Ittinger Workshop zum Kennzeichenrecht vom 25. und 26. August 2023

Der diesjährige Ittinger Workshop widmete sich unter der inhaltlichen Leitung von Dr. Michael Ritscher und der organisatorischen Leitung von Dr. Christoph Gasser der Bösgläubigkeit im Kennzeichenrecht. Einen Schwerpunkt für die Beurteilung des Kriteriums der Bösgläubigkeit bildete die Auseinandersetzung mit Markenkategorien und ausgewählten Fallgruppen. Die Präsentationen leiteten über die allgemeine Herleitung der Bösgläubigkeit im Zivilrecht, die bösgläubige Markenhinterlegung nach Schweizer Recht sowie die Betrachtung der diesbezüglichen Schweizer Gerichtspraxis hin zur entsprechenden Würdigung des deutschen sowie des unionsrechtlich vereinheitlichten Markenrechts. Traditionsgemäss tagten die Mitglieder des Instituts für gewerblichen Rechtsschutz (INGRES) in einer illustren Runde mit internationalen Gästen in den alten Mauern der Kartause Ittingen.

Cette année, le workshop d’Ittingen a été consacré à la mauvaise foi dans le droit des signes distinctifs, sous la direction de Dr. MICHAEL RITSCHER et la direction organisationnelle de Dr. CHRISTOPH GASSER. L’accent a été mis sur l’évaluation du critère de la mauvaise foi en examinant les catégories de marques et des groupes de cas sélectionnés. Les présentations ont passé par la déduction générale de la mauvaise foi en droit civil, le dépôt de marque de mauvaise foi selon le droit suisse et l’examen de la pratique judiciaire suisse en la matière, pour aboutir à l’évaluation correspondante du droit allemand et du droit unifié de l’Union européenne des marques. Comme le veut la tradition, les membres de l’Institut de la propriété industrielle (INGRES) se sont réunis dans les anciens murs de la Chartreuse d’Ittingen en compagnie d’invités internationaux.

Fabienne Graf,
MLaw, LL.M. (Duke), Zürich.

I. Einleitung

In seinen einleitenden Gedanken wies Ritscher (Rechtsanwalt, Zürich) die Teilnehmenden darauf hin, dass die Schwerpunkte der vergangenen Workshops stets auf Markenrealitäten und -variationen lagen. Demgegenüber wäre das diesjährige Thema der Bösgläubigkeit im Kennzeichenrecht eher bei den Rechtsgrundlagen zu verorten. Die Neugier der Anwesenden war damit geweckt, verhiess doch bereits der Programmtext, dass die Ausübung eines Rechts namentlich dann als unzulässig gelte, wenn sie gegen Treu und Glauben verstosse bzw. missbräuchlich sei. Angesprochen war damit ein Grundsatz, der ebenso im Markenrecht Geltung beanspruchen würde. Weiter wären Verstösse gegen die anständigen Gepflogenheiten im Wettbewerb auch lauterkeitsrechtlich verpönt. Das Programm identifizierte zwei Bereiche des Kennzeichenrechts, in denen die Bösgläubigkeit von Bedeutung sei: zum einen im Hinblick auf die Gültigkeit von Markeneintragungen, zum anderen bei der Durchsetzung kennzeichenrechtlicher Ansprüche. Obschon damit äusserst bedeutsame Bereiche der Rechtspraxis betroffen seien, fehlten auf internationaler Ebene Kriterien, die eine Beurteilung der Bösgläubigkeit im konkreten Fall ermöglichen und Rechtssicherheit förderten. Hingegen zeichneten sich gewisse Fallgruppen ab, welche zur Beurteilung herangezogen werden könnten – und welchen sich diese Veranstaltung widmen sollte.

Bezüglich dieser Programmpunkte merkte Ritscher an, dass der offensichtliche Rechtsmissbrauch als Begrifflichkeit im Schweizer Markenrecht (anders als etwa im deutschen und im österreichischen Recht) nicht festgehalten ist. Betreffend die übrigen Immaterialgüterrechte, die keinen Benutzungszwang vorsehen, unterscheidet sich die Ausgangslage des Markenrechts. Im Patentrecht ist das Phänomen der sog. Patenttrolle als Exempel der Bösgläubigkeit bekannt, wobei die Prüfung des «Ob» eines Unterlassungsanspruchs im Rahmen einer Verhältnismässigkeitsprüfung vorzunehmen ist.

Ritscher bemerkte weiter, dass die Gebrauchsschonfrist ein Ansatz für die Betrachtung der Bösgläubigkeit im Kennzeichenrecht ist. Diese beträgt in den meisten Ländern Europas, zumindest für noch unbenutzte Marken, fünf Jahre. Mit dieser Frist geht für die Inhaberin eine Zeit der Reflexion über die Nutzung ihrer Marken einher. Obschon es sich bei der Gebrauchsschonfrist um ein objektives Kriterium handelt, ist in der Praxis bereits der Nachweis des tatsächlichen Gebrauchs anspruchsvoll. Umso schwieriger erweist sich die Situation, wenn die subjektive Benutzungsabsicht erfragt wird. Dabei sind namentlich beweisrechtliche Aspekte zu beachten und es erfolgt ein Schluss auf Basis einer Vermutung.

Weitere Fragen ergeben sich zum Umgang mit Bösgläubigkeit bei notorisch bekannten Marken sowie zum Zeitpunkt, in dem die Bösgläubigkeit nachgewiesen werden soll. In der Schweiz ist zudem der programmatische Versuch festzustellen, die Schärfe des Eintragungsprinzips mittels des Weiterbenützungsrecht zu mildern. In diesem Umstand erblickte Ritscher den Grund, wieso bisher noch keine hinreichend vertiefte Befassung mit der Bösgläubigkeit im Schweizer Markenrecht erfolgte.

II. Bösgläubigkeit im Zivilrecht

Dr. Daniel Schwander (Oberrichter, Handelsgericht Zürich) eröffnete seinen Vortrag mit der Feststellung, dass die Bösgläubigkeit im Schweizer Recht im gleichen Atemzug mit der Rechtsmissbräuchlichkeit genannt wird. Die Gegenbegriffe des guten und bösen Glaubens sind aus dem römischen Recht herzuleiten. Zwei Grundpfeiler des römischen Rechts verankern diese Gegensätzlichkeit: die Usucapio (Ersitzung) und die Bonae fidei iudicia (nach A. Söllner, Bona fides – guter Glaube, ZRG 2005, 1 ff.). In dieser Verwendung werden die Rechte römischer Bürger von jenen von Nicht-Bürgern unterschieden. Ein Exkurs zur Ersitzung im Schweizer Zivilrecht gemäss Art. 661 und Art. 728 Abs. 1 ZGB zeigt die nun längere Frist von zehn resp. fünf Jahren – im Vergleich zu den noch ein- resp. zweijährigen Fristen im römischen Recht. Gründe dafür sind in den programmatischen Zielen der Beweisbarkeit und der Rechtssicherheit zu erkennen. Später trat die Bona Fides hervor, verstanden als Redlichkeit und damit als das blosse Halten des Wortes. Damit erfolgte eine Distanzierung von den ritualisierten formalisierten Rechtspraktiken. Das gilt auch für die «Exceptio Doli» (Arglisteinrede) als Vorläuferin der Rechtsmissbräuchlichkeit.

