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VORGESTELLT

Sabrina Ramos und Luca Schärer – «Die junge Generation tritt mit anderen Erwartungen in den Arbeitsmarkt ein.»

Arbeitsrecht


MLaw Sabrina Ramos und MLaw Luca Schärer schlossen ihr rechtswissenschaftliches Studium im Herbst 2023 an der Universität Zürich ab. Zurzeit absolvieren sie ihr Anwaltspraktikum bei MME Legal, wo sie sich täglich mit spannenden und herausfordernden arbeitsrechtlichen Fragen auseinandersetzen.

Wo liegen im Moment Ihre Berührungspunkte mit dem Arbeitsrecht?

Unsere Berührungspunkte mit dem Arbeitsrecht sind im Rahmen unseres Anwaltspraktikums vor allem durch unsere Klientinnen und Klienten geprägt, welche sowohl Arbeitnehmende als auch Arbeitgebende umfassen. Dies ermöglicht uns, die unterschiedlichen Perspektiven und Bedürfnisse beider Seiten zu verstehen und entsprechend zu beraten.

Was sind Ihre alltäglichen Herausforderungen?

Das Arbeitsrecht ist stark von der Rechtsprechung geprägt. In diesem Sinne ist es erforderlich, stets auf dem neusten Stand zu sein, um die bestmögliche Beratung zu gewährleisten. Neben der Bewältigung von komplexen Rechtsfragen kommt sicherlich die emotionale Koordination und Lösungsfindung bei Konflikten zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden hinzu. Es ist eine Herausforderung, eine ausgewogene Lösung zu finden, die die Interessen beider Parteien berücksichtigt, besonders in komplexen oder emotional aufgeladenen Fällen.

Was sind Ihrer Meinung nach die grössten Stärken und Schwächen im Schweizer Arbeitsrecht/Arbeitsmarkt?

Ob etwas als Schwäche oder als Stärke wahrgenommen wird, hängt wohl davon ab, in welche Schuhe man schlüpft (Arbeitgeberseite/Arbeitnehmerseite).

Generell lässt sich jedoch sagen, dass die liberale Ausrichtung des Schweizer Arbeitsrechts, insbesondere in Bezug auf die Kündigungsfreiheit, ein wichtiger Faktor für den Erfolg des Schweizer Arbeitsmarktes ist. Die dadurch gewonnene Flexibilität ermöglicht es den Arbeitgebenden, dynamisch auf Veränderungen zu reagieren und ihre Unternehmen effizient zu führen. Gleichzeitig profitieren die Arbeitnehmenden, da die Kündigungsfreiheit auch die Bereitschaft zur Anstellung fördert und die Arbeitsplatzsicherheit nicht durch Überregulierung gefährdet wird.

Eine Schwäche des Arbeitsrechts liegt in seiner Unübersichtlichkeit, die auf seine starke Prägung durch die Rechtsprechung und seine Heterogenität zurückzuführen ist. Das Arbeitsrecht umfasst verschiedenste arbeitsrechtliche Erlasse und diverse Schnittstellen zu anderen Rechtsgebieten (z.B. zum Sozialversicherungs- und Ausländerrecht), was den Überblick erschweren kann. Darüber hinaus bedürfen zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln der Konkretisierung, was die Rolle der Gerichte umso stärker in den Vordergrund rückt.

Welches wäre Ihr wichtigster Tipp an Arbeitnehmer, welches an Arbeitgeber?

Unser wichtigster Tipp an Arbeitnehmende ist, sich stets über ihre Rechte zu informieren und bei Unsicherheiten rechtlichen Rat einzuholen. Für Arbeitgebende ist es essenziell, ein transparentes, faires und kooperatives Arbeitsumfeld zu schaffen, um Konflikte zu vermeiden und das Vertrauen zu stärken. Eine offene Kommunikation fördert nicht nur ein positives Arbeitsklima, sondern trägt auch zur Konfliktlösung bei.

Wie hat sich das Arbeitsrecht / der Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren Ihrer Meinung nach verändert?

Das Arbeitsrecht / der Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Jahren insbesondere durch die Digitalisierung und durch die zunehmende Bedeutung von Homeoffice und flexiblen Arbeitszeitmodellen massgeblich verändert. Diese Veränderungen haben neue rechtliche und organisatorische Herausforderungen mit sich gebracht, die es zu bewältigen gilt. Zudem treten die Bedürfnisse nach Work-Life-Balance, Nachhaltigkeit und Diversität immer stärker in den Vordergrund.

Welches ist Ihrer Meinung nach die grösste Herausforderung im Schweizer Arbeitsrecht/Arbeitsmarkt in den kommenden 10 Jahren?

Die grösste Herausforderung wird darin bestehen, das Arbeitsrecht an die sich wandelnde Arbeitswelt anzupassen. Dazu gehören unter anderem die Regulierung digitaler Arbeitsplätze und neuer Arbeitsmodelle, die Bewältigung des demografischen Wandels und die Integration ausländischer Arbeitskräfte. Es wird entscheidend sein, einen ausgewogenen Schutz der Rechte der Arbeitnehmenden zu gewährleisten, ohne die Flexibilität und Innovationsfähigkeit der Arbeitgebenden zu beeinträchtigen. Insbesondere die junge Generation tritt mit anderen Werten und Erwartungen in den Arbeitsmarkt ein, was eine Anpassung der Arbeitsbedingungen und Arbeitskulturen unerlässlich macht, um als Arbeitgebende wettbewerbsfähig zu bleiben.

In einer stark polarisierenden und politisch behafteten Disziplin wie dem Arbeitsrecht steht gerade der Gesetzgebungsprozess vor grösseren Hürden. In diesem Sinne wird wohl weiterhin eine Verlagerung auf die Rechtsprechung zu erwarten sein.

Martina Aepli | legalis brief ArbR 20.06.2024