Stefan Scheibli – «Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind eine Herausforderung für Vorsorgestiftungen.»
Gesellschaftsrecht

Stefan Scheibli ist Geschäftsführer der Vorsorgestiftungen und Verwaltungsratssekretär der Bank WIR. Er ist Anwalt und hat sein Fachwissen in der beruflichen Vorsorge durch einen CAS am IRP-HSG vertieft. Zudem engagiert er sich als Vorstandsmitglied im Verein Vorsorge Schweiz (VVS), welcher sich für die Interessen der Freizügigkeits- und Säule-3a-Stiftungen und deren Kundinnen und Kunden einsetzt.
Sie sind Geschäftsführer einer Freizügigkeitsstiftung der WIR Bank sowie der Terzo Vorsorgestiftung der WIR Bank. Was machen diese Stiftungen?
Eine Freizügigkeitsstiftung verwaltet Vorsorgegelder von Personen, die aus einer Pensionskasse austreten und noch keine neue Anstellung haben. Sie dient dazu, das angesparte Kapital bis zum Eintritt in eine neue Pensionskasse oder bis zur Pensionierung sicher anzulegen und zu verwalten. Säule-3a-Stiftungen sind die wichtigste Form der privaten Selbstvorsorge. Die jährlichen Einzahlungen können bis zu einem bestimmten Maximalbetrag von den Steuern abgezogen werden. Die Kundinnen und Kunden können die Säule-3a-Stiftung und die Freizügigkeitsstiftung im Gegensatz zur Pensionskasse frei wählen. Die Vorsorgenehmer sind auch frei in Bezug auf die Anlageform. Sie können ihre Vorsorgegelder entweder bei der Bank WIR auf einem klassischen Konto mit einem Vorzugszins (sog. reine Sparlösung) oder via hauseigener Fintech-Lösung VIAC bis zu 100% in breit diversifizierte Fonds (sog. Wertschriftensparen) anlegen.
Was gehört zu Ihren Aufgaben?
In meiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Vorsorgestiftungen bin ich für die Überwachung des Tagesgeschäfts und die Bearbeitung von Spezialfällen zuständig. Insbesondere kontrolliere ich, ob die Voraussetzungen für einen Vorbezug (z.B. für den Erwerb von Wohneigentum) gegeben sind. Darüber hinaus bin ich auch für die Überarbeitung sämtlicher Reglemente und Antragsformulare, die Durchführung der Stiftungsratssitzungen sowie die Erstellung des Jahresabschlusses verantwortlich. Die Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen ist bei dieser Tätigkeit von hoher Relevanz, weshalb mir mein Hintergrund als Anwalt zugutekommt. In meiner Funktion als Verwaltungsratssekretär der Bank WIR bin ich hauptsächlich für die Vorbereitung und Protokollierung der Sitzungen zuständig. Ich empfinde diese Zusatzaufgabe als abwechslungsreiche Ergänzung.
Wie wurden Sie Geschäftsführer der Vorsorgestiftungen?
Ich begann im Legal-Team der Bank WIR. Als Inhouse-Anwalt war ich von Anfang an für die Verwaltung der Säule-3a-Stiftung und die Freizügigkeitsstiftung zuständig. Über die Jahre habe ich mich in diesen komplexen Bereich eingearbeitet und einen CAS Berufliche Vorsorge erworben. Nach der Pensionierung des Leiters Legal bot sich für mich die Gelegenheit, die Geschäftsführung der Vorsorgestiftungen zu übernehmen.
Welches sind die wichtigsten rechtlichen Rahmenbedingungen, mit denen Sie arbeiten?
Nebst den Grundsätzen des OR und ZGB sind insbesondere die Bestimmungen des BVG, des FZG und der FZV, der BVV 2 und BVV 3 sowie der Verordnung über die Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge (WEFV) relevant. Zudem sind die Kreisschreiben der ESTV (Nr. 17, 18 und 41) sowie die Weisungen und Mitteilungen der Oberaufsichtskommission (OAK) zu berücksichtigen. Viele der gesetzlichen Rahmenbedingungen sind jedoch auf Pensionskassen und nicht auf die Freizügigkeits- oder Säule-3a-Stiftung zugeschnitten, weshalb sich zahlreiche Bestimmungen nur analog anwenden lassen. Auch gibt es wenig spezifische Literatur und Rechtsprechung.
Welche rechtlichen Herausforderungen bestehen?
Durch die rechtliche Ausgangslage bestehen Spielräume, welche sowohl Freiheiten ermöglichen als auch gewisse Unsicherheiten in sich bergen. Dies fällt insbesondere bei Auslegungsfragen auf. So unterstehen die Freizügigkeits- und Säule-3a-Stiftungen einer regionalen Aufsichtsbehörde, was dazu führen kann, dass je nach Aufsichtsregion unterschiedliche Rahmenbedingungen gelten, obwohl die Vorsorgestiftungen untereinander im nationalen Wettbewerb stehen. Um sicherzustellen, dass die Interessen der Freizügigkeits- und Säule-3a-Stiftungen Gehör finden, haben sie sich zu einem Verband zusammengeschlossen, dem Verein Vorsorge Schweiz (VVS). Der VVS hat sich politisch für die Schaffung einer Einkaufsmöglichkeit bei der Säule 3a engagiert. Mit der Anpassung der BVV 3 sind Einkäufe in die Säule 3a ab 1.1.2026 in beschränktem Umfang möglich.
Marc Hanslin | legalis brief GesR 28.07.2025