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Bericht über den Ittinger Workshop der INGRES zum Kennzeichenrecht vom 29. und 30. August 2024

Dieser Ittinger Workshop zum Kennzeichenrecht in seiner notabene 20. Ausgabe widmete sich der zulässigen Nutzung von markenrechtlich geschützten Zeichen und sowie deren Grenzen. Unter der inhaltlichen Leitung von Dr. Michael Ritscher und der organisatorischen Leitung von Dr. Christoph Gasser wurde an zwei sonnigen Tagen in der Kartause Ittingen die Erschöpfung von Markenrechten aus Sicht des schweizerischen sowie des Unionsrechts beleuchtet. Durch Einbezug wirtschaftspolitischer sowie lauterkeitsrechtlicher Überlegungen erlangte die Thematisierung von praxisrelevanten Fällen ihre notwendige gesamtheitliche Betrachtung.

L’atelier d’Ittingen sur le droit des signes distinctifs, qui en était à sa 20e édition, était consacré à l’utilisation licite des signes protégés par le droit des marques ainsi qu’à leurs limites. Sous la direction du Dr Michael Ritscher et la direction organisationnelle du Dr Christoph Gasser, l’épuisement des droits de marque a été examiné sous l’angle du droit suisse et du droit de l’Union pendant deux journées ensoleillées à la chartreuse Ittingen. En intégrant des considérations de politique économique ainsi que des aspects du droit de la concurrence déloyale, l’examen de cas pratiques pertinents a bénéficié de la perspective globale nécessaire.

Kaan Tasdemir,
M.A. HSG in Law & Economics, Zürich.

Richard Gao,
MLaw, Zürich.

I. Einleitende Gedanken

In seiner Einleitung wies Ritscher (Rechtsanwalt, Zürich) die Teilnehmenden auf die praktische Relevanz der Erschöpfung von Markenrechten hin. Das bislang nur punktuell im Rahmen der Diskussionen über die Schranken des Markenrechts behandelte Thema hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Produktinnovationen einerseits sowie der Wunsch von Konsumenten nach der Wiederverwendbarkeit von Produkten und ihrer Bestandteile andererseits werfen neue Fragen auf, für die weder das Gesetz noch die Rechtsprechung Antworten haben. Der Schwerpunkt des diesjährigen Workshops bestand deshalb in der rechtlichen Behandlung von Marken, die nach dem Inverkehrbringen durch Dritte verändert werden. Damit sind Veränderungen angesprochen, die ohne Zustimmung des Markeninhabers unter anderem durch Umverpackung oder Reparatur der Markenprodukte entstehen oder durch Recycling, Upcycling (Umwandlung von Original-Markenprodukten in neue Produkte) oder Debranding (Entfernung der Markenbezeichnung vom Markenprodukt) vor deren Weiterverkauf modifiziert werden. Ritscher wies drauf hin, dass das Thema stets auch einen wirtschaftspolitischen Hintergrund hat und dass die lauterkeitsrechtliche Perspektive mitberücksichtigt werden muss. Es ist zudem zentral, das Markenrecht möglichst nahe an der Markenrealität, d.h. aus der Sicht der Konsumenten und der Inhaber der Marken, zu betrachten. Den zu diesem Zweck durchgeführten empirischen Untersuchungen, welche die Denk- und Verhaltensweise des relevanten Verkehrskreises aufzeigen, kommt deshalb eine wichtige Rolle zu. Dies trifft umso mehr zu, wenn es sich nicht um berühmte Marken (i.S.v. Art. 15 MSchG) handelt.

