwähnten Praxisänderung betreffend Formmarken – im Zusammenhang mit der revidierten IGE-Gebührenverordnung und der elektronischen Publikation. Im Rahmen eines Ausblicks wies Meier insbesondere auf die per 1. Oktober 2008 mögliche vorgezogene Prüfung von offensichtlich unproblematischen Eintragungsfällen hin. So werde für Gesuche, bei welchen sich das Waren-/Dienstleistungsverzeichnis mit den Begriffen in der Datenbank des IGE decke und bei welchen die Schutzfähigkeit des Zeichens ohne Weiteres bejaht werden könne, ein besonders rasches Verfahren. Eine Expressgebühr sei in diesen Fällen nicht geschuldet bzw. werde zurückerstattet. Auf diesem Weg hoffe das IGE, die grosse Zahl von Neuanmeldungen besser bewältigen zu können.

Über die ersten Resultate des Vernehmlassungsverfahrens zur Revision des Marken- und Wappenschutzgesetzes («Swissness») referierte abschliessend Addor. Er stellte einleitend die Gründe vor, welche zum Vernehmlassungsentwurf geführt hatten, namentlich den Wunsch, den Schutz für die Bezeichnung «Schweiz» im In- und Ausland zu stärken und die Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit der Verwendung des Schweizer Wappens bzw. Schweizer Kreuzes zu beseitigen. Die Vernehmlassungsfrist für die Vorlage sei am 31. März 2008 abgelaufen, und die Vorlage sei auf ein beachtliches Echo gestossen.

Die Mehrheit unterstütze die Zielsetzungen der Revision sowie die geplanten Änderungen. Differenzen ortete Addor primär bei der Frage, aufgrund welcher Kriterien bzw. Schwellenwerte auf eine Schweizer Herkunft geschlossen werden könne («wie viel Schweiz muss drin sein»). Während traditionelle, kleine Schweizer Unternehmer für strenge Kriterien/hohe Schwellenwerte plädierten, tendierten grosse Konzerne eher in die andere Richtung. Für die Eidgenossenschaft stehe die Werterhaltung im Vordergrund, während Konsumenten ein Höchstmass an Transparenz wünschten. Zu Diskussionen Anlass gegeben habe auch das Verhältnis zwischen Herkunftsangaben einerseits und zollrechtlichen Ursprungsregeln, Lebensmittelgesetzgebung sowie der «Swissmade»-Verordnung für Uhren andererseits. Gemäss Addor sollten für alle Produktions-/Dienstleistungskategorien einheitliche Kriterien gelten. Würden einzelne Bereiche (z. B. Lebensmittel) vom Anwendungsbereich der Herkunftsregeln ausgenommen, seien die Resultate teilweise paradox und ein wirkungsvoller Schutz unmöglich. In diesem Sinne habe der Bundesrat signalisiert, dass die «Swissness»-Vorlage auch im Bereich Uhren zur Anwendung kommen solle. Eine Revision der bestehenden «Swissmade»-Verordnung sei aber erst im Nachgang an die «Swissness»-Vorlage vorgesehen.

Hinsichtlich der Forderung, der Wappengebrauch sei in Ausnahmefällen auch Privaten (gewisse traditionelle Schweizer Unternehmen, Vereine und Stiftungen) zu gewähren, sah Addor Raum für Kompromisse. Ausnahmen sollten allerdings nur bei jahrzehntelangem Gebrauch und einer Abwägung der berechtigten Interessen möglich sein und nur dann, wenn es sich tatsächlich um Schweizer Produkte bzw. Schweizer Dienstleistungen handelt. Unter diesen Voraussetzungen wäre das Anbringen des Wappens auf einem in der Schweiz hergestellten «Victorinox»-Messer wohl zulässig, aber nicht bei einem in China hergestellten «Victorinox»-Koffer.

Im Sinne eines Ausblickes führte Addor aus, der Bundesrat wolle nun die Vernehmlassung auswerten und im Herbst über das weitere Vorgehen entscheiden. Eine Debatte im Parlament sei wohl nicht vor dem Jahr 2010 zu erwarten. Addor rief dazu auf, die sich durch die Vorlage bietende Gelegenheit zu nutzen und das national und international positiv verankerte Wert-Image der Schweiz zu erhalten. Es gehe darum, im Spannungsfeld zwischen einer sehr liberalen Regelung und übermässig strengen Kriterien die richtige Balance zu finden.