Weiter führte Schwander aus, dass der gute Glaube im Schweizer Zivilrecht in Art. 2 und 3 ZGB verankert ist. Insbesondere Art. 1 ZGB ist ebenfalls so zu lesen und auszulegen. Wo z.B. auf die Verkehrssitte verwiesen wird, spielen auch Treu und Glauben eine Rolle. In Art. 2 ZGB findet wiederum eine Würdigung der Offensichtlichkeit der Missbräuchlichkeit statt, wobei in Abs. 2 eine eigentliche Exceptio Doli kodifiziert ist. Dabei handelt es sich jedoch um eine Besonderheit des Schweizer Rechts. Daraus folgt der Schluss, dass es eben keine inhärente Gut- oder Bösglaubensvermutung in der hiesigen Zivilrechtstradition gibt. Vielmehr bedarf es eines Verweises des Gesetzes oder einer auslegungsweisen Lektüre der entsprechenden Norm. Die blosse Möglichkeit des guten Glaubens (siehe Art. 3 Abs. 2 ZGB: «sein konnte») erleichtert den Beweis.

Beim Fahrniserwerb von Nichtberechtigten wird unterschieden, ob eine Sache anvertraut wurde oder abhandenkam (siehe Art. 933 f. ZGB). Bei anvertrauter Fahrnis (Art. 933 ZGB) wird der Konflikt zwischen dem wirklichen Eigentümer und dem scheinbaren Eigentümer um das Verfügungs- resp. das Rückforderungsrecht zu Gunsten der gutgläubigen dritten Person gelöst. Darin kann ein Einfluss germanischer Rechtstraditionen erkannt werden. Letztlich ist wiederum das Motiv der Verkehrssicherheit ausschlaggebend, indem der gutgläubige Dritte geschützt wird, sofern ein Vertrauensverhältnis zu Grunde lag.

Demgegenüber stellt sich im Bereich der Immaterialgüterrechte die Frage des gutgläubigen Erwerbs von registrierten Nichtberechtigten. Art. 17 Abs. 2 MSchG hält fest, dass die Übertragung als Gültigkeitsvoraussetzung nach der Schriftlichkeit verlangt und «gegenüber gutgläubigen Dritten» erst wirksam ist, wenn sie im Register eingetragen ist. Ähnliche Bestimmungen finden sich im Patent- (Art. 33 Abs. 4 PatG) und Designrecht (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 DesG).

Eine Fragestellung resp. Kontroverse um die Folgen einer Gutgläubigkeit ergibt sich in folgender Konstellation: Überträgt die im Register als Inhaberin eingetragene Person A dem gutgläubigen G ihr Schutzrecht, erwirbt dieser auch dann das Vollrecht zum «geistigen Eigentum», wenn A materiell-rechtlich nicht mehr berechtigt war? Eine solche fehlende materiell-rechtliche Berechtigung mag vorliegen, weil A das Schutzrecht zuvor mit einfacher Schriftlichkeit und aufgrund eines gültigen Verfügungsgeschäfts dem B übertragen hatte (nach G. Wild, Die Übertragung von gewerblichen Schutzrechten, insb. der gutgläubige Erwerb vom registrierten Nichtberechtigten, sic! 2008, 271 ff.). Eine weitere Kontroverse entsteht bei der Geschäftsführung ohne Auftrag im Interesse des Geschäftsführers (sog. Geschäftsanmassung; Verletzergewinn). Wo gemäss Art. 423 Abs. 1 OR die Geschäftsführung «nicht mit Rücksicht auf das Interesse des Geschäftsherrn» erfolgte, kann nach Meinung des BGer die Bösgläubigkeit als ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung erblickt werden (siehe BGE 129 III 422 ff. E. 4; a.M. C. Hilti, Die «ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung» der Bösgläubigkeit – der Anfang vom Ende des Gewinnherausgabeanspruchs?, AJP 2006, 695 ff.).

Mit der Gewinnherausgabe im Kontext von Patentverletzungen befasste sich das BPatGer (sic! 2014, 560 ff., «Netzstecker»). Im Ergebnis bejahte das BPatGer die Pflicht des Patentverletzers zur Gewinnherausgabe. Als bösgläubig wurde dabei erachtet, wer ein Produkt, das von der Gattung her durchaus unter Patentschutz fallen könnte, von einem Herkunftsort bezieht, von dem bekannt ist, dass dort den Immaterialgüterrechten Dritter nicht durchwegs die angemessene Beachtung geschenkt wird, und keine entsprechenden Abklärungen trifft (siehe BPatGer vom 19. März 2014, O2013_007, E. 4.3, «Netzstecker»).

Eine weitere Sichtweise auf die zivilrechtliche Bösgläubigkeit bildet die Absicht zum Gebrauch als ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung, welche beim Registereintrag vorausgesetzt wird (siehe Art. 5 MSchG, Eintragungsprinzip). Nicht damit zu verwechseln ist die Gebrauchsobliegenheit im Sinne von Art. 11 f. MSchG). Der Vortrag von Schwander schloss mit der Erkenntnis, dass die Übertragung des allgemeinen zivilrechtlichen Begriffs der Bösgläubigkeit auf die Konstellationen des Immaterialgüterrechts sich nach dem Gesagten als eine anspruchsvolle – eventuell auch wenig naheliegende – Aufgabe erweist. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich ebenso die breite Anrufung des Begriffs der Rechtsmissbräuchlichkeit als problematisch, bildet die Rechtsmissbräuchlichkeit als «Notnagel» doch bloss ein letztes Mittel der Regulation.

III. Missbräuchliche Markenhinterlegung

Gasser (Rechtsanwalt, Zürich) präsentierte in seinem Vortrag Ansätze für eine Kasuistik der missbräuchlichen Markenhinterlegungen. Dazu führte er zunächst in die Entwicklung des Rechtsinstituts ein. Die Suche nach einer Definition birgt einen Sammelbegriff für Hinterlegungen, welche zwar einem Gebrauch entsprechen – nicht aber dem markenrechtlich-traditionell konformen. Im Hinblick auf die (fehlende) Gebrauchsabsicht in Bezug auf die Herkunfts- bzw. Individualisierungsfunktion kann zwischen verschiedenen Perspektiven unterschieden werden. Zum einen mag ein «nicht wirklich zum Gebrauch bestimmt»-Sein (vgl. BGE 127 III 160 ff. E. 1, «Securitas/Securicall») vorliegen. Zum anderen können Marken «ohne jegliche Gebrauchsabsicht nur dazu hinterlegt werden, um einen sachfremden Vorteil zu erlangen» (BGer vom 30. April 2008, 4C_82/2007, E. 2.1.3, «Gmail»).

Ein Blick zurück in die Schriften der Grossväter und Väter des Markenrechts wie Erwin Matter, Heinrich David und Alois Troller bringt keine klaren Quellen zum Begriff der missbräuchlichen Markenhinterlegung hervor. Auch war im Gesetzeswortlaut der beiden aMSchG nie eine Gebrauchsabsicht vorausgesetzt. Dass keine Gebrauchsabsicht hat, wer während dreier Jahre nicht gebraucht, war vielmehr von nicht-kodifizierter Grundsätzlichkeit (siehe BBl 1879 III 730; Art. 9 aMSchG 1879: «Rechte erlöschen»; Art. 9 aMSchG 1890: «des Schutzes verlustig»).