II. Fallgruppen

Prof. Dr. Tobias Cohen Jehoram (Rechtsanwalt, Amsterdam) widmete sich in seinem Referat den Bestimmungen des Unionsrechts zur Erschöpfung von Markenrechten. Demnach kann ein Markeninhaber sich grundsätzlich der Nutzung seiner Marke durch Dritte für Waren, durch den Markeninhaber selbst oder mit seiner Zustimmung auf den EU-Markt gebracht wurden, nicht widersetzen. Anders als im Schweizer Recht kennt das Unionsrecht aber eine gesetzliche Ausnahme, wonach sich der Markeninhaber beim Vorliegen eines wichtigen Grundes gegen den Wiederverkauf seines Markenprodukts wehren kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich der Zustand des Produkts nach dem Inverkehrbringen durch den Markeninhaber verändert oder verschlechtert (Art. 15 (2) Richtlinie (EU) 2015/2436). Dabei ist zwischen einer blossen Veränderung und einer Verschlechterung zu unterscheiden, wobei eine Veränderung des Markenprodukts nicht zwingend zu einer Verschlechterung führt und umgekehrt eine Verschlechterung auch eintreten kann, ohne dass die Eigenschaften des Produkts verändert werden. Eine allfällige Abweichung vom Erschöpfungsgrundsatz, basierend auf einem wichtigen Grund, knüpft Cohen Jehoram an die Beeinträchtigung der Markenfunktionen an. Der Wiederverkauf ist in der Regel eine Situation der doppelten Identität, bei der nur dann eine Verletzung vorliegt, wenn eine oder mehrere der Funktionen der Marke betroffen sind. Da jedoch selbst der Wiederverkauf eines erschöpften Werkexemplars (z.B. der Weiterverkauf eines Luxusprodukts in einem Discountergeschäft; vgl. EuGH vom 4. November 1997; 337/95, Dior/Evora) oder deren Verwendung in einer Werbung eines Dritten (vgl. EuGH vom 23. Februar 1999; 63/97, BMW/Deeni») zulässig sein kann, obwohl sie Funktionen der Originalmarke beeinträchtigen, erscheint dieses Kriterium nicht ausreichend, um eine generelle Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz zu begründen. Cohen Jehoram bemerkte, dass es fraglich ist, ob sich aus dem Markenrecht eindeutige Antworten auf die Fragen, die sich unter anderem aus dem Markengebrauch im Metaverse oder aufgrund von neuartigen Produktangeboten zur Gestaltung einer Kreislaufwirtschaft (vgl. Art. 37 Charta der Grundrechte der EU) ergeben. Sowohl die Reparatur als auch weitere der eingangs erwähnten Produktinnovationen verlängern grundsätzlich die Lebensdauer des Markenprodukts, während das Markenrecht auf den gewöhnlichen Lebenszyklus eines Produkts ausgelegt ist. Ein Weiterverkauf von veränderten Produkten erfolgt wahlweise entweder unter Weiterverwendung der Originalmarke, durch deren Entfernung, oder gegebenenfalls durch das Anbringen einer neuen Marke. In diesem Zusammenhang kann der Markeninhaber sich zwar gegen die Entfernung der Marke beim ersten Inverkehrbringen des Markenprodukts wehren (ECJ vom 25. Juli 2018, C-129/17, Mitsubishi v. Duma). Wird die Marke aber nach erstmaligem Inverkehrbringen entfernt, ist es für den Markeninhaber schwierig, den Nachweis zu erbringen, dass sein Markenrecht verletzt wird. Dazu kommt, dass man einem Produkt nicht direkt ansieht, ob dieses repariert und die Originalteile ersetzt wurden. Der Markeninhaber wird dadurch neben Haftungsrisiken auch dem Risiko der Rufschädigung und unmittelbar der Beeinträchtigung der Funktionen seiner Marke ausgesetzt. Letzteres insbesondere dann, wenn Konsumenten trotz Entfernung des Zeichens das Produkt mit dem Markeninhaber assoziieren. Eine weitere Fallgruppe stellt der Handel mit Non-Fungible-Tokens (NFTs) dar. Cohen Jehoram stellte den Fall StockX vs. Nike vor (S.D.N.Y Nike, Inc v StockX LLC, 1:22-CV-00983-VEC) vor. Im Entscheid beschäftigt sich das Gericht mit dem Geschäftsmodell von StockX, dass primär den Wiederkauf von Secondhand-Schuhen beinhaltet. Unter ihrer zusätzlichen Dienstleistung The Vault ermöglicht StockX ihren Kunden die Verifikation der physischen Produkte sowie die Einsicht in die Eigentümerhistorie mittels produktspezifischer NFTs, worüber diese Informationen zum Markenprodukt eingesehen werden können. Grund für den Rechtsstreit bildet die Entwicklung eines Sekundärmarkts, auf dem die Kunden die mit der Marke Nike versehenen NFTs veräussern und dadurch mutmasslich den Eindruck erwecken, dass es sich bei den NFTs um Markenprodukte von Nike handelt. In diesem Zusammenhang stellt sich insbesondere die Frage, ob es sich dabei um zulässige Wiederverkäufe von erschöpften Markenprodukten handelt oder, einen Schritt zurück, bereits die Erstellung eines NFT als erstmalige Inverkehrsetzung der Produkte und damit originär als Markenverletzung qualifiziert werden muss. Der Entscheid des US-Gerichts ist noch ausstehend. Abschliessend verwies Cohen Jehoram auf die jüngste Rechtsprechung des EuGH betreffend die Beweislastverteilung beim Nachweis der Erschöpfung von Markenrechten (EuGH vom 18 Januar 2024, C-367/21, HP vs. Senetic). Nach Ansicht des EuGH reicht es bei den Umständen, wie sie dem Sachverhalt im erwähnten Entschied zugrunde liegen, nicht mehr aus, dass ein Markeninhaber lediglich behauptet, dass die vom Parallelhändler vertriebenen (Original-)Waren nicht aus dem EWR stammen. Der Markeninhaber muss diesen Umstand fortan beweisen. Gelingt ihm dies nicht, wird die Erschöpfung der Rechte für die vom Parallelhändler vertriebenen Produkte vermutet. Die Beweislast für die Erschöpfung, die ursprünglich beim Parallelhändler lag, trifft diesen somit nur noch dann, wenn der Markeninhaber zuvor erfolgreich einen Erstvermarktungsort ausserhalb des EWR nachgewiesen hat.

