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VORGESTELLT

Xenia Theocharides – «Viele Arbeitnehmer halten sich mit Feedbacks zurück, weil sie negative Konsequenzen befürchten.»

Arbeitsrecht

Xenia Theocharides absolvierte 2011 ihren Bachelor in Wirtschaftsrecht an der Zürcher Fachhochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). In der Folge war sie im Bereich Global Mobility tätig, wobei sie auch ihr Interesse an HR-Themen entdeckte, die Ausbildung zur HR-Fachfrau durchlief und von da an in verschiedenen HR-Positionen, u.a. im Bereich Grosshandel und in einer Privatbank in Zürich, tätig war. Zurzeit arbeitet sie im Zentrum für Angst- und Depressionsbehandlung Zürich (ZADZ), einer ambulanten Klinik, die aus einem ärztlichen und einem psychologisch-psychotherapeutischen Zentrum besteht.

Wo liegen im Moment Ihre Berührungspunkte mit dem Arbeitsrecht?

Bei meiner Arbeit als HR-Fachperson gelangen Mitarbeitende mit sehr praxisbezogenen Fragen – beispielsweise zu Arbeitszeitregelungen, Pausenregelungen oder Arbeitszeugnissen – an mich. Ein weiteres Thema ist die Vertragsgestaltung, insbesondere bei speziellen individuellen Regelungen.

Wann sind Sie das erste Mal mit dem Arbeitsrecht in Kontakt gekommen?

Meine ersten Berührungspunkte mit dem schweizerischen Arbeitsrecht hatte ich in den Anfängen meines Berufslebens, als ich zur Überbrückung zwischen einer Festanstellung und meinem Studium eine temporäre Stelle antrat, mir aber am zweiten Tag meiner Anstellung mitgeteilt wurde, dass meine Funktion gar nicht benötigt wird, und man mich buchstäblich wieder nach Hause schicken wollte. Da habe ich mich dann das erste Mal mit meinen Rechten und Pflichten als Arbeitnehmerin beschäftigt.

Eine intensivere, mehrheitlich theoretische Auseinandersetzung mit dem schweizerischen Arbeitsrecht fand dann während meines Studiums an der ZHAW statt, eine praktische später in meiner täglichen Arbeit in verschiedenen HR-Positionen.

Was sind ihre täglichen Herausforderungen?

HR-Fachpersonen im Gesundheitswesen sehen sich mit branchenspezifischen sowie kantonal differenzierten Auflagen konfrontiert, insbesondere im Bereich der Beschäftigungsbewilligungen.  Diese Bewilligungsverfahren erfolgen durch kantonale Behörden, die u. a. Lohn- und Arbeitsbedingungen oder die Anerkennung ausländischer Diplome prüfen. Vor dem Hintergrund des bestehenden Ärztemangels gewinnt diese Thematik zusätzlich an Dringlichkeit und Komplexität.

Was sind Ihrer Meinung nach die grössten Stärken und Schwächen im Schweizer Arbeitsrecht?

Das Schweizer Arbeitsrecht weist sicherlich eine wirtschaftlich sinnvolle Balance zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen auf. Arbeitnehmende sind durch umfassende Schutzbestimmungen abgesichert, dennoch haben Arbeitgeber durch liberale Kündigungsregelungen Möglichkeiten, Arbeitsverhältnisse – wo notwendig – zu beenden.

Aus Arbeitnehmersicht ist die Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers klar eine Schwachstelle im schweizerischen Arbeitsrecht.

Welches wäre ihr wichtigster Tipp an Arbeitnehmer, welches an Arbeitgeber?

Eine transparente Feedbackkultur leben, die es ermöglicht, Probleme und Kritik offen anzusprechen. Wer während des Arbeitsverhältnisses regelmässig und offen miteinander kommuniziert, bemerkt Unzufriedenheiten frühzeitig und kann diese gemeinsam angehen, bevor Probleme eskalieren.

Konstruktive und kritische Rückmeldungen zu geben, kann man üben und verinnerlichen, indem man beispielsweise monatliche Feedbackrunden in den Arbeitsalltag integriert. Leider ist es jedoch vielerorts so, dass Feedbacks lediglich während der Probezeit sowie ein bis zwei Mal jährlich eingeholt werden und sich viele Arbeitnehmer auch da zurückhalten, weil sie negative Konsequenzen befürchten.

Wie hat sich der Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren verändert?

Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber sind flexibler geworden. Vielerorts wurden Home-Office-Lösungen etabliert, es wird vermehrt Teilzeit gearbeitet oder spezielle Modelle wie bspw. die 4-Tage-Woche werden angeboten.

Auch ist das Bewusstsein für mentale und körperliche Gesundheit deutlich gestiegen. Firmen haben Programme etabliert, die darauf abzielen, dass sich Mitarbeitende bspw. mehr bewegen und gesünder ernähren, oder sie arbeiten mit externen Stellen zusammen, vor allem wenn um Themen der mentalen Gesundheit geht.

Welches ist Ihrer Meinung nach die grösste Herausforderung im Schweizer Arbeitsmarkt/Arbeitsrecht in den kommenden 10 Jahren?

In vielen Branchen wird es immer schwieriger, genügend Arbeits- und Fachkräfte zu finden. Eine andere Herausforderung sehe ich darin, die verschiedenen Arbeitsmodelle künftig arbeitsrechtlich abbilden zu können (Stichwort «workation»). Auch der Einfluss von KI und die Frage, ob wir flexibel genug sind, uns den stetigen Veränderungen anzupassen, wird uns künftig mehr beschäftigen.

Martina Aepli | legalis brief ArbR 22.09.2025