Mit der Revision der PVÜ in den 1920er-Jahren wurde die Rechtfertigungsmöglichkeit des Nichtgebrauchs vorgesehen. Schon damals war es Ausdruck eines gewissen Misstrauens gegenüber den Gerichten, wenn in der Lehre vorgeschlagen wurde, den Schutzbereich der Marke über die Registereintragung zu erweitern. Das BGer votierte schliesslich 1939 (in BGE 57 II 603 ff. E. 12, «Lysol») für eine Ungültigkeit von Defensivmarken, indem es diese für «mit dem Grundprinzip des schweizerischen Markenrechtes unvereinbar» hielt. Dem Markeninhaber wurde dabei abgesprochen – anstelle des Gerichts –, selbst den Schutzkreis seiner Marke zu umschreiben. In BGE 98 b 180 ff. E. 3, «Nitraban», erfolgte eine Ablehnung von Defensiv- und Vorratsmarken mit dem Hinweis auf den Grundsatz des Gebrauchszwangs, wobei die Vorratsmarken aus heutiger Sicht wohl zu streng eingeschätzt wurden. Mit der Umsetzung der europäischen Markenrechtsrichtlinie in das Schweizer MSchG und damit der Zulassung neuer Markenkategorien vergrösserte sich das Missbrauchspotenzial. Dagegen gilt für die Defensivmarken heute noch der grundsätzlich gleiche Ansatz. Mit dem MSchG 1992 wurde schliesslich der Kreis der Hinterlegenden auf alle Personen ausgeweitet und die Übertragbarkeit von jener des Geschäftsbetriebs gelöst. Einen Sonderfall bilden unter dem MSchG 1992, in Umsetzung von Art. 6septies PVÜ, die sog. Agentenmarken (siehe Art. 4, Art. 13 Abs. 3, Art. 53 und Art. 61 MSchG).

Bereits zuvor wurde in der Rechtsprechung eine Vielzahl von Kategorien missbräuchlicher Hinterlegungen herausgebildet. Diese Markenkategorien wurden unter dem MSchG 1992 weiter geprägt, wobei Gasser die folgenden neun Kategorien präsentierte:

1. Eine Defensivmarke (Bsp. wohl CH 2P-415168 «OMEGA»; heute dürfte sie gemäss BGer wohl notorischerweise berühmt sein) liegt vor, wenn eine Hinterlegung zwecks Vergrösserung des Schutzumfangs einer markenmässig gebrauchten oder dazu vorgesehenen Marke erfolgt. Die Hinterlegung umfasst ähnliche Zeichen und/oder nicht zum markenmässigen Gebrauch vorgesehene Waren/Dienstleistungen (siehe BGE 127 III 160 ff. E. 1b, «Securitas/Securicall»; BGer, sic! 2012, 457 ff., «Yello/Yallo II»). Zu bemerken ist, dass das BGer Sperr- und Piratenmarken (siehe unten II.3. und, II.4.) terminologisch als Defensivmarken kategorisiert.

2. Eine Wiederholungsmarke liegt vor, wenn gleiche/ähnliche Zeichen für gleiche/gleichartige Waren/Dienstleistungen (bzw. den Ersatz von Ober-/Unterbegriffen) hinterlegt werden. Motiv ist die Umgehung des Gebrauchserfordernisses oder der Obliegenheit zur Vorlage von Markengebrauchsbelegen. Zur Veranschaulichung dient CH P-397260 («SHELL»), welche 1991 in der Klasse 4 für «lubrifiants» und schliesslich 2020 als CH 758249 («SHELL») in derselben Klasse für «lubrifiants pour véhicules électriques» hinterlegt wurde. Dabei Rechtsmissbräuchlichkeit anzunehmen, erscheint jedoch als zu streng, bedarf es doch eines Elements der Missbräuchlichkeit in der Handlung. Fragen stellen sich bei der Wiederholungsabsicht, wobei das BGer insb. «kaskadenartige Neuanmeldungen kurz vor Ablauf der Gebrauchsschonfrist» missbilligt (BGer sic! 2012, 458 ff., «Yello/Yallo II»).

3. Eine Sperrmarke zielt in einer Behinderungsabsicht darauf, Dritte in der Aufnahme oder Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit zu behindern oder sie davon abzuhalten. Dazu erfolgt eine Hinterlegung für gleiche (oder ähnliche) Zeichen für gleiche (oder gleichartige oder gar ungleichartige) Waren/Dienstleistungen. Neben dem Beispiel von BGE 127 III 160 ff. E. 1b, «Securitas/Securicall» (im Ergebnis erfolgreicher Gegenangriff: die Eintragung von «Securicall» wurde als missbräuchliche Sperrmarke erachtet), finden sich in der Rechtsprechung diverse Beispiele: u.a. BGer, SMI 1985, 98, «Golden Lights II», BGE 109 II 483 ff. E. 5, «Computerland», und BGer, sic! 2008, 732 ff. E. 2.1.4 f., «Gmail». Eine Vermutung von Missbrauch besteht bei Wissen resp. Wissenmüssen um ein gegnerisches, noch nicht in der Schweiz hinterlegtes Zeichen (siehe BGer, sic! 2005, 466 f., «C’est bon la vie»).

4. Piratenmarken (auch Hinterhalts- oder Spekulationsmarken genannt) zielen darauf ab, Dritte, die ohne Eintragung ein Zeichen gebrauchen oder zu gebrauchen beabsichtigen, mittels einer Markenhinterlegung zu Kauf oder Lizenzierung der Marke zu bewegen. Im Vergleich zu anderen Kategorien handelt es sich um ein offensichtliches Beispiel von Missbräuchlichkeit (siehe BGer, sic! 2008, 732 ff. E. 2.1.4, «Gmail»; HGer vom 19. Mai 2009, ZH HG070102, «Okay»).

5. Bei einer Markenhinterlegung zwecks Rufausbeutung soll von einem Ruf eines Drittunternehmens profitiert werden, dessen gleiche/ähnliche Firma/Marke kürzere Zeit zuvor gelöscht wurde bzw. nicht mehr rechtserhaltend gebraucht wird (siehe BGer, sic! 2013, 718 ff. E. 2.2 f., «Noir Mat»: Nichtigkeit, Art. 2 und 3 Abs. 1 lit. d UWG; BVGer vom 5. Dezember 2011, B-3036/2011, E. 2 f., «Swissair»: Ausschluss von Amtes nach faktischem Konkurs, Art. 2 lit. c MSchG).

6. Ausserdem kann eine Markenhinterlegung kraft Vertrauensbruchs, in Verletzung eines Treueverhältnisses (z.B. eines Arbeitsvertrags oder Auftrags) oder in Ausnutzung von Geschäftsgeheimnissen geschehen (bspw. verneint in BGer, Mitt. 1983 II, 40, 43 ff., «Raylon»; bejaht in KGer BL, sic! 2010, 106 ff., «Luftbefeuchter»; OGer ZG vom 23. September 2022, Z 2 2022 24, E. 5, «Markenanmassung»). Bei der Rechtsfolge, wonach die Marke Gegenstand einer Übertragungsklage werden kann, wurde im letztgenannten Beispiel missverständlich – aber im Ergebnis richtig – entschieden. Denn wo festgestellt wurde «Da die Übertragungsklage ‹anstatt› der Nichtigkeitsklage erfolgt, können nur nichtige Marken Gegenstand der Übertragungsklage sein» (OGer ZG vom 23. September 2022, Z 2 2022 24, E. 4.1, «Markenanmassung»), wurde verkannt, dass Nichtiges nicht übertragen werden kann.

