Gerichtsweibelin Maja Durrer - «Meine Erfahrung ist, dass der Gang an das Strafgericht schon für viele Angeklagte sehr unangenehm und manchmal auch peinlich ist.»

StGB AT, StGB BT, Strafen und Massnahmen

Maja Durrer ist 43 Jahre alt und arbeitet als Gerichtsweibelin beim Strafgericht des Kantons Basel-Stadt. Wenn sie nicht bei der Arbeit ist, geniesst sie in ihrer Freizeit ihren Garten sowie das Motorradfahren. Mit dem Wohnmobil entdeckt sie zudem die Welt.

Wann sind Sie das erste Mal mit dem Strafrecht in Kontakt gekommen?

Bis jetzt noch nie persönlich. Eigentlich wollte ich von Kind auf Polizistin werden. Daher habe ich mich immer – so gut wie möglich – an die Gesetze gehalten.

Was sind Ihre alltäglichen Herausforderungen?

Meine alltäglichen Herausforderungen sind unsere verschiedenen Weibelaufgaben, die wir haben. Eine Aufgabe ist es, die Gerichtsverhandlungen vorzubereiten und bis zum Schluss zu betreuen. Beim Aussendienst händigen wir die Vorladungen persönlich an die Parteien aus und bringen dem Appellationsgericht, der Staatsanwaltschaft und weiteren Ämtern, wie dem Migrationsamt oder dem Inkasso des JSD, Akten und Dokumente vorbei. Hinzu kommt noch der Scanning-Dienst, bei dem wir Akten und Dokumente in das Fallführungsprogramm einlesen, so dass diese den Präsidien und den Mitarbeitenden digital zur Verfügung stehen. Die an den Verfahren beteiligten Parteien, Verteidigung und Staatsanwaltschaft erhalten die Verfahrensakten mittels eines USB-Sticks, der ebenfalls vom Weibeldienst erstellt wird. Schliesslich erfüllt der Weibeldienst auch noch eine Sicherheitsfunktion, indem er an der Porte des Strafgerichts externe Personen streng kontrolliert.

Mit welcher Person aus dem Bereich des Strafrechts (aktuell oder historisch) würden Sie gerne für einen Tag die Rollen tauschen?

Ich würde gerne mal die Rolle einer Gerichtspräsidentin übernehmen und einen Fall selbst beurteilen.

Haben Ihre Erfahrungen mit dem Strafrecht Sie bzw. die Sicht auf Menschen verändert?

Ja und Nein. Ich habe noch mehr gelernt, die Gesetze einzuhalten. Vor allem im Strassenverkehr, da achte ich noch mehr auf die Verkehrsregeln. Ansonsten habe ich gelernt, wenn ich das Geschäft verlasse, nichts nachhause zu nehmen. Klar, es gibt extreme Fälle der Gewalt, wie Mord, Vergewaltigung, Schändung, Kindesmissbrauch und Tierquälerei, die mich verfolgen, auch wenn ich bereits zuhause bin. Aber eigentlich versuche ich wirklich, sobald ich das Strafgericht verlasse, alles hinter mir zulassen. 

Machen Strafen Menschen zu besseren Leuten?

Auch hier kann ich nur mit Ja und Nein antworten. Gewisse Beschuldigte werden durch eine Strafe nicht verändert, zumal sie immer wieder kommen. Andere Beschuldigte, die eine Strafe bekommen, nehmen diese, gerade wenn diese bedingt ausgesprochen wird, als Warnung und zweite Chance wahr. Tatsächlich gibt es Beschuldigte, die in Haft sind und sich in der Haft weiterbilden, um sich zu verbessern. Oft werden diese Personen auch wegen guter Führung früher entlassen. Ganz generell ist meine Erfahrung, dass der Gang an das Strafgericht für sich schon für viele Angeklagte sehr unangenehm und manchmal auch peinlich ist.

Wenn Sie die Möglichkeit hätten, was würden Sie ändern (Strafnormen, Strafsystem, Prozess etc.)?

Hierzu kann ich nicht viel sagen, da ich mich bei meiner Arbeit als Gerichtsweibelin zu wenig mit dem Strafgesetzbuch als solches auseinandersetze. Allerdings finde ich schon, dass die Strafen bei Gewalttaten, wie z.B. Mord, Vergewaltigung, Kindsmissbrauch und Tierquälerei, noch strenger sein könnten.

Cinzia Fallegger-Santo | legalis brief StrR 19.12.2023