Kriminalkommissär – «Dem dynamischen Umfeld müssen wir uns stetig anpassen können.»

Polizeiliche Massnahmen, StPO

Der Kriminalkommissär möchte anonym bleiben. Er ist 49 Jahre alt und seit 26 Jahren im Polizeidienst und bei der Kriminalpolizei tätig. Seit fünf Jahren ist er Kriminalkommissär und Leiter im Fachbereich der Strukturkriminalität bei der Kriminalpolizei Basel-Stadt. 

Wann sind Sie das erste Mal mit dem Strafrecht in Kontakt gekommen?

In der Polizeischule im Jahr 1996.

Was sind Ihre alltäglichen Herausforderungen?

Ermittlungs- und Untersuchungsverfahren sich komplex und aufwendig in der Bearbeitung. Demgegenüber stehen hohe Fallzahlen und begrenzte personelle Ressourcen. Dies führt dazu, dass wir eingehende neue Fälle professionell triagieren und je nach Thema prioritär an die Hand nehmen oder zurückstellen müssen. Gleichzeitig wird eine Strafverfolgungsbehörde in unserer schnelllebigen Zeit fortlaufend mit neuen Kriminalitätsformen und technischen Know-how konfrontiert. Diesem dynamischen Umfeld müssen wir uns stetig anpassen können.

Mit welcher Person aus dem Bereich des Strafrechts (aktuell oder historisch) würden Sie gerne für einen Tag die Rollen tauschen?

Ich sehe mich klar und gerne in meiner heutigen Rolle bzw. Funktion als Kriminalkommissär. Dennoch würde ich gerne einen Tag mit einem Richter am Strafgericht die Rolle tauschen.

Haben Ihre Erfahrungen mit dem Strafrecht Sie bzw. die Sicht auf Menschen verändert?

Die Polizei- und Strafverfolgungsbehörden haben in ihren Aufgaben mit allen Bevölkerungsschichten zu tun und erleben tätlich hautnah den Puls unserer Gesellschaft. Natürlich sehen wir dabei nicht nur die guten, sondern vor allem die schlechten Seiten der Menschen. Damit dies unser eigenes Menschenbild nicht negativ beeinflusst, müssen wir professionelle Distanz lernen.

Machen Strafen Menschen zu besseren Leuten?

Nein. Eine Strafe allein verändert das Verhalten oder Einstellung zu den strafrechtlichen und rechtsstaatlichen Regeln in vielen Fällen nicht.

Wenn Sie die Möglichkeit hätten, was würden Sie ändern (Strafnormen, Strafsystem, Prozess etc.)?

Grundsätzlich verdient unser Prozessrecht ein Kompliment und führt bei der Bekämpfung der Alltagskriminalität zum Ziel. Die Erfahrungen in unseren Nachbarländern zeigen, dass sich zunehmend auch eine Clan- resp. Strukturkriminalität etabliert. Dies geschieht auch in der Schweiz. Die heutigen Rechtsmittel sind nicht ausreichend, um diese organisierte Kriminalitätsform nachhaltig zu bekämpfen und schwere Straftaten vor Gericht zu bringen. Bei einer Gesetzesrevision sollte diesem Umstand Beachtung geschenkt werden.

Cinzia Fallegger-Santo | legalis brief StrR 18.07.2023