7. Eine Markenerschleichung erfolgt bei einer Markenhinterlegung unter falschen Angaben oder bei Verschweigen wesentlicher Umstände. Dieser Tatbestand kann namentlich gefälschte Gebrauchsbelege oder Ergebnisse gefälschter Meinungsumfragen zwecks Glaubhaftmachung der Verkehrsdurchsetzung (m.w.H. auf M. Grabrucker, DE-Mitt. 2008, 537) umfassen.

8. Bei einer Negativhinterlegung fehlt das Markenschutzinteresse. Die betroffene Person erhofft sich eine Abweisung wegen absoluter Ausschlussgründe. Sprich: Sie zielt auf eine grundsätzliche Begutachtung zum Preis der IGE-Hinterlegungsgebühr von CHF 350. Bei einer solchen vorläufigen Prüfung der Rechtslage «schützt» ein fehlerhaftes Waren- und Dienstleistungsverzeichnis vor Eintragung. Ungeachtet des fehlenden schutzwürdigen Interesses an einer Eintragung (Art. 25 Abs. 2 VwVG) tritt das IGE auf ein solches Begehren um eine Feststellungsverfügung ein (vgl. IGE-Richtlinien, Teil 5, Ziff. 3.4) und geht von gutem Glauben aus.

9. Grundsätzlich fernab der Rechtsmissbräuchlichkeit ist die Vorratsmarke (auch Versuchsmarke) als letzte Kategorie angesiedelt. Dabei erfolgt die Markenhinterlegung eines unbenutzten Zeichens, das zu einem späteren, noch unbestimmten Zeitpunkt mit einer mindestens minimalen Wahrscheinlichkeit gebraucht wird. Ein solcher (eigener oder durch Dritte erfolgender) Gebrauch ist im Grundsatz auch dann als beabsichtigt anzunehmen, wenn keine konkrete Gebrauchsabsicht vorliegt. In der Praxis relevant sind die über Briefkastenfirmen vorgenommenen Hinterlegungen von Varianten zwecks Verschleierns einer bevorzugten neuen Konzernmarke sowie sog. Brand Naming von Agenturen. Solche Praktiken haben grundsätzlich keine Nichtigkeit zur Folge.

Gasser betonte, dass sich den Rechtsfolgen missbräuchlicher Hinterlegungen bereits Florent Thouvenin in einer systematischen Untersuchung (Nichtigkeit und Anfechtbarkeit im Markenrecht, sic! 2009, 544 ff.) zuwandte. Die Folgen umfassen neben Ungültigkeit/Nichtigkeit (ex tunc; fraglich ob erga omnes) auch die Anfechtbarkeit (der Agenturmarke; evtl. der Hinterlegung kraft Vertrauensbruchs; siehe Thouvenin, 544 ff.). Zu beachten ist neben dem absoluten Ausschlussgrund irreführender Zeichen (Art. 2 lit. c MSchG) auch ein Verstoss gegen die öffentliche Ordnung, die guten Sitten und das geltende Recht (Art. 2 lit. d MSchG). Dazu treten die UWG-Generalklausel (Art. 2 UWG) sowie die beiden Spezialtatbestände in Art. 3 Abs. 1 lit. b und d UWG.

Die Rechtsdurchsetzung gegen missbräuchliche Markenhinterlegungen erfolgt zunächst auf der Ebene der Zivilverfahren, wobei eine reichhaltige Praxis besteht (siehe hinten Staub, IV.). Im Kontext von Strafverfahren ist ein grundsätzliches Widerstreben der Strafverfolgungsbehörden und in der Folge eine Wirkungslosigkeit festzustellen.

Im Verwaltungsverfahren ist die Legitimation Dritter erstinstanzlich bloss schwer zu etablieren. Obschon die Nichtigkeit missbräuchlicher Anmeldungen nach der Offizialmaxime eine Würdigung der Nichtigkeitsgründe von Amtes wegen (absolute Ausschlussgründe i.S.v. Art. 30 Abs. 2 lit. c MSchG, inkl. Missbrauchstatbestände) verlangt, wird bisher durch das IGE ein Standardschreiben ausgefertigt. In diesem wird unter Anrufung von BVGer vom 18. Februar 2014, B-6003/2012, E. 2.1, «YACHT CLUB ST.MORITZ», auf die fehlende Parteistellung von Dritten im Eintragungsverfahren verwiesen. Als Folge bildet die entsprechende Eingabe laut IGE nicht Bestandteil des Markeneintragungsgesuchs und wird nicht im Aktenheft abgelegt (siehe Art. 36 Abs. 1 MSchV). Eine gänzlich andere Ausgangslage der Legitimation Dritter zeigt sich in den zweiten und dritten Instanzen: Hier ist die Rechtsprechung durchaus entwicklungsfähig. Angesichts der verschiedenen Rechtswege (VRP vs. ZPO) unterscheidet sich die Rechtsdurchsetzung deutlich. Dem Instanzenzug, welcher über das IGE und das BVGer zum BGer führt, sind demnach durchaus fundierte Kompetenzen zuzusprechen. Ein anderes Bild zeigt sich unter der ZPO, wonach der Weg über eine einzige kantonale Instanz an das eher selten befasste BGer führt. Als Fazit hielt Gasser fest, dass auch die Höhe der übrigen Hürden (u.a. Gebühren) im Verwaltungsverfahren attraktiv erscheinen und sich im Vergleich mit dem zivilprozessualen Weg bewähren könnten.

In der anschliessenden Paneldiskussion mit Alexander Pfister (Fürsprecher, IGE) und Stefan Vogler (Berater Marketing und Kommunikation, Zürich) wandte sich Vogler zunächst der Sinnhaftigkeit von Hinterlegungen aus der Perspektive des Marketings zu. Danach ist ergänzend zu den rechtsdogmatischen Grundlagen zu fragen, was das Ziel jeder Marke ist. Die Antwort umfasst jeweils die Präferenz der relevanten Zielgruppe. Es bedarf aus Sicht des Marketings weiter einer konkreten Assoziation eines Produkts mit einer Marke. Eine Marke soll zudem für einen möglichst engen Markenkern stehen. Damit soll ein kleines Feld bespielt, dieses jedoch möglichst komplett eingenommen werden. Ist diese grundsätzliche Leistung geschafft, kann laut Vogler im Laufe der Zeit eine glaubwürdige Erweiterung des Waren- und Dienstleistungskerns erfolgen. Eine solche Anmeldung weiterer Waren- und Dienstleistungsklassen darf dabei nicht beliebig wirken. Eine Ausnahme davon bilden die Luxusmarken, wobei sich das Preis-Leistungs-Verhältnis als extrem darstellt und sich die Konsumerwartung deutlich von Waren/Dienstleistungen übriger Marken unterscheidet.

Pfister ergänzte die bisherigen Präsentationen mit dem Hinweis, dass das IGE das Rechtsmissbrauchsverbot nicht zu den absoluten Schutzausschlussgründen zählt. Die absoluten Schutzausschlussgründe sind demnach im Gesetz enumeriert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Aufgabe des IGE dar: zwei definierte Marken anhand bestimmter Merkmale einander gegenüberzustellen und anhand der – im Gesetz abschliessend definierten – absoluten Schutzausschlussgründen zu prüfen. Entsprechend sind die Kompetenzen und das Personal in der Markenabteilung des IGE anders aufgestellt, als dies eine grundsätzliche Prüfung der Rechtsmissbräuchlichkeit verlangen würde. Das würde, so schloss Pfister, gegen eine Prüfung der Rechtsmissbräuchlichkeit von Markenhinterlegungen durch das IGE sprechen – sei es von Amtes wegen oder auf Drittantrag hin.

