Simon Furler – «Meines Erachtens ist im Unterhaltsrecht die grösste Stärke und Schwäche zugleich die Einzelfallgerechtigkeit.»
Familienrecht

Simon Furler hat im Jahr 2014 seinen Masterabschluss in Rechtswissenschaften an der Universität Basel erlangt. Nach Volontariaten bei einer schweizweit tätigen Rechtsschutzversicherung, am Zivilgericht und in der Advokatur erlangte er im Jahr 2018 das Anwaltspatent. Seither ist er zuerst als angestellter und ab dem Jahr 2023 als selbstständiger Advokat hauptsächlich auf dem Gebiet des Familienrechts tätig. Im Jahr 2025 erlangte er den Titel «Fachanwalt SAV Familienrecht». Er ist seit dem Jahr 2023 Mitglied des Redaktorenteams für den Newsletter legalis brief – Fachdienst Familienrecht.
Welche Verbindung haben Sie zum Familienrecht?
Seit dem Abschluss meines Studiums im Jahre 2014 bin ich überwiegend im Bereich des Familienrechts tätig. Zuerst während der auf das Studium folgenden Volontariate und danach als angestellter und selbständiger Advokat. Der Anteil an familienrechtlichen Mandaten hat dabei im Verlauf der Zeit immer mehr zugenommen. Seit Januar 2023 bin ich im Redaktorenteam des Newsletters legalis brief – Fachdienst Familienrecht und publiziere regelmässig zu familienrechtlichen Themen.
Was sind ihre alltäglichen Herausforderungen?
Trennungen und Scheidungen sind einschneidende Erlebnisse für die Klientschaft. Es gilt die Klienten in dieser Ausnahmesituation aufzufangen und laufend zu unterstützen. Ebenfalls ist es wichtig, allenfalls unrealistische Vorstellungen oder Wünsche hinsichtlich des Prozessausgangs von Anfang an zu klären. Daneben erlebe ich die gleichen Herausforderungen wie jeder andere prozessierende Anwalt: Es gilt die diversen Fristen im Auge zu behalten und die Kommunikation mit der Klientschaft und den Anwaltskollegen zu erledigen.
Gibt es Anekdoten aus Ihrer Tätigkeit?
Aufgrund des Berufsgeheimnisses kann ich nicht über Einzelfälle berichten. Für mich sind die wertvollsten Momente, wenn nach intensiven Verhandlungen eine Lösung gefunden werden kann, welche für alle Parteien gut annehmbar ist.
Wenn Sie die Möglichkeit hätten, etwas im Familienrecht ändern zu können, was wäre das?
Meines Erachtens sollten Ehegatten und Eltern über die Auswirkungen einer Eheschliessung oder einer Elternschaft ohne Eheschliessung informiert werden. Aus meiner persönlichen Erfahrung klären wenige die sich stellenden Fragen für Finanzen und Vorsorge im Voraus ab oder schliessen einen Ehevertrag bzw. einen Konkubinatsvertrag.
Aufgrund der mannigfaltigen Familienkonstellationen insbesondere im Bereich der Fortsetzsetzungsfamilien hat das Unterhaltsrecht einen hohen Komplexitätsgrad erreicht. Es wäre angebracht, diesbezüglich in Zukunft wieder eine Vereinfachung zu schaffen.
Welches ist Ihr wichtigster Tipp in familienrechtlichen Verfahren?
Insbesondere Parteien mit Kindern sollten versuchen, die angestrebte Lösung mit Blick auf das Wohl der Kinder zu treffen. Auch wenn eine Ehe geschieden wird, bleiben die Eltern durch die Elternschaft oft noch lange miteinander verbunden. Die Parteien sollten sich deshalb immer und trotz des bestehenden Streits respektvoll gegenübertreten.
Wie hat sich das Familienrecht in den vergangenen Jahren Ihrer Meinung nach verändert?
Die Komplexität des Unterhaltsrechts ist meines Erachtens die grösste Veränderung. Auch die vom Parlament bewusst vorgenommene Stärkung der alternierenden Obhut im Rahmen der Revision des Kinderunterhaltsrechts hat die Dynamik in familienrechtlichen Verfahren verändert. Das Gericht muss die Anordnung einer alternierenden Obhut prüfen. Dies führt bei gewissen Parteien zu einer Erwartungshaltung, die alternierende Obhut erzwungenermassen umzusetzen, obwohl die Betreuung bisher überwiegend von einem Elternteil geleistet wurde.
Welches sind Ihrer Meinung nach die grössten Stärken und Schwächen im Schweizer Familienrecht?
Die grösste Stärke und Schwäche zugleich ist meines Erachtens bspw. im Unterhaltsrecht die Einzelfallgerechtigkeit. Diese führt dazu, dass eine Lösung bzw. ein Entscheid klar auf den Einzelfall zugeschnitten ist und das Gericht aufgrund des vorhandenen Ermessens eine für dieses Familiensystem passende Lösung suchen muss. Gleichzeitig führt sie aber auch zu einem hohen Grad an Komplexität sowie zu längeren Verfahren. Lange Verfahren sind für die Parteien belastend. Hinzu kommt, dass aufgrund der Komplexität die Parteien teilweise Schwierigkeiten haben, das Ergebnis zu verstehen und zu akzeptieren.
Was ist Ihrer Meinung nach die grösste Herausforderung im Schweizer Familienrecht in den kommenden 10 Jahren?
Der Bundesrat möchte das Familienverfahrensrecht modernisieren. Es sollen rasche und einfache Verfahren durchgeführt und die einvernehmliche Konfliktlösung gestärkt werden. Dies ist meines Erachtens nur möglich, wenn die zuständigen Stellen personell die notwendigen Ressourcen erhalten. Es reicht nicht aus, die Voraussetzungen nur auf Gesetzesebene umzusetzen. Auch sollte das Unterhaltsrecht vereinfacht werden, um die Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen.
Weshalb haben Sie sich dazu entschieden, die Weiterbildung zum Fachanwalt SAV Familienrecht zu absolvieren?
Da ich bereits seit mehreren Jahren fast ausschliesslich im Familienrecht tätig war, war die Weiterbildung zum Fachanwalt SAV Familienrecht für mich eine logische Fortführung dieser Vertiefung.
Insbesondere das daraus wachsende Netzwerk mit anderen stark spezialisierten Kolleginnen und Kollegen habe ich als grossen Gewinn empfunden. Auch wenn der zeitliche Aufwand für die Fachanwaltsausbildung nicht zu unterschätzen ist, kann ich diese allen wärmstens empfehlen und würde sie jederzeit erneut machen.
Nadine Grieder | legalis brief FamR 30.09.2025