III. Die Sicht des Branding

Die Marke ist ein in der Psyche der Konsumenten und sonstiger Bezugsgruppen verankertes, unverwechselbares subjektives Vorstellungsbild, bemerkte Dr. Thomas Deigendesch (Ökonom, Jung von Matt, Zürich), und widmete sich in seinem Beitrag der Entstehung und Wahrnehmung von Marken. So einzigartig ein Markenprodukt auch sein mag – am Ende komme es nicht per se auf das äussere Erscheinungsbild der Marke an, sondern darauf, welche Emotionen die Farben, Zeichen und Symbole bei einem jeden Individuum auslösen. Anhand von illustrativen Beispielen zeigte Deigendesch auf, dass die Unterscheidung zwischen zwei identischen Produkten letztlich aufgrund der unterschiedlichen Wahrnehmung der Marken erfolgt, und dies, ohne das physische Produkt je erlebt zu haben. Eingehend auf die Markenfunktionen hält Deigendesch fest, dass Marken den Konsumenten als Orientierungsbojen dienen. So senken Marken die Transaktionskosten bei Konsumentscheiden, da Konsumenten sich in Anbetracht der Fülle an austauschbaren Produkten sowie in Zeiten von Unsicherheiten, auf Vertrautes zurückbesinnen und Produkte mit starkem Markenvertrauen bevorzugen. Eine starkes Markenvertrauen erhöht die Resilienz des dazugehörigen Unternehmens, weil selbst die negative Berichterstattung über eine Marke nur insoweit schädigend ausfällt, als es die emotionale Verbundenheit von Konsumenten mit der Marke umzustossen vermag. Die Wertschöpfung einer Marke ist deshalb nicht bloss auf den Nutzen des Produkts beschränkt. Insbesondere starke Marken bedienen vielmehr die emotionalen Bedürfnisse von Konsumenten, durch den Besitz von Markenprodukten die Zugehörigkeit zu einer sozial-exklusiven Gruppe zu signalisieren oder gesellschaftliche Werthaltungen zu transportieren. Wichtig für den Aufbau von starken Marken ist deshalb die richtige Positionierung auf dem Markt sowie die kontinuierliche Vermittlung von Markenerlebnissen, die zu einem Wiedererkennungswert führen. Mit Bezug auf den Entscheid Hermès/Rothschild (678. F. Supp. 3d 475, 486 [S.D.N.Y. 2023]), bemerkte Deigendesch, dass durch die Spiegelung der Exklusivität von Hèrmes’ «Birkin-Taschen» in der Wiedergabeform als NFTs eine Täuschung von Konsumenten erfolgt. Gerade weil die Markeninhaberin dafür bekannt ist, ihre physischen Markenprodukte besonders restriktiv abzusetzen, kann der Anschein erweckt werden, dass die Markeninhaberin auch Urheberin der NFTs ist. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Erkenntnisse aus dem Entscheid nicht ohne Weiteres auf den Markenschutz für weniger bekannte Marken übertragen werden können. Nicht zuletzt, weil es vom Einzelfall abhängt, ob eine Markenidentität überhaupt besteht und inwiefern diese durch die unbefugte Verwendung beeinträchtigt wird, was letztlich basierend auf der Wahrnehmung der Konsumenten zu eruieren ist.

IV. Die wirtschaftspolitische Sicht

Gemäss Ritscher stellte sich die Frage der Erschöpfung originär im internationalen Verhältnis und war zuerst ein wirtschaftspolitisches Thema. Im Lichte dieser Ausgangslage widmete Prof. em. Thomas Cottier (Bern) seine Präsentation der Erschöpfung aus wirtschaftspolitischer Sicht. Das Markenrecht beschränkt sich nicht auf die Unterscheidung von Produkten, sondern bildet auch einen Teil des Investitionsschutzes. Dies ist spätestens dann der Fall, wenn man eine Marke bewerben muss. Ferner dient die Marke auch dem Reputationsschutz und es liegt daher auch im Interesse der Konsumenten, Markenprodukte auseinanderhalten zu können. Ausgangslage für nationale Rechtssysteme der Mitgliedsstaaten bilden dabei die drei Säulen des multilateralen Handelssystems der WTO: TRIPS, GATT und GATS. Das TRIPS formuliert dabei multilaterale Mindestschutzstandards und soll dadurch sicherstellen, dass die Durchsetzung geistigen Eigentums nicht selbst zur Schranke für den rechtmässigen Handel wird. Die Erschöpfung ist auch unter Art. 6 TRIPS an die erstmalige Inverkehrsetzung geknüpft. In der Disposition der Mitgliedsstaaten liegt einzig, ob die Inverkehrsetzung nur im Inland oder auch im Ausland zur Erschöpfung führt. Eingehend auf die daraus gebildeten Erschöpfungsgrundsätze der Schweiz und der EU erläuterte Cottier jeweils die wirtschaftspolitischen Motive dahinter. Die im Schweizer Patentrecht vorherrschende nationale Erschöpfung dient dabei dem Interesse der hiesigen Exportwirtschaft an Preisdifferenzierung und Marktsegmentierung. Die Besonderheit des EWR mit dem im Innenverhältnis, d.h. zwischen den Mitgliedsstaaten, vorherrschenden Meistbegünstigungsprinzip kombiniert mit der Anwendung der nationalen Erschöpfung im Verhältnis zu Drittstaaten, deckt sich wiederum mit dem Grundgedanken der Zollunion. Unter Anwendung des GATT unterliegen die Erschöpfungsgrundsätze der Notwendigkeits- und Verhältnismässigkeitsprüfung (Art. XX(d) GATT). Gleichzeitig vermittelt die Zielsetzung im TRIPS-Abkommen den Beurteilungsmassstab für die Zweckmässigkeit, wonach die Ausgestaltung des Rechts sowohl die Interessen des Rechtsinhabers als auch der Konsumenten inkludieren soll. Die Anwendung des WTO-Rechts untergräbt damit im Einzelfall die Anwendung der nationalen und regionalen Erschöpfung, wobei Mitgliedsstaaten innerstaatlich höhere Schutzstandards vorsehen können. Cottier bemerkte mit Verweis auf die Streitbeilegungspraxis der WTO, dass anstelle der Erschöpfungstatbestände weniger einschneidende, handelspolitische Instrumente für die Regulierung von Handelsströmen genutzt werden sollten (z.B. Einfuhrzölle). Eine weitere Alternative zu den Erschöpfungsregimen ergibt sich im Bereich der markengeschützten Waren, wobei Markeninhaber mittels Produktdifferenzierung die Einfuhr von Produkten verbieten können. Da gemäss Art. 16 TRIPS eine Verwechslungsgefahr bei der Verwendung von identischen Marken für dieselben Produkte vermutet wird, können Hersteller resp. Markeninhaber durch die Veränderung der physischen Eigenschaften eines im Ausland vermarkteten Produkts dessen Einfuhr aufgrund des Markenschutzes verbieten lassen. Dahingegen ist gemäss Cottier unter der Anwendung des GATT noch zu wenig erforscht, inwiefern Beschränkungen gestützt auf Immaterialgüterrechte begründet werden können. Eine EU-Bestimmung, welche die Erschöpfung von Dienstleistungen regelt, besteht nicht.