IV. Relevanz der Bösgläubigkeit bei der Rechtsdurchsetzung kennzeichenrechtlicher Ansprüche

Dr. Roger Staub (Rechtsanwalt, Zürich) widmete sich der Beweislast und dem Beweismass als Teile des Nachweises der Bösgläubigkeit im Kennzeichenrechtsprozess. Bei einer Betrachtung der Bösgläubigkeit sind die Tat- von den Rechtsfragen zu unterscheiden. Die Tatfragen erweisen sich als vordergründig. Sie umfassen neben der allgemeinen Absicht der hinterlegenden Person (siehe BGer vom 10. Dezember 2009, 4A_242/2009, E. 6.6, «Coolwater/cool water») insb. die möglichen Teilaspekte der Gebrauchs-, der Blockierungs- resp. Behinderungsabsicht sowie der Absicht, sich oder Dritten Vorteile zu verschaffen. Dabei gilt für die Beweislast seitens der Nichtigkeitsklägerin im Sinne von Art. 8 ZGB.

Schwierigkeiten bei der Beweisführung ergeben sich aus der Anrufung innerer Tatsachen, Tatsachen aus dem Einflussbereich des Markeninhabers sowie negativen Tatsachen. Namentlich hat die Klägerin in der Regel keinen Zugriff auf Dokumente des Markeninhabers, keinen Einblick in dessen Absicht. Im Sinne einer Lösung können mittelbare Beweise resp. Indizien (siehe OGer ZG vom 23. September 2022, Z 2 2022 24, E. 4.2.1, «Markenanmassung») sowie – in der Praxis interessant – die Mitwirkungspflicht des Markeninhabers herangezogen werden. Diese Mitwirkungspflicht wurde durch das BGer am 23. Februar 2012 in 4A_429/2011, E. 5.1, «Yello» eingeführt: «Mit der Lehre ist daher anzunehmen, dass im Rahmen der Mitwirkungspflicht von der Gegenseite verlangt werden darf, dass sie die Gründe dokumentiert oder zumindest behauptet, wieso die Hinterlegung in ihrem konkreten Fall trotz der Ungereimtheiten, welche die Klägerseite dargetan hat, Teil einer auf Fairness beruhenden Markenstrategie bildet. Erscheint dem Richter diese Begründung als unglaubwürdig, so muss der abstrakte Nachweis der typischerweise defensiven Konstellation im Rahmen der Gesamtwürdigung genügen […]».

Während mit dem «Yello»-Ansatz somit ein schrittweises Vorgehen präsentiert wurde, verbleibt die Substantiierungslast jedoch bei der Klägerin (siehe HGer BE vom 7. Februar 2022, HG 21 10, E. 35.13, «Winkelzeichen»). Eine solche Substantiierung umfasst mehr als bloss den fehlenden Markengebrauch. Vielmehr zielt sie darauf zu zeigen, aus welchen konkreten Gründen für eine bestimmte Klasse von fehlender Gebrauchsabsicht auszugehen ist. Beispiele solcher Gründe umfassen die Beanspruchung marketingmässig inkompatibler Waren/Dienstleistungen, kaskadenhafte Neuanmeldungen (kurz vor Ablauf der Gebrauchsschonfrist) sowie das Angebot, eine Marke gegen Entgelt abzutreten. An welchem Beweismass dabei gemessen werden soll, wird aus der breiten Lektüre der besprochenen Urteile alleine nicht klar. In diversen Begründungen findet sich die Glaubhaftmachung (seitens der Nichtigkeitsklägerin z.B. HGer ZH vom 27. April 2011, HG090164, E. 3.4.1, «Yello»; seitens des Markeninhabers z.B. HGer BE vom 7. Februar 2022, HG 21 10, E. 3.2.1, «Winkelzeichen»). Jedoch ist fraglich, ob das auszureichen vermag. Wahrscheinlicher ist das Vollbeweismass (z.B. BGer vom 23. Februar 2012, 4A_429/2011, E. 5.1, «Yello»). Zu beachten gilt, dass mit einer Gesamtwürdigung aller Umstände auch jene vor und nach der Hinterlegung herangezogen werden müssen.

Staub veranschaulichte seine Ausführungen zu Beweislast und Beweismass anhand von vier Anwendungsbeispielen (davon zwei Piratenmarken). Im ersten Beispiel der «US-Kleidermarke» (siehe HGer ZH vom 6. März 2019, HG150021-O; BGer vom 27. August 2019, 4A_181/2019) trat eine grosse US-Kleidermarkeninhaberin als Klägerin gegen ein mexikanisches Unternehmen auf. Im Jahr 2000 lehnte die Klägerin einen Vorschlag zur Zusammenarbeit ab, worauf bald Markenanmeldungen der Beklagten (Klassen 9 und 14) und globale Auseinandersetzungen folgten. 2011/2012 hinterlegte die Beklagte CH-Marken, ab 2012 die Klägerin, worauf die Beklagte Widersprüche einlegte. Es folgten eine Nichtigkeitsklage und -widerklage im Jahr 2015. Im folgenden Urteil erkannte das HGer ZH gewisse Ungereimtheiten, z.B. lediglich wenige Verkäufe von Uhren zu den tiefen Preisen, bloss Verkäufe in Basel-Mulhouse, keine Verkäufe von Sonnenbrillen, nur eine einzige Abnehmerin, welche die Marke nicht unter «Our Brands» auswies und eine Händlerin, die mit der Beklagten eng verbunden war. Angesichts dieser Umstände wurde die Mitwirkungspflicht der Beklagten zur Feststellung des Sachverhalts begründet.

Das HGer widmete sich bei seiner Gesamtwürdigung zunächst dem Vorliegen einer konkreten Gebrauchsabsicht. Gegen eine solche Absicht lagen Indizien vor, dass kein einziger unzweifelhafter Beleg eines tatsächlichen Gebrauchs in der Schweiz bestand. Das führte zum Verdacht, dass entsprechende Belege bloss den Anschein eines Markengebrauchs erwecken sollten. Für eine Gebrauchsabsicht sprach hingegen u.a. die Positionierung der Beklagten als Uhren- und Schmuckherstellerin (inkl. Webseiten). Im Ergebnis sprachen zumindest keine zwingenden Indizien gegen eine Gebrauchsabsicht. Auch in der Würdigung einer Absicht, (finanzielle) Vorteile zu erzielen, fand das HGer wiederum zahlreiche Indizien dafür und dagegen. Schliesslich wandte sich das Gericht der Frage nach einer Behinderungsabsicht zu und verneinte eine solche seitens der Beklagten in deren Einreichung von Widersprüchen oder dem Einschreiten gegen eine Lizenznehmerin der Klägerin. Neben weiteren Faktoren, welche gegen eine Behinderungsabsicht sprachen, erachtete das HGer eine bereits länger zurückliegende Registrierung ohne Einwilligung nach gescheitertem Projekt zumindest als fragwürdig. Im Ergebnis konnte keine Bösgläubigkeit der Beklagten – welche über einen Bezug zur Schweiz verfügte und keine marketingmässig inkompatiblen Waren anführte – erstellt werden.

