Laura Bodenmann – «Es ist unsere Pflicht als Strafverteidiger, den Klienten bestmöglich zu verteidigen und ein Gegengewicht zum Staat zu bilden.»
Straf- & Strafprozessrecht

Laura Bodenmann ist angestellte Advokatin in der Kanzlei Furer & Partner Rechtsanwälte in Basel. Nach Beendigung des Studiums an der Universität Basel absolvierte sie diverse Volontariate und arbeitet seit nunmehr vier Jahren in der Kanzlei. Daneben ist sie zudem Gemeinderatsmitglied einer Baselbieter Gemeinde sowie Stiftungsrätin der Stiftung Wasserfallen.
Wann sind Sie das erste Mal mit Strafrecht in Kontakt gekommen?
In meinen Anfängen als Autolenkerin hatte ich einen Unfall in einem Kreisel. Der Unfallverursacher fuhr davon ohne anzuhalten. Ich versuchte ihm noch nachzufahren, fand ihn aber nicht mehr und ging deshalb zum nächstgelegenen Polizeiposten, um Anzeige zu erstatten. Der Polizist nahm von meinem Auto eine Probe der Lackspur des anderen Fahrzeuges und erklärte mir, dass er meinen Angaben nicht einmal in einem Mordfall nachgehen würde. Ich konnte zwar nicht das Kennzeichen des anderen Fahrzeuges erkennen, wusste aber die Marke, die Farbe und das ungefähre Baujahr und war in der Lage, den Fahrer zu beschreiben. Nun gut, nach ungefähr drei Monaten fand ich jedenfalls das unfallverursachende Fahrzeug selbst und meldete es der Polizei, welche mich dazu bewegte, die Anzeige zurückzuziehen.
Was sind Ihre alltäglichen Herausforderungen?
Als Verteidiger ist man nicht nur Rechtsbeistand, sondern auch Psychologe und Sozialarbeiter. Ein Strafverfahren bringt nicht nur den Vorwurf einer Straftat mit sich, sondern beeinflusst das Leben einer betroffenen Person und das ihrer Nächsten in vielerlei Hinsicht. Nicht zuletzt dürfen die eigenen Moralvorstellungen oder ethischen Grundsätze im Strafverfahren keine Rolle spielen, denn wir sind unseren Klienten verpflichtet.
Es kommt ebenfalls vor, dass sich Klienten für andere Wege entscheiden, die ich als Strafverteidigerin nicht für optimal halte und welche nicht in die ursprüngliche Verteidigungsstrategie passen. In einem solchen Fall gilt es, dem Klient trotzdem beizustehen und ihn nicht zu bevormunden.
Welche Eigenschaften sind für eine Strafverteidigerin und/oder eine Opfervertreterin Ihrer Meinung nach wichtig?
Unter anderem Empathie und strategisches Denken. Wichtig ist aber auch, die Klienten trotz den Vorwürfen mit Respekt zu behandeln und ihre Ängste ernst zu nehmen. Natürlich braucht es in einem Strafverfahren auch eine gute Portion Selbstvertrauen. Denn des Öfteren stehen der Verteidigung nicht nur die Staatsanwaltschaft, sondern auch (mehrere) Privatkläger gegenüber.
Auch wenn dies für manche unverständlich klingen mag, darf man keine Mühe damit haben, einem Klienten – unabhängig davon, was ihm vorgeworfen wird – zu einem Freispruch oder zu einem möglichst milden Urteil zu verhelfen. Es ist unsere Pflicht als Strafverteidiger, den Klienten bestmöglich zu verteidigen und ein Gegengewicht zum Staat zu bilden.
Mit welcher Person aus dem Bereich des Strafrechts (aktuell oder historisch) würden Sie gerne für einen Tag die Rollen tauschen?
Ich würde gerne einmal die Rollen mit einem Pathologen tauschen und einer Obduktion beiwohnen.
Haben Ihre Erfahrungen mit dem Strafrecht Sie bzw. Ihre Sicht auf Menschen verändert?
Nein. Allerdings fällt mir seither viel mehr auf, wie oberflächlich und einseitig die Medien über Strafverfahren und Strafprozesse berichten, ohne die Hintergründe und Begleitumstände zu nennen. Die meisten Fälle sind weitaus komplexer, als sie dargestellt werden. Das Verlangen der Öffentlichkeit nach rigoroserem Vorgehen gegen Täter, höheren Strafen und mehr Vorschriften halte ich nicht für zielführend. Ausserdem darf nicht vergessen werden, dass die Strafverfahren bereits einen enormen Druck auf Beschuldigte und Opfer ausüben und als repressiv empfunden werden.
Seither ist mir ausserdem bewusst geworden, wie schnell es gehen kann, ins Visier von Strafverfolgungsbehörden zu kommen.
Machen Strafen Menschen zu besseren Leuten?
Das ist schwierig zu sagen. Aber es bietet sicherlich die Chance, aus Fehlern zu lernen.
Wenn Sie die Möglichkeit hätten, was würden Sie ändern (Strafnormen, Strafsystem, Prozess etc.)?
Die Entschädigung von amtlichen Verteidigern. Das Gericht hat einen grossen Ermessensspielraum bei der Festlegung, was als notwendiger Aufwand zu gelten hat. Um aber eine effiziente Verteidigung gewährleisten zu können, sind gerade gewisse Aufwendungen und finanzielle Mittel notwendig. Wünschenswert wäre überdies, wenn Richter ebenfalls Erfahrungen in der Privatwirtschaft, insbesondere in der Advokatur, vorweisen müssten, bevor sie ein Richteramt antreten.
Darüber hinaus ist es meiner Ansicht nach fragwürdig, inwiefern die Bestrafung von abstrakten Gefährdungsdelikten zielführend erscheint. Besonders im Bereich von Strassenverkehrsdelikten wird der Täter allzu vorschnell als «Verbrecher» stigmatisiert.
Marco Belser | legalis brief StrR 16.07.2025