V. Kartellrechtliche Aspekte

Amalie Wijesundera (Rechtsanwältin, Zürich) referierte über kartellrechtliche Aspekte des Markenrechts und ging einleitend auf den Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 KG ein. Der Wortlaut dieses Artikels lautet wie folgt: «Nicht unter das Gesetz fallen Wettbewerbswirkungen, die sich ausschliesslich aus der Gesetzgebung über das geistige Eigentum ergeben. Hingegen unterliegen Einfuhrbeschränkungen, die sich auf Rechte des geistigen Eigentums stützen, der Beurteilung nach diesem Gesetz.» Dieses Verhältnis zwischen Immaterialgüter- und Kartellrecht wird durch die Lehre, Behörden und Rechtsprechung unterschiedlich interpretiert. Die Wettbewerbskommission und das Bundesverwaltungsgericht interpretieren Art. 3 Abs. 2 KG aus einer geltungszeitlichen Perspektive. Dieser Artikel ist nicht als Anwendungsvorbehalt zu betrachten, sondern als Norm, welche die notwendige Koordination von Immaterialgüter- und Kartellrecht verdeutlicht, um eine einseitige Berücksichtigung des Kartellrechts zu verhindern. Wijesundera präsentierte auch eine Sichtweise aus der Lehre: Heinemann vertritt die Ansicht, dass das Kartellrecht auch auf Wettbewerbsbeschränkungen im Kontext von Immaterialgüterrechten in vollem Umfang anwendbar ist. Denn Wettbewerbswirkungen ergeben sich niemals ausschliesslich aus der Gesetzgebung über das geistige Eigentum, sondern aus dem Einsatz einschlägiger Rechte auf einem Markt. Dies hat zur Konsequenz, dass bei der Ausübung von Immaterialgüterrechten immer zu beachten ist, ob diese nach dem Kartellgesetz unzulässig ist. Als besonders problematisch betrachtet Wijesundera Vereinbarungen zwischen konkurrierenden Unternehmen betreffend die Festsetzung von Preisen, die Einschränkung von Produktions-, Bezugs- oder Liefermengen sowie die Aufteilung von Gebieten oder Geschäftspartnern. Auch Vereinbarungen zwischen Lieferanten und Abnehmern betreffend Mindest- oder Festpreise sowie die Zuweisung von Gebieten schätzt Wijesundera als heikel ein. Schliesslich ist der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung als bedenklich zu betrachten. Des Weiteren referierte Wijesundera über mögliche Schnittstellen zwischen Immaterialgüter- und Kartellrecht. Diese Schnittstellen bestehen insbesondere in der Registrierung und Lizenzierung von Immaterialgüterrechten sowie bei Parallelimporten, der Lizenzpflicht und -verweigerung und bei Klagen gestützt auf Immaterialgüterrechte. Im Folgenden ging Wijesundera auf die einzelnen Schnittstellen ein. Bezüglich der Registrierung präsentierte Wijesundera beispielhaft die Entscheide Consten/Grundig (EuGH vom 13. Juli 1966; 56 und 58/64) sowie Osram/Airam (EU-Kommission, XIth Report on Competition Policy [1981]). Der Europäische Gerichtshof entschied in Sachen Consten/Grundig, dass Markenregistrierungen bzw. diesbezügliche Vereinbarungen unzulässig sind, wenn damit der freie Warenverkehr behindert wird. Dem Entscheid der EU-Kommission in Sachen Osram/Airam ist zu entnehmen, dass strategisch-defensive Markenregistrierungen durch marktbeherrschende Unternehmen potenziell missbräuchlich sein können. Als Nächstes ging Wijesundera auf Schnittstellen im Zusammenhang mit der Lizenzierung ein und präsentierte die Entscheide DSD (EU-Kommission, COMP D3/34493) und Pronuptia de Paris v. Pronuptia De Paris Irmgard Schilligallis (EuGH, 161/84). Im ersten Entscheid (DSD) erkannte das Gericht, dass Klauseln in Markenlizenzverträgen, die missbräuchliche Lizenzgebühren bzw. Konditionen begründen, nichtig sind. Die EU-Kommission erkannte im zweiten Entscheid (Pronuptia), dass das Kartellrecht auf Franchiseverträge anwendbar ist, wobei Beschränkungen nur zulässig sind, wenn sie für den Schutz von Immaterialgüterrechten unerlässlich sind. Wijesundera betonte zudem, dass die EU-Technologietransfergruppenfreistellungsverordnung (TT-GVO) und deren Leitlinien mit gewissen Einschränkungen auch aus schweizerischer Sicht grundsätzlich relevant sind. Anschliessend widmete sich Wijesundera den Parallelimporten. Das Bundesgericht erkannte, dass bei markenrechtlich geschützten Produkten die internationale Erschöpfung gilt (BGE 86II 270 ff., Philipps; bestätigt in BGE 122 III 469 ff., Chanel/EPA). Des Weiteren ist das Kartellgesetz weltweit anwendbar und der Art. 5 Abs. 4 KG gilt auch für Lizenzverträge (BGE 143 II 297 ff., Gaba). Schliesslich werden auch Exportverbote weltweit vom schweizerischen Kartellgesetz erfasst. Betreffend die Lieferpflicht ist festzuhalten, dass es in der Schweiz noch keine gerichtliche Praxis zu Zwangslizenzen im Falle einer marktbeherrschenden Stellung gibt. Gemäss Wijesundera ist es aber denkbar, dass die unionale Rechtsprechung i.S. Magill (EuGH, C-241/91 P und C-242/91 P) und IMS Health (EuGH, C-418/01) analog angewendet wird. Das Bundesgericht hat im Entscheid DCC (BGer vom 2. November 2022, 2C_596/2019) erkannt, dass die Verweigerung der Offenlegung immaterialgüterrechtlich geschützter Information und der Lizenzierung derselben im Falle einer marktbeherrschenden Stellung unter Umständen missbräuchlich sein kann. Schliesslich ging Wijesundera auf Klagen ein, die sich auf Immaterialgüterrechte stützen. Unbegründete Klagen wegen Urheberrechtsverletzungen können als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung geprüft werden (Abl. Nr. L 286/36, BBl/Boosey & Hawks). Zudem gilt die Einreichung von Klagen gestützt auf Immaterialgüterrechte als missbräuchlich, wenn die Klagen vernünftigerweise nicht als Geltendmachung der Rechte des betreffenden Unternehmens verstanden werden können und daher nur dazu dienen, den Gegner bzw. einen Marktteilnehmer zu belästigen (EuG, T-111/96, ITT Promedia/Belgacom). Abschliessend hielt Wijesundera fest, dass das Kartellrecht parallel zum Immaterialgüterrecht anzuwenden ist. Folglich ist das Kartellrecht bei jeder Phase der Anwendung von Immaterialgüterrechten zu beachten, was bereits für die Registrierungsphase gilt. Neben dem schweizerischen Kartellgesetz ist auch die Praxis der EU-Kommission und -Gerichte zur Schnittstelle zwischen Immaterialgüter- und Kartellrecht wichtig. Dies gilt insbesondere für die TT-GVO und deren Leitlinien.

