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VORGESTELLT

Lea Bachmann – «Der Strafprozess soll Innovationen nicht unangemessen hemmen.»

StGB BT, StPO

Lea Bachmann studierte Rechtswissenschaft an der Universität Basel. Ab 2019 arbeitete sie als Hilfsassistentin resp. als Studentin in Assistenzfunktion an der Professur für Strafrecht und Strafprozessrecht von Prof. Dr. iur. Sabine Gless. Seit Abschluss des Masterstudiums im Winter 2022 arbeitet sie ebenda als wissenschaftliche Mitarbeiterin und hat im September 2022 mit ihrer Dissertation zum Thema «Compliance für künstliche Intelligenz im Unternehmen» begonnen.

Wann sind Sie das erste Mal mit Strafrecht in Kontakt gekommen?

Ich kam zum ersten Mal in der Strafrecht AT Vorlesung an der Universität Basel mit dem Strafrecht in Kontakt. Zwar interessierten mich die dogmatischen Fragen des Strafrecht AT, aber da die komplexen dogmatischen Fragen der Einfachheit halber jeweils an Fällen mit Delikten gegen Leib und Leben illustriert wurden, konnte ich mich nicht so richtig damit anfreunden. Die Fälle waren mir zu «brutal».

Mein Interesse für das Strafrecht wurde dann erst in der Strafrecht BT Vorlesung ein Jahr später geweckt, als es um die Vermögensdelikte ging. Mich faszinierte die Komplexität der Vermögensdelikte, die vielen umstrittenen Fragen und die kriminelle Energie, die bspw. hinter einem ausgeklügelten Betrug steckt.

Was sind Ihre alltäglichen Herausforderungen?

Zu meinen täglichen Herausforderungen gehören, den Leistungssport (Stabhochsprung) und das Schreiben meiner Dissertation resp. die Arbeit an der juristischen Fakultät sinnvoll unter einen Hut zu bringen.

Mit welcher Person aus dem Bereich des Strafrechts (aktuell oder historisch) würden Sie gerne für einen Tag die Rollen tauschen?

Sehr gerne würde ich einmal in die Rolle einer Bundesrichterin in der strafrechtlichen Abteilung schlüpfen. Mich würde nämlich sehr wundernehmen, wie die Entscheide zu Stande kommen, aber auch, wie es sich anfühlt, wenn man so viel Verantwortung auf sich trägt und tagtäglich mit Kriminalität konfrontiert wird.

Haben Ihre Erfahrungen mit dem Strafrecht Sie bzw. die Sicht auf Menschen verändert?

Ich habe gelernt resp. lerne jeden Tag erneut, dass es Kriminalität nicht nur in Krimis und Serien, sondern auch im echten Leben gibt. Gross verändert hat sich meine Sicht auf die Menschen dadurch aber nicht. Ich glaube grundsätzlich an das Gute im Menschen.

Machen Strafen Menschen zu besseren Leuten?

Das kann ich nur sehr schwer beantworten, da ich mich mit dieser Frage bisher nicht vertieft auseinandergesetzt habe und auch keine praktischen Erfahrungen sammeln konnte. Nach dem was ich gehört und gelesen habe, dürfte es in Bezug auf die Wirkung der Strafe sehr auf den Einzelfall und die Art der Strafe ankommen. Insbesondere hängt die Frage aber auch davon ab, was man als «besseren Menschen» bezeichnet.

Wenn Sie die Möglichkeit hätten, was würden Sie ändern (Strafnormen, Strafsystem, Prozess etc.)?

Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr kommt mir dazu in den Sinn. Beispielsweise sollte m.E. – wie von vielen bedeutenden Stimmen in der Lehre gefordert –, das Modell der primären Unternehmensstrafbarkeit in Art. 102 Abs. 2 StGB auf sämtliche Delikte ausgedehnt werden. Auch sollte das Beweisantragsrecht der beschuldigten Person gestärkt werden.

Zuerst würde ich jedoch ein «Beweisführungsrecht» für beschuldigte Hersteller smarter Produkte einführen. Damit könnte einerseits das Blackbox-Problem smarter Produkte umgangen werden und andererseits würde dafür gesorgt, dass das Strafprozessrecht Innovationen in der «schönen neuen Welt» smarter Produkte nicht unangemessen beeinträchtigt oder gar verhindert. Was ich damit genau meine, kann in meinem Beitrag in der ZStrR (Prozedurale Entlastung von Herstellern «smarter» Produkte im Strafrecht?, ZStrR 140 (2022), 77-111) oder in gekürzter Form im Leitartikel des legalis brief 07/2022 nachgelesen werden.

Simone Kaiser | legalis brief StrR 21.11.2022