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VORGESTELLT

Céline Schmid – «Die Schweiz steht vor einem wachsenden Fachkräftemangel.»

Arbeitsrecht

Céline Schmid ist Fachanwältin im Arbeitsrecht und seit Jahren vorwiegend in diesem Rechtsgebiet tätig. Ihren Bachelor- und Masterabschluss in Rechtswissenschaften absolvierte sie an der Universität Basel. Daraufhin war sie in einer führenden Wirtschaftskanzlei im Arbeitsrecht und M&A beschäftigt, erlangte ihren LL.M. in den USA und wechselte schliesslich zu Kellerhals Carrard. Im November 2025 ist sie der Redaktion von legalis brief – Fachdienst Arbeitsrecht beigetreten.

Wo liegen im Moment Ihre Berührungspunkte mit dem Arbeitsrecht?

Ich leite mit meinem Kollegen Daniel Alder das Arbeitsrecht-Team am Standort Zürich und unterstütze hierbei unsere Klienten bei sämtlichen arbeitsrechtlichen Fragestellungen, sowohl prozessierend wie auch beratend.

Wann sind Sie das erste Mal mit dem Arbeitsrecht in Kontakt gekommen?

Während dem Studium an der Universität Basel habe ich Arbeitsrecht als Wahlfach gewählt. Nach erfolgreich bestandener Anwaltsprüfung arbeitete ich als Gerichtsschreiberin am Zivilkreisgericht Basel-Landschaft West, wo mein Tätigkeitsbereich nebst zivilrechtlichen Streitigkeiten aller Art auch die Leitung von arbeitsrechtlichen Schlichtungsverhandlungen umfasste.  

Was sind Ihre alltäglichen Herausforderungen?

Meine alltäglichen Herausforderungen sind sehr vielfältig, da dieses Rechtsgebiet stark von der menschlichen Komponente geprägt ist. Dabei gilt es, rechtlich fundierte Lösungen zu finden und gleichzeitig den emotionalen Aspekten Rechnung zu tragen. Diese emotionale Komponente erfordert insbesondere bei Verhandlungen ein grosses Mass an Fingerspitzengefühl, um eine annehmbare Lösung zu erzielen, die sodann von beiden Parteien akzeptiert wird. Darüber hinaus ist der Arbeitsalltag internationaler geworden, weshalb ich tagtäglich mit komplexen internationalen Sachverhalten konfrontiert bin.

Gibt es eine berichtenswerte Episode aus Ihrer Tätigkeit im Bereich Arbeitsrecht? Was macht diese so besonders?

 Es sind die kleinen Momente der Wertschätzung und Dankbarkeit meiner Klientschaft, die meine Arbeit so besonders machen. Aber gerade bei Arbeitskonflikten, die für alle Beteiligten oft belastend und emotional herausfordernd sind, empfinde ich es als umso schöner, wenn am Ende einer erfolgreichen Schlichtungsverhandlung beide Parteien einander die Hand reichen und den Konflikt in gutem Einvernehmen abschliessen können.

Was sind Ihrer Meinung nach die grössten Stärken und Schwächen im Schweizer Arbeitsrecht/Arbeitsmarkt?

Eine grosse Stärke ist sicherlich, dass wir im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn ein sehr liberales Arbeitsrecht haben. Eine Schwäche sehe ich in der nachhinkenden Technik im Bereich des Arbeitsrechts. Es ist in der heutigen, zunehmend digitalisierten Welt für Laien oder internationale Unternehmen oft schwer nachvollziehbar, dass nicht alle Formen der elektronischen Signatur die Anforderung der Schriftlichkeit erfüllen. Dies kann zu Verwirrung und unnötigem finanziellem Mehraufwand führen.

Welches wäre Ihr wichtigster Tipp an Arbeitnehmer, welches an Arbeitgeber?

Für Arbeitgebende ist es aus meiner Sicht entscheidend, sich bewusst zu machen, wie wichtig Kommunikation im Umgang mit Arbeitnehmenden ist. Oftmals können bereits kleine Gesten der Wertschätzung dazu beitragen, eine angespannte Situation zu entschärfen. Gleichzeitig ist Kommunikation jedoch keine Einbahnstrasse, sie betrifft beide Seiten. Ich erlebe immer wieder, dass ein persönliches Gespräch oft mehr bewirken kann.

Wie hat sich das Arbeitsrecht / der Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren Ihrer Meinung nach verändert?

 Grundsätzlich stehen Arbeitnehmende wohl mehr für sich ein und kommunizieren ihre Bedürfnisse offener bei der Vertragsverhandlung sowie im Arbeitsverhältnis. Unter anderem führt dies zu flexibleren Arbeitsbedingungen, beispielsweise mit Teilzeitarbeit und Homeoffice-Möglichkeiten. Zudem denke ich, dass sich sowohl Arbeitnehmende wie auch Arbeitgebende durch die fortschreitenden technischen Möglichkeiten schneller und detaillierter über ihre Rechte und Pflichten informieren können.

Welches ist Ihrer Meinung nach die grösste Herausforderung im Schweizer Arbeitsrecht/Arbeitsmarkt in den kommenden 10 Jahren?

 Meiner Meinung nach sind die grössten Herausforderungen für den Schweizer Arbeitsmarkt eng mit der fortschreitenden Globalisierung, dem Fachkräftemangel und der Digitalisierung verknüpft. Zum einen wird der Arbeitsalltag immer internationaler. Unternehmen agieren auf globalen Märkten und beschäftigen Mitarbeitende aus den unterschiedlichsten Ländern. Dies erfordert eine klare rechtliche Grundlage, wie internationale Arbeitsverhältnisse gestaltet werden können. Besonders für die Schweiz als international ausgerichtetes Land ist das entscheidend, um auch künftig als attraktiver Wirtschaftsstandort für Fachkräfte aus aller Welt zu gelten.

Zum anderen steht die Schweiz vor einem wachsenden Fachkräftemangel, mit dem viele Unternehmen bereits heute zu kämpfen haben. Hier wird es auch darauf ankommen, arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen anzupassen, damit Teilzeitarbeit, flexible Arbeitsmodelle und Weiterbildungsmöglichkeiten erleichtert werden.

Und schliesslich entwickelt sich der Arbeitsalltag durch die Digitalisierung und neue Arbeitsformen wie «remote work», Homeoffice oder gleitende Arbeitszeiten in eine ganz neue Richtung. Diese Entwicklungen sind einerseits eine grosse Chance, um den Fachkräftemangel zu entschärfen, stellen Arbeitgeber und Gesetzgeber andererseits aber auch vor neue Aufgaben.

Marco Kamber | legalis brief ArbR 20.11.2025