Schändung / Stealthing

Art. 189 ff., Art. 198 StGB , Art. 3 und Art. 8 EMRK , Art. 36 Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt [Istanbul-Konvention]

Beweisrecht, Sexuelle Integrität

Der Beschwerdegegner hatte während des einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs mit einer Frau ohne deren Wissen das Kondom abgestreift und den Geschlechtsverkehr ungeschützt fortgesetzt, obwohl sie sich den Schutz ausdrücklich ausbedungen hatte (sog. Stealthing). Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragte, er sei eventuell gemäss Art. 191 StGB (Schändung) schuldig zu sprechen und angemessen zu bestrafen. Die Vorinstanz vertrat die Ansicht, eine Handlung im Sinne von Art. 191 StGB scheide wegen der grundsätzlichen Einvernehmlichkeit von vornherein aus. Gemäss Art. 191 StGB macht sich schuldig, wer eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustandes zu einer sexuellen Handlung missbraucht. Nach der Rechtsprechung gilt als im Sinne von Art. 191 StGB widerstandsunfähig, wer nicht imstande ist, sich gegen ungewollte sexuelle Kontakte zu wehren, weil er seinen Abwehrwillen nicht (wirksam) fassen oder äussern oder in einen Abwehrakt umsetzen kann. Stealthing charakterisie [...]

Nelly Haldi | legalis brief StrR 23.08.2022