Eva Viola Bohnenblust – «Gerade im Familienrecht ist es wichtig, nachhaltige Lösungen für Konflikte zu erarbeiten.»
Familienrecht

Eva Viola Bohnenblust studierte Rechtswissenschaften an der Universität Zürich und erlangte im Jahr 2018 das zürcherische Anwaltspatent. Sie arbeitete mehrere Jahre in der Zürcher Justiz, zuletzt als Ersatzrichterin in familienrechtlichen Verfahren am Bezirksgericht Horgen. Seit 2019 ist Eva Viola Bohnenblust als Anwältin im Familienrecht tätig, seit 2024 als Gründungspartnerin von FamPlus AG. Im Juni 2025 erlangte sie den Titel Fachanwältin SAV Familienrecht. Sie referiert regelmässig zu familienrechtlichen Themen und ist Dozentin für Familienrecht bei Treuhand Suisse.
Welche Verbindung haben Sie zum Familienrecht?
Ich bin seit über sechs Jahren als Anwältin und inzwischen auch als Mediatorin und clp-Anwältin (Collaborative Law and Practice) im Familienrecht tätig. Nach Tätigkeiten bei einer grossen Wirtschaftskanzlei und anschliessend für mehrere Jahre an einem Bezirksgericht, wurde mir klar, dass das Familienrecht für mich das passende Rechtsgebiet ist. Im Familienrecht gilt es nicht nur juristisch komplexe Fragestellungen zu klären, sondern viel Empathie für die menschlich herausfordernden Situationen der Klientinnen und Klienten aufzubringen und diesen «hands-on» zur Seite zu stehen.
Was sind Ihre alltäglichen Herausforderungen?
In teils hitzigen Situationen einen kühlen Kopf bewahren, alle Bälle gleichzeitig jonglieren, priorisieren und sich rasch ändernden Ausgangslagen adäquat anpassen.
Sie sind nicht nur prozessierend und beratend als Familienrechtsanwältin tätig, sondern auch als Mediatorin und clp-Anwältin. Was motiviert Sie zu diesen Tätigkeiten?
Gerade im Familienrecht ist es wichtig, nachhaltige Lösungen für Konflikte zu erarbeiten. Denn wenn gemeinsame Kinder vorhanden sind, bleiben die Eltern ein Leben lang miteinander verbunden. Mithilfe einer Mediation oder eines clp-Verfahrens können solche Lösungen erarbeitet und langwierige sowie nervenaufreibende Gerichtsverfahren vermieden werden. Diese alternativen Streitbeilegungsmethoden liegen mir besonders am Herzen, denn ich bin überzeugt davon, dass sie letztlich dem ganzen Familiensystem zugutekommen.
Wie entscheiden Sie, wann Sie als Mediatorin, wann als clp-Anwältin und wann als klassische Anwältin tätig sind?
Dieser Entscheid liegt selbstverständlich bei den Klientinnen. Ich weise potenzielle Klienten allerdings bereits beim ersten Kontakt auf alternative Streitbeilegungsmethoden hin und informiere sie über die jeweiligen Vor- und Nachteile. Meiner Erfahrung nach lassen sich anhand bestimmter Indikatoren passende Methoden erkennen – während andere dadurch als ungeeignet erscheinen.
Sie haben diesen Juni die Ausbildung zur Fachanwältin SAV Familienrecht abgeschlossen. Wie konnten Sie von dieser Ausbildung profitieren?
Einerseits konnte ich mein Fachwissen vertiefen, insbesondere im Güterrecht und im internationalen Familienrecht. Andererseits legt die Ausbildung grossen Wert darauf, die angehenden Fachanwältinnen und Fachanwälte in angrenzenden Rechtsgebieten – wie dem Steuerrecht, dem Migrationsrecht und dem Sozialversicherungsrecht – zu schulen. Die Sensibilisierung für Problemstellungen aus anderen Rechtsgebieten erweist sich in meiner Beratungspraxis als sehr hilfreich. Schliesslich konnte ich grossartige Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Schweiz kennenlernen. Von diesem Austausch habe ich nicht nur fachlich profitiert, sondern auch persönlich; er hat mich dazu gebracht, mich vertieft mit meiner Rolle als Familienrechtsanwältin auseinanderzusetzen.
Welchen Tipp würden Sie künftigen Absolventinnen und Absolventen des Lehrganges mitgeben?
Der zeitliche Aufwand der Ausbildung ist nicht zu unterschätzen. Neben der reinen Präsenzpflicht bei den Modulen waren die Prüfungsvorbereitung, das Verfassen einer schriftlichen Fallbearbeitung und die Vorbereitung eines kursinternen Referats sehr zeitintensiv. Dies mit der alltäglichen, teilweise fristgebundenen Arbeit zu vereinbaren, war herausfordernd. Ich rate künftigen Absolventinnen und Absolventen daher, vor bzw. während des Kurses möglichst keine neuen (strittigen) Verfahren anzunehmen.
Wie hat sich das Familienrecht in den vergangenen Jahren Ihrer Meinung nach verändert?
Es gibt immer weniger Familien mit klassischer Rollenteilung und die Familienmodelle werden vielfältiger. Diese Entwicklung wirkt sich selbstverständlich auch auf das Familienrecht aus. Betreuungsanteile werden berechnet, Unterhaltsberechnungen werden komplexer, und nicht zuletzt beobachte ich einen Anstieg von Gerichtsentscheiden zu Besuchsrechten Dritter (gemäss Art. 274a ZGB).
Welches ist Ihrer Meinung nach die grösste Herausforderung im Schweizer Familienrecht in den kommenden 10 Jahren?
In den letzten Jahren ist die Zahl familienrechtlicher Verfahren gestiegen. Es ist sodann mein persönlicher Eindruck, dass hochkonfliktreiche Trennungen und Scheidungen zugenommen haben. Die Gründe hierfür sind wohl vielfältig. Meiner Meinung nach könnte es auch daran liegen, dass die aktuellen familienrechtlichen Verfahren in solchen Situationen nicht geeignet sind, die bestehenden Konflikte zu lösen, sondern diese teilweise anheizen. Die Frage wird vor allem sein, wie sich das Familienverfahrensrecht in Zukunft weiterentwickeln lässt – sei es durch die Einführung von Familiengerichten, die Verpflichtung zu alternativen Streitbeilegungsmethoden, psychologischen Beratungen oder durch weitere Massnahmen, wie sie in ausländischen Rechtsordnungen teilweise bekannt sind.
Severin Boog | legalis brief FamR 31.07.2025