Das zweite Beispiel «WILD HEERBRUGG» (HGer BE vom 8. Februar 2018, HG 13 20; BGer vom 28. November 2018, 4A_234/2018) behandelte die gleichnamige historische Marke. Die (Wider-)Klägerin, eine österreichische Gesellschaft und das Überbleibsel einer früheren Konzernstruktur, welche «WILD ELECTRONICS» benutzte, stand einem deutschen Rechtsanwalt als (Wider-)Beklagten gegenüber. Letzterer vertrat mit einem Start-up das Umfeld der ehemaligen «WILD HEERBRUGG». Vorangegangen waren diverse Streitigkeiten mit anderen Gesellschaften des ehemaligen Konzerns. Der vorliegende Ausgangspunkt bildete eine Hauptklage auf Löschung wegen Nichtgebrauchs. Das HGer erkannte insb. keine Gebrauchsabsicht in den Indizien um die bloss erste (einzig relevante) «WILD HEERBRUGG»-Marke der Beklagten, deren fehlender Geschäftstätigkeit und Markenstruktur sowie den fehlenden Bezug des (angeblichen) Projekts zur Schweiz. Dagegen konnte die Marke nur für Produkte mit Schweizer Herkunft eingetragen werden, wobei ein Wechsel des Produktionsstandorts nicht glaubhaft gemacht werden konnte. Das programmatische Vorgehen der Beklagten um die gezielte und wiederholte Eintragung von Marken mit Bestandteilen Marken Dritter stellte ein weiteres Gegenindiz einer Gebrauchsabsicht dar. Dazu trat das prozessuale Verhalten, wobei Belege erst nach der Hauptverhandlung nachgereicht wurden und die Bezüge zur Schweiz unsubstantiiert blieben.

Ein anderes Bild hinsichtlich des Gebrauchs und der Absichten zeigte sich in «Winkelzeichen» (HGer BE vom 7. Februar 2022, HG 21 10; BGer vom 8. September 2022, 4A_227/2022). Die Klägerin, eine Herstellerin von Motorfahrzeugen, stand der Beklagten, einer Herstellerin/Vertreiberin von chemischen resp. chemisch-technischen Erzeugnissen (Werkstoffe, u.a. für den Fahrzeugbau), gegenüber. Eine Markeneintragung erfolgte für diverse Klassen und im Rahmen eines 22 Seiten starken und 4 000 Produkte umfassenden Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses. Dabei war die Gebrauchsabsicht in den Klassen 1 und 35 unbestritten. Die Markeninhaberin erbrachte eine breite Rechtfertigung, u.a. mit Beschaffungsaktivitäten innerhalb des internationalen Konzerns, einem in der Summe zehnstelligen Jahresumsatz aus dem Vertrieb verschiedener Produkte sowie tradierten Beziehungen zur Automobilindustrie. Im Fazit ergaben diese eine Absicherung einer geschäftlich naheliegenden Entwicklung der Markeninhaberin. Das HGer erkannte in seiner Gesamtwürdigung, dass zwar eine Inkompatibilität des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses ein wichtiges Indiz darstellt, eine grundsätzlich breite Ausgestaltung dafür jedoch noch keinen Missbrauch begründet. In seiner Gesamtwürdigung beschränkte das Gericht die Mitwirkungspflicht auf die Klasse 12. Innerhalb dieser Klasse erachtete es die Rechtfertigung der Markeninhaberin als weitgehend unbestritten und die Gebrauchsabsicht als glaubhaft erstellt.

Im vierten und letzten Beispiel «Yello» (HGer ZH vom 27. April 2011, HG090164; BGer vom 23. Februar 2012, 4A_429/2011) stand die Sunrise AG als Klägerin und Markeninhaberin der Schweizer Tochter eines deutschen Energieversorgers als Beklagten gegenüber. Während der Jahre 1994 bis 2002 hinterlegte die Beklagte drei CH- und vier IR-Marken mit dem Bestandteil «Yello». 2005 präsentierte schliesslich die Klägerin «Yello», worauf eine Abmahnung und Widersprüche folgten. 2006 wurde die Löschungsklage angestrengt. In seiner Gesamtbeurteilung erkannte das HGer zunächst marketingmässig völlig inkompatible Waren (wie Schmuckwaren, Putzzeug, Bier). Gemäss dem Unternehmensberater der Beklagten war das ausgewiesene Ziel, die weltweite Registrierung in einer Vielzahl von Klassen zu erreichen. Dabei wurde geografisch überschiessend (in Ländern ohne potenziellen Marktzugang) und mit wiederholten Registrierungen vorgegangen. Das Gericht hielt die Rechtfertigungen der Beklagten, wonach eine «territoriale Ausdehnung» angestrebt wurde und «Diversifikationsabsichten» bestanden, für zu pauschal sowie den Gebrauch in Deutschland für irrelevant.

Staub resümierte, dass aus diesen vier Beispielen die starke Verhaftung der Zivilprozesse auf der Sachverhaltsebene abgeleitet werden kann. Demnach muss bereits vor der ersten Instanz die Grundlage einer solchen Ausrichtung am Sachverhalt in dem Vorbringen geschaffen werden. Nur so kann der zentralen, beidseitigen Substantiierungsobliegenheit nachgekommen werden. Im Ergebnis findet sich die substantielle Auseinandersetzung zumeist nicht schwergewichtig in den Urteilen des BGer – sondern in den ersten Instanzen.

Im Anschluss widmete sich das Panel, besetzt mit Dr. Matthias Leemann (Gerichtsschreiber BGer, Lausanne), Schwander und Gasser, weiter der Bösgläubigkeit im Zivilprozess. Leemann stellte fest, dass, auch wenn die Absicht schwer herzustellen ist, doch das allgemeine Beweismass des Zivilprozesses gilt. Ritscher bemerkte, dass das DesG ausdrücklich die Vermutung der Gültigkeit des hinterlegten Designs als Ausgangspunkt einer Begutachtung kennt – das steht im MSchG so nicht. Weiter ist nach der Beweiskraft des Markenregisters zu fragen. Eine andere Frage stellt darauf ab, ob in der Benutzungsschonfrist und Gebrauchsabsicht eine Analogie zum Nichtgebrauch liegt. Zumindest im deutschen Recht herrscht eine klare Präferenz zur Wahrung der Benutzungsschonfrist durch den Gesetzgeber vor. Die Diskussionspunkte und diverse Wortmeldungen aus dem Publikum führten schliesslich an die allgemeine Frage nach dem Sinn und Zweck des Markenrechts heran. Ausgelöst wurden diese grundsätzlichen Gedanken wiederum durch die Herausforderungen der Beweisführung und Erkenntnis. Die fehlende Gebrauchsabsicht könnte nach einigen Stimmen als Tatbestandsmerkmal herangezogen werden, welches potenziell zur Nichtigkeit führt. Ihr könnte damit eine ähnliche Rolle wie die eines absoluten Ausschlussgrundes zukommen. Schwander berichtet schliesslich auf die Nachfrage hin, ob in den Zivilprozessen standardmässig Parteibefragungen durchgeführt werden sollten, dass nach der bisherigen Erfahrung oft Urkunden in der Gerichtspraxis entscheidende Beweise enthalten.

Damit neigte sich der letzte Programmpunkt des Tages dem Ende zu und die Teilnehmenden führten ihre angeregten Diskussionen weiter am Aperitif im Kräutergarten der Kartause sowie beim anschliessenden Abendessen.

