Mitgeteilt von Mischa Senn, Prof. Dr. iur., Fachexperte und Vizepräsident der SLK.
Entscheid der Schweizerischen Lauterkeitskommission (SLKE) vom 15. September 2021 (I. Kammer) UWG 3 I o (fernmeldetechnisch versandte Massenwerbung). Fernmeldetechnisch versandte Massenwerbung bedarf der Einwilligung des Kunden. Keine Einwilligung ist erforderlich, wenn der Kunde aus früheren Beziehungen Kontaktinformationen abgegeben hatte (E. 3).
Gemäss Rechtsprechung der Lauterkeitskommission begründet das blosse Zustellen von Werbung noch keine Kundenbeziehung (E. 4). Bei einer (wiederholten) Zustellung von Werbe-E-Mails kann auch dann nicht von einer impliziten Zustimmung ausgegangen werden, wenn sich der Empfänger nicht gegen die Zustellung ausspricht (E. 6).1
LCD 3 I o (publicité de masse envoyée par voie de télécommunication). La publicité de masse envoyée par voie de télécommunication requiert le consentement du client. Le consentement n’est pas nécessaire si le client avait transmis ses coordonnées dans le cadre de relations antérieures (consid. 3).
Selon la jurisprudence de la Commission Suisse pour la Loyauté, le simple envoi de publicité ne crée pas encore de relation commerciale (consid. 4). En cas d’envois (répétés) d’e-mails publicitaires, on ne peut pas non plus considérer qu’il y a consentement implicite si le destinataire ne s’oppose pas à ces envois (consid. 6).2
Ein Unternehmen erhielt eine Werbe-E-Mail eines Personalberatungsunternehmens und erhob dagegen Beschwerde. Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass sie eine direktadressierte Werbung mittels E-Mail-Zustellung zugestellt erhielt, obschon zwischen ihr und der Beschwerdegegnerin keine Kundenbeziehung vorgelegen hätte. Die Beschwerdegegnerin stellte sich auf den Standpunkt, dass eine Kundenbeziehung aufgrund einer langjährigen Zustellung von Werbung bestünde.
Die I. Kammer hat die Beschwerde gutgeheissen und der Beschwerdegegnerin empfohlen, diesem Unternehmen inskünftig keine Werbe-E-Mails zuzustellen.
1.
Die Beschwerdeführerin hat eine Werbe-E-Mail der Beschwerdegegnerin erhalten, obwohl keine Kundenbeziehung bestehe und sie keine Zustimmung zur Zustellung von Newslettern erteilt habe.
2.
In ihrer Stellungnahme führt die Beschwerdegegnerin aus, es bestehe seit 2014 eine Kundenbeziehung und die Beschwerdeführerin habe nie mitgeteilt, keine kommerzielle Kommunikation mehr erhalten zu wollen. Es liege eine implizite Zustimmung vor. Die Zustellung sei daher gerechtfertigt und die Beschwerde sei abzuweisen.
3.
Gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. o des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) handelt unlauter, wer Massenwerbung ohne direkten Zusammenhang mit einem angeforderten Inhalt fernmeldetechnisch sendet oder solche Sendungen veranlasst und es dabei unterlässt, vorher die Einwilligung der Kunden einzuholen, den korrekten Absender anzugeben oder auf eine problemlose und kostenlose Ablehnungsmöglichkeit hinzuweisen. Ohne Einwilligung des Kunden darf Massenwerbung für ähnliche Waren, Werke oder Leistungen an ihn versendet werden, wenn er seine Kontaktinformationen bei einem früheren Verkauf von Waren, Werken oder Leistungen angegeben hat. Verstösse gegen diese Bestimmung können mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden (Art. 23 UWG).
4.
Im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist strittig, ob eine Kundenbeziehung besteht oder nicht. Nach der Rechtsprechung der Lauterkeitskommission begründet das blosse Zustellen von Werbung noch keine Kundenbeziehung (SLK-Entscheid Nr. 140/2010 vom 12.5.2010), es muss sich um eine aktuelle, gegenwertige Kundenbeziehung handeln (SLK-Entscheid Nr. 275/2010 vom 30.6.2010) und ein vor mehr als drei Jahren zurückliegendes Vertragsverhältnis kann nicht mehr als rechtfertigende Kundenbeziehung dienen (SLK-Entscheid Nr. 419/2010 vom 16.3.2011).3
5.
Vor diesem Hintergrund kann die Beschwerdegegnerin keine rechtfertigende Kundenbeziehung geltend machen, zumal sie nicht nachweist, dass die Beschwerdeführerin innerhalb der letzten drei Jahre bei ihr Leistungen bezogen hat.
6.
Bei (wiederholter) Zustellung von Werbe-E-Mails darf die Beschwerdegegnerin nicht von einer impliziten Zustimmung ausgehen, wenn sich der Empfänger nicht gegen die Zustellung ausspricht. Die Zulässigkeit der Zustellung (gültige, nicht widerrufene Einwilligung oder aktuelle, gegenwertige Kundenbeziehung) muss bei jedem einzelnen Versand von Werbe-E-Mails gegeben sein.
7.
Vor diesem Hintergrund hat die Beschwerdegegnerin gegen Art. 3 Abs. 1 lit. o UWG verstossen und hat demnach unlauter gehandelt. Die Beschwerde ist gutzuheissen.
Fussnoten:
1 |
Die Leitsätze und die Sachverhaltsdarstellung sind nicht Bestandteil des offiziellen Entscheides; sie stammen vom Berichterstatter. |
2 |
Les principes généraux et l’exposé des faits ne font pas partie de l’arrêt officiel, mais proviennent du rapporteur. |
3 |
Hinweis des Berichterstatters: Zum Begriff der «Massenwerbung» vgl. den SLKE vom 17. März 2021 «Massenwerbung» (sic! 2021, 430) |