VI. Die Einordnung im schweizerischen Kennzeichenrecht

Simone Huser (Rechtsanwältin, Zürich) befasste sich mit der Einordnung der Erschöpfung von Markenrechten im schweizerischen Kennzeichenrecht. Zunächst ist festzustellen, dass nur das Patentrecht (Art. 9a PatG) und das Urheberrecht (Art. 12 URG) über eine Regelung bezüglich des Erschöpfungsgrundsatzes verfügen. Eine solche Regelung fehlt im Design- und Markenrecht. Der Erschöpfungstatbestand besagt, dass das ausschliessliche Verbreitungsrecht des Markeninhabers an einer gekennzeichneten Ware sich nach dem erstmaligen Inverkehrbringen durch den Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung in Bezug auf das konkrete Warenexemplar erschöpft (vgl. BGer, sic! 2002, 605 E. 6.1, KWCBGE 122 III 569 ff. E. 5e, Chanel I). Im Markenrecht gilt der Grundsatz der internationalen Erschöpfung (BGE 122 III 469 ff., Chanel I; BGer, sic! 2000, 310, 312, Chanel IV; BGer, sic! 2002, 605, KWC). Folglich sind Parallelimporte aus markenrechtlicher Sicht zulässig. Fraglich ist, ob die internationale Erschöpfung auch bei qualitativ minderwertigen Originalprodukten gilt. Betreffend die ratio legis des Erschöpfungsgrundsatzes sind mehrere Punkte zu berücksichtigen: Einerseits soll der Wirtschaftsverkehr nicht übermässig belastet werden. Andererseits muss zwischen den widersprechenden Interessen des Markeninhabers an der Kontrolle der unter seiner Marke in Verkehr gebrachten Waren und dem Eigentumsrecht des Erwerbers der Ware sowie dem von der Wirtschaftsfreiheit geschützten Interesse am freien Warenhandel ein Ausgleich gefunden werden. Danach führte Huser aus, dass der Erschöpfungsgrundsatz als Schranke des markenrechtlichen Verbotsanspruches zu betrachten ist. Im MSchG ist kein gesetzlicher Schrankenkatalog zu finden; die einzige Ausnahme besteht in Art. 14 MSchG. Das Bundesgericht anerkennt darüber hinaus die Bewerbung des eigenen Angebots als markenrechtliche Schranke, sofern kein falscher Eindruck einer besonderen Beziehung zum Markeninhaber oder eine Berechtigung an der Marke als solcher besteht (BGE 128 III 146 ff., 149, VW/Audi). Die Markenparodie stellt eine weitere Schranke des Markenrechts dar. Bezüglich der Frage, ob die Kunstfreiheit als markenrechtliche Schranke anerkannt werden soll, divergieren die Meinungen. Die enge Definition des markenrechtlichen Verbotsanspruchs selbst kann ebenfalls als wichtige «Einschränkung» des Markenrechts betrachtet werden. Denn gemäss Art. 13 MSchG verleiht das Markenrecht das ausschliessliche Recht, die Marke zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen zu gebrauchen und darüber zu verfügen. Betreffend die berühmten Marken führte Huser aus, dass diese gemäss Art. 15 MSchG einen erweiterten Schutz vor Rufausbeutung und Rufbeeinträchtigung geniessen (Art. 15 MSchG). Neben der Herkunfts- und Unterscheidungsfunktion, die für alle Marken gelten, werden bei berühmten Marken auch der Schutz der Kommunikations- und Werbefunktion geschützt. Huser behandelte anschliessend die Ausnahmen vom Erschöpfungsgrundsatz. Im Grundsatz gilt, dass die rechtsrelevanten, also wesentlichen Veränderungen von Originalwaren betreffend die produktspezifischen Eigenschaften und Merkmale eine Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz darstellt (BGer, sic! 