V. Bösgläubigkeit im deutschen und unionsrechtlich vereinheitlichten Kennzeichenrecht

Der zweite Workshoptag öffnete den Blick der Teilnehmenden über das schweizerische Recht hinaus und wurde durch den Vortrag von Dr. Anke Nordemann (Rechtsanwältin, Berlin) geprägt. In einem ersten Teil verschaffte sie den Teilnehmenden zunächst einen Überblick über die Konzeption der Bösgläubigkeit im deutschen Recht sowie dem Recht der EU. Der EuGH definiert die Bösgläubigkeit sehr abstrakt – viel abstrakter als die in den vorangegangenen Vorträgen gehörten Ansätzen. Die Bösgläubigkeit auf den Grundlagen der vorliegenden abstrakten Kriterien des EuGH hat einen sehr stark normativen Charakter. Diese Definition, das Schaffen oder Nutzen einer markenrechtlichen Rechtsposition, kann dabei zwei Absichten verfolgen: Erstens, in einer der Redlichkeit widersprechenden Weise Drittinteressen zu schaden. Zweitens kann die Absicht auch darin bestehen, die Marke auch ohne Bezug zu einem konkreten Dritten zu anderen als zu den zur Funktion einer Marke gehörenden Zwecken zu nutzen (siehe EuG vom 21. April 2021, T-663/19, «MONOPOLY»).

In diesen Definitionsansätzen erkannte Nordemann Parallelen zu bereits geteilten Thesen zum Schweizer Recht. Auch im Unionsmarkenrecht ist die Bösgläubigkeit ein stark lauterkeitsrechtlich geprägter Begriff. Die Vortragende erkannte darin insb. die Notwendigkeit eines Auswegs, da eben kein Vor- und Weiterbenützungsrecht bestand. Auch im Unionsmarkenrecht ist die Bösgläubigkeit stets im Gesamtbild unter Einbezug aller Umstände zu betrachten (siehe EuGH vom 29. Januar 2020, C-371/18, Rn. 73, «Sky/Skykick»).

Insbesondere ist die Bösgläubigkeit im Unionsmarkenrecht jedoch einheitlich auszulegen. Das ist insofern bemerkenswert, dass auch eine Auslegung durch die höchsten Gerichte der Mitgliedstaaten denkbar gewesen wäre. Zur Auslegung sind in der Praxis des EuGH alle Umstände des Einzelfalls relevant. Zu beachten ist dabei, dass aus objektiven Umständen ohne Weiteres auf ein subjektives Kriterium geschlossen werden kann – geprägt als: «dishonest intention or other sinister motive» (siehe EuG vom 21. April 2021, T-663/19, Rn. 40 f., «MONOPOLY»).

Ganz anders zeigt sich die Situation hingegen bei nichteingetragenen Marken, Unternehmenskennzeichen, Geschäftsabzeichen und Titel. Diese übrigen Bereiche des Kennzeichenrechts sind unionsrechtlich nicht harmonisiert. In Deutschland sind vor allem die durch Benutzung entstehenden Rechte relevant (z.B. bei Reservierung kennzeichenverletzender Domains) – wobei Lösungen insb. über § 4 Nr. 4 DE-UWG hergeleitet werden können. Vor diesem Hintergrund definiert sich die Bösgläubigkeit gerade anders bei einer vorsätzlichen Verletzung der Markenrechte.

Darauf folgte ein Überblick über die gesetzlichen Grundlagen, wobei die europäische Markenrechtsrichtlinie (MRRL) als Einstieg diente. Art. 4 (2) MRRL 2015 enthält zum einen die bösgläubige Anmeldung als absoluten Nichtigkeitsgrund, zum anderen die Option, die Bösgläubigkeit fakultativ als absolutes Eintragungshindernis zu kategorisieren. In Deutschland wurde dieser Option mit § 8 Abs. 2 Nr. 14 DE-MarkenG entsprochen (§ 37 Abs. 3 DE-MarkenG).

Der zweite Teil von Nordemanns Präsentation war den Fallgruppen der Bösgläubigkeit gewidmet. Die des EuGH teilen sich im Wesentlichen in die Gruppe der Anmeldungen mit Schädigungsabsicht zu Lasten Dritter sowie die Gruppe, welche über keine solche Absicht verfügt, jedoch auf die Begründung einer Rechtsposition mit markenfunktionsfremden Absichten zielt. Der EuGH erachtet dabei ein «wesentliches Motiv» jeweils als ausreichend zur Begründung der Bösgläubigkeit. Weiter genügt das blosse Betroffensein eines Teils der Waren und Dienstleistungen, womit die Beurteilung der Bösgläubigkeit nicht für die gesamte Marke erfolgen muss. Weiter ist in der Begutachtung namentlich die unternehmerische Logik relevant (siehe EuG vom 21. April 2021, T-663/19, Rn. 38, «MONOPOLY»; EuG vom 7. September 2022, T-627/21, Rn. 28, «Monsoon»).

Aus Sicht der deutschen Rechtsprechung präsentierte Nordemann drei Fallgruppen vertieft, wobei nach (bloss terminologischer) Abgrenzung die Gruppe missbräuchlicher Verfahren hinzukommt. Zu beachten ist, dass diese Auswahl nicht abschliessend ist (siehe z.B. die Markenerschleichung) und gleichzeitig besondere Umstände wie z.B. § 4 Nr. 4 DE-UWG die Unlauterkeit begründen können. Im Vergleich zum Schweizer Recht zeigen sich einige Abweichungen. So kennt das deutsche Markenrecht, gleich wie das Recht der EU, kein Vorbenützungsrecht (EuGH vom 27. Juni 2013, C-320/12, Rn. 37, «Malaysia Dairy»). Das hat u.a. Konsequenzen in den Fallgruppen:

1. In der Fallgruppe der Anmeldung zur Schädigung konkreter Dritter begründet bspw. die alleinige Anmeldung einer Marke, die eine Dritte schon benutzt, für sich genommen keine Bösgläubigkeit. Vielmehr bedarf es zur Annahme der Bösgläubigkeit neben der Benutzung der Marke durch Dritte auch deren Ziels, den schutzwürdigen Besitzstand der Markeninhaberin zu stören (siehe DE-BPatG vom 18. August 2020, 29 W (pat) 45/17, «HASSIA»; EuG vom 22. März 2023, T-366/21, Rn. 34 ff., «COINBASE»). Hier besteht wiederum ein merklicher Unterschied zum Schweizer Recht: eigener Benutzungswille ist nach abstrakter Definition des EuGH nicht allein relevant – sondern allenfalls ein einzelner Faktor (siehe z.B. DE-BPatG vom 29. November 2016, 24 W (pat) 56/14 Rn. 31, «JOHNY WEE»). Zudem ist in Deutschland der Zeitpunkt der Anmeldung allein entscheidend (z.B. EuGH vom 12. September 2019, C-104/18 P, «STYLO & KOTON»), was sich indirekt auch aus § 50 Abs. 2 S. 1 DE-MarkenG ergibt. Ein sachlicher Grund bei der Anmeldung zur Absicherung der eigenen Benutzung hat also (auch) defensiven Charakter (z.B. DE-BPatG vom 19. August 2022, 25 W (pat) 29/20, «TSCHEDRO»).

Die Wiederbenutzung historischer Marken durch die ursprünglichen Inhaber oder deren Rechtsnachfolger muss «grundsätzlich konkret bevorstehen», womit das deutsche Recht Spekulations- resp. Hinterlegungsmarken sowie die Markenusurpation als widerrechtliche Inbesitznahme adressiert (siehe BPatG vom 14. Oktober 2019, 27 W (pat) 45/17, «CAUGHT IN THE ACT»; EuGH vom 22. Oktober 2020, C-720/19, «TESTAROSSA»). Andere Untergruppen richten sich auf die aktuelle Benutzung der Marke im Ausland bei Absicht des Anmelders, das Produkt nachzuahmen. Anders als bei den historischen Marken besteht hier eine konkrete Benutzungsabsicht – die blosse Kenntnis der Nutzung im Ausland ist nicht ausreichend (siehe LG München I vom 1. Juni 2021, 33 O 12734/19, «BUTTERFINGER»).

