V Vorgestellt

Alex Ertl – «Jeder Straftäter hat eine eigene Geschichte.»

Dr. Alex Ertl studierte nach der Handelsschule auf dem zweiten Bildungsweg Jura in Freiburg i. Üe. sowie als Erasmusstudent in Stockholm. Nach dem Studium erlangte er das Anwaltspatent. Er bildete sich in diversen Bereichen weiter und erlangte ein E.M.B.L.-HSG an der Universität St. Gallen und ein CAS in Arbeitsrecht an der Universität Zürich. Im Jahre 2015 promovierte er an der Universität Bern.

Wann sind Sie das erste Mal mit dem Strafrecht in Kontakt gekommen?

Als ich mit ca. 17 Jahren eine Busse für abgenutzte Reifen an meinem Töffli erhalten habe. Dies, nachdem sämtliche Töfflis beim Gymnasium kontrolliert wurden.

Mit welcher Person aus dem Bereich des Strafrechts (aktuell oder historisch) würden Sie gerne für einen Tag die Rollen tauschen?

Mit keiner Person. Ich würde mich jedoch gerne mal mit Geir Lippestad unterhalten. Er war der Strafverteidiger von Anders Behring Breivik, dem Attentäter von Oslo/Utoya.

Haben ihre Erfahrungen mit dem Strafrecht Sie bzw. die Sicht auf Menschen verändert?

Ja. Jeder Straftäter hat seine eigene Geschichte. Man wird toleranter und dankbarer, hier leben zu dürfen.

Machen Strafen Menschen zu bessern Leuten?

Das kommt auf jeden einzelnen Delinquenten an. Wie erwähnt, hat jeder seine eigene Geschichte. Bei gewissen Personen hilft die Strafe, sie von weiteren Strafen abzuhalten, bei anderen nicht. Ob diese Personen durch Strafen zu «besseren Mitmenschen» werden, kann man so nicht sagen. Zudem stellt sich die Frage, wie man «bessere Mitmenschen» qualifiziert. Ein verurteilter Raser kann ein fragwürdiges Hobby haben, aber gleichzeitig ein guter Familienvater, loyaler Mitarbeiter und hilfsbereiter Nachbar sein. Ein erfolgreicher Manager kann  sich nie strafbar gemacht haben, jedoch sein Geld verprassen, mehrere Affären gleichzeitig führen, seine Kinder und Frau vernachlässigen. Wer sodann der bessere Mitmensch ist, ist alleine aufgrund des Strafregisterauszuges nicht ersichtlich.

Wenn die die Möglichkeit hätten, was würden Sie ändern (Strafnormen, Strafsystem, Prozess etc.)?

Ich würde dafür besorgt sein, dass die Strafuntersuchungen schneller zur Anklage gebracht würden. Lange Strafverfahren dienen nicht der «Rechtssicherheit». Weder für die Opfer, noch für die Täter, die allenfalls nach einem mehrjährigen Prozess im Anschluss an eine Tat eine Gefängnisstrafe antreten müssen, obwohl sie seit Jahren nicht mehr delinquiert und völlig reintegriert sind.

Sandro Horlacher

legalis brief – Fachdienst Strafrecht

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