2024, 375, 381, Rolex). Dem zugrunde liegt ein funktionsbasierter Ansatz. Denn eine Marke soll nur vor einer Beeinträchtigung der Herkunfts- oder Unterscheidungsfunktion schützen. Nicht von Relevanz ist eine allfällige Veränderung des Rufs bzw. Images der Marke, die sich aus der werbemässigen Verwendung oder aus dem Vertrieb der Ware ergibt (BGer, sic! 2000, 310 E. 2b, Chanel IV; a.M. HGer SG, sic! 2010, 789 E. 4, Refoderm). Sodann äusserte sich Huser zur rechtlichen Würdigung des Debranding. Mangels Markengebrauchs liegt keine Markenverletzung vor. Wenn hingegen ein (wesentlich) verändertes Originalprodukt unter der ursprünglichen Marke weitervertrieben wird, muss entweder die Zustimmung des Markeninhabers eingeholt oder die Marke vom Produkt entfernt werden (BGer, sic! 2024, 375, 381, Rolex). Allfällig können jedoch lauterkeitsrechtliche Ansprüche aufgrund einer Irreführung über die eigene Leistung (Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG), aufgrund des Ausstattungsschutzes (Art. 3 Abs. 1 lit. d UWG) oder im Rahmen des Schutzes vor Rufausbeutung (Art. 3 Abs. 1 lit. e UWG), bestehen. Betreffend Wartungs- und Reparaturarbeiten ist zunächst festzuhalten, dass darunter die Wiederherstellung von produktspezifischen Eigenschaften und des ursprünglichen Zustandes verstanden wird. Gewisse übliche Reparaturen und Wartungen werden bei einem gebrauchten Produkt erwartet. Tendenziell ist darin keine wesentliche Veränderung produktspezifischer Eigenschaften zu erblicken. Ein möglicher Vorbehalt kann wohl dann geltend gemacht werden, wenn nicht originale, sondern qualitativ minderwertige Ersatzteile verwendet werden. Im Fall einer schlechten Wartung und Reparatur könnte eine Rufbeeinträchtigung i.S.d. Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 lit. e UWG oder i.S.d. Art. 15 MSchG im Fall einer berühmten Marke vorliegen. Nach diesen Ausführungen widmete sich Huser der Veränderung der Verpackung. Die Verpackung kann als wesentliches Merkmal der Ware betrachtet werden. Dies ist beispielsweise bei Arzneimittelverpackungen der Fall, die essentielle Informationen betreffend die Anwendung, (Kontra-)Indikation, Aufbewahrung etc. liefern. Blosse Fabrikations- und Kontrollnummern können jedoch nicht als wesentliche Produkteigenschaften betrachtet werden. Wie bereits bei der schlechten Wartung und Reparatur kann im Fall einer Veränderung der Verpackung eine Rufbeeinträchtigung vorliegen (Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 lit. e UWGArt. 15 MSchG [berühmte Marke]). Tendenziell ist gemäss Huser die wesentliche Veränderung zu bejahen. Das Eigentum am leeren Behälter ist zu berücksichtigen. Auch beim Re-, Up- und Downcycling ist gemäss Huser in der Tendenz die wesentliche Veränderung produktspezifischer Eigenschaften zu bejahen. Fraglich ist aber, ob ein kennzeichenmässiger Gebrauch vorliegt. Auch der Schutz der berühmten Marke (Art. 15 MSchG) und die Ansprüche aus dem UWG sind zu beachten. Insbesondere beim Customizing ist zwischen der wesentlichen und der unwesentlichen Änderung (bspw. Eingravieren von kleinen Initialen) zu differenzieren. Auch hier ist das Eigentum an der Sache zu berücksichtigen. Den Teil betreffend das Customizing schloss Huser mit der Vorstellung des Entscheids Rolex (BGer 4A_171/2023) ab.