2. In der Fallgruppe der Anmeldung zu markenfremden Zwecken sind zunächst Wiederholungsmarken relevant, bei welchen die Anmeldung zur Umgehung der Regeln zur rechtserhaltenden Benutzung bösgläubig sein kann. Auch in Deutschland erfolgt eine Einzelprüfung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses (siehe EuG vom 21. April 2021, T-663/19 Rn. 49 ff., 69 ff., «MONOPOLY»). Weiter relevant sind Sperrmarken (siehe vorne Gasser, III.3.), wobei die Bösgläubigkeit dabei objektiv wahrscheinlich sein kann, wenn eine entsprechende Absicht zur Sperrung gegenüber Dritten Teil einer Anmeldestrategie ist (EuGH vom 29. Januar 2020, C-371/18, «Sky/SkyKick»). Eine solche Begutachtung erfordert die Prüfung der einzelnen Waren und Dienstleistungen (EuGH vom 29. Januar 2020, C-371/18, «Sky/SkyKick», Rn. 80 f.). Nicht bösgläubig sind im Kontext markenfremder Zwecke dagegen die Vorratsmarken (siehe vorne Gasser, III.9.), da auch in Deutschland die Benutzungsschonfrist die Bösgläubigkeit verhindert. Auch nicht bösgläubig sind aus deutscher Warte Hinterlegerinnen von Negativmarken, für welche die Anmeldungen in Erwartung der Zurückweisung ausgelöst werden (siehe vorne Gasser, III.8.).

3. Für die Fallgruppe der missbräuchlichen Verfahren kann als Grundsatz festgehalten werden, dass die Einleitung gesetzlich vorgesehener Verfahren nur unter besonderen Umständen missbräuchlich sein kann. Das kann zum einen dann gegeben sein, wenn das Ziel der Regelung objektiv verfehlt und subjektiv ein nicht gerechtfertigter Vorteil angestrebt wird (siehe zum eigens unionsrechtlichen Grundsatz: EuGH vom 28. Juli 2016, C-423/15 Rn. 37 ff., «Kratzer»). Zum anderen kann ein Löschungsantrag namentlich dann missbräuchlich sein, wenn ein solcher offensichtlich gestellt wird, um die Aufgabe einer Marke zu erzwingen – und den Verhandlungsdruck weiter zu erhöhen.

Nordemann schloss ihren Vortrag mit drei Thesen zu den missbräuchlichen Verfahren. Sie fragte erstens danach, ob die Ausgestaltung und Handhabung der Regelung des Verfalls wegen Nichtbenutzung missbräuchliche Anträge fördern. Zweitens erwog sie, ob die rechtserhaltende Benutzung generell grosszügiger gedacht werden sollte. Schliesslich fragte auch sie, ob die Bösgläubigkeit bei der Prüfung mitgedacht werden sollte (vgl. vorne III., dazu Pfister).

Für die Diskussion zum Schluss des Workshops war das Panel mit Prof. Dr. Alexander von Mühlendahl (Rechtsanwalt, München), Dr. Senta Bingener (DPMA Deutsches Patent- und Markenamt, München) und Ritscher besetzt. Bingener stellte zunächst fest, dass die Begrifflichkeit der Rechtsmissbräuchlichkeit und der Bösgläubigkeit über einen moralinen Aspekt verfügt. Deren Anrufung bedeutet eine entsprechende Signalwirkung. Danach ging Bingener auf das DPMA-Konvergenzprojekt zur Rechtsvereinheitlichung («CP 13 Bösgläubigkeit bei Markenanmeldungen») ein, welches die sehr unterschiedlichen traditionellen Prägungen der Bösgläubigkeit im Markenrecht aufzeigen wird. Unterschiede sind insb. betreffend die Wiederholungsmarken ausgeprägt, welchen die Umgehung des Gebrauchserfordernisses oder der Obliegenheit zur Vorlage von Markengebrauchsbelegen zugrunde liegt (siehe vorne Gasser, III.2.). Gemäss Bingener umfasst eine so motivierte Hinterlegungspraxis ein Element, welches nicht von den eigentlichen Markenfunktionen geprägt ist. Auf Seite der mit der Prüfung befassten Behörden sind die Mitarbeitenden indes nicht mit Marketingkonzepten und damit verbundenen Motiven wirtschaftlicher Sinnhaftigkeit vertraut. Von Mühlendahl bemerkt, dass das Konvergenzprojekt CP13 des Netzwerks der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPN) eine rund 28-seitige Reform des europäischen Verwaltungsrechts bedeutet, welche durch den EUIPO-Verwaltungsrat zu verabschieden ist. Diskrepanzen liegen gemäss Bingener zudem in der kontroversen EU-Lösung zur Einordnung virtueller Waren im sog. Metaverse in Klasse 9.

Bingener resümierte, dass die Bösgläubigkeit überhaupt nur zu zwei Zeitpunkten geprüft werden kann: im Anmeldeverfahren sowie im Rahmen einer Nichtigkeitsklage. Im Anmeldeverfahren kann Strategien mit breiten Anmeldungen nicht ohne Weiteres Bösgläubigkeit unterstellt werden. Anders fällt die Beurteilung bei einem Abstellen auf bekannte Begriffe und Marken aus. In Deutschland stehen jährlich bloss rund 80 Fälle von Bösgläubigkeit bei Marken rund 70 000 Anmeldungen entgegen. Das liegt laut Bingener u.a. in den nach wie vor viel zahlreicheren Einzelanmelderinnen – im Vergleich zu Grossunternehmen – mit jeweils eigenen (beschränkten) Handlungsperspektiven begründet.

Mit diversen Beteiligungen des Publikums wurde schliesslich diskutiert, inwiefern eine Aneignung von Kennzeichen ohne Eigenleistung im System des Kennzeichenrechts gefördert werden sollte. Während eine kritische Stimme in solcher Aneignung einen globalen Trend erkennt, sieht eine andere Stimme die Grenzen zum Konzept des weiterbestehenden (residual) Goodwills weniger klar gezeichnet. Weitere Anmerkungen betrafen die Einordnung dieser Praktiken als Wertungsfrage sowie die mögliche Tendenz zur Emotionalisierung und Moralisierung. Nach letzter Meinung sollte sich eine rechtliche Begutachtung im Sinne eines möglichst objektiven Vorgehens, wo immer möglich, von Wertungen lösen.

Die letzten Wortmeldungen erkannten zentrale Abgrenzungsfragen – und gelegentliche Kollisionen – der Bösgläubigkeit im Kennzeichen- mit jener im Designschutz. Das erinnerte wiederum an die ersten Beiträge des Workshops (siehe vorne I., II.), welche die Bösgläubigkeit über das Markenrecht hinaus als Grundbegriff des Zivil- und Immaterialgüterrechts verbanden. Damit war der thematische Bogen gespannt. Die zahlreichen, während des abschliessenden Mittagessens geführten, angeregten Diskussionen weckten Vorfreude auf den kommenden Workshop am 29.–30. August 2024, welcher die Erschöpfung im Kennzeichenrecht behandeln wird.