VII. Die Einordnung im EU-Recht

Abschliessend referierten Prof. Dr. h.c. Annette Kur (München) und Prof. Dr. Alexander von Mühlendahl (Rechtsanwalt, München) über die Erschöpfung im Unionsrecht. Zunächst widmete sich Kur der historischen Genese. Das heutige Verständnis der markenrechtlichen Erschöpfung ist im Lichte des EWG-Vertrages (EWG-V.) und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu betrachten. Namentlich die Urteile zu den Art. 30, 36, 85 und 86 sind in diesem Zusammenhang von Relevanz. Zu den Art. 85 und 86 EWG-V. stellte Kur unter anderem die Entscheide des EuGH Consten/Grundig sowie Sirena/Eda (EuGH vom 11. Februar 1971, 40/70) vor. Betreffend den spezifischen Schutzgegenstand und die Art. 30 und 36 EWG-V. referierte Kur über die Entscheide CBK-Sucal/HAG (C-10/89, HAG II) und Centrafarm/Winthrop (C-16/74). Der Grundsatz der regionalen Erschöpfung ergibt sich aus der Rechtsprechung zum spezifischen Schutzgegenstand (Centrafarm/Winthrop, s.o.). Bezüglich der «Umpackfälle» hat der EuGH fünf Kriterien erarbeitet, unter denen das Umpacken von Originalware in eine andere Verpackung zulässig ist (, 102/77, Hoffman/LaRoche; C-71–73/94, Eurimpharm). Diese Kriterien gelten auch für die Umetikettierung (C-349/95, Loendersloot/Ballantines) und das Ummarkieren von Waren (3/78, American Home Products; C-379/97, Upjohn). Betreffend die Gesetzgebung von 1964 bis 1988 ist hervorzuheben, dass die Markenrechtsrichtlinie im Lichte unionaler Grundgedanken zu verstehen ist. So wurde im Kommissionsvorschlag für die Markenrechtsrichtlinie von 1980 festgehalten, dass der markenrechtliche Schutz eng auszulegen ist, damit der freie Waren- und Dienstleistungsverkehr nicht mehr behindert wird, als es zum Schutze der Marken nötig ist. Insbesondere die Gewährleistung des unverfälschten Wettbewerbs auf dem gemeinsamen Markt setzt bezüglich des Erschöpfungsgrundsatzes voraus, dass Unternehmen mit einer Hauptniederlassung in einem Drittland nicht die Einfuhr von Waren zu günstigeren Preisen in den gemeinsamen Markt verhindern können. Dieser Vorschlag zur Einführung der internationalen Erschöpfung wurde jedoch verworfen. Bezüglich der Beweislast ging von Mühlendahl eingangs auf die Rechtsprechung des EuGH ein. Im Urteil vom 8. April 2003, C-244/00, in Sachen Van Doren + Q. GmbH ./. lifestyle sports + sportswear Handelsgesellschaft mbH («Stüssy») ging es um ein Vorabentscheidungsersuchen des BGH. Diesem Urteil lag die nachfolgende Vorlagefrage zugrunde: «Sind die Artikel 28 EG und 30 EG dahin auszulegen, dass sie die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften erlauben, nach denen ein wegen des Vertriebes von Originalware aus einer Marke in Anspruch genommener Verletzer, der sich auf die Erschöpfung des Markenrechts im Sinne von Artikel 7 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG beruft, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat, dass die von ihm vertriebene Ware zuvor erstmals bereits vom Markeninhaber selbst oder mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden ist?» Sodann führte die Generalanwältin C. Stix-Hackl aus, dass die oben genannten Normen der Anwendung nationaler Beweislastregeln zum Nachweis des Erschöpfungstatbestands nach Art. 7 der Richtlinie 89/104/EWG grundsätzlich nicht entgegenstehen. Generalanwältin Stix-Hackl hielt jedoch fest, dass sicherzustellen ist, dass solche nationalen Vorschriften dem Markeninhaber nicht die Möglichkeit geben, die nationalen Märkte abzuschotten und dadurch Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten zu begünstigen. Zudem darf die Beweisführung durch den in Anspruch genommenen Wirtschaftsteilnehmer nicht unmöglich gemacht oder derart erschwert werden, sodass diesem der Nachweis der Erschöpfung nur unter unzumutbaren Umständen, insbesondere durch Offenlegung seiner Bezugsquellen und das damit einhergehende Risiko der Vereitelung derselben, gelingen kann. Der Gerichtshof stimmte diesen Ausführungen zu und wies insbesondere darauf hin, dass den Markeninhaber die Beweislast trifft, sofern er seine Waren im EWR über ein ausschliessliches Vertriebssystem in Verkehr bringt und der Dritte gleichzeitig nachweisen kann, dass eine tatsächliche Gefahr der Abschottung der nationalen Märkte besteht, falls ihn die Beweislast trifft. Als Nächstes widmete sich von Mühlendahl der Frage, ob das Befüllen von Behältern, die mit Marken versehen sind, vom Erschöpfungstatbestand erfasst werden und ob eine Markenverletzung oder eine zulässige Benutzung einer fremden Marke für eigene Produkte vorliegt. Anschliessend behandelten Kur und von Mühlendahl die Sekundärmärkte, die Gebrauchtwaren, Reparatur, Upcycling, Recycling etc. umfassen. Im Fokus standen insbesondere die Entscheide des EuGH C-63/97 vom 23. Februar 1999, BMW/Deenik, C-558/08, vom 8. Juli 2010, Primakabin/Portakabin und vom 25. Juli 2018, C-129/17, Mitsubishi/Duma. Dem Entscheid Primakabin/Portakabin lag der folgende Sachverhalt zugrunde: Die Beklagte verkauft und vermietet neue und gebrauchte mobile Gebäude, darunter auch solche der Klägerin. Dabei ersetzt die Beklagte die klägerische Marke «Portakabin» auf dem Produkt durch die eigene Marke «Primakabin». Gleichzeitig verwendet sie die klägerische Marke als Keyword und in der Werbung. Die Klägerin wendet sich gegen die Verwendung ihrer Marke. Die Entfernung und der Ersatz durch diejenige der Beklagten wird im vorliegenden Urteil nicht thematisiert. Im Entscheid wird betont, dass der Verkauf «aus zweiter Hand» eine fest etablierte Form des Verkaufs von Gebrauchtwaren darstellt und somit nicht ohne Weiteres die Vorstellung hervorgerufen wird, es bestehe eine wirtschaftliche Verbindung zwischen dem Wiederverkäufer und dem Markeninhaber. Dasselbe gilt für die Rufschädigung. Des Weiteren hält das Gericht fest, dass der Markeninhaber sich der Benutzung seiner Marke durch den Wiederverkäufer widersetzen kann, wenn dieser die Marke ohne Zustimmung des Inhabers von den Waren entfernt und dieses durch ein Etikett mit dem Namen des Wiederverkäufers ersetzt, sodass die Marke des Herstellers der Waren unkenntlich gemacht wird. Denn durch ein solches Verhalten wird die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt.

VIII. Diskussionen der Fallgruppen (Reparatur, Auffrischung, Upcycling, Recycling, Nachfüllen, Umpacken, Debranding und Rebranding)

Den Abschluss der Tagung bildete die Diskussion der verschiedenen Fallgruppen. Eingangs wurde über den Entscheid Mitsubishi/Duma debattiert. Betreffend das Recht auf die erste Inverkehrsetzung merkte Dr. Verena von Bomhard (Rechtsanwältin, Alicante) an, dass der Entscheid aus markenrechtlicher Sicht nicht nachvollziehbar ist, da es an der Markenbenutzung fehlt und es in jedem Fall schwierig ist, die Erschöpfung ohne die Benutzung zu betrachten. Fraglich ist, wie inskünftig mit derartigen Konstellationen umzugehen ist.

Ritscher weist darauf hin, dass der markenrechtliche Schutz nicht für die Ewigkeit besteht, sondern nur so lange, wie eine Marke auch rechtserhaltend genutzt wird. Die Sorge vor ewigen Monopolen ist daher unbegründet. Ohnehin liegt kein Monopolrecht im engeren Sinne vor, das zu einem positiven Tun berechtigt. Daher ist gemäss Ritscher die Verwendung der Terminologie «Monopol» gefährlich, wenn man damit argumentiert, dass deswegen Markenrechte restriktiv zu schützen sind.

Das Markenrecht schützt, so Dr. Peter Schramm (Rechtsanwalt, Zürich) nicht eine Produktform, sondern ein Kennzeichen. Eine Verkehrsdurchsetzung gelingt nur in den seltensten Fällen und ist beweistechnisch schwer nachweisbar.

Auf die Frage aus dem Plenum nach dem wirtschaftlichen Hintergrund des Debranding weist Kur darauf hin, dass Duma als autorisierter Importeur der Gabelstapler nach der Auflösung der Zusammenarbeit seitens Mitsubishi seinen Kundenstamm weiter mit dem Produkt bedienen wollte.

Von Bomhard möchte von der Ableitung einer allgemeinen Praxisregel aus diesem Entscheid absehen und geht mit Ritscher einher, der bemerkte, dass in diesem Urteil der Gerichtshof unter dem Deckmantel des Markenrechts den Versuch unternommen hat, das Lauterkeitsrecht im Geschäftsverkehr (B2B) zu harmonisieren. Kur weist darauf hin, dass sie es zwar begrüsst, dass der EuGH jede Form der Markenverwendung, auch wenn sie im referierenden Sinne erfolgt (referentielle Benutzung), zunächst unter den Gesichtspunkten des Markenrechts und im zweiten Schritt ausgehend von den Markenfunktionen ergänzend nach dem Lauterkeitsrecht prüft. In diesem Entscheid ging der EuGH aber gemäss Kur über die vom Gesetzgeber gesetzten Grenzen hinaus, indem er die Funktionslehre sowie den Begriff des unverfälschten Wettbewerbs dazu nutzte, einen autonomen Ansatz für unlauteres B2B-Verhalten zu entwickeln, ohne die Grenzen der bisherigen Rechtsharmonisierung gebührend zu berücksichtigen.

Gemäss Huser könnten, wenn der Produktform Unterscheidungskraft zukommen würde, unter Anwendung des schweizerischen UWG lauterkeitsrechtliche Ansprüche aufgrund einer potenziellen Verwechslungsgefahr und Rufausbeutung geltend gemacht werden (Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG). Entgegen einzelner Ansichten in der Lehre lehnen Huser und Ritscher die Ansicht, dass es sich aufgrund der Entfernung der Marke um eine Markenverletzung handeln würde, ab und verweisen darauf, dass es sich dabei nicht um einen markenmässigen Gebrauch handelt. Jehoram bemerkt diesbezüglich, dass im Unionsrecht vergleichsweise schnell auf einen markenmässigen Gebrauch geschlossen wird, um eine Harmonisierung zu erreichen.

Kaan Tasdemir / Richard Gao | 2025 Ausgabe 5